TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/24 98/14/0130

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Veröffentlicht am 24.11.1998
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §108 Abs3;
BAO §245 Abs3;
BAO §245 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des E S in S, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 16. Juni 1998, RV 166/1-10/1998, betreffend ua Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. November 1995 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer als Haftenden für Abgabenschulden einer GmbH heran. Dieser Bescheid wurde durch Hinterlegung am 20. November 1995 zugestellt.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 1995, beim Finanzamt am selben Tag persönlich überreicht, beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 31. Dezember 1995. Über diesen Antrag sprach das Finanzamt nicht ab.

Mit Schreiben vom 2. Jänner 1996, zur Post gegeben am selben Tag, beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 15. Jänner 1996.

Am 11. Jänner 1996, beim Finanzamt am 15. Jänner 1996 persönlich überreicht, erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid vom 15. November 1995.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 13. Februar 1998 gab das Finanzamt der Berufung teilweise statt.

Mit Schreiben vom 16. März 1998 beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung unter Hinweis auf § 245 Abs 3 BAO als verspätet zurück, wobei sie zur Begründung ausführte, die hemmende Wirkung eines Antrages auf Verlängerung der Berufungsfrist könne nach dem zweiten Satz des § 245 Abs 4 leg cit nicht dazu führen, daß diese Frist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt worden sei, ablaufe. Die (zeitliche) Beschränkung der Hemmungswirkung eines Antrages auf Verlängerung der Berufungsfrist habe Bedeutung, wenn die Abgabenbehörde bis zu dem beantragten Fristende nicht entscheide. Da über den Antrag vom 15. Dezember 1995 über die Verlängerung der Berufungsfrist nicht entschieden worden sei, sei diese Frist wie beantragt am 31. Dezember 1995 abgelaufen. Der am 2. Jänner 1996 zur Post gegebene Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist sei daher nicht mehr innerhalb der gehemmten Frist eingebracht worden. Die bereits abgelaufene Berufungsfrist werde durch den am 2. Jänner 1996 zur Post gegebenen Antrag nicht (neuerlich) gehemmt. Die am 15. Jänner 1996 persönlich überreichte Berufung gegen den Bescheid vom 15. November 1995 erweise sich somit als verspätet. Da das Finanzamt diesen Zurückweisungsgrund nicht aufgegriffen, vielmehr über die Berufung mit Berufungsvorentscheidung entschieden habe, sei iSd § 278 BAO vorzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vertritt im Einklang mit der belangten Behörde die Ansicht, durch einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist werde diese Frist bis zu jenem Tag, der im Antrag genannt sei, gehemmt. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1995 habe er beantragt, die Berufungsfrist bis zum 31. Dezember 1995 zu verlängern. Falle das Ende einer Frist ua auf einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag, so sei nach dem zweiten Satz des § 108 Abs 3 BAO als letzter Tag der Frist der nächstfolgende Werktag anzusehen. Der 31. Dezember 1995 sei ein Sonntag, der 1. Jänner 1996 ein Feiertag gewesen. Der nächstfolgende Werktag sei der 2. Jänner 1996 gewesen, weswegen die Berufungsfrist bis zu diesem Tag gehemmt gewesen sei. Der an diesem Tag zur Post gegebene Antrag auf (weitere) Verlängerung der Rechtsmittelfrist bis zum 15. Jänner 1996 sei somit noch innerhalb der gehemmten Frist gestellt worden. Die Berufungsfrist sei daher im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung am 11. Jänner 1996, beim Finanzamt persönlich überreicht am 15. Jänner 1996, gewahrt gewesen, weswegen das Finanzamt über die Berufung gegen den Bescheid vom 15. November 1995 zu Recht mit Berufungsvorentscheidung vom 13. Februar 1998 entschieden habe. Auch daraus sei ersichtlich, daß der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig sei. Die belangte Behörde hätte somit die Berufung nicht zurückweisen dürfen, sondern über diese entscheiden müssen.

Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Recht. Zwar ist der belangten Behörde zuzustimmen, daß die Hemmung iSd § 245 Abs 3 BAO nicht dazu führen kann, daß die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt worden ist, abläuft und daß der zweite Satz des § 245 Abs 4 leg cit zur Anwendung kommt, wenn die Abgabenbehörde wie im Beschwerdefall über einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist nicht bis zum angestrebten Fristende entschieden hat (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 2528). Dies schließt aber im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde keineswegs die Anwendbarkeit des allgemein für Fristen geltenden § 108 Abs 3 zweiter Satz BAO aus. Da die Berufungsfrist bis zum 31. Dezember 1995, ein Sonntag, durch den fristgerechten Antrag des Beschwerdeführers vom 15. Dezember 1995 gehemmt war, der 1. Jänner 1996 ein Feiertag gewesen ist, ist die hemmende Wirkung des Fristverlängerungsansuchens erst am 2. Jänner 1996 abgelaufen. Dem an diesem Tag zur Post gegebenen (weiteren) Antrag um Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 15. Jänner 1996 kommt somit hemmende Wirkung zu. Die am 15. Jänner 1996 persönlich überreichte Berufung gegen den Bescheid vom 15. November 1995 erweist sich damit als fristgerecht.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid ohne auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Der Stempelgebührenersatz konnte nur im Ausmaß der tatsächlich entrichteten Stempelgebühr von 2.500 S zugesprochen werden.

Wien, am 24. November 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998140130.X00

Im RIS seit

19.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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