TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/13 W192 2189619-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.2019
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Entscheidungsdatum

13.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W192 2189619-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2018, Zahl: 1067704005-150478710, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt II. zu lauten hat:

"Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wird der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien abgewiesen."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Georgiens, stellte nach illegaler Einreise am 15.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, zu welchem er am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Der Beschwerdeführer gab insbesondere zu Protokoll, er sei Angehöriger der georgischen Volksgruppe, bekenne sich zum Christentum, habe im Herkunftsstaat die Pflichtschule absolviert und sei ausgebildeter Jurist. Der aus einem Dorf in Zentralgeogrien stammende Beschwerdeführer habe den Entschluss zur Ausreise vor ca. zwei oder drei Jahren gefasst und Österreich als sein Zielland gewählt, da er gewusst hätte, dass ihm hier geholfen würde. Der Beschwerdeführer habe Georgien legal unter Mitführung seines, zwischenzeitig verloren gegangenen, georgischen Reisepasses verlassen. Zum Grund seiner Flucht führte der Beschwerdeführer aus, er leide seit etwa drei Jahren an Nierenversagen und sei Dialysepatient. Der Beschwerdeführer besitze in Georgien keine Versicherung und habe zur Finanzierung der Behandlung das Haus verkaufen müssen. Dennoch sei er mit der ärztlichen Behandlung nicht zufrieden gewesen und habe sich daher entschlossen, nach Österreich zu kommen. Für den Fall einer Rückkehr befürchte er, in Konsequenz einer inkompetenten Behandlung zu sterben. Sichergestellt wurde der georgische Personalausweis des Beschwerdeführers.

Am 27.02.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich in seinem Verfahren auf internationalen Schutz einvernommen und gab auf entsprechende Befragung hin zusammengefasst zu Protokoll, er fühle sich zur Durchführung der Einvernahme in der Lage und habe bislang wahrheitsgemäße Angaben erstattet. Der Beschwerdeführer stamme aus einem näher bezeichneten Dorf und habe die letzten zwei Jahre vor seiner Ausreise in Tiflis gelebt. Gesundheitlich ginge es ihm im Vergleich zu früher viel besser, er sei für die gute medizinische Versorgung, die er hier erhalte, sehr dankbar. Auf die Frage, in wie weit seine Erkrankung sein derzeitiges Leben einschränke, erklärte der Beschwerdeführer, er fühle sich schwach, habe von 95 auf 65 Kilo abgenommen, sei dreimal operiert worden und erhalte starke schmerzlindernde Medikamente. Ob weitere Operationen notwendig seien, sei noch nicht entscheiden, eventuell müsse künftig eine Nierentransplantation durchgeführt werden. Derzeit erhalte der Beschwerdeführer dreimal wöchentlich Dialyse. Im Heimatland sei der Beschwerdeführer in der Landwirtschaft im Rahmen des Familienbetriebs tätig gewesen und besitze dort ein kleines Haus. Der Beschwerdeführer habe sich im Heimatland nie politisch betätigt und sei von keinen Problemen mit den dortigen Behörden betroffen gewesen. Im Herkunftsstaat hielten sich noch die Mutter, Cousins, Onkeln und Tanten des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer habe sein Heimatland im Mai 2015 verlassen.

Zu den Gründen seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat führte der Beschwerdeführer aus, etwa sieben Jahre zuvor an einer sehr seltenen chronischen Erkrankung des Darms erkrankt zu sein. Der Beschwerdeführer sei operiert worden und sei aufgrund eines Fehlers bei der Operation an den Nieren erkrankt und Dialysepatient geworden. Die Behandlung in Georgien sei noch nicht so fortgeschritten und zudem sehr kostspielig. Es gebe in Georgien eine Krankenversicherung, welche nach drei Monaten ausgeschöpft wäre. Nach einer gewissen Zeit habe der Beschwerdeführer alles bezahlen müssen. Nach sechs Monaten habe er für die Dialyse nichts mehr bezahlen müssen. Zur Ausreise nach Österreich habe er sich entschieden, da seine finanziellen Möglichkeiten erschöpft gewesen wären; auch psychisch sei es schwer für ihn gewesen, die Behandlung zu ertragen. Er habe für die Dialyse ca. 140 Kilometer zurücklegen müssen und sei es seiner Mutter immer schwerer gefallen, ihn finanziell zu unterstützen. Der Beschwerdeführer habe drei Verwandte in Tiflis gehabt, bei denen er während der Dialysebehandlungen Unterkunft nehmen habe können. Der Beschwerdeführer habe desöfteren um staatliche Unterstützung angesucht, jedoch eine solche nicht erhalten. Einmal habe er 60 Lari im Jahr erhalten, zudem habe er eine Pension in Höhe von 150 Lari monatlich bezogen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht.

Am 29.09.2017 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst zu Protokoll, er fühle sich zur Durchführung der Einvernahme in der Lage, seine bisherigen Angaben seinen wahrheitsgemäß gewesen und korrekt rückübersetzt worden. Der Beschwerdeführer sei ledig, habe keine Kinder und sei Dialysepatient. Er leide unter Nierenbeschwerden und Herzbeschwerden; man habe ihm auch den Darm entfernt, er sei mehrfach am Herzen und am Darm operiert worden. Der Beschwerdeführer müsse dreimal wöchentlich zur Dialyse, er erhalte Medikamente und Morphiumpflaster aufgrund seiner starken Schmerzen. Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an ärztlichen Unterlagen sowie ein Beiblatt über die aktuelle Medikation vor und erklärte, dass ein Teil der ärztlichen Unterlagen verloren gegangen wäre. Der Beschwerdeführer müsse die in den Unterlagen aufgelisteten Medikamente einnehmen, zudem habe er Blutthrombose, seine Medikamente müssten entsprechend seinen jeweiligen Blutwerten angepasst werden. Zudem leide der Beschwerdeführer an der unheilbaren Magenkrankheit Morbus Chron und benötige eine ständige Diät und medikamentöse Behandlung. In Georgien sei er vier Jahre lang behandelt worden. Dann sei er in Georgien operiert und aufgrund einer falschen Behandlung - man habe ihm fälschlicherweise Blutverdickungsmittel gespritzt - Dialysepatient geworden. In Österreich sei der Beschwerdeführer wegen Morbus Chron bereits zweimal operiert worden und trage einen Herzkatheter. Die genannten Beschwerden habe der Beschwerdeführer seit dem 22. Lebensjahr und werde seither behandelt. In Georgien seien die Morbus Chron-Erkrankung sowie die Nieren- und Leberbeschwerden behandelt worden. Der Beschwerdeführer habe Dialyse erhalten, auch den Herzkatheter habe er in Georgien bekommen. In Österreich sei er wegen Morbus Chron sowie wegen der Nierenbeschwerden behandelt worden; sonst nichts, obwohl er auch an Hepatitis C leide. In Österreich seien derzeit keine Operationen geplant, doch könne er aufgrund der Darmbeschwerden jederzeit operiert werden. Er glaube, demnächst müsse auch sein Katheter ausgetauscht werden. In Georgien habe er fünfzehn Mal Katheter in der Nähe seines Herzens implantiert bekommen. Im Moment trage er nur einen Katheter. Im Heimatland habe er zuletzt im Haus seines Cousins in Tiflis und teils mit seiner Mutter in seinem Elternhaus in seinem näher bezeichneten Heimatort gelebt. Zur Dialyse sei er nach Tiflis gefahren. Im Herkunftsstaat hielten sich unverändert die Mutter sowie Cousins und Cousinen des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer habe im Heimatland keine Probleme aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit gehabt und besitze mit Ausnahme des elfjährigen Besuchs einer allgemeinbildenden höheren Schule keine Ausbildung. Vor seiner Krankheit sei er in der Landwirtschaft und Viehzucht beschäftigt gewesen, nach seiner Erkrankung sei er von seiner Mutter unterstützt worden. Seine finanzielle Situation hätte sich zuletzt als sehr schlecht erwiesen. Seine Mutter und seine Verwandten hätten ihn unterstützt. Er habe sogar für die gratis-Dialyse sechs Monate lang 125 Lari pro Behandlung bezahlen müssen, außerdem habe er rund 900 Lari monatlich für Medikamente benötigt.

Zum Grund seiner Asylantragstellung erklärte der Beschwerdeführer, krank zu sein und eine Behandlung zu benötigen. In Georgien könne er sich nicht einmal ein Schmerzmittel leisten, dort habe er kein Einkommen. In Georgien wäre er bereits tot. Er sei für die Behandlung hierhergekommen. Er könne auch nicht 120 Kilometer vom Dorf zur Dialyse fahren. Der Bus fahre nicht immer und er könne nicht mehr bei seinen Verwandten in Tiflis wohnen, zumal diese in Armut leben und Kinder haben würden. Weitere Fluchtgründe habe er nicht; er sei wegen der Behandlung gekommen sowie aufgrund seiner schlechten finanziellen Situation in Georgien. In Georgien werde er ohne Geld nicht behandelt, man habe ihn aus diesem Grund desöfteren aus dem Krankenhaus hinausgeschmissen. Vier Monate habe er sogar mit dem Rollstuhl zur Dialyse müssen, da er sehr geschwächt gewesen sei und nicht laufen habe können. Im Fall einer Rückkehr nach Georgien befürchte er, zu sterben - vor Hunger oder weil er nicht zur Dialyse könne; ihm sei immer kalt, auch im Hochsommer. Er könne nicht nach Georgien zurückkehren, da er Medikamente benötige. In Georgien bekomme er keine guten Medikamente und könne dort nicht arbeiten. Da er kein Geld habe, würde er keine Dialyse bekommen. Außerdem leide er an niedrigem Blutdruck und könne nicht lange stehen. Er könne auch nicht mit dem Autobus fahren aufgrund des langen Fußwegs zur Haltestelle in seinem Dorf.

In Österreich lebe der Beschwerdeführer in einer Flüchtlingsunterkunft und beziehe staatliche Unterstützung. Er habe hier keine Verwandten, besuche keine Kurse und habe Kontakt mit den Einheimischen sowie Nachbarn in der Pension. In seiner Freizeit lerne er Deutsch und ginge spazieren.

Mit Eingabe vom 15.12.2017 übermittelte der Beschwerdeführer Unterlagen hinsichtlich eines rezenten Krankenhausaufenthalts. Aus einem ärztlichen Entlassungsbrief vom 12.12.2017 ergeben sich die Diagnosen erosive Gastroduodenitis, Morbus Chron, Zustand nach Ileocoecalresektion, zwei Erosionen im Anastomosenbereich - keine Stenose, Morganella morganii-Bakteriämie, Transfusionspflichtige Anämie, Zustand nach Hepatitis B, Zustand nach rezidivierenden Pulmonalembolien beidseits unter Marcoumar, Zustand nach Permcath-Sepsis im Juni 2016, Zustand nach Bridenileus im Dezember 2016, Zustand nach Shuntinfektion und Kunststoffshuntexplantation rechts bei Protheseninfektion im September 2015, Zustand nach operativer Entfernung eines Thrombus im rechten Vorhof im Juni 2016.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat "Afghanistan" (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass dessen Abschiebung gem. § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer einer Gefährdung oder Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe seine Heimat aufgrund seiner Nierenerkrankung sowie seiner Morbus Chron-Erkrankung verlassen, um sich in Österreich einer Behandlung zu unterziehen. Weitere Fluchtgründe habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht, weshalb kein asylrechtlich relevanter Sachverhalt zu erkennen gewesen sei. Es bestünden überdies keine Hinweise auf eine Unzulässigkeit der Abschiebung. Anhand einer im Rahmen der getroffenen Länderfeststellungen zitierten Anfragebeantwortung vom 20.06.2017 sei ersichtlich, dass die notwendigen Schritte und die Genehmigung der Dialyse in dringlichen Fällen innerhalb eines Tages zu bewerkstelligen seien. Bei Dringlichkeit könnten Patienten in ein Programm in Tilfis eingeschrieben werden und in der Folge in ihren Wohnort ziehen. Das staatliche Ambulanzprogramm sei für jeden kostenlos erhältlich, die Dialyse werde dreimal wöchentlich durchgeführt. Da der Beschwerdeführer ohnedies über eine Wohnmöglichkeit bei einem dort lebenden Cousin verfüge, sei ihm die Einschreibung in ein Programm in Tiflis zumutbar. Wenn auch der Beschwerdeführer von beengten Wohnverhältnissen im Haus seines Cousins berichtet hätte, so habe er gleichzeitig davon gesprochen, bereits in der Vergangenheit von seiner Mutter und von Verwandten unterstützt worden zu sein. Da der Beschwerdeführer mehrere Cousins und Cousinen in Georgien habe, könne eine anfängliche Unterstützung durch selbige angenommen werden. Aus der erwähnten Anfragebeantwortung ergebe sich weiters, dass dem Beschwerdeführer die Aufnahme in ein Spezialprogramm zur Dialyse nicht verwehrt sei. Sollte künftig gegebenenfalls eine Nierentransplantation erforderlich werden, was anhand der bisherigen Befunde nicht festgestellt werden habe können, würden die Kosten hierfür laut einer Anfragebeantwortung vom 31.05.2016 vom georgischen Gesundheitssystem getragen werden. Die Morbus Chron-Erkrankung des Beschwerdeführers sei bereits in Georgien vier Jahre lang medikamentös behandelt worden, in Österreich sei der Beschwerdeführer deswegen bereits zweimal operiert worden. Aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers zu der in Georgien bereits erfolgten Behandlung würden sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die vorliegenden Erkrankungen im Heimatstaat nicht behandelbar wären. Der Beschwerdeführer sei bereits in der Vergangenheit in Georgien in Behandlung gestanden und könnte im Heimatland auch weiterhin behandelt werden. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer aufgrund der ihm im Heimatland faktisch zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten keinesfalls als außergewöhnlicher, exzeptioneller Fall zu qualifizieren wäre, für den eine Abschiebung nicht zulässig wäre, zumal kein Grund für die Annahme bestehe, dass die Abschiebung ins Heimatland für den Beschwerdeführer ein reales Risiko darstellen würde, unter schlimmen Umständen zu sterben. Auch wenn die Absicht des Beschwerdeführers, sich bestmögliche medizinische Betreuung zukommen zu lassen, aus Sicht des Bundesamtes verständlich erscheine, widerspreche dies den Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes. Es sei nicht Aufgabe eines Mitgliedstaates, Ungleichheiten im medizinischen Fortschritt durch die Gewährung von kostenloser und unbeschränkter Gesundheitsversorgung für alle Fremden ohne Aufenthaltsrecht auszugleichen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Georgien unter medizinischen Gesichtspunkten schwierigere Verhältnisse vorfinden würde als in Österreich, komme unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK keine entscheidende Bedeutung zu. Auch wenn es sich bei der Erkrankung des Beschwerdeführers um eine sehr ernste und schwere handle, stehe diese einer Abschiebung aufgrund der dort bestehenden adäquaten Behandlungsmöglichkeiten nicht entgegen. Im Falle einer Rückkehr würde dem Beschwerdeführer kein Entzug seiner Lebensgrundlage und keine aussichtslose Situation drohen. Dieser könnte wieder im Eigentumshaus seiner Mutter oder bei Bedarf im Haus seines Cousins in Tiflis wohnen, um dort Dialyse in Anspruch zu nehmen. Die medizinische Versorgung des Beschwerdeführers in Georgien sei gewährleistet.

In Österreich sei er Beschwerdeführer nicht berufstätig, lebe von der Grundversorgung und verfüge über keine besonderen Bindungen im Bundesgebiet. Es seien im Verfahren unter Berücksichtigung der erst kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte für die Vermutung einer besonderen Integration im Bundesgebiet hervorgekommen.

3. Gegen diesen Bescheid wurde durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit Schriftsatz vom 08.03.2018 fristgerecht Beschwerde eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer leide an Morbus Chron, Hepatitis C sowie an beträchtlichen Nierenbeschwerden und befinde sich in Österreich in engmaschiger fachärztlicher Behandlung. Aufgrund der dort eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten könne der Beschwerdeführer nicht nach Georgien zurück, eine Abschiebung würde für den Beschwerdeführer eine unmenschliche und qualvolle Situation bedeuten. Verwiesen wurde auf eine auszugsweise wiedergegebene kassatorische Entscheidung des Asylgerichtshofes in einem ähnlich gelagerten Fall (Zahl: D8 400174-1/2008). Hätte die Behörde ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, hätte dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner schlechten gesundheitlichen Situation bislang kein Rechtsberatungsgespräch habe in Anspruch nehmen können, wurde die Einbringung einer ausführlichen Beschwerdeergänzung in Aussicht gestellt.

Im Rahmen einer am 27.04.2017 bei der belangten Behörde eingelangten Beschwerdeergänzung wurde durch die gewillkürte Vertreterin des Beschwerdeführers zusammengefasst ausgeführt, die Behörde habe die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren verletzt, indem sie es unterlassen habe, sich ausreichend mit den Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankungen des Beschwerdeführers sowie des individuellen Zugangs des Beschwerdeführers zu selbigen auseinanderzusetzen. Bei Heranziehung entsprechender Länderberichte hätte die Behörde zum Ergebnis gelangen müssen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Erkrankungen und der für ihn nicht vorhandenen Möglichkeit, sich in Georgien behandeln zu lassen, die Schwelle der Asylrelevanz übersteigende Diskriminierung drohe. Außerdem drohe dem Beschwerdeführer eine unmenschliche Behandlung und eine Verletzung seines Rechts auf Leben. Der Beschwerdeführer sei finanziell nicht in der Lage, sich die für ihn lebensnotwendigen Medikamente zu leisten. Die Behörde habe ihre Ermittlungspflicht dadurch verletzt, dass sie trotz entsprechenden Vorbringens und der Vorlage entsprechender Unterlagen kein fachärztliches Gutachten bezüglich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers eingeholt habe. Zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer unter einer sehr schweren Nierenerkrankung leide, einen oder mehrere Katheter benötige, welche regelmäßig gewechselt werden müssten, er der Dialyse bedürfe, unter Hepatitis C sowie an Morbus Chron leide und diese Erkrankungen für den Beschwerdeführer in Georgien nicht behandelbar seien und damit unweigerlich zur unmenschlichen Behandlung und Tod führen, eine Abschiebung nicht zulässig sei und der Beschwerdeführer nicht arbeitsfähig sei, werde die Einholung fachärztlicher Gutachten beantragt. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit der finanziellen Lage des Beschwerdeführers in Georgien auseinanderzusetzen. Die Behörde hätte feststellen müssen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, sich die Lebenserhaltungskosten in der Nähe eines Behandlungsortes zu leisten und einen Vergleich der individuellen Möglichkeiten des Beschwerdeführers mit den allgemein gehaltenen Länderberichten vorzunehmen gehabt. Die belangte Behörde behaupte, dass der Beschwerdeführer nach Georgien zurückkehren könnte, da er eine Wohnmöglichkeit bei einem Cousin hätte, begründe jedoch nicht, weshalb sie der Annahme sei, dass der Cousin ihm diese kostenlos oder für den Beschwerdeführer finanzierbar zur Verfügung stellen würde. Auch gehe die Behörde nicht darauf ein, wie der Beschwerdeführer künftig sein Leben und seine Behandlung finanzieren solle. Dem Umstand Rechnung tragend, dass der Beschwerdeführer in Georgien wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe derer, die nicht über die finanziellen Mittel für ihre notwenige Behandlung verfügen, verfolgt werde, lasse für ihn die Definition eines Flüchtlings im Sinne der GFK zutreffen. Dem Beschwerdeführer drohe aufgrund seiner Erkrankung unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung durch inadäquate medizinische Versorgung und anhaltende Diskriminierungen sowie eine Verletzung seines Rechts auf Leben. Aufgrund der drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK erweise sich eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien als unzulässig.

Der Beschwerde beiliegend wurden Arztbriefe vom 06.10.2015, vom 09.02.2016, vom 26.07.2016 sowie eine Auflistung der vom Beschwerdeführer benötigten Medikamente vom 28.11.2015 übermittelt.

4. Mit Urteil eines Bezirksgerichts aus Oktober 2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls gemäß § 127 StGB sowie des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer unter Setzung einer Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Wochen verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde für schuldig befunden, im Mai 2017 in einer Drogerie vier Parfums im Gesamtwert von EUR 375,- weggenommen zu haben sowie im Oktober 2017 und im Dezember 2017 jeweils versuchte Ladendiebstähle begangen zu haben.

5. Im Rahmen einer, der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation am 19.02.2019 zugestellten, Verständigung vom Ergebnis einer Beweisaufnahme wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.02.2019 mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht - sollte die Vorlage aktueller ärztlicher Unterlagen oder der Inhalt einer Stellungnahme, zu deren Einbringung binnen Frist der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, nichts anderes verlangen - davon ausgehen werde, dass der Beschwerdeführer seit der Entlassung aus einem Landesklinikum Mitte Dezember 2017 keiner stationären Krankenbehandlung bedurft hätte, sein aktueller Gesundheitszustand im Falle einer etwaigen Überstellung nach Georgien keine unzumutbare Verschlechterung erfahren würde und eine dauernde Reiseunfähigkeit nicht vorliege.

Mit Eingabe vom 26.02.2019 wurde vom Beschwerdeführer ein Konvolut an ärztlichen Unterlagen übermittelt.

6. Mit Eingabe vom 13.05.2019 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht einen vom Beschwerdeführer am 10.05.2019 eingebrachten Antrag auf unterstütze freiwillige Rückkehr mit beiliegenden aktuellen ärztlichen Unterlagen sowie einer Reisepasskopie des Beschwerdeführers.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer, welcher die im Spruch erstangeführten Personalien führt, ist Staatsangehöriger von Georgien und Angehöriger der georgischen Volksgruppe sowie der christlich-orthodoxen Religionsgemeinschaft. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und stellte am 15.02.2016 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hat im Vorfeld seiner Ausreise rund zwei Jahre lang bei Verwandten in Tiflis gelebt. Es halten sich im Herkunftsstaat nach wie vor die Mutter sowie Cousins und Cousinen des Beschwerdeführers auf.

1.1.2. Beim Beschwerdeführer bestehen eine terminale hämodialysepflichtige Niereninsuffizienz bei Zustand nach Nephrektomie beidseits 2013; ein Zustand nach Dünndarmteilresektion 2013 bei Morbus Chron (80 cm), ein Zustand nach multiplen thromboembolischen Ereignissen unter Marcoumar, rezidivierende Pulmonalembolien, Running-Out of vessels, Polytoxikomanie, Zustand nach Hepatitis B (HBc-Antikörper positiv, PCR negativ), reaktive Arthritis im Rahmen von Morbus Chron, Permcath-Anlange linke Vene femoralis am 15.01.2018, ein Zustand nach Permcath-Infektion und Verlust des Katheters im Dezember 2018, ein Zustand nach Kunststoffschleifenshuntanlage mit Shuntinfekt September 2018 und Shuntverlust, ein Verdacht auf Radialisverschluss rechts, ein Zustand nach Permcath-Sepsis mit Vorhofthrombus und operativer Thrombektomie im Juni 2016 nach postoperativem hämorrhagischen Perikarderguss und Drainagenanlage, Zustand nach Bridenileusoperation im September 2016 sowie ein Zustand nach Gastroduodenitis unter oraler Antikoagulation.

Der Beschwerdeführer nimmt im Bundesgebiet dreimal wöchentliche Hämodialyse-Behandlungen sowie eine medikamentöse Behandlung in Anspruch. Zuletzt war er von 12.03.2019 bis 14.03.2019 wegen einer Katheterdysfunktion stationär in einer Krankenanstalt aufhältig. Bei Entlassung war der Zustand des Beschwerdeführers stabil und beschwerdefrei. Der Beschwerdeführer ist aufgrund der Multimorbidiät in einem reduzierten Allgemeinzustand, eine engmaschige ärztliche Anbindung ist aufgrund seines hohen thromboembolischen Risikos und der notwendigen Dialyse gegeben. Der Beschwerdeführer, welcher sich nicht in dauernder stationärer Behandlung befindet, hat nicht dargetan, dass er zum Entscheidungszeitpunkt eine Form einer Behandlung benötigen würde, welche in Georgien nicht erhältlich oder für ihn nicht individuell zugänglich ist.

Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, seinen Herkunftsstaat ausschließlich aufgrund des Wunsches nach einer kostenfreien und qualitativ hochwertigen medizinischen Behandlung verlassen zu haben und keine darüberhinausgehenden Rückkehrbefürchtungen aufzuweisen. Der Beschwerdeführer hat keine Furcht vor individueller Verfolgung behauptet.

Es kann auch von Amts wegen nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Georgien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

1.1.3. Es besteht für den Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Georgien keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Der Beschwerdeführer liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers - auch unter Berücksichtigung künftig notwendig werdender Behandlungs- und Medikamentenkosten - als derart desolat erwiesen hätte, als dass der Beschwerdeführer, welcher im Herkunftsstaat enge familiäre Anknüpfungspunkte hat, im Falle einer Rückkehr Gefahr liefe, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Es wäre diesem möglich, wieder bei seinen Verwandten in Tiflis Wohnsitz zu nehmen, wo er durch seine dort lebenden Angehörigen auch auf Unterstützung im Alltag zurückgreifen könnte und Zugang zu spezialisierten medizinischen Einrichtungen hätte.

1.1.4. Der wegen Diebstahls vorbestrafte Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig und er bestritt seinen Lebensunterhalt aus Mitteln der Grundversorgung. Er verfügt über keine verwandtschaftlichen oder engen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, er hat sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet, ist keiner Erwerbstätigkeit oder ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen und in keinem Verein Mitglied. Der Beschwerdeführer ist am 06.06.2019 im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr aus dem Bundesgebiet nach Georgien ausgereist.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

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KI vom 15.11.2017, Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen

Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Das Parteienbündnis des Georgischen Traums erhielt landesweit im Durchschnitt 55,7% der Wählerstimmen. Die führende Oppositionspartei, die Vereinte Nationale Bewegung, erhielt als zweitstärkste Kraft 17,1%. Die Wahlbeteiligung fiel mit 45,6% verhältnismäßig schwach aus (GA 23.10.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017).

Laut der OSCE-Wahlbeobachtungsmission untergrub zwischen den beiden Wahlrunden die hohe Zahl von Beschwerden, die aus verfahrensrechtlichen oder formalistischen Gründen abgewiesen wurden, das Recht der Kandidaten und Wähler auf wirksame Rechtsmittel und somit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Streitbeilegung. Der Wahltag verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).

Quellen:

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Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 15.11.2017

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Georgien Aktuelle (23.10.2017): Regierungsbündnis "Georgischer Traum" setzt sich bei Regionalwahlen durch, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13321-regionalwahlen, Zugriff 15.11.2017

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OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017):

Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 15.11.2017

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Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 15.11.2017

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Politische Lage

In Georgien leben mit Stand 1.1.2016 laut georgischem Statistikamt 3,72 Mio. Menschen. 2014 waren es noch rund 4,49 Mio. Menschen auf

69.700 km² (GeoStat 2017).

Georgien ist eine demokratische Republik. Das politische System hat sich durch die Verfassungsreform 2013 von einer semi-präsidentiellen zu einer parlamentarischen Demokratie gewandelt, (AA 11.2016a). Staatspräsident ist seit 17.11.2013 Giorgi Margvelashvili (RFE/RL 17.11.2013). Regierungschef ist seit dem überraschenden Rücktritt von Irakli Garibaschwili Giorgi Kvirikashvili (seit 29.12.2015) (RFE/RL 29.12.2015). Beide gehören der Partei bzw. dem Parteienbündnis "Georgischer Traum" an.

Georgien besitzt ein Einkammerparlament mit 150 Sitzen, das durch eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht für vier Jahre gewählt wird. Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei, "Georgischer Traum", sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze im Parlament gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR u.a. 30.10.2016). Transparency International - Georgia beurteilte den Wahlgang als ruhig. Obgleich 70 relativ ernsthafte prozedurale Verstöße festgestellt wurden, hatten diese keinen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang (TI-G 31.10.2016).

Die Opposition warf dem Regierungslager Wahlmanipulationen vor. Unter anderem sollen Wähler unter Druck gesetzt und Stimmen gekauft worden (Standard 31.10.2016, vgl. CK 31.10.2016).

Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2013 konnte sich der Kandidat von "Georgischer Traum", Georgi Margwelaschwili, mit klarer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang gegen den Wunschkandidaten des amtierenden Präsidenten Michail Saakaschwili (Vereinte Nationale Bewegung), durchsetzen. Saakaschwili, zuletzt umstritten, durfte nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht mehr zur Wahl antreten. Diese Wahl brachte den ersten demokratischen Machtwechsel an der georgischen Staatsspitze seit dem Zerfall der Sowjetunion (FAZ 27.10.2013).

Die Regierungspartei "Georgischer Traum" sicherte sich infolge eines überwältigenden Sieges bei den Gemeinderatswahlen im Sommer 2014 die Kontrolle über die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften. Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) berichteten, dass es im Vorwahlkampf angeblich Druck auf oppositionelle Kandidaten gab, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Überdies sei es zu Störungen von Versammlungen der Opposition und zu etlichen Vorfällen von Gewalt gegen Wahlaktivisten gekommen. Obschon diese den Behörden bekannt waren, blieb eine amtliche Verfolgung aus (HRW 29.1.2015).

Am 27.6.2014 unterzeichneten die EU und Georgien ein Assoziierungsabkommen. Das Abkommen soll Georgien in den Binnenmarkt integrieren, wobei die Prioritäten in der Zusammenarbeit in Bereichen wie Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Sicherheit liegen. Russland sah sich hierdurch veranlasst, seinen Druck auf die Regierung in Tiflis zu erhöhen. Am 24. November 2014 unterzeichneten Russland und das abtrünnige georgische Gebiet Abchasien eine Vereinbarung über eine "strategische Partnerschaft", mit der Moskau seine militärische und wirtschaftliche Kontrolle in Abchasien erheblich ausweitete (EP 5.12.2014).

Die EU würdigte im Juni 2016 im Rahmen ihrer Globalen Strategie zur Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik die Rolle Georgiens als friedliche und stabile Demokratie in der Region. Am 1.7.2016 trat das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Georgien in Kraft, wodurch laut der EU die politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration zwischen Georgien und der Union merkbar gestärkt werden. Georgien hat seine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit konsolidiert und die Respektierung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten sowie der Anti-Diskriminierung gestärkt (EC 25.11.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (11.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

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CK - Caucasian Knot (31.10.2016): In Georgia, "UNM" Party claims mass violations at elections,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/37376/, Zugriff 21.2.2017

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Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 21.2.2017

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EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 21.2.2017

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EP - Europäisches Parlament (5.12.2014): Assoziierungsabkommen EU-Georgien,

http://www.europarl.europa.eu/EPRS/EPRS-AaG-542175-EU-Georgia-Association-Agreement-DE.pdf, Zugriff 21.2.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.10.2013): Georgi Margwelaschwili gewinnt mit klarer Mehrheit, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/praesidentschaftswahl-in-georgien-georgi-margwelaschwili-gewinnt-mit-klarer-mehrheit-12636443.html, Zugriff 21.2.2017

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/295489/430521_de.html, Zugriff 21.2.2017

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IFES - International Foundation for Electoral Systems (9.3.2015a):

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Sicherheitslage

Die Lage in Georgien ist - mit Ausnahme der Konfliktgebiete Abchasien und Südossetien - insgesamt ruhig. Beide genannte Gebiete befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung in Tiflis. In den Gebieten und an ihren Verwaltungsgrenzen sind russische Truppen stationiert (AA 20.3.2017a).

Im Zuge der Auflösung der UdSSR erhöhten sich die Spannungen innerhalb Georgiens in den Gebieten Abchasien und Südossetien, als der autonome Status der Provinzen von georgischen Nationalisten in Frage gestellt wurde. Nach der georgischen Unabhängigkeit führten heftige Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung 1992 zu Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden. Der Einfluss des nördlichen Nachbarlandes wuchs kontinuierlich, unter anderem durch Ausgabe russischer Pässe an die abchasische und südossetische Bevölkerung. Nach zahlreichen blutigen Zwischenfällen und Provokationen aller Seiten eskalierte der Konflikt um Südossetien am 7. August 2008 nach einem Vorstoß georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Tskhinvali zu einem georgisch-russischen Krieg, der nach fünf Tagen durch einen von der EU vermittelten Waffenstillstand beendet wurde. Am 26. August 2008 erkannte Russland Abchasien und Südossetien, einseitig und unter Verletzung des völkerrechtlichen Prinzips der territorialen Integrität Georgiens, als unabhängige Staaten an und schloss wenig später mit diesen Freundschaftsverträge ab, die auch die Stationierung russischer Truppen in den Gebieten vorsehen. Infolge des Krieges wurden nach Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen bis zu 138.000 Personen vorübergehend zu Vertriebenen und Flüchtlingen. Etwa 30.000 Georgier aus Südossetien konnten bis heute nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die zivile EU-Beobachtermission EUMM nahm Anfang Oktober 2008 in Georgien ihre Arbeit auf. Das OSZE-Mandat lief Ende 2008 aus, UNOMIG endete im Juni 2009. EUMM ist damit die einzige verbliebene internationale Präsenz zur Stabilisierung in Georgien (AA 11.2016b).

Ein wichtiges diplomatisches Instrument zur Deeskalation des Konflikts sind die sogenannten "Geneva International Discussions - GID" (Genfer Internationale Gespräche). Diese finden seit 2008 unter Beteiligung der involvierten Konfliktparteien unter dem gemeinsamen Vorsitz von Vertretern der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der OSZE statt. Aus den Genfer Gesprächen resultierte der "Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM)" sowie die Involvierung der EUMM, sodass die lokalen Sicherheitsbehörden der Konfliktparteien vor Ort in Kontakt treten können bzw. ihnen die Möglichkeit zum Dialog eröffnet wird (OSCE 6.11.2014).

Abchasien und Südossetien bleiben außerhalb der Kontrolle der Zentralregierung und werden von mehreren tausend russischen Truppen und Grenzpolizisten unterstützt. Russische Grenzschutzbeamte beschränken die Bewegung der örtlichen Bevölkerung. Die Behörden beschränken die Rechte, vor allem von ethnischen Georgiern, am politischen Prozess teilzuhaben, in Eigentumsfragen oder bei der Registrierung von Unternehmen. Überdies ist die Reisefreiheit eingeschränkt. Die südossetischen Behörden verweigern den meisten ethnischen Georgien, die während und nach dem Krieg von 2008 vertrieben wurden, nach Südossetien zurückzukehren. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang zu Südossetien, um humanitäre Hilfe zu leisten. Die Russische "Grenzziehung" der administrativen Grenzen der besetzten Gebiete setzte sich während des Jahres fort, trennte die Bewohner aus ihren Gemeinden und untergrub ihren Lebensunterhalt (USDOS 3.3.2017).

Die Vereinten Nationen zeigten sich Ende Jänner 2017 besorgt darüber, dass die angekündigten Schließungen von Grenzübertrittsstellen seitens der abchasischen Behörden negative Konsequenzen für die Bevölkerung beidseits der administrativen Grenze haben werden. Für die Menschen in Abchasien wird es schwieriger sein, auf grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheitswesen und Bildung in Georgien zurückzugreifen und an Wirtschaftsaktivitäten und gesellschaftlichen Veranstaltungen jenseits der Grenze teilzunehmen. Auch wird der Zugang zu Schulbildung für Kinder mit georgischer Muttersprache, die aus Abchasien kommend die Grenze nach Georgien überqueren, behindert (UN 26.1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien, Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

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AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

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OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (6.11.2014): Geneva International Discussions remain unique and indispensable forum, Co-chairs tell OSCE Permanent Council, http://www.osce.org/cio/126442, Zugriff 21.2.2017

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UN - United Nations in Georgia (27.1.2017): Statement of Niels Scott, Resident Coordinator, on behalf of the United Nations Country Team regarding announced closure of crossing points along the Inguri River,

http://www.ungeorgia.ge/eng/news_center/media_releases?info_id=507, Zugriff 22.2.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

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Rechtsschutz / Justizwesen

Georgien unternimmt Anstrengungen, sich bei der Rechtsreform und der Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte den Standards des Europarats anzupassen. 1996 wurde ein Verfassungsgericht eingerichtet, 1997 die Todesstrafe abgeschafft und 2007 die Abschaffung der Todesstrafe in der Verfassung verankert. In den Jahren seit der "Rosenrevolution" 2003/2004 hat Georgien anerkennenswerte Fortschritte bei der Polizeireform, dem erfolgreichen Kampf gegen die "Kleine Korruption" (Korruption im alltäglichen Umgang), der Reform der Steuergesetzgebung und der Verbesserung der Investitionsbedingungen erzielt. Im Rahmen der Justizreform wurde der Instanzenzug neu geregelt und eine radikale Verjüngung der Richterschaft durchgesetzt (AA 11.2016b).

Fortschritte sind insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug zu erkennen, wo inzwischen eine unmenschliche Behandlung (auch Folter), die in der Vergangenheit durchaus systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Zwei Reformwellen wurden bereits durchgeführt, die dritte Reformwelle steht seit einiger Zeit bevor. Sie betrifft insbesondere die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter und die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren. Sehr aktive NGOs und der unabhängige Ombudsmann beobachten diesen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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