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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §129 Abs10 idF 1996/042;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Maria Clarissa Mayrhofer-Grünbühel in Leopoldsdorf i.M., vertreten durch Dr. Gerd Hartung, Rechtsanwalt in Wien XVII, Elterleinplatz 1, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 17. Juni 1998, Zl. MD-VfR - B XIII-2/98, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtenen Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft und des Gebäudes in Wien XIII, Maxingstraße 26.
Mit Schreiben vom 18. November 1996 brachte ein Mieter eines Bestandsobjektes auf der gegenständlichen Liegenschaft zur Anzeige, daß im Hof des dortigen Gebäudes eine Fläche von ca. 107 m2 mit Pflastersteinen befestigt werde. Am 29. Juli 1997 stellte die Baubehörde erster Instanz durch Erhebung fest, daß auf einer ca. 5 m mal 5 m großen Fläche, die sich in einer Entfernung von etwa 15 m von der Baulinie an der Maxingstraße befindet, ein Kraftfahrzeug abgestellt wurde. Am 16. September 1997 wurde der Baupolizei ein Photo übermittelt, auf dem ersichtlich ist, daß auf dieser Fläche zwei Kraftfahrzeuge abgestellt waren. Der Sachverhalt wurde der Beschwerdeführerin im Zuge der an Ort und Stelle am 7. November und 10. Dezember 1997 durchgeführten mündlichen Verhandlungen zur Kenntnis gebracht. Die Beschwerdeführerin führte aus, daß das Einstellen der Kraftfahrzeuge durch älteres Recht als jenes nach der Bauordnung für Wien und des Wiener Garagengesetzes gerechtfertigt sei. In der Verhandlung vom 10. Dezember 1997 brachte sie ergänzend vor, daß es sich um die Benutzung des bestehenden Konsenses handle, der darin bestehe, daß die Hoffläche bis zum Ende des vorhandenen linken Flügeltraktes reiche. Auch vor der derzeitigen Befestigung seien Kraftfahrzeuge aus- und eingefahren und im Hof gestanden. Der Hofbestand sei schon vor Inkrafttreten des Wiener Garagengesetzes vorhanden gewesen; da die befestigte Fläche geringer als die Hoffläche sei, seien die Bestimmungen der Wiener Bauordnung und des Wiener Garagengesetzes jedenfalls eingehalten.
In der Folge erließ die Baubehörde erster Instanz gegenüber der Beschwerdeführerin einen auf § 129 Abs. 10 BO gestützten Auftrag, die ohne Baubewilligung vorgenommene Einstellung von zwei Kraftfahrzeugen auf einer ca. 5 m mal 5 m großen befestigten Fläche, die außerhalb des durch den Vordertrakt und die beiden Flügeltrakte gebildeten Hofes auf der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche liegt, zu unterlassen. Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid insofern abgeändert, als der Auftrag erteilt wurde, unmittelbar nach Rechtskraft des Bescheides das Einstellen von Kraftfahrzeugen auf der in einem Abstand von 15 m von der Baulinie an der Maxingstraße gelegenen, mit Pflastersteinen befestigten Fläche im Ausmaß von ca. 5 m mal 5 m, die nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes gärtnerisch auszugestalten ist, zu unterlassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, im geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 6062 (richtig: 6026) sei die gegenständliche Liegenschaft, die die Form eines langgestreckten Rechteckes aufweise, als Bauland-Wohngebiet gewidmet. Auf der Liegenschaft sei ein Gebäude errichtet, das einen Straßen- und zwei Flügeltrakte aufweise. Im Bereich des durch die Flügeltrakte gebildeten Hofes sei in einer Entfernung von 12 m von der Baulinie an der Maxingstraße eine Baufluchtlinie festgelegt. Im Anschluß an diesen bebaubaren Bereich sei die gärtnerische Ausgestaltung angeordnet. Gemäß § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes seien Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen auf gärtnerisch auszugestaltenden Teilen der Liegenschaft grundsätzlich unzulässig. Kleinanlagen mit einer Bodenfläche bis zu 5 m2 seien in der Bauklasse I und II auf seitlichen Abstandsflächen, im Vorgarten jedoch dann zulässig, wenn ihre Errichtung auf seitlichen Abstandsflächen oder auf Teilen der Liegenschaft, die der Bebauung offenstehen, im Hinblick auf die Geländeverhältnisse oder wegen des vorhandenen Baubestandes nicht zumutbar sei.
Im Beschwerdefall bestehe die Vorschriftswidrigkeit darin, daß Kraftfahrzeuge auf einem gärtnerisch auszugestaltenden Teil der Liegenschaft abgestellt würden, was gemäß § 4 Abs. 4 WGG unzulässig sei. Die Frage, ob es sich bei der durch die beiden Flügeltrakte und den Straßentrakt umschlossenen Fläche um einen Hof im Sinne des § 3 Abs. 2 WGG handle, könne daher dahingestellt bleiben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 lit. b des Wiener Garagengesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 43/1996 (WGG) bedarf die Verwendung von Flächen oder Räumen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen, ohne daß eine Bauführung erfolgt, insoweit hiefür eine behördliche Bewilligung noch nicht vorliegt, einer baubehördlichen Bewilligung im Sinne der §§ 60, 70 oder 71 der Bauordnung für Wien. Nach Abs. 2 dieses Gesetzes bedarf keiner Bewilligung gemäß Abs. 1 lit. b das Einstellen von höchstens zehn Krafträdern oder zwei Kraftwagen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von je 3.500 kg auf einer unbebauten Liegenschaft oder in einem nicht allseits durch Gebäudemauern umschlossenen Hof von mindestens 80 m2 Grundfläche, weiters im Seitenabstand gegen Nachbarliegenschaften, wenn dieser Seitenabstand mindestens 3 m breit ist. Die Bestimmungen der §§ 5 und 6 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie die Vorschriften über den Betrieb von Einstellplätzen gelten auch für solche Anlagen.
Gemäß § 4 Abs. 4 leg. cit. sind Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen auf gärtnerisch auszugestaltenden Teilen der Liegenschaft grundsätzlich unzulässig; Kleinanlagen mit einer Bodenfläche bis zu 50 m2 sind in der Bauklasse I und II auf seitlichen Abstandsflächen, im Vorgarten jedoch dann zulässig, wenn ihre Errichtung auf seitlichen Abstandsflächen oder auf Teilen der Liegenschaft, die der Bebauung offenstehen, im Hinblick auf die Geländeverhältnisse oder wegen des vorhandenen Baubestandes nicht zumutbar ist. Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/1996 (BO) ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen.
Bei Verletzung der Bestimmungen über die baubehördliche Bewilligungspflicht nach dem Garagengesetz sind die Bestimmungen des § 129 Abs. 10 BO über die Beseitigung vorschriftswidriger Zustände anzuwenden, weil nach § 1 Abs. 2 WGG die Bestimmungen der Bauordnung gelten, soweit das WGG keine ausreichenden Vorschriften enthält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, Zl. 94/05/0351, und die dort zitierte hg. Vorjudikatur).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 129 Abs. 10 BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 42/1996 stets die Auffassung vertreten, daß die Erlassung eines auf § 129 Abs. 10 BO gestützten Beseitigungsauftrages nur dann rechtmäßig ist, wenn die den Gegenstand des Beseitigungsauftrages bildende Bauführung sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung der Baubewilligung bedurfte. Diese Rechtsansicht ist analog auf die Rechtslage nach der Novelle LGBl. Nr. 42/1996 anzuwenden. Gleiches gilt für den Fall der Vorschriftswidrigkeit; die Erlassung eines auf § 129 Abs. 10 BO gestützten Auftrages ist daher in einem derartigen Fall nur dann rechtmäßig, wenn die baurechtlich relevante Maßnahme sowohl im Zeitpunkt ihrer Durchführung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des auf § 129 Abs. 10 BO gestützten Bescheides vorschriftswidrig war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Dezember 1985, Zl. 85/05/0144, BauSlg. 591, sowie vom 1. April 1960, Slg. Nr. 5257/A, u.v.a.).
Das Gebäude, das an der Staßenfront zur Maxingstraße in geschlossener Bebauungsweise errichtet wurde, stammt jedenfalls hinsichtlich des Straßentraktes aus dem vorigen Jahrhundert. Es weist mittig eine durch den gesamten Straßentrakt verlaufende, 2,15 m breite Einfahrt in einen Hof auf. Die gesamte Grundstücksbreite beträgt 21,05 m, an der rechten Grundgrenze liegt ein ca. 33 m langer, 5,15 m breiter Seitentrakt, an der linken Grundstücksgrenze ist ein ca. 10 m langer, 4,33 m breiter Seitentrakt errichtet. Das Grundstück ist 78,45 m tief. Gemäß dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 6026, ist die Liegenschaft als Bauland-Wohngebiet gewidmet, im Bereich des durch die Flügeltrakte gebildeten Hofes ist in einer Entfernung von 12 m von der Baulinie der Maxingstraße eine Baufluchtlinie festgelegt, im Anschluß an diesen bebaubaren Bereich ist die gärtnerische Ausgestaltung angeordnet.
Die Einstellung der zwei Kraftfahrzeuge findet unbestritten in jenem Bereich statt, der hinter der 12 m von der Baulinie der Maxingstraße festgelegten Baufluchtlinie, also im gärtnerisch auszugestaltenden Bereich, liegt.
Hinweise dafür, daß die abgestellten zwei Kraftwagen das gemäß § 3 Abs. 2 WGG zulässige Gesamtgewicht von je 3.500 kg übersteigen, können dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht entnommen werden. Die vorgelegten Lichtbilder zeigen vielmehr zwei Klein-PKWs. Die Abstellfläche in einem nicht allseits durch Gebäudemauern umschlossenen Hof weist jedenfalls wesentlich mehr als 80 m2 auf. Grundsätzlich wäre demnach die Abstellung von zwei Personenkraftwagen in diesem Hof gemäß § 3 Abs. 2 WGG zulässig und bedürfte keiner Baubewilligung. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 30. März 1971, Zl. 1483/70, ausgeführt, daß der Gesetzgeber mit der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 2 WGG eine Verwendung der Höfe ohne baupolizeiliche Bewilligung im Regelfalle ermöglichen wollte.
Zutreffend ist allerdings die belangte Behörde davon ausgegeangen, daß gemäß § 4 Abs. 4 WGG Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen auf gärtnerisch auszugestaltenden Teilen der Liegenschaft grundsätzlich unzulässig sind. Eine von dieser Bestimmung abweichende Ausnahme liegt hier nicht vor.
Der Begründung ihres Bescheides zufolge ist die belangte Behörde auch davon ausgegangen, daß die Vorschriftswidrigkeit eben darin besteht, daß die Kraftfahrzeuge auf einem gärtnerisch auszugestaltenden Teil der Liegenschaft abgestellt wurden, was gemäß § 4 Abs. 4 WGG unzulässig ist.
Das Plandokument Nr. 6026, in dem die Festsetzung der gärtnerischen Ausgestaltung im hinteren Liegenschaftsbereich erstmals erfolgte, beruht auf dem Beschluß des Gemeinderates vom 16. Dezember 1988, Pr.Z. 3780/88.
Da die Vorschriftswidrigkeit des Abstellens von zwei Kraftfahrzeugen auf den gärtnerisch auszugestaltenden Flächen in rechtmäßiger Weise nur dann mit einem auf § 129 Abs. 10 BO gestützten Auftrag untersagt werden kann, wenn eine derartige Abstellung nicht schon vor Inkrafttreten des Plandokumentes Nr. 6026 erfolgte, ist zu überprüfen, ob die Abstellung von zwei Fahrzeugen bereits vor der Festsetzung der Verpflichtung zur gärtnerischen Ausgestaltung erfolgte. Die Beschwerdeführerin hat schon in der mündlichen Verhandlung vom 7. November 1997 ausgeführt, daß das Einstellen der Kraftfahrzeuge "durch älteres Recht als jenes nach der Bauordnung für Wien und des Wiener Garagengesetzes" gerechtfertigt sei. In der Verhandlung vom 10. Dezember 1997 brachte sie ergänzend vor, daß es sich um eine Nutzung des bestehenden Konsenses handle, da auch vor der derzeitigen Befestigung Kraftfahrzeuge aus- und eingefahren seien und abgestellt worden seien.
Um beurteilen zu können, ob die Erlassung eines auf § 129 Abs. 10 BO gestützten Auftrages auch zum Zeitpunkt der erstmaligen Abstellung von Kraftfahrzeugen gerechtfertigt gewesen wäre, hätte daher die belangte Behörde ermitteln müssen, wann diese Abstellung erstmals erfolgte und ob sie seither annähernd durchgehend vorgenommen wurde. Da derartige Ermittlungen fehlen, ist eine abschließende Beurteilung, ob der auf § 129 Abs. 10 BO gestützte Auftrag rechtmäßig erging, nicht möglich.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
Wien, am 24. November 1998
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998050151.X00Im RIS seit
11.05.2001