Entscheidungsdatum
28.05.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W274 2188412-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Iran, XXXX , vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2018, IFA: 1073283502,
Verfahren: 150657924, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu
Recht:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 11.06.2015 bei der Landespolizeidirektion Steiermark einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung am 12.06.2015 gab er an, er habe mit Freunden über die verschiedenen Religionen gestritten, danach habe ihn die Polizei gesucht. Er habe Angst, verhaftet zu werden.
Am 20.07.2015 reiste der BF nach Deutschland aus und stellte am 19.10.2015 einen Asylantrag bei der zuständigen deutschen Behörde. Bei einer Befragung durch die zentrale Ausländerbehörde Mittelfranken am 31.07.2015 gab der BF unter anderem an, im Iran den Beruf des Mechanikers erlernt zu haben und ca. 50.000.000 Tomen (etwas mehr als € 10.000) im Jahr verdient zu haben. Am 23.11.2015 erfolgten weitere niederschriftliche Befragungen des BF. Am 24.11.2015 stellte die Bundesrepublik Deutschland ein Wiederaufnahmegesuch, welchem die Republik Österreich am 04.12.2015 zustimmte.
Ab April 2016 hielt sich der BF wieder in Österreich auf. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 29.11.2017 gab der BF im Wesentlichen an, er habe an der Universität in Shiraz studiert und während einer Vorlesung mit seinen Freunden über Tattoos und die Frage, warum diese im Islam verboten, in anderen Religionen aber erlaubt seien, gesprochen. Dabei sei es zu Streitigkeiten gekommen und der BF sei von hinten geschlagen worden, woraufhin er weggelaufen und mit dem Auto seines Vaters zu seiner Oma gefahren sei. Sein Vater habe ihn angerufen und ihm gesagt, dass er nicht nachhause kommen solle, da die Polizei zuhause nach ihm gesucht habe. Am nächsten Tag sei er mit dem Autobus zu seiner Großtante nach XXXX gefahren, wo er drei Monate lang geblieben sei. Die Polizei sei dreimal bei seinen Eltern gewesen, um den BF zu suchen. Beim zweiten Mal habe die Polizei den Zwillingsbruder des BF mitgenommen, weil dieser mit der Polizei gestritten habe; nach vier bis fünf Tagen sei der Zwillingsbruder wieder freigelassen worden. Der Vater habe für den BF einen Schlepper organisiert, welcher ihn in die Türkei gebracht habe. Dort habe er seinen Zwillingsbruder wieder getroffen. Konkret sei der BF aus dem Iran ausgereist, da er auf der Universität im Rahmen der Diskussion über Tattoos über den Islam geschimpft habe. Er habe eine Krankheit, die bedinge, dass er, wenn es um ihn herum laut werde, nervös und böse werde. Er verliere dann die Kontrolle und sei nicht er selbst. So sei er auch auf der Universität böse geworden und es sei zu der Schlägerei gekommen. Der BF sei dann davongelaufen, weil er große Angst gehabt habe, da er im Iran schon einmal festgenommen worden sei und die iranische Polizei kenne. Nachgefragt gab er an, die Sittenwächter der Universität seien in den Klassenraum gekommen, als der Streit angefangen habe. Zwei näher genannte Schüler ( XXXX und XXXX ) hätten den Sittenwächtern gesagt, dass der BF den Streit begonnen habe. Daraufhin hätten die Sittenwächter den BF beschuldigt, dass er den Streit angefangen habe, weshalb er weggelaufen sei.
Das BFA wies mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der BF an der Universität kritische Kommentare über den Islam gemacht habe und somit Auslöser einer Massenschlägerei gewesen sei. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der BF von der Polizei gesucht werde bzw. worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu jenen eines subsidiär Schutzberechtigten bzw in eventu, einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erlassen.
Am 19.02.2019 gab der BF eine ergänzende Stellungnahme ab und legte mehrere Unterlagen vor, ebenso eine klinisch psychologische Stellungnahme vom 19.02.2019 von der klinischen Psychologin des Diakonie Flüchtlingsdienst, Mag. Bertacco.
Am 25.02.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) statt, in der der BF einvernommen und weitere Urkunden vorgelegt wurden.
Am 26.02.2019 wurde seitens des BF ein "Iran-Report" der Heinrich Böll Stiftung von Jänner 2019 übermittelt.
Seitens des BVwG wurde eine Anfrage betreffend die Verfügbarkeit der Medikamente Risperdal 2 mg (Wirkstoff: Risperidon) und Depakine chrono ratard 500 mg (Wirkstoff: Valproinsäure) gestellt, die mit Schreiben der Staatendokumentation vom 26.03.2019 beantwortet wurde. Die Anfragebeantwortung wurde den Parteien zur Stellungnahme übermittelt.
Am 15.05.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des BF zur eingeholten Anfragebeantwortung sowie zur Anwendbarkeit des § 8 AsylG 2005 ein.
Festgestellt wird:
Die Situation im Iran stellt sich derzeit wie folgt dar:
Allgemeine Lage:
Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene-i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitasapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muß im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Es kann auch zu einem Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.
Auch 2017 wurden grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen) vollstreckt. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Drogendelikten, dann Mord und Sexualdelikten angewandt. Laut AI wurden 2017 mindestens 507 Personen hingerichtet. Auch 2016 war Iran mit hoher Wahrscheinlichkeit das Land mit der weltweit höchsten Hinrichtungszahl im Verhältnis zur Bevölkerung.
Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion:
99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zorostrier, Baha-i, Sufis und kleinere religiöse Gruppen. Die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben relativ frei ausüben.
Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen (10 bis 15 Jahre). Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Unter besonderer Beobachtung stehen hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt. 2016 sollen 198 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 31 wegen "Beleidigung des Islam" und 12 wegen "Korruption auf Erden" inhaftiert gewesen sein. Laut der Gefangenenliste von Open Doors mit Stand September 2017 befanden sich 56 Christen in Haft, fünf wurden freigelassen, 13 wurden auf Kaution freigelassen und zehn mit dem Verbot das Land zu verlassen freigelassen.
Apostasie (Abtrünnigkeit vom Islam) ist verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), Verdorbenheit auf Erden, oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern solche Fälle als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.
Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Es wird diesbezüglich von familiärer Ausgrenzung berichtet sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden. In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion als Familienmitglied als heikel eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der Konvertit aus der Familie verbannt oder den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen. Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Deren Anzahl steigt. Es ist schwierig diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Sie werden teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Diese organisieren sich daher in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weitverbreitet. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken. Ansonsten haben die Behörden kaum Möglichkeiten, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. Nicht verlässlich bekannt ist, ob nur Anführer oder auch einfache Mitglieder verfolgt werden. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder Unterricht anderer Personen im Glauben, kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, ist eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist nicht von einer harschen Bestrafung auszugehen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein wird nicht zu einer Verfolgung führen. Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, steht nicht fest.
Grundversorgung und medizinische Versorgung:
Die Grundversorgung ist im Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 9,3 Mio. IRR im Monat (ca. 200 Euro). Das durchschnittliche Monatseinkommen pro Kopf liegt bei ca. 400 Euro. Die Arbeitslosenrate in Iran betrug im Juni 2016 zwischen 10 und 20%. Ausgebildete Arbeitskräfte finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht fast vollständig unter staatlicher Kontrolle. Ein zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind halbstaatliche religiöse Stiftungen, die Bonyads. Viele davon sind heute international agierende Großkonzerne. Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Es gibt einen Anspruch auf Kindergeld sowie auf Arbeitslosengeld in Höhe von 70-80% des Gehaltes. Die gering verdienenden Teile der iranischen Bevölkerung erhalten zur Sicherung der Grundversorgung monatlich eine "Yarane" von ca. € 11. Es besteht kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung.
98% aller Iraner haben Zugang zu ärztlicher Versorgung. Die medizinische Versorgung ist in Teheran und anderen großen Städten ausreichend bis gut. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich. Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Chorasan sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können.
Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Daneben gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs.
Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind, und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden.
Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. In den zahlreichen Apotheken sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer. Trotz kürzlicher Sanktionen gegen Iran, die zu einer vorläufigen Knappheit bestimmter Medikamentengruppen geführt haben, gibt es generell keinen Mangel an Medikamenten, Spezialisten sowie Behandlungsmöglichkeiten. Pharmazeutische Produkte werden unter der Aufsicht des Gesundheitsministeriums ausreichend importiert.
Rückkehr:
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (auszugsweise Wiedergabe des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Iran, Gesamtaktualisierung am 03.07.2018, unter Bezugnahme auf die dort genannten Quellen).
Zum BF:
Der in Österreich strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene (Strafregisterauskunft vom 21.02.2019) BF ist am 21.03.1994 in Shiraz im Iran geboren und gehört der Volksgruppe der Qaschqai an. Er besuchte im Iran zwölf Jahre lang die Grundschule und studierte anschließend ein Jahr an der Universität in Shiraz. Während der Grundschule bekam er zwei Jahre lang Unterricht als Mechaniker und arbeitete kurze Zeit auch als solcher. Darüber hinaus arbeitete der BF einige Zeit als Innendekorateur. Er verdiente im Iran etwa 50.000.000 Tomen (umgerechnet etwas mehr als € 10.000) im Jahr. Der BF ist ledig und lebt in keiner Lebensgemeinschaft.
Der BF besuchte ein technisches Studium an der XXXX -Universität in Shiraz. Es konnte nicht festgestellt werden, dass an der Universität ein Vorfall stattfand, bei der sich aus einer anfänglichen Diskussion über Tattoos eine Auseinandersetzung mit Handgreiflichkeiten entwickelt hätte, in die alle Studierenden dieser Vorlesung (etwa 20) involviert waren und bei der der BF über den Islam schimpfte. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die "Sittenwächter" der Universität während dieser Auseinandersetzung in den Unterrichtsraum kamen und den BF beschuldigten, den Streit "angezettelt" zu haben. Ebensowenig konnte festgestellt werden, dass der BF während dieses Vorfalles ein "verbotenes Buch" in seiner Tasche hatte und diese Tasche bei seinem Entkommen nicht mitnehmen konnte, sodass das Buch von den "Sittenwächtern" gefunden worden sei.
Weder im Iran noch in Österreich fand eine nachhaltige Abkehr des BF vom islamischen Glauben statt. Vielmehr steht fest, dass der BF Angehöriger der schiitischen Richtung des Islams ist. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF sich auf der Universität oder sonst in der Öffentlichkeit abwertend gegenüber dem Islam äußerte.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund des behaupteten Vorfalles oder anderer islamkritischer Äußerungen im Iran gesucht wurde oder wird oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine Strafe droht.
Der BF verließ den Iran zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt (zwischen November 2014 und Februar 2015) und kam über die Türkei, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich, wo er spätestens im Juni 2015 ohne gültige Reisedokumente einreiste. Nach einem kurzen Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen war der BF in einer Unterkunft in Kärnten wohnhaft. Am 20.07.2015 reiste der BF nach Deutschland aus und stellte am 19.10.2015 einen Asylantrag bei der zuständigen deutschen Behörde. Ab April 2016 hielt sich der BF wieder in Österreich auf, wobei er zunächst für fünf Monate in einem Quartier in Niederösterreich, Traiskirchen, wohnte. Ab September 2016 lebte er in einer Unterkunft in 1050 Wien, seit November 2018 in einer Wohngemeinschaft für Asylwerber mit psychiatrischer Diagnose in 1230 Wien. Der BF befindet sich in Grundversorgung.
Der BF leidet an einer bipolaren affektiven Störung, derzeit mit mittelschweren depressiven Episoden. Diese psychische Erkrankung wurde diagnostiziert, als der BF etwa 16 Jahre alt war und die Mittelschule besuchte. Im Iran konnte der BF trotz seiner Erkrankung einem Studium und einer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Erst im Zusammenhang mit dem Aufenthalt des BF in Österreich im Rahmen des Asylverfahrens verschlechterte sich sein psychischer Zustand dahingehend, dass es zeitweise zu mangelnder Selbstfürsorge kam. Der BF steht unter laufender medizinischer Behandlung mit den Medikamenten Depakine chrono retard (Wirkstoff: Valproinsäure) und Risperdal (Wirkstoff: Risperidon). Unter der laufenden Medikation ist der BF stabil. Suizidgefahr liegt beim BF derzeit nicht vor. Medikamente mit den genannten Wirkstoffen sind in staatlichen und privaten Apotheken im Iran erhältlich. Die Kosten für beide Medikamente zusammen (Packungen mit je 100 Stück) belaufen sich auf höchstens € 40. Eine Risperdal-Filmtablette enthält 2 mg Risperidon. Die durchschnittliche Tagesdosis liegt üblicherweise zwischen 4 bis 6 mg. Eine Depakine-Filmtablette enthält 500 mg Wirkstoff, die durchschnittliche Tagesdosis liegt üblicherweise zwischen 1000 und 2000 mg. Der BF benötigt daher durchschnittlich etwa drei Risperdal-Filmtabletten und drei Depakine-Filmtabletten pro Tag, bei einer Packungsgröße von jeweils 100 Stück daher etwa eine Packung Risperdal-Filmtabletten und eine Packung Depakine-Filmtabletten im Monat.
Die Eltern und zwei Brüder sowie Onkel und Tanten des BF leben im Iran. Vor seiner Ausreise lebte der BF gemeinsam mit seiner Familie in einem Haus, das seinem Vater gehört. Während des Studiums kamen seine Eltern für seinen Lebensunterhalt auf. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt zu seinen Eltern und Familienangehörigen im Iran.
Der BF spricht Farsi, Türkisch und Englisch und besuchte mehrere Deutschkurse bis zum Niveau B1, wobei nicht festgestellt werden konnte, ob bzw. welche Kurse der BF durch Ablegung einer Prüfung positiv absolvierte.
Beweiswürdigung:
Die Länderfeststellungen folgen dem LIB der Staatendokumentation Iran in der (aktuellen) Fassung von Juni 2018, basierend auf den dort genannten Quellen.
Die Feststellungen zur Person des BF und seiner Lebens- und Berufsbiographie im Iran ergeben sich aus seinen diesbezüglich gleichlautenden und in sich schlüssigen Angaben vor dem BFA sowie vor dem BVwG und den vorliegenden Dokumenten. Die Feststellungen zur Fluchtroute und dem bisherigen Aufenthalt des BF in Österreich und Deutschland ergeben sich aus den im Akt befindlichen Unterlagen und seinen gleichbleibenden Angaben im Verfahren. Dass der BF derzeit Leistungen der Grundversorgung bezieht, ergibt sich ebenfalls aus seinen eigenen Angaben sowie den Unterlagen im Verfahrensakt. Auch die Feststellungen zu den Familienangehörigen des BF ergeben sich aus seinen nachvollziehbaren Angaben im Verfahren. Eine Lebensgemeinschaft in Österreich wurde nicht behauptet und ist auch nicht hervorgekommen. Der BF gab vor dem BVwG sowie dem BFA selbst an, mit seinen Eltern bzw. Familienangehörigen im Iran regelmäßig in Kontakt zu stehen.
Es ist kein Grund ersichtlich, an den Angaben des BF, er habe an der XXXX -Universität in Shiraz studiert, zu zweifeln, jedoch konnte aufgrund der divergierenden Angaben des BF nicht festgestellt werden, welches konkrete (technische) Fach der BF studierte (AS 209:
Elektrotechnik; BVwG S. 4: Automechanik).
Nicht nachvollziehbar ist jedoch der vom BF geschilderte Vorfall, bei dem es auf der Universität aufgrund eines Disputes über Tattoos angeblich zu einer Rauferei der gesamten Klasse gekommen sei. In diesem Zusammenhang gab der BF zunächst an, dass er während der Vorlesung mit seinem Freund leise geredet habe. Ein Sitznachbar habe dies gehört und als Blödsinn bezeichnet, weshalb er wiederum von einem anderen Studierenden beschimpft worden sei. Die gesamte Lage sei so eskaliert, dass die ganze Klasse auf einander losgegangen sei (AS 206, 207). Erst auf Nachfrage des Richters, wie es während einer Vorlesung zu so einer Diskussion kommen konnte, gab der BF im Widerspruch zu seinem vorhergehenden Vorbringen an, dass dieser Vorfall ungefähr eine Viertelstunde, bevor der Vortragende gekommen sei, stattgefunden habe. Auch die weiteren Angaben des BF zu dem Vorfall erweisen sich in vielerlei Hinsicht als widersprüchlich: Vor dem BFA gab er zunächst an, dass "Sittenwächter" von der Universität in die Klasse hineingekommen seien, als der Streit angefangen habe. Diese hätten den BF beschuldigt, den Streit begonnen zu haben, weshalb er weggelaufen sei (AS 207). Dem gegenüber gab der BF vor dem BVwG an, dass er, als er rausgegangen sei, gesehen habe, wie die Sicherheitskräfte den Klassenraum betreten hätten. Auf Nachfrage gab er jedoch an, dass er gar nicht gesehen habe, dass die Sicherheitskräfte in den Klassenraum gegangen seien, sondern nur, dass sie in Richtung des Klassenraumes gelaufen seien (BVwG S. 9). Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen bereits in sich nicht konsistent ist, zeigt es einen klaren Widerspruch zum vorherigen Vorbringen des BF, wonach die "Sittenwächter" ihn im Klassenraum beschuldigt hätten, den Streit angezettelt zu haben. Das Gericht übersieht in diesem Zusammenhang nicht, dass der BF an einer psychischen Krankheit leidet, die seine Konzentrationsfähigkeit und Merkfähigkeit beeinträchtigt, fallbezogen liegen jedoch nicht nur kleine Abweichungen oder Erinnerungslücken vor, sondern widerspricht sich der BF in wesentlichen Punkten, sodass es nicht als glaubhaft erachtet werden kann, dass der geschilderte Vorfall mit den Sicherheitskräften bzw. "Sittenwächtern" tatsächlich stattgefunden hat. Insbesondere da der BF gerade diesen Vorfall und das Auftreten der Sicherheitskräfte bzw. "Sittenwächter" als Auslöser für seine unverzügliche Flucht weg aus der Stadt Shiraz nannte, erscheint es kaum vorstellbar, dass der BF sich an dieses Ereignis nicht im Detail erinnern könnte. Im Übrigen ist es auch schwer mit der Lebenserfahrung in Einklang zu bringen, wie es dem BF gelungen sein soll, von der von ihm beschriebenen Rauferei ("Ich habe dort Fußtritte und Faustschläge bekommen. Sie waren ‚durstig' nach meinem Blut. [...] Ich bin unten gelegen und man hat mich schwer geschlagen.") bis zu seinem Auto zu fliehen und wegzufahren, obwohl ihm ein bis zwei Personen bis zu seinem Auto gefolgt seien (BVwG S. 11).
Auch im Hinblick auf die bei dem Vorfall Beteiligten erweisen sich die Aussagen des BF als krass widersprüchlich: Einerseits gab er an, dass namentlich genannte Mitschüler ( XXXX und XXXX ) den "Sittenwächtern" gesagt hätten, dass der BF den Streit angezettelt habe (AS 207). In der mündlichen Verhandlung gab der BF dann an, beim "Interview" zwei Personen namentlich genannt zu haben, die verhaftet und später wieder freigelassen worden seien (BVwG S. 10), was in Widerspruch zu seinem weiteren Vorbringen steht, dass er nach dem Vorfall zu keiner der beim Vorfall anwesenden Personen mehr Kontakt aufgenommen habe (BVwG S. 14). Bei Zutreffen dieser Aussage hätte der BF nämlich gerade nicht wissen können, dass es zu einer Verhaftung und Freilassung der beiden Personen gekommen sei. Auf Vorhalt des Richters, warum der BF wisse, dass diese namentlich genannten Personen ihn bei den "Sittenwächtern" angeschwärzt hätten, obwohl er mit ihnen angeblich danach nicht mehr in Kontakt gestanden sei, gab der BF an, dass es sich bei XXXX und XXXX um Freunde handle, die den BF unterstützt hätten (BVwG S. 14). Diese Aussage stellt nicht nur einen Widerspruch gegenüber der (eindeutigen) Aussage vor dem BFA dar, sondern ist wiederum nicht mit dem Vorhalt, dass er mit den beiden nach eigenen Angaben keinen Kontakt mehr aufgenommen habe, in Einklang zu bringen.
In einer Gesamtbetrachtung erweist es sich daher nicht als plausibel, dass der Vorfall an der Universität wie vom BF geschildert oder auch nur in annähernd ähnlicher Weise stattgefunden hat.
Darüber hinaus erweisen sich aber auch die Angaben des BF, aus welchen Gründen der Vorfall für ihn Konsequenzen haben sollte, als nicht schlüssig. Vor dem BFA gab er dazu an, bei der Streiterei auf der Universität über den Islam geschimpft zu haben und von den "Sittenwächtern" für den Streit verantwortlich gemacht worden zu sein. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG behauptete der BF, ein "verbotenes Buch" bzw. einen Ausdruck davon in seiner Tasche gehabt zu haben, welches die Sicherheitskräfte dort gefunden hätten. "Sie" seien zum BF nach Hause gekommen und hätten seinen Bruder nach dem Buch gefragt. Nach der nunmehrigen Behauptung des BF in der Stellungnahme vom 19.02.2019 entstanden die fluchtauslösenden Ereignisse dadurch, dass der BF mit diesem Buch, welches offensichtlich nicht den Werten des Islams entspreche, von Studienkollegen gesehen worden sei. Nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen der BF die angeblich durch das "verbotene Buch" entstandene Gefahr weder bei der Einvernahme vor dem BFA noch in der Beschwerde geltend machte. Das rechtfertigende Vorbringen in der Stellungnahme, der BF habe die Beschäftigung mit dem Buch bisher nicht erwähnt, da er an einer bipolaren affektiven Störung und mittelschweren depressiven Episoden leide, die auch verminderte Konzentrationsfähigkeit und reduzierte Merkfähigkeit bedinge, ist nicht geeignet, darzulegen, dass er bisher nicht in der Lage gewesen sei, dies vorzubringen. Hätte der BF tatsächlich aufgrund dieses Buches Angst vor Verfolgung und daher die Flucht nach Europa angetreten, wären wohl auch eine verminderte Konzentrationsfähigkeit bzw reduzierte Merkfähigkeit dem Vorbringen angesichts der Wesentlichkeit dieses Umstandes im Asylverfahren nicht entgegengestanden. Es ist nämlich kaum vorstellbar, dass der BF bei seinen bisherigen Angaben im Asylverfahren "vergessen" hätte, dass ihm im Falle einer Rückkehr harte Strafen drohen würden, weil er dieses Buch bzw den Ausdruck nach der Rauferei samt seiner Tasche in der Universität zurückgelassen habe.
Abgesehen davon, dass die das "verbotene Buch" betreffenden Aussagen im Gegensatz zum bisherigen Vorbringen als klare Steigerung zu werten sind und somit nicht als glaubhaft erachtet werden können, verstößt das Vorbringen gegen das Neuerungsverbot des § 20 BFA-VG und kann daher auch aus diesem Grund keine Berücksichtigung finden. Fallbezogen hat sich nämlich weder der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung des Bundesamtes maßgeblich geändert (Abs. 1 Z 1), noch war das Verfahren erster Instanz mit einer Mangelhaftigkeit behaftet, die "kausal" dafür war, dass der Asylwerber "nicht in der Lage war", die erst im Beschwerdeverfahren vorgebrachten neuen Tatsachen und Beweismittel schon im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen (Abs. 1 Z 2); ungeachtet der Glaubwürdigkeit dieses nunmehrigen Vorbringens wäre diese Tatsache bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz dem BF zugänglich gewesen (Abs. 1 Z 3); es ergaben sich auch keine Hinweise, dass der BF nicht in der Lage war, diese Tatsache schon im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen, zumal er in wiederholt stattgefundenen Einvernahmen dazu Gelegenheit hatte (Abs. 1 Z 4). Wäre es dem BF tatsächlich ein ernsthaftes Bedürfnis gewesen, sich in der o.a. Art zu seinem Ausreisegrund zu äußern, wäre ihm dies jedenfalls in der Einvernahme vor dem BFA am 04.01.2018 möglich gewesen.
Schließlich erweist sich auch die weitere Darstellung der Fluchtgeschichte als nicht schlüssig: Vor dem BFA schilderte der BF, dass er unmittelbar nach dem Vorfall zu seiner Großmutter gefahren sei, und gab von sich aus an, dort von seinem Vater angerufen und aufgefordert worden sei, nicht nach Hause zu kommen, da die Polizei beim Haus der Eltern gewesen sei (AS. 205). Über Frage in der mündlichen Verhandlung, von wem er die Information bekommen habe, dass Sicherheitsleute zum Haus seiner Eltern gekommen seien, gab er dazu divergierend an, dass er damals von seiner Mutter angerufen und aufgefordert worden sei, sich zu verstecken (BVwG S. 13). Weiters gab der BF in der Einvernahme an, dass er drei Monate bei seiner Großtante gelebt habe (AS 205), wohingegen er vor dem BVwG angab, auf dem Hof seines Onkels gewesen zu sein (BVwG S. 12). Widersprüchlich war der BF auch, als er zunächst vor dem BFA angab, auf der Flucht aus dem Iran seinen Zwillingsbruder in der Türkei getroffen zu haben (AS. 205), in der mündlichen Verhandlung aber angab, jenen auf der Flucht nicht getroffen zu haben (BVwG S. 14). Zu den Fluchtgründen seines Zwillingsbruders gab der BF vor dem BFA noch an, dass seine Eltern diesen zwangsweise zum Militär schicken wollten (AS. 209), während er vor dem BVwG angab, die Eltern hätten ihn aus dem Iran weggeschickt, weil er eingezogen werden sollte (BVwG S. 15). Darüber hinaus erfolgte im Verfahren zur Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten seitens des BF auch eine unrichtige Angabe des Geburtsdatums, welches später vom BF selbst berichtigt wurde (BVwG S. 4). Auch im Zusammenhang mit dem Vorbringen zu einer Verhaftung im Iran (da er "mit Mädchen gespielt" habe) machte der BF divergierende Angaben. Vor dem BFA gab er an, vier Tage eingesperrt gewesen zu sein (AS. 205), vor dem BVwG wiederum behauptete er, nach 24 Stunden wieder freigelassen worden zu sein. Im Hinblick darauf, dass es sich bei einer Verhaftung und Inhaftierung um ein sehr gravierendes Ereignis handelt, ist - trotz seiner psychischen Erkrankung - nicht nachvollziehbar, dass der BF sich nicht erinnern könnte, ob er eine oder mehrere Nächste inhaftiert gewesen sei.
In einer Gesamtbetrachtung weisen sowohl das konkrete Fluchtvorbringen als auch die darüber hinaus geschilderte Geschichte des BF zahlreiche Widersprüche auf, die nicht schlüssig aufgeklärt werden konnten und insgesamt über weite Strecken, insbesondere aber im Hinblick auf den Vorfall an der Universität, die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des BF in Zweifel ziehen.
Es ergaben sich im gesamten Verfahren jedenfalls keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die in der Beschwerde behauptete Annahme, der BF sei vom islamischen Glauben abgefallen. Der BF selbst gab in der mündlichen Verhandlung sogar an, in Österreich den Entschluss gefasst zu haben, (doch) Muslim zu sein und der schiitischen Richtung des Islams anzugehören (BVwG S. 4).
Insgesamt konnte der BF nicht glaubhaft machen, dass er im Falle einer Rückkehr in den Iran tatsächlich von den iranischen Behörden gesucht werde und ihm harte Strafen oder anderweitige Übergriffe auf seine Person drohen. Insbesondere mangelt es an einem glaubhaften Vorbringen, aus welchen Gründen dem BF die behauptete Verfolgung drohe.
Selbst wenn der BF sich auf der Universität einmal in abwertender Weise über den Islam geäußert hätte, würde dies nicht ausreichen, um eine Furcht vor Strafe oder Übergriffen im erforderlichen Ausmaß zu begründen. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass selbst ein zurückgekehrter Konvertit, der kein "high-profile"-Fall ist und weder missionarisch tätig ist noch andere Aktivitäten setzt, keine harsche Strafe bekommen wird. Umso mehr hat dies für den BF zu gelten, der weder vom Islam abgefallen noch zu einer anderen Religion konvertiert ist, sondern sich angeblich lediglich einmal - und dies nicht einmal in einer breiten Öffentlichkeit, sondern nur im Klassenzimmer bei Anwesenheit von 20 Studierenden - abwertend über den Islam geäußert habe.
Die Feststellung zur psychischen Erkrankung des BF basiert auf mehreren vorliegenden medizinischen Unterlage, etwa der ärztlichen Stellungnahme bzw Bestätigung des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie und ärztlichen Leiters des Vereins "Dialog", Dr. XXXX , vom 18.12.2018 und 14.02.2019 sowie den ärztlichen Befundberichten des Facharztes für Psychiatrie, Dr. XXXX , vom 08.08.2016 und vom 02.01.2017 ebenso wie auf den eigenen Angaben des BF. Diese beziehen sich sowohl auf das Vorliegen der Erkrankung als auch das Auftreten der angegebenen krankheitsbedingten Folgen. Auch die verminderte Selbstfürsorge des BF ist aus vorgelegten Unterlagen, insbesondere der klinisch-psychologischen Stellungnahme der klinischen Psychologin der Diakonie vom 19.02.2019, ersichtlich. Im gesamten Verfahren sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass eine verminderte Selbstfürsorge beim BF bereits im Iran vorlag. Vielmehr ist aus seinem Vorbringen vor der Zentralen Ausländerbehörde in Mittelfranken am 31.07.2015, wonach er während seines zweimonatigen Aufenthaltes in Österreich psychisch krank geworden sei, erkennbar, dass sich seine psychische Erkrankung im Vergleich zur Zeit im Iran erst durch seinen Aufenthalt in Österreich auf die Selbstfürsorgefähigkeit ausgewirkt hat. Suizidgefahr wurde im Verfahren zwar seitens des Rechtsvertreters des BF behauptet, der BF selbst gab in der mündlichen Verhandlung jedoch an, Selbstmordgedanken das letzte Mal gehabt zu haben, als er 17 gewesen sei. Dies bestätigt, dass der mit Ambulanzkarte des Landesklinikums Baden vom 12.05.2016 erhobene Zustand weiterhin aufrecht ist, wonach der BF sich eindeutig von akuter Suizidalität distanziert und klar seinen Willen zu leben ausgedrückt habe. Die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens erweist vor diesem Hintergrund als nicht erforderlich.
Die Verfügbarkeit der vom BF benötigten Medikamente bzw. Wirkstoffe (Valproinsäure und Risperidon) im Iran auch im aktuellen Zeitpunkt ergibt sich aus der vorliegenden Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 26.03.2019, die unter anderem auf der aktuellen Auskunft eines Vertrauensarztes in Teheran von März 2019 beruht. Aus dieser Anfragebeantwortung ist auch der Preis der Medikamente ersichtlich. Im vom BF vorgelegten "Iran-Report" der Heinrich Böll Stiftung von Jänner 2019 wird zwar allgemein ausgeführt, dass die gegen den Iran verhängten Sanktionen den Import von Medikamenten erschweren und die Preise verteuern oder die Verfügbarkeit überhaupt beeinträchtigen würden. Diese allgemeinen Einschränkungen ändern nichts daran, dass im Hinblick auf die vom BF benötigten Medikamente aus der (aktuelleren und spezielleren) Anfragebeantwortung von März 2019 klar hervorgeht, dass die vom BF konkret benötigten Medikamente zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Iran verfügbar sind. Die Angaben zu den Wirkstoffmengen ist den Gebrauchsinformationen der Medikamente zu entnehmen. Dass der BF bei regelmäßiger Behandlung stabil ist und sogar einem Studium und einer Arbeit nachgehen konnte, zeigen sein eigenes Vorbringen vor dem BVwG (BVwG S. 18) sowie die ärztliche Bestätigung vom 14.02.2019. Vor der Zentralen Ausländerbehörde Mittelfranken gab der BF im dortigen Verfahren an, im Iran etwa 50.000.000 Tomen (umgerechnet etwas mehr als € 10.000) im Jahr verdient zu haben (AS 75), weshalb auch nicht davon auszugehen ist, dass er sich die genannten Medikamente im Iran nicht leisten kann.
Dass der BF bereits mehrere Deutschkurse besuchte, ergibt sich aus seinem diesbezüglichen Vorbringen sowie dem vorgelegten Zertifikat vom 19.02.2019, Bestätigungen über die positive Absolvierung dieser Kurse liegen aber nicht vor.
Rechtlich folgt:
Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder ein Asylausschlussgrund gesetzt wurde.
Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.
Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.
Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:
? Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,
? gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,
? unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
? Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
? Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und
? Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Da weder jene Umstände, die als Fluchtgrund behauptet wurden (Auffinden eines "verbotenen Buches" bzw solcher Texte in der Tasche des BF, abfällige Äußerungen über den Islam im Klassenraum der Universität), noch ein sonstiges für die Behörden erkennbares Abfallen des BF vom Islam (Apostasie) festgestellt werden konnten, liegt kein auf die oben dargestellten Rechtsgründe zu stützender Asylgrund vor. Ein Nachfluchtgrund wurde nicht behauptet.
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden bei Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz in Bezug auf den Status des Asylberechtigten der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 und 13 bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.
Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen waren, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH, 21.02.2017, Ro 2017/18/005). Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher für die Gewährung von subsidiärem Schutz insbesondere auf den Maßstab des Art. 3 EMRK ab (vgl. etwa VwGH, 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).
Allerdings hatte der EuGH in seinem Urteil vom 18.12.2014, M¿Bodj gegen Belgien, C-542/13, klargestellt, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht automatisch zur Gewährung des Status von subsidiärem Schutz nach Art 15 der Status-Richtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) führt. Subsidiärer Schutz nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie verlangt nach Auslegung durch den EuGH, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten verursacht werden muss und nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist. Zugleich hielt der EuGH in dieser Entscheidung auch fest, dass es unionsrechtlich unzulässig sei, den in der Statusrichtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen.
Die in dem Urteil des EuGH vom 18.12.2014, M¿Bodj gegen Belgien, entwickelten Grundsätze wurden im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 aufgenommen und festgestellt, dass der österreichische Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status subsidiär Schutzberechtigter in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH umgesetzt habe.
In seiner Entscheidung vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461 (zu Dürre und Lebensmittelknappheit) wiederholt der VwGH, dass es der Statusrichtlinie widerspreche, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen.
Zur Frage der unionsrechtskonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts hat der EuGH zuletzt in der Rechtssache C-384/17 vom 04.10.2018 (Dooel Uvoz-Izvoz Skopje Link Logistic M&N gegen Budapest Rendorfokapitanya) festgelegt, dass von Gerichten alles zu tun sei, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, wobei dies seine Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen finde und nicht als Grundlage einer Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen dürfe. Wenn eine konforme Auslegung nicht möglich sei, sei das nationale Gericht verpflichtet, das Unionsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem es notfalls jede Bestimmung unangewendet lasse, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem unionsrechtswidrigen Ergebnis führe.
Die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ist daher nach den Kriterien des Art. 15 der Statusrichtlinie zu prüfen.
Gemäß Art. 15 der Statusrichtlinie gilt als Voraussetzung für die Zuerkennung subsidiären Schutzes das Vorliegen eines ernsthaften Schadens. Ein ernsthafter Schaden liegt vor bei Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland sowie bei ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
Im gegenständlichen Fall ist der BF weder durch die Todesstrafe noch durch einen bewaffneten Konflikt bedroht. Im Iran herrscht kein Bürgerkrieg und keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Art 15 lit. a bzw. c der Statusrichtlinie sind nicht erfüllt.
Nach der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH, der für die Auslegung des Unionsrechts zuständig ist, ist es für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie erforderlich, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht wird. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzungen von Art. 3 EMRK.
Eine Gefahr einer Art. 3 EMRK Verletzung durch das konkrete Handeln (auch im Sinne von Unterlassungshandlungen) dritter Personen hat der BF weder glaubhaft gemacht, noch ist eine solche von Amts wegen hervorgekommen oder dem BVwG bekannt. Insbesondere konnte - wie bereits im Rahmen der Prüfung des Status des Asylberechtigten ausgeführt wurde - nicht festgestellt werden, dass der BF durch die iranische Regierung oder andere Akteure bedroht wäre.
Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine der oben genannten Entscheidungen mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung der Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der § 8 Abs 3 a oder § 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt.
Unter den in § 57 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Voraussetzungen ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nach Abs 2 nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Nach § 9 Abs. 2 BFA-VG sind dabei insbesondere zu berücksichtigen,
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob dieser rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewußt waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthalts in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Nach der Rechtsprechung des EGMR ist bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit behördlicher Eingriffe auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Insbesondere sind die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulbildung bzw Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung, und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit bzw bei strafgerichtlichen Verurteilungen die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Resozialisierung bzw die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewußt waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 18.224; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).
Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie, wobei der Begriff des "Familienlebens" in Art 8 EMRK nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten umfasst, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl dazu EKMR 19.07.1968, Nr 3110/67; EKMR 28.02.1979, Nr 7912/77, EuGRZ 1981/118).
Es leben keine Familienmitglieder oder Angehörigen des BF in Österreich. Da auch sonst keine ausreichend intensive Beziehung des BF zu ihm besonders nahestehenden Personen in Österreich hervorgekommen ist, ist davon auszugehen, dass ein schützenswertes Familienleben in Österreich nicht vorliegt.
Zum Privatleben des BF ist festzuhalten, das