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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Wolfgang Ges.m.b.H in Wels, vertreten durch Dr. Christoph Schwab, Rechtsanwalt in Wels, Eisenhowerstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt (nunmehr: für Umwelt, Jugend und Familie) vom 8. Februar 1995, Zl. 06 3546/19-III/6/95-Gl, betreffend die Änderung einer Abfallbeseitigungsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin richtete am 30. Juni 1994 an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Umweltrechtsabteilung, den "Antrag auf Bewilligung einer Betriebsanlage gemäß § 29 AWG". Darin brachte sie vor, daß sie beabsichtige, die im Zuge von Problemstoffsammlungen (vorwiegend Abfälle aus Haushaltssammlungen) anfallenden Problemstoffe nach erfolgter Sammlung im Betrieb umzuladen und zu bestimmten transportfähigen Mindestchargen nach den Richtlinien des ADR zu sammeln und abzutransportieren. Um einen umweltfreundlichen und wirtschaftlichen Transport zur einzigen derzeit existierenden Sonderabfallverbrennungsanlage, den Entsorgungsbetrieben Simmering, durchführen zu können, sei eine Mindestmenge je zusammenladbarer Stoffgruppen erforderlich. Beantragt wurde das Projekt "Verbesserung der gedeckten Manipulationsfläche (Flugdach)" als "Erweiterung für den bestehenden Bescheid MA 2-Ge-3022-1990 Dr. J/Mü", wobei es sich bei dem zuletzt genannten Bescheid um die am 24. August 1990 erteilte gewerberechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Flugdaches und eines unterirdischen doppelwandigen Stahltanks mit 40.000 l Fassungsvermögen zur Sammlung der anfallenden Regenwässer bzw. im Störfalle auslaufender Flüssigkeiten handelt. Im technischen Bericht zu diesem Ansuchen wird ausgeführt, daß die angelieferten Abfälle auf der im Plan mit "Übernahme" bezeichneten Fläche abgestellt werden, daß Proben gezogen werden, daß das kontrollierte und definierte Gebinde auf einem Zwischenlagerplatz abgestellt werde und, sobald eine ausreichende Menge der einzelnen "Qualität" zur Verfügung stehe, ein Transport zu einer dafür geeigneten und behördlich zugelassenen Behandlungsanlage zusammengestellt werde. Schließlich wird ausgeführt, daß ein Minimumlager geführt werden soll, was für die Praxis bedeute, daß nur die Menge an jeweiligem Abfall gelagert werde, die benötigt werde, um einen wirtschaftlichen Transport zur nächsten Behandlung bzw. Behandlungsanlage durchzuführen.
Auf diesen Antrag antwortete der Landeshauptmann von Oberösterreich am 29. November 1994 mit einem Auftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG. Die Vorlage von insgesamt 12 einzeln beschriebenen Unterlagen gemäß § 29 Abs. 3 AWG wurde mit einer Woche befristet.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 1994 nahm die Beschwerdeführerin dazu Stellung und legte verschiedene Unterlagen vor.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 1994 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich das Ansuchen um die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 29 AWG zur Verbesserung einer gedeckten Manipulationsfläche (Flugdach) gemäß § 29 AWG in Anwendung des § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 56 AVG und § 29 AWG zurück. Der Landeshauptmann begründete im einzelnen, warum die vorgelegten Unterlagen nicht ausreichten; auch wurde die Frage aufgeworfen, ob das Vorhaben überhaupt der Bewilligung gemäß § 29 AWG unterliege, oder ob nicht etwa im Sinne des § 28 AWG eine gewerberechtliche Bewilligung erforderlich sei.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung bekräftigte die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt, daß sie alle Unterlagen vollständig vorgelegt habe bzw. über Aufforderung vorlegen würde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. Dezember 1994 ersatzlos behoben. Aus der Systematik des AWG (§ 28 im Vergleich mit § 29 Abs. 2 (richtig wohl: Abs 1) Z. 2) ergebe sich, daß Anlagen zur Behandlung gefährlicher Abfälle dem Genehmigungsregime des AWG unterlägen, bei gewerblich betriebenen Betriebsanlagen, in denen gefährliche Abfälle - wie im vorliegenden Fall - gelagert würden, jedoch kein Genehmigungstatbestand gemäß AWG vorliege. Offenkundig liege im Gegenstand eine gewerbliche Betriebsanlage vor, zumal die Errichtung des gegenständlichen Flugdaches mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wels vom 24. August 1990 gewerbebehördlich gemäß § 81 Gewerbeordnung genehmigt worden sei. Der Landeshauptmann von Oberösterreich habe daher als Abfallwirtschaftsbehörde unzuständigerweise entschieden, wobei dieser Mangel von Amts wegen aufzugreifen und der Bescheid ersatzlos zu beheben gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, wobei sich die Beschwerdeführerin erkennbar in ihrem Recht auf Erteilung einer Bewilligung nach § 29 AWG verletzt erachtet. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 29 Abs. 1 AWG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 155/1994
lautet:
"Genehmigung für besondere Abfall- und Altölbehandlungsanlagen
§ 29. (1) Die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von
1.
Anlagen von Gebietskörperschaften zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung von gefährlichen Abfällen,
2.
sonstige Anlagen, deren Betriebszweck die Übernahme von nicht im eigenen Betrieb anfallenden gefährlichen Abfällen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung ist,
3.
Anlagen zur thermischen Verwertung oder sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen oder Altölen, ausgenommen zur stofflichen Verwertung, mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 Tonnen,
4.
Deponien für gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 10.000 m3,
5.
Untertagedeponien für gefährliche Abfälle,
6.
Deponien für nicht gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m3 bedarf einer Genehmigung des Landeshauptmannes.
Für Anlagen gemäß Z 3 und 6 bleiben landesrechtliche Vorschriften, die sich nicht auf das Genehmigungsverfahren beziehen - unbeschadet der Regelung des Abs. 13 - unberührt."
Die Beschwerdeführerin erachtet den Bewilligungstatbestand der Z. 2 des § 29 Abs. 1 AWG als gegeben, weil eine "Übernahme" von nicht im Betrieb anfallenden gefährlichen Abfällen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung beabsichtigt sei. Eine solche Übernahme gehe in unvermeidbarer Weise jeglicher Lagerung voran.
Aus der Projektsbeschreibung ergibt sich unzweifelhaft, daß die Projektwerberin gefährliche Abfälle (Problemstoffe gemäß § 2 Abs. 6 AWG) übernehmen und so lange zwischenlagern wolle, bis sie an einen Abfallbehandler weitergeleitet werden, wobei nur die Menge gelagert wird, die benötigt wird, um einen wirtschaftlichen Transport zur nächsten Behandlung bzw. Behandlungsanlage durchzuführen.
Damit wird aber, auch wenn es sich um eine "Übernahme" handelt, keineswegs der Genehmigungstatbestand des § 29 Abs. 1 Z. 2 AWG erfüllt: Der Tatbestand erfaßt nicht die bloße Entgegennahme bzw. Übernahme, sondern die Übernahme zum Zweck der thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung. Eine Isolierung des Tatbestandes "Übernahme" dahingehend, daß die Übernahme nur zum genannten Zweck erfolgen müsse, unabhängig davon, ob die Verwertung oder Behandlung auch in dieser Anlage stattfindet, wäre mit dem Gesetzeszusammenhang nicht vereinbar. Die Z. 1 des § 29 Abs. 1 AWG unterstellt der Bewilligungspflicht die Anlagen von Gebietskörperschaften zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung bei gefährlichen Abfällen, hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle wird die Bewilligungspflicht solcher Anlagen nach Z. 3 leg. cit. von einer gewissen Menge abhängig gemacht. Die Z. 2 des § 29 Abs. 1 AWG erfaßt daher Anlagen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung gefährlicher Abfälle, wenn es sich nicht um eine Anlage einer Gebietskörperschaft handelt.
Auch aus den Erläuternden Bemerkungen (1274 Blg. NR, 17. GP) ergibt sich unzweifelhaft, daß es in Hinkunft bei besonders wichtigen Behandlungsanlagen (Deponien ab einer bestimmten Größenordnung, Anlagen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung für gefährliche Abfälle, hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle Anlagen zur thermischen Verwertung und sonstigen Behandlung mit einer bestimmten Jahreskapazität) nur mehr ein eigenständiges abfallrechtliches Anlagenbewilligungsverfahren geben soll. Gemeint ist also immer eine Behandlungsanlage (abgesehen von den Fällen der Deponie, § 29 Abs. 1 Z. 4 bis 6 AWG), keinesfalls aber ein bloßes Zwischenlager. Unter einer "Deponie" ist gemäß § 2 Abs. 11 AWG nur eine Anlage zu verstehen, die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen errichtet bzw. verwendet wird.
Nach § 28 AWG bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von Anlagen zur Lagerung oder Behandlung von gefährlichen Abfällen oder Altölen einer Genehmigung des Landeshauptmannes, soferne nicht eine Genehmigung gemäß § 29 Abs. 1 oder eine Genehmigung nach der Gewerbeordnung 1973, dem Berggesetz 1975 oder dem Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen erforderlich ist. Da auch dieser subsidiäre Bewilligungstatbestand des § 28 AWG in den Zuständigkeitsbereich des Landeshauptmannes fällt, kommt es für die Frage der Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde allein darauf an, ob das gegenständliche Vorhaben einer gewerberechtlichen Bewilligung nach der am 19. März 1994 in Kraft getretenen Gewerbeordnung 1994 bedarf. An der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 kann aber hinsichtlich der vorgesehenen Lagerung von gefährlichen Abfällen kein Zweifel bestehen, sodaß, da der Landeshauptmann nicht die zuständige Gewerbebehörde erster Instanz ist, die in erster Instanz eingeschrittene Behörde jedenfalls unzuständig war. Die Unzuständigkeit ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen; Bescheide, die von einer unzuständigen Behörde erlassen wurden, sind jedenfalls rechtswidrig (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes6, Rz. 82 ff).
Auch die gerügte Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt nicht vor:
Die Beschwerdeführerin macht nur geltend, daß ein Sachverständiger hätte beigezogen werden müssen, ohne daß sie offenlegt, wieso durch die Beiziehung eines Sachverständigen die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG). Insbesondere bringt die Beschwerdeführerin gar nicht vor, daß ihre beabsichtigte Tätigkeit über das bloße Übernehmen und Zwischenlagern hinausginge.
Damit erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. November 1998
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung KassationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995050097.X00Im RIS seit
18.02.2002Zuletzt aktualisiert am
19.03.2012