Entscheidungsdatum
07.06.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W176 2197415-1/14E
Antragsgemäße schriftliche Ausfertigung des am 06.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX .2001, StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018, Zl. 1131812106-161404325, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 33/2013 (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer brachte am XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes vor: Er stamme aus Faryab in Afghanistan, bekenne sich zum Islam sunnitischer Ausrichtung, spreche Farsi und gehöre der ethnischen Minderheit der Tadschiken an. Er sei vor etwa neun Monaten aus Afghanistan ausgereist. Als Fluchtgrund gab er an, vor ca. 10 Monaten sei er von einem Freund eines Freundes vergewaltigt worden. Bevor seine Familie davon erfahren habe, habe er Afghanistan verlassen. Vergewaltigt worden zu sein, sei in seinem Heimatland eine Schande für ihn. Der Beschwerdeführer legte in weiterer Folge eine afghanische Tazkira und einen afghanischen Reisepass, der laut Untersuchungsbericht der Landespolizeidirektion Kärnten authentisch sei, vor.
2. Am 04.04.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) erstmalig niederschriftlich einvernommen, führte der Beschwerdeführer - zusammengefasst - Folgendes an: Er stamme aus der Provinz Faryab in Afghanistan, bekenne sich zum Islam sunnitischer Ausrichtung, und gehöre der ethnischen Minderheit der Tadschiken an. Im Laufe des Verfahrens habe seine Mutter ihm seinen Reisepass nachgeschickt. Er habe neun Jahre lang die Schule besucht und nie gearbeitet. Er habe zuletzt in XXXX gelebt, wo auch seine Eltern, fünf Schwestern und ein Bruder lebten. Sein Großvater und zwei Onkel väterlicherseits lebten in Kabul. Die finanzielle Situation der Familie sei gut gewesen, sein Vater habe für eine XXXX Straßenbaufirma gearbeitet. Er habe seit sechs Monaten keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern oder Geschwistern, das stehe in Zusammenhang mit seinem Fluchtgrund. Vor sechs Monaten habe er noch telefonischen Kontakt gehabt, seit etwa drei Monaten sei sein Mobiltelefon jedoch kaputt. Er verfüge noch über eine Telefonnummer für seine Familie. Er habe keinen Kontakt zu seinem Großvater und seinen Onkeln in Kabul; auch als er noch in Afghanistan gelebt habe, habe er zu ihnen keinen Kontakt gehabt.
Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, ein Freund habe ihn vergewaltigt. Er sei dazu gezwungen und dabei gefilmt worden; auch andere Freunde hätten es mit ihm machen wollen. Er sei bedroht worden, dass das Video veröffentlicht würde, wenn er diese Sache nicht noch einmal mache. Er habe es seiner Mutter erzählt, jedoch nicht gewollt, dass jemand anderes davon erfährt. Seine Mutter habe ihren Goldschmuck verkauft, damit er fliehen könne. Sie hätten den Reisepass und ein Visum gemacht. Er sei Ende 2015 oder Beginn 2016 nach Mazar-e Sharif gefahren und von dort aus nach Iran geflogen. Auf Vorhalt, er habe vorher angegeben, dass seine Mutter ihm den Reisepass nachgeschickt habe, gab der Beschwerdeführer an, er habe den Pass beim Schlepper abgeben müssen, als er im Iran angekommen sei; dieser habe den Reisepass zur Mutter des Beschwerdeführers nach Afghanistan zurückgeschickt, die ihm den Pass dann nachgeschickt habe.
Sein Vater habe seinen Fluchtgrund nicht gekannt, die Mutter habe dem Vater nur gesagt, dass der Beschwerdeführer in Europa eine bessere Zukunft haben werde als in Afghanistan und dass sie die Reise mit ihrem Gold finanzieren werde. Vor sechs Monaten jedoch habe sein Vater ihn angerufen und gesagt, dass der Beschwerdeführer eine schlimme Sache gemacht habe. Er wisse nicht, ob jemand das Video veröffentlicht habe oder es seinem Vater das persönlich gesagt habe. Der Vater habe zu ihm gesagt, dass er eine Schande für die Familie sei und seine Familie dort nicht mehr weiterleben könne. Sein Vater habe seine Nummer blockiert und das sei der Grund, warum der Kontakt zu seiner Familie abgerissen sei.
Näher zum Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, ein Freund eines Freundes habe ihn vergewaltigt; später hätten das aber sehr viele mit ihm machen wollen. Der Vergewaltiger habe ihn festgehalten, geschlagen, und auch ein Messer gezogen, damit der Freund des Beschwerdeführers den Raum verlasse. Er habe mit seinem Mobiltelefon das Gesicht des Beschwerdeführers gefilmt und auch während der Vergewaltigung gefilmt. Danach habe er zum Beschwerdeführer gesagt, dass er es niemandem erzählen dürfe. Der Vergewaltiger selbst habe das Video jedoch seinen Freunden gezeigt, die daraufhin den Beschwerdeführer ebenfalls vergewaltigen hätten wollen und ihn damit bedroht hätten, das Video zu veröffentlichen. Der Beschwerdeführer habe nur mit seiner Mutter darüber geredet. Nach der Vergewaltigung habe er nie wieder Kontakt zu dem Vergewaltiger oder seinem Freund gehabt; er sei nur zu Hause gewesen oder in die Schule gegangen. Auf dem Schulweg hätten ihn jedoch die Freunde des Vergewaltigers bedroht.
Durch seine gesetzliche Vertretung befragt, gab der Beschwerdeführer an, es gebe in Afghanistan ein neues elektronisches System für die Beschaffung eines Reisepasses, sie hätten alle einen elektronischen Reisepass. Sie seien nach Mazar-e Sharif gefahren und hätten dort innerhalb eines Tages ein Visum bekommen. An dem Tag, als sie nach Mazar-e Sharif gefahren seien, habe seine Mutter seinem Vater gesagt, dass er Afghanistan verlassen werde.
Weiters wurde der Beschwerdeführer zu den näheren Umständen der Vergewaltigung befragt.
3. Mit Bescheid vom 03.05.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 200/2005 (AsylG), (Spruchpunkt I.), sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erteilte gemäß § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) gegen den Beschwerdeführer (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, den sexuellen Akt näher zu beschreiben. Es sei daher davon auszugehen, dass er in Afghanistan keiner gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und bei einer Rückkehr eine solche auch nicht zu befürchten habe. Darüber hinaus könne über Mazar-e Sharif sicher seinen Herkunftstaat sicher erreichen Heimatland erreichen.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass sein substantiiertes Vorbringen vor der belangten Behörde mit den Länderfeststellungen zu Afghanistan übereinstimmen würde. Er habe sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprochen. Eine Vergewaltigung sei zudem ein hoch traumatisches Erlebnis und könne zu Erinnerungsmängeln führen. Die belangte Behörde sei nicht auf das konkrete individuelle Vorbringen eingegangen und habe eine Gesamtbeurteilung anhand der verfügbaren herkunftsstaatspezifischen Informationen und entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verabsäumt.
5. Mit Schreiben vom 01.06.2018 eingelangt am 06.06.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verfahrensunterlagen - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
6. Am 06.05.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche Beschwerdeverhandlung statt, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm.
Bei seiner Vernehmung gab der Beschwerdeführer u.a. Folgendes an: Er stamme aus der Provinz Faryab, sei sunnitischer Moslem und gehöre der ethnischen Minderheit der Tadschiken an. Er habe zuletzt vor eineinhalb Jahren Kontakt zu seinem Vater gehabt. In Afghanistan sei er bis zur neunten Klasse in die Schule gegangen, habe diese aber nicht abgeschlossen. Seine Familienangehörigen hätten in der Provinz Faryab gelebt, er wisse jedoch nicht, wo sie jetzt seien. Er habe viele Halbtanten, Halbonkel, Cousins und Cousinen mütterlicherseits, die alle in der Provinz Faryab lebten. Sein Großvater väterlicherseits lebe in Kabul leben, ebenso wie alle Verwandten väterlicherseits (zwei Onkel und vier Tanten), dies mit Ausnahme einer Tante, die in Herat lebe.
Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, ein (näher genannter) Freund eines Freundes habe ihn bei diesem Freund vergewaltigt. Er habe ihn festgehalten, geschlagen und mit einem Messer bedroht. Er habe sein Gesicht und die Vergewaltigung gefilmt. Als sie fertig gewesen seien, habe er gesagt, er habe jetzt eine Aufnahme und der Beschwerdeführer solle es niemandem erzählen, sondern immer da sein, wenn er ihn brauche.
Danach sei der Beschwerdeführer nach Hause gegangen und zu ihnen keinen Kontakt mehr aufgenommen, auch nicht zu seinem Freund. Er sei nur in die Schule und wieder nach Hause gegangen, auf diese Weise sei er für sie unerreichbar gewesen. Dann habe sein Vergewaltiger die Aufnahme seinen Freunden gezeigt und sie dazu motiviert, den Beschwerdeführer zu misshandeln. Danach hätten sie ihn immer auf dem Schulweg belästigt. Daraufhin habe er es seiner Mutter erzählt, die ihren Goldschmuck verkauft habe, um seine Reise zu finanzieren. Sie habe ihren Vater angebettelt, dass der Beschwerdeführer das Land verlassen dürfe.
Das Ereignis bei seinem Freund sei Anfang 2016, zu Ende des Winters, passiert. Danach sei er noch etwa zwei Wochen in Afghanistan gewesen. Etwa vier bis fünf Tage nach dem Vorfall habe er es seiner Mutter erzählt. Bereits am Tag nach dem Vorfall sei er von den Freunden des Vergewaltigers am Schulweg belästigt worden. Nach etwa zehn Tagen habe seine Mutter erstmals mit seinem Vater über die Ausreise aus Afghanistan gesprochen, nach ca. zwei bis drei Tagen habe sein Vater zugestimmt, dass er ausreisen dürfe. Etwa drei Tage, nachdem sein Vater das akzeptiert habe, habe er das Land verlassen. Nachgefragt, wie die Ausreise so schnell möglich gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an, er habe einen Pass gehabt. Sie seien nach Mazar-e Sharif gefahren und dort habe er das iranische Visum beantragt und bekommen.
Auf Vorhalt, dass das iranische Visum mit Gültigkeit ab 06.01.2016 ausgestellt worden war, der afghanische Ausreisestempel vom Flughafen Mazar-e Sharif jedoch mit dem XXXX .2016 datiere, gab der Beschwerdeführer an, er habe am Donnerstag das Visum erhalten und sei am Samstag geflogen. Auf Vorhalt seiner Aussage vor der belangten Behörde, sie hätten (nachdem er seiner Mutter vom Vorfall erzählt habe) "den Reisepass und ein Visa gemacht", gab der Beschwerdeführer an, er habe seit dem achten Lebensjahr eine Tazkira und einen Pass. Drei bis vier Monate vor seiner Ausreise habe er einen neuen Pass beantragen müssen. Der Beschwerdeführer gab weiters an, seine Mutter habe drei Tage vor der Ausstellung des Visums mit seinem Vater gesprochen. Sein Vater habe erst nach drei Tagen zugestimmt.
Als der Beschwerdeführer bereits in Österreich gewesen sei, habe sein Vater ihn angerufen und gesagt, er hätte dem Ruf der Familie geschadet und diese könne seinetwegen nicht mehr frei unter die Leute gehen. Der Beschwerdeführer gab an, er wisse nicht genau wann, aber jemand habe seinem Vater das gesagt oder die Aufnahme gezeigt. Jetzt wisse es seine ganze Familie, sein Vater, Onkel und ca. 14-jähriger Bruder würden ihn im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan umbringen.
Danach habe der Beschwerdeführer nicht versucht, mit einem Familienmitglied Kontakt aufzunehmen, da diese ihn hassen würden. Nachdem sein Vater ihn angerufen habe, habe er versucht, danach wieder anzurufen, aber die Nummer habe nicht mehr funktioniert. Er nehme an, sein Vater habe seiner Mutter vielleicht gesagt, dass sie keinen Kontakt zum Beschwerdeführer aufnehmen solle oder sie geschlagen.
Der Beschwerdeführer gab an, in Österreich ca. vier Monate die Hauptschule besucht sowie einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert zu haben. Derzeit lebe er von der Grundversorgung. Er pflege in seinem Ort soziale Kontakte zu Bekannten aus dem Heim, in dem er wohne, und in dem AsylwerberInnen aus Afghanistan und Pakistan untergebracht sind. Er sei ledig und in keiner Beziehung. Er habe auch noch Kontakt zu Freunden aus einer anderen Ortschaft, wo er vorher untergebracht gewesen sei. Er habe in Österreich noch nie gearbeitet oder gemeinnützige Tätigkeiten versehen.
Der Beschwerdeführer legte u.a. Zeugnisse über die Ablegung von Deutschprüfungen (höchstes Niveau: A2) vor.
7. Im Anschluss an die Beschwerdeverhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet und die Niederschrift an den Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertretung ausgefolgt; der belangten Behörde wurde die Niederschrift zugestellt.
8. Am 07.05.2019 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er bekennt sich zum Islam sunnitischer Ausrichtung und spricht Farsi und Dari. Er wurde am XXXX .2001 geboren und stammt aus der Provinz Faryab. Seine Kern- und erweiterte Familie lebt in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer ist jung, fast volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er hat in Afghanistan neun Jahre lang die Schule besucht und ist bei seinen Eltern und Geschwistern aufgewachsen. Die finanzielle Situation der Familie war gut.
Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert, war kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, hat sich nicht politisch betätigt und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Heimatland.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat sein Vorbringen, er sei in Afghanistan vergewaltigt worden und ihm drohe daher im Falle einer Rückkehr Verfolgung insbesondere durch nahe Familienangehörige, nicht glaubhaft gemacht. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan vergewaltigt wurde und ihm deswegen oder aus anderen Gründen im Falle einer Rückkehr Verfolgung insbesondere durch nahe Familienangehörige droht.
Dem Beschwerdeführer droht auch auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken keine konkret gegen ihn gerichtete psychische oder physische Gewalt. Auch ist nicht jeder Angehörige der Tadschiken in Afghanistan physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit Verfolgung zu befürchten hätte.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan auch aus anderen Gründen nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte.
1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan:
Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, die Provinz Faryab, zählt zu den relativ volatilen Provinzen in den nördlichen Regionen Afghanistans, wo bewaffnete regierungsfeindliche Gruppen aktiv sind, und waren dort die sicherheitsrelevanten Vorfälle signifikanter als in anderen Provinzen. Eine hohe Anzahl an Zivilisten kam aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben. Es werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt und es finden Kämpfe zwischen den Taliban und Regierungsstreitkräften statt. Die höchste Anzahl an Talibankämpfern befindet sich im Distrikt Pashtunkot - aus dem der Beschwerdeführer stammt - und auch der IS behauptet, Anhänger in der Provinz zu haben.
Der Beschwerdeführer könnte sich einer schlechten Sicherheitslage in seiner Herkunftsprovinz jedoch entziehen, indem er sich nach Herat oder Mazar-e Sharif begibt.
Im Falle seiner Rückkehr in diese Städte außerhalb seiner Heimatprovinz würde dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen oder er der Gefahr ausgesetzt sein, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Als leistungsfähiger junger, gesunder Mann im erwerbsfähigen Alter ohne besonderen Schutzbedarf wäre er auch im Stande, für ein ausreichendes Auskommen im Sinne der Sicherung seiner Grundbedürfnisse zu sorgen. Er könnte seine Existenz zumindest mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern und eine einfache Unterkunft finden. Darüber hinaus könnte der Beschwerdeführer von seiner - nach eigenen Angaben - gut situierten Familie unterstützt werden. Er hat auch bereits zumindest ein paar Tage in Mazar-e Sharif verbracht. Es ist dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, sich in Mazar-e Sharif oder Herat anzusiedeln und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Von Österreich aus mit dem Flugzeug ist Mazar-e Sharif sicher über Kabul oder auch über Istanbul zu erreichen, Herat über Kabul.
1.4. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer ist rechtswidrig nach Österreich eingereist und stellte am XXXX .10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er hat - von seinem asylrechtlichen Status abgesehen - kein Aufenthaltsrecht in Österreich.
Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Deutschkenntnisse auf A2-Niveau. Er hat vier Monate die Hauptschule besucht, besucht aktuell jedoch keine Schule. Er hat bislang in Österreich nicht gearbeitet oder gemeinnützige Tätigkeiten verrichtet. Abgesehen von Freundschaften zu Bewohnern des Heims, wo er aktuell untergebracht ist, und gelegentlichen Treffen mit Freunden, die er aus der Zeit seiner Unterbringung in einem anderen Ort kennt, hat der Beschwerdeführer kaum relevante soziale Kontakte. Er ist ledig und hat in Österreich keine Familienangehörigen; er lebt von der Grundversorgung.
1.5. Zur hier relevanten Situation in Afghanistan:
1.5.1. Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Stand 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019):
Den zuletzt eingefügten Kurzinformationen vom 01.03.2019 und 26.03.2019 ist zu entnehmen, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor labil bleibt und sich insbesondere auch in Kabul-Stadt verschlechtert. Die meisten regierungsfeindlichen Angriffe fanden in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandarhar, Uruzgan und Herat statt. Zivile Opfer durch Kämpfe und Anschläge gab es auch in den Provinzen Kunar, Nangarhar, Kunduz und Kabul sowie entlang verschiedener Hauptstraßen in diesen Provinzen. Alle Provinzzentren sind jedoch unter Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung.
Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. 84.000 Personen nach Herat-Stadt und
94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).
Ergänzend wird zur Sicherheitslage im Kapitel 3 im Wesentlichen ausgeführt: Die Sicherheitslage in Afghanistan ist sehr instabil. Es ist mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Die afghanische Regierung bzw. deren Sicherheitskräfte behalten auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen. Die Aufständischen üben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren aus. Sie greifen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige an; es gibt Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS. Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt. Es haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden. Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen. Die Taliban kontrollieren zwischen 10% und 14 % der afghanischen Distrikte Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).
Zur Heimatprovinz des Beschwerdeführers wird im LIB ausgeführt (Abschnitt 3.9. Faryab):
Faryab ist eine Provinz im Norden Afghanistans und teilt sich ihre nördliche Grenze mit Turkmenistan. Die Provinz grenzt im Südosten an Sar-e Pul, im Nordosten an Jawzjan, im Süden an die Provinz Ghor und im Westen an die Provinz Badghis. Die Hauptstadt ist Maimana/Maymana City. Faryab hat folgende Distrikte: Pashtun Kot/Pashtunkot, Almar, Qaysar, Khawaja Sahib Posh/Khwajasabzposh, ShirinTagab/Shirintagab, Dawlat Abad/Dawlatabad, Bilchiragh/Bilcheragh, Gorzaiwan/Garziwan, Kohistan/Kohestan (Pajwhok o.D.; vgl. UN OCHA 4.2014), Khan-e-Char Bagh, Maimana/Maymana, Qaramqol, Qorghan, Andkhoy (UN OCHA 4.2014) und seit dem Jahr 2017 auch Ghormach (UNODC 11.2017; vgl. AAN 12.3.2018). Die Mehrheit der Bevölkerung besteht aus Uzbeken (AAN 12.3.2018). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.032.765 geschätzt (CSO 4.2017). Faryab zählte 2017 zu den Provinzen mit der höchsten Opium-Produktion (UNODC 11.2017).
Faryab spielt für Aufständische eine wichtige Rolle, da sie durch diese Provinz Zugang zu anderen Provinzen in Nordafghanistan erhalten (Pajhwok 14.1.2018). Gemäß Khaama Press zählte Faryab im März 2018 zu den relativ volatilen Provinzen in den nördlichen Regionen des Landes, in der bewaffnete regierungsfeindliche Gruppen in einer Anzahl von Distrikten aktiv waren (Khaama Press 7.3.2018; vgl. Khaama Press 25.1.2018, Khaama Press 13.1.2018, Khaama Press 26.7.2017). Die meisten im Jahr 2017 registrierten Anschläge fanden - in absteigender Reihenfolge - in den Provinzen Nangarhar, Faryab, Helmand, Kandahar, Farah, Ghazni, Uruzgan, Logar, Jawzjan, Paktika und Kabul statt (Pajhwok 14.1.2018). In Faryab waren die sicherheitsrelevanten Vorfälle signifikanter als in anderen Provinzen. So gelten 3,16% der Bevölkerung Faryabs als Binnenvertriebene (SIGAR 30.1.2018). Auch zählt Faryab zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 159 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 639 zivile Opfer in der Provinz Faryab (182 getötete Zivilisten und 457 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 7% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Kämpfe zwischen den Taliban und Regierungsstreitkräften fanden im Februar und März 2018 in Bilchiragh (Xinhua 10.5.2018) Shirintagab (Xinhua 7.3.2018), Khwajasabzposh, Dawlatabad, Qorghan, Qaysar (Tolonews 15.2.2018) und auf der Maimana-Andkhoi-Route statt (AAN 12.3.2018). In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Tolonews 9.5.2018; vgl. Tolonews 15.3.2018, Xinhua 14.3.2018, Xinhua 7.3.2018, Khaama Press 3.3.2018, Tolonews 15.2.2018, Khaama Press 4.2.2018, Khaama Press 26.7.2017); unter anderem in Form von Luftangriffen (AAN 13.3.2018; vgl. Khaama Press 13.1.2018, Pajhwok 11.1.2018, Khaama Press 4.1.2018, Khaama Press 30.12.2017). Talibanaufständische werden dabei getötet (Xinhua 15.3.2018; vgl. Xinhua 14.3.2018, Khaama Press 7.3.2018; vgl. Khaama Press 13.1.2018, Khaama Press 4.1.2018, Khaama Press 30.12.2017), in manchen Fällen sogar ihre Anführer (Khaama Press 7.3.2018; vgl. Khaama Press 4.2.2018, ST 1.2.2018) und Kommandanten des IS (AAN 15.5.2018). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban (AAN 12.3.2018; vgl. Xinhua 7.3.2018, RFE/RL 6.3.2017); dabei wurden Taliban-Kämpfer getötet (Pajhwok 11.1.2018, Pajhwok 3.2.2017) - in manchen Fällen auch ihre Anführer (Khaama Press 25.1.2018). Hinkünftig sollen 300 amerikanische Soldaten in der Provinz stationiert werden, um den nationalen Regierungsstreitkräften beizustehen (NYT 12.3.2018).
Die Taliban sind in Teilen der Provinz Faryab aktiv (Xinhua 7.3.2018); und zwar in den Distrikthauptstädten und in der Umgebung dieser Städte gelegenen Dörfern der Distrikte Shirintagab, Khwajasabzposh, Dawlatabad, Pashtunkot, Almar, Qaysar, Bilcheragh, Kohestan und Garziwan. Mit Stand März 2018 war der in den letzten Jahren umkämpfte Distrikt Ghormach seit Oktober 2017 unter voller Kontrolle der Taliban (AAN 12.3.2018; vgl. Khaama 13.8.2017). Die übriggebliebenen Distrikte Andkhoy, Khan-e Char Bagh, Qurghan und Qaramqol werden als relativ ruhig eingeschätzt; Talibankämpfer sind hier in abgelegenen Gebieten aktiv, während die Provinzhauptstadt umkämpft ist (AAN 12.3.2018). Die höchste Anzahl an Talibankämpfern befindet sich im Distrikt Pashtunkot, wo sich ein hydroelektrischer Staudamm befindet, der u.a. die Hauptstadt Maymana mit Trinkwasser versorgt (AAN 12.3.2018; vgl. Tolonews 19.2.2018). Im November 2017 wurde vom afghanischen Geheimdienst die Vermutung geäußert, der Islamische Staat wäre in neun Provinzen, unter anderem Faryab, aktiv (Reuters 23.10.2017; vgl. WT 28.11.2017). So behauptete der IS im April 2017, Anhänger in der Provinz Faryab zu haben (VOA 29.4.2017). Des Weiteren wurden für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 IS-bezogene Sicherheitsvorfälle in der Provinz Faryab gemeldet (ACLED 23.2.2018).
Zur als innerstaatliche Fluchtalternative herangezogenen Stadt Mazar-e Sharif in der Provinz Balkh führt das LIB aus (3.5. Balkh):
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen. Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017). Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018). Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017). Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).
Zur als innerstaatliche Fluchtalternative herangezogenen Stadt Herat in der Provinz Herat sowie dieser führt das LIB aus (3.13. Herat):
Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.). Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran- Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017). Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017). Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017). Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017).
Im Rechts- und Justizwesen (detailliert ausgeführt in Kapitel 4) gibt es zwar Gesetze, es gilt allerdings der Vorrang der Scharia (islamisches Recht) und daneben existieren lokale Gepflogenheiten. Das Justizwesen wird von Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquater Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert. Letzteres gilt auch für die Sicherheitskräfte (Kapitel 5 des LIB). Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2017 von Transparency International, belegt Afghanistan von 180 Ländern den 177. Platz (TI 21.2.2018). Einer Umfrage zufolge betrachten 83,7% der Afghanen die Korruption als ein Hauptproblem des Landes. Die Provinzen mit der höchsten Korruptionswahrnehmung sind Kabul mit 89,6%, Uruzgan mit 87,9%, Nangarhar mit 87,8% und Helmand mit 86,9% (Kapitel 7).
Es kommt auch zu bedeutenden Menschenrechtsverletzungen, obwohl die Menschenrechte eine klare rechtliche Grundlage haben. Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen (u. a. von Frauen wegen "moralischer Straftaten") und sexueller Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind Gewalt gegenüber Journalisten, Verleumdungsklagen, durchdringende Korruption und fehlende Verantwortlichkeit und Untersuchung bei Fällen von Gewalt gegen Frauen. Diskriminierung von Behinderten, ethnischen Minderheiten sowie aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung, besteht weiterhin mit geringem Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Die weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, sind ernsthafte Probleme. Missbrauchsfälle durch Beamte, einschließlich der Sicherheitskräfte, werden von der Regierung nicht konsequent bzw. wirksam verfolgt. Bewaffnete aufständische Gruppierungen greifen mitunter Zivilisten, Ausländer und Angestellte von medizinischen und nicht-staatlichen Organisationen an und begehen gezielte Tötungen regierungsnaher Personen. Regierungsfreundlichen Kräfte verursachen eine geringere - dennoch erhebliche - Zahl an zivilen Opfern (vgl. zur Menschenrechtslage Kapitel 10).
Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen sind gesetzlich verboten; trotzdem werden beide Praktiken weiterhin betrieben. Diese stellen in den meisten Provinzen ein Problem dar. Beobachtern zufolge werden Personen gelegentlich von Polizei und Staatsanwälten auf Basis von Handlungen, die nach afghanischem Recht nicht strafbar sind, ohne Anklage inhaftiert. Teilweise auch deshalb, weil das Justizsystem nicht in der Lage ist, in angemessener Zeit einen Strafprozess abzuwickeln. Die UNAMA berichtete von Verhaftungen wegen Verstößen gegen die Moral, Vertragsbruch, Familiendisputen und zum Zwecke des Erhalts von Geständnissen.
Gem. Kapitel 14 droht die Todesstrafe nicht nur bei Delikten wie Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Angriff gegen den Staat, Mord und Zündung von Sprengladungen, Entführungen bzw. Straßenraub mit tödlicher Folge, Gruppenvergewaltigung von Frauen usw., sondern auch unter dem Einfluss der Scharia bei anderen Delikten (z.B. Blasphemie, Apostasie, Ehebruch).
Zur ethnischen Gruppe der Tadschiken wird unter Abschnitt 16.3. angeführt: Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte (CRS 12.1.2015; vgl. LIP 5.2018); und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (LIP 5.2018). Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten: In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit (LIP 5.2018). Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (BFA Staatendokumentation 7.2016). Der Hauptführer der "Nordallianz", einer politisch-militärischen Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist (CRS 12.1.2015). Trotz seiner gemischten Abstammung, sehen ihn die Menschen als Tadschiken an (BBC 29.9.2014). Auch er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war (CRS 12.1.2015). Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan (CRS 12.1.2015); ein Amt, das speziell geschaffen wurde und ihm die Rolle eines Premierministers zuweist (BBC 29.2.2014). Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).
Zur Versorgungslage wird in Kapitel 21 und 22 ausgeführt:
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vgl. WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).
Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit:
Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).
Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).
Projekte der afghanischen Regierung:
Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u.a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u. a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vgl. GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).
Das "Citizens' Charter National Priority Program" z. B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungswesen, das Straßennetz und die Stromversorgung zu verbessern, sowie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu steigern. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Behinderte, Arme und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Medizinische Versorgung (Kapitel 22):
Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5.2018).
In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen (WHO o.D.). Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht (TWBG 10.2016; vgl. USAID 25.5.2018). Gründe dafür waren u. a. eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. (TWBG 10.2016). Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (AF 11.2017).
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011-2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012-2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (WHO o.D.).
Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (TWBG 10.2016). In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 - 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt (AA 5.2018). Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baghlan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Krankenkassen und Gesundheitsversicherung
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden (MoPH 7.2005; vgl. MedCOI 4.1.2018). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken (MedCOI 24.2.2017). Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (IOM 5.2.2018).
Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen (MoPH 7.2005; vgl. AP&C 9.2016). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 5.2018).
Beispiele für Nichtregierungsinstitutionen vor Ort:
Ärzte ohne Grenzen (MSF): Médecins sans Frontières (MSF) ist in verschiedenen medizinischen Einrichtungen in Afghanistan tätig: im Ahmad Shah Baba Krankenhaus und im Dasht-e Barchi Krankenhaus in Kabul, in der Entbindungsklinik in Khost, im Boost Krankenhaus in Lashkar Gah (Helmand) sowie im Mirwais Krankenhaus und anderen Einrichtungen in Kandahar (MSF o. D.).
Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC): Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung. Für den Zeitraum von Dezember 2017 bis März 2018 wurden Berichten zufolge insgesamt 48 Zwischenfälle in 13 Provinzen registriert. Nach mehreren Angriffen mit Todesfolge auf Mitarbeiter des ICRC, hat das Internationale Komitee des Roten Kreuzes 2017 einen erheblichen Teil seines Personals im Land abgezogen (AA 5.2018). Trotzdem blieb im Laufe des Jahres 2017 das ICRC landesweit aktiv. Tätigkeiten des Komitees zur Förderung der Gesundheitsfürsorge waren z.B. der Transport von Kriegsverwundeten in nahe liegende Krankenhäuser für weitere medizinische Versorgung, die Bereitstellung von Medikamenten und medizinischer Ausstattung zur Unterstützung einiger staatlicher Krankenhäuser, die Bereitstellung von medizinischer Unterstützung für das Mirwais Krankenhauses in Kandahar, die Unterstützung von Gesundheitsdienstleistungen in zwei Gefängnissen (Kandahar und Herat) usw. (ICRC 28.1.2018).
International Psychosocial Organization (IPSO) in Kabul: IPSO bietet landesweit psychosoziale Betreuung durch Online-Beratung und Projektfeldarbeit mit insgesamt 280 psychosozialen Therapeuten, wovon die Hälfte Frauen sind. Die Online-Beratung steht von 8-19 Uhr kostenfrei zur Verfügung; angeboten werden ebenso persönliche Sitzungen in Beratungszentren der Krankenhäuser. Einige der Dienste dieser Organisation sind auch an Universitäten und technischen Institutionen verfügbar. Unter anderem ist IPSO in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Herat, Bamyan, Badakhshan, Balkh, Jawzjan und Laghman tätig (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IPSO Cultural Containers o.D.).
Medica Afghanistan in Kabul: Medica Afghanistan bietet kostenfreie psychosoziale Einzel- und Gruppentherapien an. Die Leistungen sind nur für Frauen zugänglich und werden in Kabul in unterschiedlichen Frauenhäusern und -gefängnissen sowie Jugendzentren angeboten. Auch werden die Leistungen der Organisation in drei Hauptkrankenhäusern, im "Women's Garden, im Ministeirum für Frauenangelegenheiten (MoWA) und an weiteren Standorten in Kabul angeboten (BFA Staatendokumentation 4.2018).
PARSA Afghanistan: Parsa ist seit 1996 als registrierte NGO in Afghanistan tätig. Die Organisation spezialisiert sich u.a. auf psychologische Leistungen und Ausbildung von afghanischem Fachpersonal, das in sozialen Schutzprogrammen tätig ist und mit vulnerablen Personen arbeitet. Zu diesen Fachkräften zählen Mitarbeiter in Zentren für Binnenvertriebene, Frauenhäusern und Waisenhäusern sowie Fachkräfte, die in lokalen Schulen am Projekt "Healthy Afghan Girl" mitarbeiten und andere Unterstützungsgruppen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. PARSA o.D.).
Weitere Projekte: Das Telemedizinprojekt des Mobilfunkanbieters Roshan, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialisten im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden mittellose Patienten auf dem Land von Fachärzten diagnostiziert. Unter anderem bietet die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie afghanischen Ärzten die Möglichkeit, ihre medizinischen Kenntnisse zu erweitern und auf den neuesten Stand zu bringen (GI 17.12.2016; vgl. NCBI 23.3.2017).
Zur Rückkehr nach Afghanistan wird in Kapitel 23 ausgeführt: Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand
21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).
Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz u