TE Bvwg Beschluss 2019/6/7 W140 2195455-2

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Veröffentlicht am 07.06.2019
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Entscheidungsdatum

07.06.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W140 2195455-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alice HÖLLER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.06.2019, Zl. 1097593401 - 190528139 erfolgte Aufhebung des Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 03.11.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.12.2015 gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass der Cousin seines Vaters ihn und seinen Vater umbringen habe wollen. Auch die Daesh und die Taliban hätten ihn mit dem Umbringen bedroht, weil sein Bruder beim afghanischen Militär gewesen sei.

Bei seiner Einvernahme am 10.04.2018 gab der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (BFA) an, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre und schiitischer Moslem sei. Er sei in XXXX in der Provinz XXXX geboren und aufgewachsen. Er habe sechs Jahre lang die Grundschule besucht. Er habe als Landwirt, als Schafhirte und als Hilfsarbeiter auf Baustellen gearbeitet. Der BF sei verheiratet. Seine Ehefrau, seine Eltern, seine zwei Brüder und seine zwei Schwestern seien in Pakistan aufhältig.

Zu den Gründen für das Verlassen des Heimatstaates gab er an, dass der Sohn des Onkels väterlicherseits die Absicht gehabt habe, den BF umzubringen. Er habe ihn wegen den Grundstücken und dem Wasser umbringen wollen. Ihr Haus habe sich nicht bei ihren Grundstücken befunden und er habe es ihnen nicht erlaubt, von dort Wasser zu nehmen. Er habe den BF fast jeden Tag mit seiner Waffe bedroht und gesagt, er werde ihn schon umbringen. Er habe schon zwei Mal auf seinen Vater geschossen. Einmal habe er ihn am Bein getroffen, einmal habe er ihn an der rechten Schläfe gestreift. Als sein Vater zum zweiten Mal verletzt worden sei, habe er wahrscheinlich die Absicht gehabt, den BF zu töten, deswegen sei er ausgereist.

Mit Bescheid des BFA vom 12.04.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit vierzehn Tagen festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass dem Fluchtvorbringen des BF aufgrund seiner vagen, widersprüchlichen und unplausiblen Angaben keine Glaubwürdigkeit zukommt. Das Ermittlungsverfahren habe auch keine Gründe ergeben, die zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz gem. § 8 AsylG 2005 führen könnten.

Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 01.04.2019, Zl. W276 2195455-1/11E, als unbegründet ab.

2. Das BVwG (W276 2195455-1/11E vom 01.04.2019) hat die folgenden Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde gelegt:

"Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF führt den im Spruch genannten Namen, ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari. Der BF hat in Afghanistan nach traditionellem islamischen Ritus geheiratet. Die Feststellungen zur Identität des BF gelten ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren.

Der BF ist im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX geboren und aufgewachsen. Er hat sechs Jahre lang die Grundschule besucht. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan war der BF in der familieneigenen Landwirtschaft tätig. Er hat auch als Hilfsarbeiter am Bau gearbeitet. Die Familie des BF besitzt in seinem Heimatdorf ein Haus und landwirtschaftliche Grundstücke. Der BF hat mit seiner Ehefrau, seinen Eltern und seinen Geschwistern unter einem Dach gelebt. Sie haben gemeinsam auf den Feldern gearbeitet, sie hatten auch Schafe und Kühe. Sie haben alle zusammen für den Lebensunterhalt der Familie gesorgt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Ehefrau, die Eltern, die zwei Brüder und die zwei Schwestern des BF sein Heimatdorf oder Afghanistan verlassen haben und nach Pakistan gezogen sind. Er hat zu seiner Ehefrau, seinen Eltern und seinen Geschwistern regelmäßigen Kontakt. Auch die Cousins seines Vaters leben in seinem Herkunftsort. Fünf Tanten väterlicherseits und drei oder vier Geschwister seiner Mutter leben gemeinsam mit ihren Familien in Pakistan. Der Aufenthaltsort eines seiner Brüder ist ihm nicht bekannt.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten mit dem Cousin seines Vaters einer persönlichen Bedrohung oder Verfolgung durch den Cousin seines Vaters in Afghanistan ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr dorthin ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund der Tätigkeit seines Bruders bei der afghanischen Nationalarmee einer persönlichen Bedrohung oder Verfolgung durch Taliban in Afghanistan ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr dorthin ausgesetzt wäre.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der BF von den Taliban verschleppt und gefoltert wurde.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der BF als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie schiitischer Muslim vor seiner Ausreise aus Afghanistan bedroht wurde bzw. ihm bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat deswegen konkret und individuell physische oder psychische Gewalt droht.

Zur Situation des BF in Österreich:

Der BF befindet sich spätestens seit 03.11.2015 durchgehend im Bundesgebiet und ist illegal eingereist. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der BF leidet an XXXX und Schmerzen in der XXXX . Bei ihm wurde ein XXXX und eine Entzündung der XXXX der XXXX diagnostiziert. Außerdem wurde bei ihm eine depressive Verstimmung mit sensitiven Zügen und eine Somatisierungsstörung festgestellt. Eine aktuelle Therapiemaßnahme aufgrund seines Bandscheibenvorfalls wird nicht durchgeführt. Es liegen keine Befunde vor, die eine Operation anordnen. Zur Behandlung seiner rechten Ferse ist eine Stoßwellentherapie vorgesehen. Er ist wegen seiner Depression in psychiatrischer Behandlung und nimmt Antidepressiva.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF an schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet. Der Gesundheitszustand des BF steht seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegen.

Der BF ist arbeitsfähig.

Er lebt von der Grundversorgung. Er ist in Österreich nie einer Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit nachgegangen, und somit nicht selbsterhaltungsfähig. Die Tante des BF väterlicherseits lebt in Österreich und der BF steht mit ihr in Kontakt. Er ist von seiner Tante väterlicherseits nicht finanziell abhängig und wohnt auch nicht mit ihr zusammen.

Der BF besucht derzeit im Rahmen des Projekts " XXXX - XXXX " einen Deutschkurs für das Sprachniveau B1+. Er hat am 04.06.2018 die Prüfung für das ÖSD Zertifikat A2 gut bestanden. Er hat gemeinsam mit den anderen Deutschkursteilnehmern das Kino und den Tiergarten besucht. Er hat, außer zu seiner Deutschlehrerin, keine freundschaftlichen Kontakte zu Österreichern geknüpft. Der BF fährt Fahrrad, geht spazieren und spielt Tischtennis. Er war in keinem Verein tätig.

Zur Situation im Fall der Rückkehr nach Afghanistan:

Dem BF droht bei einer Rückkehr in seinen Heimatdistrikt in der Provinz XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Ihm steht jedoch eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Mazar-e-Sharif zur Verfügung. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e-Sharif kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Es ist dem BF möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e-Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können."

3. Dieses Erkenntnis wurde am 03.04.2018 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

4. Der BF reiste zwischenzeitlich nach Deutschland und langte am 08.04.2019 ein Wiederaufnahmeersuchen ein. Am 18.04.2019 stimmte Österreich der Wiederaufnahme zu und wurde der BF am 23.05.2019 von Deutschland nach Österreich rücküberstellt.

5. Am 23.05.2019 stellte der BF den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag. Zu seiner neuerlichen Asylantragstellung brachte er im Wesentlichen vor, dass er Angst habe getötet zu werden, da sein Bruder in der afghanischen Nationalarmee gewesen sei. In seiner Heimat habe er auch Probleme mit den Paschtunen gehabt. Darüber hinaus habe er gesundheitliche Probleme, die in Afghanistan nicht so gut behandelt werden könnten. Befragt danach, seit wann ihm die Änderung der Situation respektive seiner Fluchtgründe bekannt gewesen sei führte der BF aus, dass es seit dem letzten Verfahren bekannt sei und er dies damals auch bekannt gegeben habe.

In seiner Einvernahme vor dem BFA am 28.05.2019 brachte er des Weiteren vor, dass sich bezüglich der Ausreisegründe, die er im ersten Verfahren angegeben habe nichts geändert habe, außer dass seine Religion falsch protokolliert worden sei. Er habe jetzt keine Religion und möchte zum Christentum konvertieren. Befragt nach christlichen Festen konnte der BF lediglich das "Eierfest" angeben. Er wisse ansonsten nicht viel darüber Bescheid. Auf nähere Nachfrage, was bei diesem Fest gefeiert werde, vermochte der BF keine Antworten zu geben. Ebenso habe er keine Bibel zu Hause und könne auch nicht die Kirche benennen, die er besuche. Befragt danach, was in der Bibel stehe, führte der BF aus, dass er sich an nicht viel erinnern könne; es stehe drinnen, dass man motiviert bleiben soll, einander zu helfen und menschlich zu sein. Er besuche derzeit auch keinen Gottesdienst, da er nicht wisse wann einer abgehalten werde. Darüber hinaus habe er in Afghanistan auch religiöse Probleme gehabt, weshalb er einmal geschlagen worden sei, da ihm vorgeworfen worden sei, er sei ungläubig. Getauft worden sei er nicht. Er könne nicht in sein Heimatdorf zurückkehren, da die Taliban in seinem Heimatort regierten.

Der BF wurde am 04.06.2019 neuerlich vor dem BFA einvernommen. Hierbei gab er an, dass er bezüglich seiner Krankheiten keine neuen Unterlagen vorzulegen habe. Er könne nicht nach Mazar-e Sharif zurück, da dort eine Person lebe, mit der er verfeindet sei. Die Person gehöre zur Hezb-e Whadat und sei ein machtvoller Mensch, der den BF bereits mit dem Umbringen bedroht habe. Das wisse er seit ungefähr ein bis zwei Jahren und habe es im vorangegangenen Asylverfahren nicht vorgebracht, da er da von anderen Schwierigkeiten gesprochen habe.

6. Mit Verfahrensanordnung vom 28.05.2019, vom Antragsteller am selben Tag übernommen, wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen sowie den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufzuheben.

7. Bei seiner Einvernahme am 04.06.2019 vor dem BFA wiederholte der Antragsteller im Wesentlichen seine bisherigen Angaben zur Sicherheitslage in Kabul und zu den Taliban. Er könne auch nicht nach Mazar-e Sharif zurückkehren, da er dort einen mächtigen Feind habe, der ihn bedroht habe.

8. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes, mündlich verkündet am 04.06.2019 wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben. Begründend wurde vorgebracht, dass sich der BF im gegenständlichen Verfahren auf die ursprünglich nicht glaubhaften Gründe bezogen habe. Darüber hinaus habe er vorgebracht, dass ihm aufgrund seiner neuen Religion Verfolgung drohen würde. Sein Abfall vom Islam respektive seine angestrebte Konversion zum Christentum sei jedoch nicht glaubhaft. Ebenso sei das nunmehrige Vorbringen, wonach der BF in Mazar-e Sharif eine persönliche Feindschaft habe nicht glaubhaft.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt den im Spruch genannten Namen, ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari. Der BF hat in Afghanistan nach traditionellem islamischen Ritus geheiratet. Die Feststellungen zur Identität des BF gelten ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren. Der BF ist im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX geboren und aufgewachsen. Er hat sechs Jahre lang die Grundschule besucht. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan war der BF in der familieneigenen Landwirtschaft tätig. Er hat auch als Hilfsarbeiter am Bau gearbeitet. Die Familie des BF besitzt in seinem Heimatdorf ein Haus und landwirtschaftliche Grundstücke. Der BF hat mit seiner Ehefrau, seinen Eltern und seinen Geschwistern unter einem Dach gelebt. Sie haben gemeinsam auf den Feldern gearbeitet, sie hatten auch Schafe und Kühe. Sie haben alle zusammen für den Lebensunterhalt der Familie gesorgt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten mit dem Cousin seines Vaters einer persönlichen Bedrohung oder Verfolgung durch den Cousin seines Vaters in Afghanistan ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr dorthin ausgesetzt wäre. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund der Tätigkeit seines Bruders bei der afghanischen Nationalarmee einer persönlichen Bedrohung oder Verfolgung durch Taliban in Afghanistan ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr dorthin ausgesetzt wäre. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der BF von den Taliban verschleppt und gefoltert wurde. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der BF als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie schiitischer Muslim vor seiner Ausreise aus Afghanistan bedroht wurde bzw. ihm bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat deswegen konkret und individuell physische oder psychische Gewalt droht.

Der BF befindet sich spätestens seit 03.11.2015 im Bundesgebiet und ist illegal eingereist. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Der BF ist arbeitsfähig. Er ist in Österreich nie einer Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit nachgegangen, und somit nicht selbsterhaltungsfähig. Die Tante des BF väterlicherseits lebt in Österreich und der BF steht mit ihr in Kontakt. Er ist von seiner Tante väterlicherseits nicht finanziell abhängig und wohnt auch nicht mit ihr zusammen. Er war in keinem Verein tätig. Es besteht kein hinreichend schützenswertes Privatleben und kein Familienleben im Bundesgebiet. Der BF ist nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF an schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet. Der Gesundheitszustand des BF steht seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegen.

Eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts oder im Herkunftsstaat des Antragstellers ist seit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.04.2019 nicht eingetreten. Der BF strebt keine ernsthafte und glaubhafte Konversion zum Christentum an. Der BF konnte nicht glaubwürdig darlegen in Mazar-e Sharif über eine persönliche Feindschaft zu verfügen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Afghanistan ernsthafter Schaden droht. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif in eine ausweglose Lage bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des BF, dem Gang des ersten Asylverfahrens, des gegenständlichen Verfahrens sowie zur Situation in Afghanistan wurden auf Grundlage des in Rechtskraft erwachsenen oben zitierten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.04.2019 sowie der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl getroffen.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation des BF in Afghanistan, insbesondere zu seinen Lebensumständen, seiner Schulbildung und Berufstätigkeit ergeben sich ebenfalls aus dem zitierten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.04.2019.

Die Angaben zur zwischenzeitlichen Weiterreise des BF nach Deutschland, dem Wiederaufnahmeersuchen und der Rücküberstellung nach Österreich beruhen auf dem vorliegenden Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zu der aktuellen privaten und familiären Situation des Antragstellers in Österreich gründen auf dessen Vorbringen in beiden Asylverfahren.

Dass kein aufrechtes Privatleben im Sinne einer besonders engen Beziehung zwischen dem BF und seiner im Bundesgebiet lebenden Tante besteht, beruht auf dem Umstand, dass der BF angab, diese seit seiner Rückkehr aus Deutschland noch nicht persönlich getroffen zu haben.

Die Feststellungen zur Verfolgung des BF durch den Cousin seines Vaters, zur Bedrohung durch die Taliban bzw. Daesh aufgrund der Tätigkeit des Bruders des BF für die afghanische Nationalarmee, zur Verschleppung und Folterung durch die Taliban, sowie zur Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und als schiitischer Muslim beruhen auf dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.04.2019.

Das Bundesverwaltungsgericht folgt hinsichtlich des Vorbringens betreffend eines vermeintlichen Abfalls vom Islam und einer angestrebten Konversion zum Christentum der Beurteilung des BFA, wonach sich dieses Vorbringen als unglaubwürdig darstellt. Ebenso ist dem nunmehr neu hinzugetretenen Vorbringen des BF, wonach er in Marzar-e Sharif über einen feindlichen Bekannten verfügt, die Glaubhaftigkeit abzusprechen. Diesen neu hinzugekommenen Fluchtvorbringen konnte daher in Übereinstimmung mit den Ausführungen im mündlich verkündeten Bescheid des BFA keine Glaubwürdigkeit geschenkt werden.

Bezüglich dem Vorbringen des BF zu seinen gesundheitlichen Beschwerden ist ebenfalls auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.04.2019 zu verweisen, in welchem auf die Krankheitsbilder des BF umfassend eingegangen wurde. Sofern der BF nunmehr angibt, darüber hinausgehende gesundheitliche Beeinträchtigungen zu haben, ist darauf zu verweisen, dass der BF zu seinen vermeintlich neu hinzugekommenen gesundheitlichen Problemen keine neuen Unterlagen vorlegen konnte.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Antragstellers sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Verfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten, wovon sich das Bundesverwaltungsgericht durch Einsicht in das aktuelle, dem verfahrensgegenständlichen Bescheid zugrunde liegende Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, aktualisiert am 26.03.2019, überzeugen konnte. Dass sich seit der Erlassung der rechtskräftigen Entscheidung im Vorverfahren in Afghanistan allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann in diesem Fall somit verneint werden. Die Lage stellt sich diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar.

Die Lage in der Stadt Mazar-e Sharif, die im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.04.2019 als innerstaatliche Fluchtalternative für den Antragsteller festgestellt wurde, kann daher insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:

"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln.

Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

Zu A)

Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Es wurde dem Antragsteller Parteiengehör eingeräumt, er wurde am 23.05.2019, am 28.05.2019 und am 04.06.2019 befragt und wurde ihm die Möglichkeit der Stellungnahme zu den maßgeblichen Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat eingeräumt.

Mit der entsprechenden Verfahrensanordnung wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufzuheben.

Gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wenn der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt hat und kein Fall des Abs. 1 vorliegt, den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Ein Folgeantrag im Sinne von § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

§ 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Zu prüfen ist sohin, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall vorliegen.

Gegen den BF liegt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor.

Wie bereits oben dargestellt, hat der Antragsteller die bereits dem rechtskräftigen Erkenntnis vom 01.04.2019 zu Grunde liegenden Fluchtgründe (Verfolgung durch die Taliban aufgrund der Tätigkeit seines Bruders bei der afghanischen Nationalarmee, Verschleppung durch die Taliban, Bedrohung aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit) vorgebracht. Den neu hinzugekommenen Fluchtgründen - der bevorstehenden Konversion zum Christentum sowie dem Umstand, dass er in Mazar-e Sharif einen feindlichen Bekannten habe - konnte keine Glaubwürdigkeit geschenkt werden. Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich daher, wie auch in der Sachverhaltsdarstellung und der Beweiswürdigung aufgezeigt, kein glaubwürdiger und entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt.

Auch die für den Antragsteller hinsichtlich der Frage der Zuerkennung von Asyl bzw. subsidiären Schutz maßgebliche Ländersituation in Afghanistan ist seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.04.2019 im Wesentlichen gleich geblieben, wie ebenfalls in der Beweiswürdigung dargelegt.

Eine neue Sachentscheidung ist im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684, mwH).

Der vorliegende Folgeantrag wird daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Im ersten Verfahren wurde ausgesprochen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Artikel 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG). Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sind - im Lichte der eben getroffenen Erwägungen - keine Risiken für den Antragsteller im Sinne des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen in der Person des Antragstellers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden. Auch seitens des Antragstellers wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hiezu getätigt bzw. seitens des Bundesverwaltungsgericht als nicht vorliegend erachtet (s. zur Beurteilung hinsichtlich seines Vorbringens zu seinem Gesundheitszustand unter II.2.). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat stellt für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 und 3 oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Artikel 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Glaubwürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W140.2195455.2.00

Zuletzt aktualisiert am

22.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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