Entscheidungsdatum
18.06.2019Norm
AsylG 2005 §12 Abs2Spruch
W242 2184236-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Heumayr als Einzelrichter im Verfahren zur amtswegigen Überprüfung des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost), Zl. XXXX , der am XXXX im Verfahren über den Antrag vom XXXX von XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, auf internationalen Schutz mündlich verkündet wurde:
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der im Spruch genannte afghanische Asylwerber stellte erstmals am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ihm wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII.).
Mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX 2018 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
In Bezug auf den Beschwerdeführer wurde gemäß § 34 Abs. 3 Z 2 BFA-VG am 17.09.2018 ein Festnahmeauftrag erlassen, da er die bestehende Ausreiseverpflichtung missachtet hat.
Am XXXX 2018 stellte der Beschwerdeführer in Frankreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am XXXX 2019 im Rahmen des Dublin-III Übereinkommens nach Österreich überstellt.
Am XXXX 2019 stellte der Beschwerdeführer im Bundesgebiet einen Folgeantrag und wurde durch die Landespolizeidirektion Niederösterreich noch am selben Tag erstbefragt. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass sich nichts geändert habe und er dieselben Fluchtgründe wie bei seinem Erstantrag habe. Am 26.03.2019 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass der am XXXX 2018 in einem Mitgliedstaat gestellte Asylantrag, für den Österreich gemäß der Dublin-III VO zuständig sei, als in Österreich gestellt gelte und am XXXX 2019 in Österreich eingebracht worden sei.
Am 03.04.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er psychische Probleme habe. Die Probleme hätten in Frankreich, wo er eingesperrt worden sei, begonnen.
Der Beschwerdeführer wurde am 24.05.2019 einer psychologischen Begutachtung unterzogen, wobei festgestellt wurde, dass es sich bei ihm um einen jungen, normalgewichtigen Mann im guten Allgemeinzustand handle. Es würde bei ihm eine Anpassungsstörung, also eine Reaktion auf die Belastung durch das Asylprocedere, für die er keine Verarbeitungsstrategien habe, vorliegen. Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung würden nicht vorliegen. Die von ihm geschilderten Symptome wären auch im Einklang mit dem von ihm eingeräumten Cannabiskonsum.
Am XXXX wurde die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fortgesetzt. Er führte dabei zusammengefasst aus, dass es ihm seit seiner psychologischen Begutachtung bessergehe und er seit eineinhalb Jahren keinen Kontakt mehr nach Afghanistan habe. Er habe im Vorverfahren all seine Fluchtgründe genannt und wären diese noch aufrecht.
Auf Vorhalt, dass sein erstes Asylverfahren negativ entschieden wurde und auf Nachfrage, warum er erneut einen Asylantrag gestellt habe, brachte er vor, dass er als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara nicht in Afghanistan leben könne und er dort von den Taliban getötet würde. Er habe keine neuen Fluchtgründe. Hinzu komme jedoch, dass er auch zum Christentum konvertiert und er kein Moslem mehr sei. Er sei seit zwei Monaten Christ und sei seit dem XXXX 2019 auch getauft. Die Taufe sei in Traiskirchen in einem Fluss bei einer ENI-Tankstelle durch einen christlichen Afghanen, der kein Priester sei, durchgeführt worden. Er sei Protestant, weil er sich nicht mit dem Christentum ausgekannt habe und er mit seinen Freunden zu den Protestanten gegangen wäre. Seit dem 07.04.2019 würde er einen Taufkurs besuchen, bei dem die Bibel durchgelesen werde. Mit dem Christentum sei er über einen Freund, der eine christliche Stiefmutter hatte, in Kontakt gekommen. Dies sei bereits vor seiner Ausreise nach Frankreich gewesen und habe er sich dann im Jahr 2018 dazu entschieden Christ zu werden. Er hätte sich eigentlich schon vor Erhalt seines "negativen Bescheides" taufen lassen, habe dies aber unterlassen um mit einem Freund nach Frankreich zu fahren.
Auf Nachfrage legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX 2019 vor, woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten sei.
Im Anschluss daran wurde mit mündlich verkündetem Bescheid der nach § 12 AsylG 2005 bestehende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identität des Antragstellers nicht feststehe. Er leide an einer Anpassungsstörung und sei eine medizinische Versorgung in Afghanistan möglich. Schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten würden nicht vorliegen. Er sei arbeitsfähig und würde keine familiären bzw. verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet haben. Eine Gefährdung würde im Falle einer Überstellung nicht vorliegen. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit der Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert, da der Beschwerdeführer das Weiterbestehen der ursprünglichen Fluchtgründe behauptet worden sei. Hinzugekommen sei die Behauptung, dass der Beschwerdeführer zum Christentum konvertiert sei, diese sei jedoch nicht glaubhaft. Es liege eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor und würde feststehen, dass eine Rückführung zu keiner Verletzung der Integrität des Beschwerdeführers führen würde. Aufgrund der Feststellungen zu Afghanistan und in Verbindung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers drohe keine Bedrohung im Sinne des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG.
II. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger Afghanistans. Seine Identität steht nicht fest.
Er stellte erstmals am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX2016 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ihm wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII.).
Mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX 2018 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Am XXXX 2018 stellte der Beschwerdeführer in Frankreich einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz und wurde am XXXX 2019 aufgrund der Dublin-III VO nach Österreich überstellt, wo er noch am selben Tag den Folgeantrag einbrachte.
Das Vorliegen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens in Österreich wurde im Verfahren nicht dargelegt.
Es steht fest, dass sich keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes seit rechtskräftiger Erledigung des Erstantrages ergeben hat.
Hinweise auf relevante gesundheitliche Probleme liegen nicht. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten gesundheitlichen Probleme wurden als Anpassungsstörung aufgrund seiner derzeitigen Asylsituation identifiziert.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation im Herkunftsstaat ist zwischenzeitlich nicht eingetreten.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen beruhen auf der unzweifelhaften Dokumentation in den vorgelegten Verwaltungsakten.
Die Rechtskraft der Entscheidung ergibt sich ebenfalls aus den von der belangten Behörde vorgelegten und im Verwaltungsakt aufliegenden Unterlagen.
Zu der Feststellung, dass seit rechtskräftigem Abschluss des Erstantrages des Antragstellers keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist, ist auszuführen, dass das ursprünglich in den Vorverfahren erstattete Vorbringen bereits als unglaubwürdig beurteilt wurde. Der Beschwerdeführer gab an, dass er dieses ursprüngliche Vorbringen aufrechthalte. Das neuerliche, im Stande der Schubhaft erstattete Vorbringen, die Religion gewechselt zu haben, erscheint vor diesem Hintergrund ebenfalls als gänzlich unglaubwürdig. Vor diesem Hintergrund erscheint das Vorbringen, trotz ausdrücklicher Verneinung durch den Beschwerdeführer, als reine Schutzbehauptung, um die Rückführung nach Afghanistan zu verhindern.
Dass eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation in Afghanistan nicht eingetreten ist, ergibt sich aus dem gegenständlichen Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .2019, welche ihrer Entscheidung die in das Verfahren eingeführten aktuellsten Lageinformationen zur Allgemeinsituation in Afghanistan zugrunde legte. Diese wurden vom Antragsteller nicht substantiiert bestritten.
Des Weiteren ist dazu noch auszuführen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt.
Es liegen ferner keine Umstände vor, welche seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Aus diesen Gründen war die entsprechende Feststellung einer unveränderten Situation im Herkunftsstaat zu treffen.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung der Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, hat durch das Bundesverwaltungsgericht mittels Beschluss zu erfolgen (§ 22 Abs. 10 AsylG letzter Satz; siehe auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht 2016, K 7 zu § 22 BFA-VG, S. 283).
Zu Spruchpunkt A)
Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 idgF lautet:
"(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüberhinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüberhinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."
Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-VG lautet:
"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
Da im gegenständlichen Fall die belangte Behörde im Zuge eines Folgeantrages des Antragstellers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz des Antragstellers aufgehoben hat, war diese Entscheidung gemäß § 22 BFA-VG vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen.
Zu den Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall ist festzustellen, dass gegen den Antragsteller bereits eine aufrechte und rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt. Insofern ist die Z 1 des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt.
Die Z 2 des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 verlangt, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist. Aus den erläuternden Bemerkungen zum mit BGBl. 122/2009 eingefügten § 12a Abs. 2 AsylG 2005 geht hervor, dass die Z 2 des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Folgeantrages verlangt.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).
Behauptet die Partei in einem neuen Antrag (zB Asylantrag), dass in den für die Beurteilung ihres Begehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist, so muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz für das Verfahren zukommt und an den die Prognose anknüpfen kann, dass eine andere Beurteilung des Antrages und ein anderes Verfahrensergebnis nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen (grundlegend VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch VwGH 22.11.2005, 2005/01/0626; 21.03.2006, 2006/01/0028). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der neuerliche Antrag zulässig oder wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist, mit der Glaubwürdigkeit des neuen Vorbringens betreffend die Änderung des Sachverhaltes "beweiswürdigend" auseinander zu setzen (VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; 15.03.2006, 2006/17/0020).
Jedoch berechtigt nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).
Im gegenständlichen Verfahren hat der Antragsteller erklärt, dass er seine ursprünglichen Fluchtgründe aufrecht halte und er zusätzlich seine Religion gewechselt habe.
Unter Zugrundelegung der obigen Feststellungen ergibt sich aus dem Vorbringen des Antragstellers zu seinem Folgeantrag im Vergleich zu seinem Vorbringen im Verfahren betreffend seinen Erstantrag kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt und bildet die behauptete Konversion keinen "glaubhaften Kern" im Sinne der dargelegten Judikatur. Seine nach erfolgter Rückführung aus Frankreich behauptete Konversion wird vom Gericht als ein Vorbringen eingestuft, mit welchem der Antragsteller keine berechtigten neuen Asylgründe darlegen möchte, sondern alleinig fremdenpolizeiliche, insbesondere aufenthaltsbeendende, Maßnahmen verhindern und damit die ungerechtfertigte Verlängerung des faktischen Aufenthaltes in Österreich bewirken möchte.
Nach Anstellung einer Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Folgeantrages vom kommt das Bundesverwaltungsgericht sohin zum Ergebnis, dass der gegenständliche Folgeantrag des Antragstellers gemäß § 68 Abs. 1 AVG voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil im Zuge der Grobprüfung durch das Gericht keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes im Vergleich zum Vorverfahren hervorgetreten ist.
Die Z 3 des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 verlangt eine Prüfung der Gefährdungssituation im Hinblick auf die relevanten Bestimmungen der EMRK, da die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes eine Außerlandesbringung des Asylwerbers zur Folge haben könnte (Grundsatz des Non-Refoulement).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs. 1 AVG hat es sich um eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes zu handeln, was nur dann anzunehmen sein wird, wenn sich daraus voraussichtlich eine in den Hauptinhalten anderslautende Entscheidung ergeben würde.
Auch die für den Antragsteller maßgebliche Ländersituation in seinem Herkunftsstaat Afghanistan ist im Wesentlichen gleichgeblieben und wurde Gegenteiliges auch nicht behauptet.
Bereits im ersten Verfahren hat das BVwG ausgesprochen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.
Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren vor der belangten Behörde sind keine Risiken für den Antragsteller im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen in der Person des Antragstellers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden.
Der VwGH hat zu Ra 2016/01/0096, vom 13.9.2016, ausgeführt, dass nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09).
Demzufolge müsste die Gefährdung des Antragstellers im Sinne des Art. 3 EMRK, sofern diese nicht von vornherein klar ersichtlich ist, von diesem belegt werden.
Dies umso mehr, als im obzitierten Beschluss der VwGH auch auf die Rechtsprechung des EGMR verwiesen hat, die davon ausgeht, dass die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, vgl. die Urteile des EGMR jeweils vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande: S. D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; S. S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u.a., Nr. 46 856/07).
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.
Wie der VwGH zu Ra 2016/19/0036 vom 25.5.2016, ausführt, kann die Außerlandesschaffung eines Fremden auch dann gegen Art. 3 EMRK verstoßen, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden könnten. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden höchstgerichtlichen Judikatur ist eine solche Situation jedoch nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.
Im Verfahren sind keine Umstände aufgezeigt worden bzw. zu Tage getreten, dass zwischenzeitlich - seit Erlassung der nunmehr rechtskräftigen Rückkehrentscheidung - der Antragsteller einer außergewöhnlichen, exzeptionellen Gefährdung bei einer Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt wäre.
Entsprechend den obigen Ausführungen, stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - aus Sicht des BVwG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durch das BFA ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.
Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Es wurde dem Antragsteller Parteiengehör eingeräumt, er wurde am einvernommen, einer psychologischen Begutachtung zugeführt, die Niederschrift wurde rückübersetzt und hatte er die Möglichkeit eine Stellungnahme abzugeben.
Das Bundesverwaltungsgericht teilt wie oben dargestellt auch die Ansicht der belangten Behörde, dass beim Antragsteller kein schützenswertes Familien- oder Privatleben in Österreich erkennbar ist.
Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, erweist sich der mündlich verkündete Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX 2019 als im Einklang mit dem Gesetz stehend und ist gemäß § 22 BFA-VG, wie im Spruch ersichtlich, zu entscheiden.
Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt B)
Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung und ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Entscheidend für die Nichtzulassung der Revision war weiters, dass die angegebenen Verfolgungsgründe nicht glaubwürdig bzw. nicht asylrelevant waren, d.h. die Entscheidung nur von Tatfragen abhängig war.
Sofern die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist sie jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf di inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W242.2184236.2.00Zuletzt aktualisiert am
22.08.2019