TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/25 W111 2199211-1

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Veröffentlicht am 25.06.2019
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Entscheidungsdatum

25.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W111 2199211-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Äthiopien, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2018, Zl.: 1071433110-150583475, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 53 Abs. 3 Z 1 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 55 Abs. 1 und 2 FPG idgF beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Äthiopiens, stellte am 29.05.2015 infolge unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich seiner am 30.05.2015 abgehaltenen niederschriftlichen Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er stamme aus dem somalischen Teil Äthiopiens und habe sich ca. im Jahr 2012 zur Ausreise aus seinem Heimatland entschlossen. Tatsächlich sei er Mitte November 2014 aus seinem Herkunftsland ausgereist und über eine näher dargestellte Route schlepperunterstützt nach Österreich gelangt. Zum Grund seiner Flucht verwies der Beschwerdeführer auf den in seinem Heimatland herrschenden Bürgerkrieg. Der Beschwerdeführer habe als Mitglied einer somalischen Minderheit in Äthiopien gelebt und werde von Mitgliedern der ONLF verfolgt. Er fürchte, im Falle einer Rückkehr in den Bürgerkrieg verwickelt und dabei getötet zu werden.

Nach Zulassung seines Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 18.04.2018 im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die somalische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Eingangs seiner Befragung bestätigte der Beschwerdeführer, gesund zu sein und sich zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen. Im Zuge seiner Erstbefragung seien aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten nicht all seine Angaben richtig protokolliert worden, er wolle diese heute richtigstellen. Der Beschwerdeführer sei im Jahr XXXX in Äthiopien geboren worden und sei Staatsbürger dieses Landes. Er habe auch eine äthiopische ID-Card besessen; die anlässlich der Erstbefragung protokollierte somalische Staatsbürgerschaft sei unrichtig. Der Beschwerdeführer sei in einem näher bezeichneten Ort in Äthiopien aufgewachsen, habe dort von 2004 bis 2007 die Schule besucht und sei von seiner Mutter versorgt worden, welche ein Lebensmittelgeschäft betrieben hätte. In seiner Freizeit hätte er sich mit Freunden getroffen und Fußball gespielt. Der Beschwerdeführer gehöre keinem Clan an, er sei ein uneheliches Kind sowie sunnitischer Moslem. Seine Mutter, sein Stiefvater sowie drei minderjährige Geschwister hielten sich unverändert im Herkunftsstaat auf und würden ihren Lebensunterhalt durch die Einnahmen aus dem erwähnten Geschäft bestreiten. Seine Reisekosten in der Höhe von USD 3.000,- habe der Beschwerdeführer durch Arbeit im Sudan und in Libyen aufgebracht. Seine Mutter sei zwischenzeitlich nach Kenia gegangen, sein Stiefvater und seine Geschwister würden noch an der früheren Adresse leben. Der Beschwerdeführer habe zu Freunden und Bekannten in Äthiopien über das Internet Kontakt.

Der Beschwerdeführer habe sich nie politisch betätigt und habe keine Probleme aufgrund seiner Volkgruppenzugehörigkeit oder seines Religionsbekenntnisses erlebt. Er habe jedoch Probleme mit Privatpersonen gehabt, da die somalische Bevölkerung ihn "uneheliches Kind" genannt hätte. Aus diesem Grund habe er die Heimat verlassen. Weitere Gründe für seine Ausreise habe es nicht gegeben. Auf Vorhalt der in der Erstbefragung erwähnten Probleme mit der ONLF erklärte der Beschwerdeführer, von dieser ein paar Mal geschlagen worden zu sein. Auf Nachfrage konkretisierte er, dass es nur einen Vorfall gegeben hätte, welcher schon ewig her wäre. Äthiopien habe er verlassen, da er als uneheliches Kind ausgegrenzt worden sei. Er sei von Mitschülern in der Schule und auf der Straße gehänselt worden. Zu körperlichen Übergriffen gegen seine Person sei es nicht gekommen. Nochmals nachgefragt, habe es abgesehen davon, dass man ihn "uneheliches Kind" genannt hätte, keine weiteren Probleme oder Benachteiligungen gegeben. Seine Mutter habe alles versucht, damit diese Beleidigungen ein Ende nehmen, es hätte jedoch nichts genutzt. Auf Vorhalt seiner vorherigen Angabe, in seiner Freizeit mit Freunden z.B. Fußball gespielt zu haben und befragt, wie sich die Diskriminierung konkret geäußert hätte, gab der Beschwerdeführer an, er habe auch Freunde gehabt, doch hätten ihn diese ebenfalls beleidigt. Sie seien aber dennoch seine Freunde gewesen. Auf weiteren Vorhalt, dass aus dem Facebook-Benutzerprofil des Beschwerdeführers ersichtlich werde, dass dieser aktuell 3.147 "Freunde" auf dieser Plattform hätte, welche zum überwiegenden Teil offensichtlich aus seiner Heimat stammen würden und es demnach den Anschein hätte, dass er ein beliebter junger Mann wäre, bestätigte der Beschwerdeführer, sich mit diesen Personen zu unterhalten. Im Fall einer Rückkehr in sein Herkunftsland befürchte er, dass er wieder als "uneheliches Kind" beleidigt werden würde. Befragt, woher so viele Leute wissen hätten können, dass er unehelich geboren worden sei, entgegnete der Beschwerdeführer, die Nachbarschaft hätte es gewusst, weshalb es sich im gesamten Ort verbreitet hätte.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Äthiopien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Die Behörde stellte die äthiopische Staatsangehörigkeit und das Religionsbekenntnis, nicht jedoch die präzise Identität sowie die Volksgruppe des Beschwerdeführers fest. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Äthiopien einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung unterliegen würde. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für diesen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bestehen würde. Desweiteren habe nicht festgestellt werden können, dass dieser im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Der Beschwerdeführer habe als einziges Rückkehrhindernis die Befürchtung, als "uneheliches Kind" bezeichnet zu werden ins Treffen geführt und habe auf entsprechende Befragung erklärt, dass es nie zu Übergriffen gegen seine Person gekommen wäre. Er habe sich einzig darauf berufen, durch Mitschüler und auf der Straße gehänselt worden zu sein. Bei den vorgebrachten Problemen handle es sich nicht um solche, die zur Asylgewährung führen könnten. Eine Hänselei, wie sie unter Kindern und Jugendlichen oftmals vorkommen würde, hätte einen weiteren Verbleib im Heimatland nicht unerträglich gemacht. Dies auch deshalb, da der Beschwerdeführer geschildert hätte, in seiner Freizeit Aktivitäten mit Freunden ausgeübt zu haben, im Alter von 16 Jahren eine Beziehung zu einem Mädchen des Mehrheitsclans der Ogaden geführt zu haben und er in sozialen Netzwerken mehr als 3.000 Kontakte aufweise. Ebensowenig lasse sich den Angaben des Beschwerdeführers eine aktuelle Gefährdung durch Angehörige der ONLF entnehmen.

Es könne überdies nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer als gesunder, arbeitsfähiger junger Mann, selbst wenn er nur über geringe Schulbildung verfüge, bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland in Bezug auf existenzielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde. Zudem verfüge der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat über ein soziales Auffangnetz.

Der Beschwerdeführer sei illegal ins Bundesgebiet eingereist, habe hier keine Verwandten, ginge keiner legalen Arbeit nach und bestreite seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Da auch keine Gründe für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz zu Tage getreten wären, sei gegen diesen aufgrund der überwiegenden öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine Rückkehrentscheidung auszusprechen gewesen. Zur Begründung des Einreiseverbotes wurde auf die beiden aktenkundigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen der Begehung von Delikten nach dem Suchtmittelgesetz verwiesen. In Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes könne eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Verhinderung der Drogenkriminalität, an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften sowie an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, als gegeben angenommen werden. Da für den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben wäre, sei es diesem zumutbar, den Ausgang seines Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten.

3. Gegen diesen, dem Beschwerdeführer am 24.05.2018 zugestellten, Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit Eingabe vom 14.06.2018 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde ein, in welcher begründend im Wesentlichen ausgeführt wurde, die somalische Bevölkerung habe den Beschwerdeführer immer ausgeschlossen, diskriminiert und verfolgt, da er ein uneheliches Kind sei. Seine Mutter habe ihn versorgen müssen, da er keine Arbeitsstelle bekommen habe. Einmal habe sie ihn losgeschickt, um Schafe zu holen; dabei sei er von der Terrororganisation ONLF aufgehalten worden, welche Geld von ihm gewollt hätte. Da er nichts dabei gehabt hätte, hätten sie ihn verprügelt. Durch eine Abschiebung nach Äthiopien wäre der Beschwerdeführer einem realen Risiko unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. Die von der Behörde zur Begründung des Einreiseverbotes angenommene Gefährdung ginge vom Beschwerdeführer nicht aus. Der Beschwerdeführer habe das Unrecht seiner Taten eingesehen und sei fest entschlossen, sich in Zukunft nichts mehr zu Schulden kommen zu lassen. Ein zehnjähriges Einreiseverbot sei unverhältnismäßig hoch berechnet.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 26.09.2018 mitsamt dem bezughabenden Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde der Gerichtsabteilung W259 zugewiesen.

5. Mit hg. Beschluss vom 29.06.2018, Zahl W259 2199211-1/2Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.12.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

7. Mit 8.2.2019 langte hg. eine Verständigung der Staatsanwaltschaft Linz vom 30.1.2019 ein, gemäß der ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 83 Abs 1 StGB eingestellt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Äthiopien und bekennt sich zum moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung. Seine Identität sowie seine Clanzugehörigkeit stehen nicht fest. Der Beschwerdeführer hat den überwiegenden Teil seines Lebens mit seiner Mutter, seinem Stiefvater und seinen (Halb-)Geschwistern in der Somali-Region Äthiopiens gelebt, wo er die Schule besuchte und unverändert über ein soziales Netz verfügt. Der Beschwerdeführer gelangte illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet, wo er am 29.05.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Seitdem hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Äthiopien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, bei einer Rückkehr nach Äthiopien Verfolgung durch staatliche Behörden befürchten zu müssen, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung seiner Rechte auf Leben, nicht unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden und/oder nicht der Todesstrafe zu unterliegen und als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein. Seine Ausreise begründete er mit dem Umstand, als "uneheliches Kind" von seinen Mitmenschen verbal beleidigt worden zu sein; darüber hinausgehende Rückkehrbefürchtungen hat er nicht geltend gemacht.

Bei einer Rückkehr nach Äthiopien besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehenden gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine Bedrohungssituation und liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und verfügt über Berufserfahrung.

1.3. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des XXXX , wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach den §§ 27 Abs. 1 Z 1 1., 2. und 8. Fall, Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 4 Z 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt, von der ihm ein Teil in der Höhe von sieben Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer vorschriftswidrig Suchtgift, erworben, besessen und einem anderen auf einer öffentlichen Verkehrsfläche oder sonst an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich gegen Entgelt überlassen hat, wobei er durch die Straftat einem Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglichte, indem er 1.) am 05.11.2016 einer minderjährigen Person in einem Park 2 Gramm Cannabiskraut zum Preis von EUR 20,-

verkaufte; 2.) im Zeitraum von September 2016 bis Anfang November 2016 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch Cannabiskraut erwarb und besaß und am 05.11.2016 weitere ca. 1,5 Gramm Cannabiskraut besaß.

Mit Urteil des XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1., 2. und 8. Fall, Abs. 2a SMG, 15 Abs. 1 StGB und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Mittäter am 17.03.2017 im Bereich eines Parks vorschriftswidrig Suchtgift erworben, besessen und einem anderen auf einer öffentlichen Verkehrsfläche bzw. an einem öffentlich zugänglichen Ort gegen Entgelt überlassen hat, indem er einer abgesondert verfolgten Person ein Klemmsäckchen mit ca. 1 Gramm Cannabiskraut zum Preis von EUR 10,- gewinnbringend verkaufte sowie weitere 2,2 Gramm Cannabiskraut, die sie in einem Mistkübel gebunkert hatten, unbekannten Abnehmern zu veräußern versuchte, wobei die Tatvollendung infolge vorheriger polizeilicher Betretung unterblieb. Zudem hat der Beschwerdeführer vorschriftswidrig Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, indem er seit Anfang 2017 bis zum 17.03.2017 wiederholt eine insgesamt unbekannte Menge Cannabiskraut erwarb und bis zum Eigenkonsum besaß.

Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, da aufgrund seines bisherigen Lebenswandels die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten im Bereich der Suchtmittelkriminalität zu prognostizieren ist.

1.4. Der Beschwerdeführer war während seines Aufenthalts in Österreich durchgehend auf staatliche Unterstützung angewiesen, ist nicht selbsterhaltungsfähig und hat sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet. Der Beschwerdeführer hat während seines Aufenthalts keine Integrationsbemühungen erkennen lassen. Er hat keine Familienangehörigen oder sonstige enge soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Anknüpfungspunkte sozialer oder wirtschaftlicher Natur in Österreich oder im Raum Europas hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.

Es besteht in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK.

1.5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird auf die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderberichte verwiesen, aus welchen sich die verfahrensgegenständlich relevante Lage ergibt. Diese stellt sich auszugsweise wie folgt dar:

...

Politische Lage

Entsprechend der 1995 in Kraft getretenen Verfassung ist Äthiopien ein demokratischer Bundesstaat. Die Einführung eines föderalen Systems bedeutete eine Abkehr von der Tradition starker Zentralisierung (AA 8.2016; vgl. GIZ 1.2017a) und der früheren Dominanz der Volksgruppe der Amharen (AA 8.2016). Auf allen administrativen Ebenen werden regelmäßig Wahlen durchgeführt, zu denen Oppositionsparteien zwar zugelassen werden, jedoch faktisch in ihren Handlungsoptionen stark eingeschränkt sind (AA 8.2016). Der Präsident hat eine weitgehend repräsentative Rolle und darf keiner Partei angehören (AA 8.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die politische Macht liegt beim Premierminister, der die Exekutive leitet, dem Ministerrat vorsitzt und die Streitkräfte befehligt (AA 8.2016; vgl. CIA 14.12.2016; GIZ 1.2017a).

Nach dem Tod des Premierministers Meles Zenawi im August 2012 ging die Führung des Landes friedlich an den damaligen Außenminister Hailemariam Desalegn über. Unter seiner Führung haben sich Regierung und Partei zur Erhaltung des Status Quo und der politischen Kontinuität bekannt (AA 24.3.2016).

Dominierende politische Kraft ist die Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF), die sich aus vier Parteien zusammensetzt, der Tigray People's Liberation Front (TPLF), der Amhara National Democratic Movement (ANDM), der Oromo People's Democratic Organisation (OPDO) und der Southern Ethiopian Peoples' Democratic Movement (SEPDM) (AA 8.2016). Traditionellen Führungsanspruch in der EPRDF hat die TPLF, die den Befreiungskrieg gegen das Derg-Regime anführte (AA 24.5.2016). Die Opposition ist ideologisch, ethnisch und regional breit gefächert und gilt nach den Parlamentswahlen 2015 weiterhin als geschwächt. Ihr Handlungsspielraum bleibt eingeschränkt (AA 8.2016).

Das Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Oberhaus "House of Federation" mit 108 Sitzen, die für eine fünfjährige Amtszeit von der Versammlungen der Regionalstaaten ernannt werden, und dem Unterhaus "House of Peoples' Representatives" mit 547 Sitzen, die für eine ebenfalls fünfjährige Amtszeit vom Volk gewählt werden (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Seit den letzten Parlamentswahlen im Mai 2015 hält die EPRDF alle 547 Sitze (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die EU kritisierte im Vorfeld der Wahl die massiven Einschüchterungsversuche gegen Oppositionsparteien und Verhaftungen unabhängiger Journalisten (GIZ 1.2017a). Der Premierminister wird nach den Parlamentswahlen von der Partei ernannt, die die Wahlen für sich entscheiden konnte (CIA 14.12.2016). Der Präsident wird von den beiden Parlamentskammern für eine sechsjährige Amtszeit gewählt. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober 2013 wurde Teshome Wirtu MULATU gewählt (CIA 14.12.2016).

Seit Ende des Jahres 2015 gab es immer wieder Proteste gegen den so genannten "Masterplan" für Addis Abeba, der eine Vergrößerung der Hauptstadt in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vorsah. Im Januar 2016 gab die äthiopische Regierung nach anhaltenden (teils gewalttätigen) Protesten die Rücknahme des "Masterplans" bekannt. Die regierungskritischen Proteste hatten sich in 2016 stetig ausgeweitet. Angehörige der ethnischen Gruppen der Oromo und Amhara protestierten gegen die Korruption und die politische Dominanz der regierenden EPRDF, forderten eine bessere Verteilung der Früchte des Wirtschaftswachstums und mehr politische Mitbestimmung. Die Regierung ging weiterhin rigide gegen die Proteste vor. Hunderte Personen kamen ums Leben, Tausende sollen im Rahmen des im Oktober 2016 verhängten Ausnahmezustandes verhaftet worden sein. Es ist davon auszugehen, dass die Regierung durch ihre Maßnahmen im Rahmen des Ausnahmezustandes die Lage weitestgehend wieder unter ihre Kontrolle gebracht hat. Inwieweit politische Maßnahmen wie der Austausch des Regierungskabinetts durch Premierminister Hailemariam langfristig zu einer Harmonisierung beitragen können, bleibt abzuwarten (GIZ 1.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

-

AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Länderinformationen - Äthiopien - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aethiopien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

CIA - Central Intelligence Agency (14.12.2016): The World Factbook

-

Ethiopia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/et.html, Zugriff 3.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017

Sicherheitslage

Die äthiopische Regierung hat am 9. Oktober 2016 den Ausnahmezustand verhängt. Vorausgegangen waren Massendemonstrationen und teils gewaltsame Proteste gegen die Regierung, überwiegend in den Regionen Oromia und Amhara (AA 3.1.2017). Diese hatten bereits Ende des Jahres 2015 begonnen, als die Hauptstadt Addis Abeba in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vergrößert werden sollte. Die Proteste erweiterten sich später mit Forderungen nach einem Ende willkürlicher Festnahmen und ethnischer Ausgrenzung sowie gegen die Dominanz der Regierungspartei und mit der Forderung nach mehr politischer Mitbestimmung. Die Regierung ging rigide gegen die Proteste vor wobei mehrere hundert (AI: 800, GIZ: 400) Personen durch Sicherheitskräfte getötet wurden (AI 9.11.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Nachdem sich die Sicherheitssituation in den Provinzen Oromia und Amhara und im Gebiet Konso in der SNNPR (Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker) zwischen Juli und Anfang Oktober 2016 zeitweise massiv verschlechtert hat, ist in der Provinz Amhara nunmehr eine gewisse Beruhigung eingetreten. In der Provinz Oromia sowie im Konso-Gebiet bleibt die Lage jedoch weiterhin angespannt. Mit einem Wiederaufflammen gewalttätiger Proteste und einer erneuten Verschlechterung der Sicherheitslage in den Provinzen Oromia und Amhara muss gerechnet werden (BMEIA 3.1.2017a).

Die Grenze zu Eritrea ist gesperrt und die Lage im Grenzgebiet ist angespannt (BMEIA 3.1.2017b). Bei Fahrten in das direkte Grenzgebiet zu Eritrea und in die Danakilsenke in Nord-Afar können Überfälle durch Banditen und örtliche Untergrundorganisationen sowie Entführungen nicht ausgeschlossen werden (AA 3.1.2017).

In den letzten Jahren gab es vereinzelte (versuchte) Sprengstoffanschläge in Addis Abeba. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Äthiopien auch zukünftig Ziel von Anschlägen sein wird (AA 3.1.2017). In vielen Regionen Äthiopiens sind Minen verlegt, vor allem bis 80 km innerhalb der Grenzen zu Eritrea, Somalia, Sudan, Südsudan und Kenia (Borana Region); aber auch das Landesinnere ist teilweise vermint (BMEIA 3.1.2017b).

Als weitere Sicherheitsbedrohung gilt eine Reihe von bewaffneten Gruppen die von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuft werden, wie die Oromo Liberation Front (OLF), die Ogaden National Liberation Front (ONLF) und Ginbot 7 (DCR 18.5.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017

-

AI - Amnesty International (9.11.2016): Ethiopia: After a year of protests, time to address grave human rights concerns, http://www.ecoi.net/local_link/331838/459747_en.html, Zugriff 4.1.2017

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.1.2017a): Reise & Aufenthalt - Äthiopien - Aktuelle Hinweise, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 3.1.2017

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.1.2017b): Reise & Aufenthalt - Äthiopien - Sicherheit und Kriminalität,

http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 3.1.2017

-

DCR - Dutch Council for Refugees (18.5.2016): Country of Origin Information Report Ethiopia,

http://www.refworld.org/pdfid/573f2f334.pdf, Zugriff 3.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017

Somali-Region (Ogaden) / Grenze zu Somalia

In der Somali Region (Ogaden) im Osten führt die äthiopische Armee bewaffnete Einsätze gegen Mitglieder die ONLF durch (AA 29.12.2016). Die ONLF ist eine separatistische Gruppe die seit 1991 für die Unabhängigkeit der Region kämpft (FH 27.1.2016). Nachdem Friedensgespräche zwischen der ONLF und der äthiopischen Regierung im Jahr 2013 gescheitert sind, setzten sich sporadische Gewaltakte in Ogaden fort. Seit 2013 operiert die ONLF von Somalia und erhält Unterstützung von Eritrea (DCR 18.5.2016).

Die Bedrohung der radikalislamistischen Terrororganisation al Shabaab, die von Somalia ausgeht, setzt sich fort. Im Grenzgebiet zu Somalia ist aufgrund möglicher militärischer Aktionen gegen al Shabaab grenzüberschreitend mit größeren Truppenbewegungen zu rechnen (AA 3.1.2017; vgl. USDOS 2.6.2016). Es kommt in der Region zu Kämpfen zwischen Rebellengruppen und dem Militär, zu Anschlägen, und es besteht Minengefahr (BMEIA 3.1.2017b).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.1.2017b): Reise & Aufenthalt - Äthiopien - Sicherheit und Kriminalität,

http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 3.1.2017

-

DCR - Dutch Council for Refugees (18.5.2016): Country of Origin Information Report Ethiopia,

http://www.refworld.org/pdfid/573f2f334.pdf, Zugriff 3.1.2017

-

FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/327613/454676_en.html, Zugriff 29.12.2016

-

USDOS - U.S. Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/324718/450854_en.html, Zugriff 3.1.2017

...

Rechtsschutz/Justizwesen

Das äthiopische Rechtssystem enthält Elemente mehrerer westlicher Rechtssysteme und ist schwer zu systematisieren (GIZ 1.2017a). Gesetzlich ist eine unabhängige Justiz vorgesehen (USDOS 13.4.2016; vgl. GIZ 1.2017a), dennoch kommt es regelmäßig zu Einschränkungen von Rechtsstaatlichkeit, zuletzt durch die Erklärung des Ausnahmezustandes für eine Dauer von 6 Monaten am 9. Oktober 2016 (AA 8.2016). Durch den Ausnahmezustand werden den Provinzverwaltungen Kompetenzen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entzogen und bei der äthiopischen Bundesregierung zentralisiert. Diese kann damit auf zukünftige Unruhen schneller reagieren (AA 3.1.2017).

Das Justizwesen wird als korrupt und undurchsichtig wahrgenommen. Richter gelten als schlecht ausgebildet und nicht immer über die geltenden Gesetze ausreichend informiert. Dies schlägt sich entsprechend in den Verfahren nieder (GIZ 1.2017a). Zivilgerichte arbeiten weitgehend unabhängig, die Strafgerichte sind aber weiterhin schwach, überlastet und werden politisch beeinflusst. Sowohl religiöse als auch traditionelle Gerichte sind verfassungsmäßig anerkannt. Viele Bürger in ländlichen Gebieten haben kaum Zugang zum formalen Justizsystem und sind auf traditionelle Konfliktlösungsmechanismen angewiesen. Scharia-Gerichte können religiöse und Familienrechtsfälle übernehmen, die Muslime betreffen. Scharia-Gerichte erhalten finanzielle Unterstützung durch den Staat und urteilten in der Mehrheit der Fälle in den vorwiegend muslimischen Somali- und Afar-Gebieten. Daneben gibt es noch weitere traditionelle Rechtssysteme, wie etwa Ältestenräte. Einige Frauen stellten fest, dass sie im traditionellen Rechtssystem keinen Zugang zu freien und fairen Verhandlungen haben, da sie traditionellerweise von der Teilnahme an Ältestenräten ausgeschlossen sind und in ländlichen Gebieten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbreitet ist (USDOS 13.4.2016).

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht ersichtlich. Die äthiopische Regierung bestreitet zudem Strafverfolgung aus politischen Gründen. Allerdings berichten Oppositionspolitiker, Journalisten und inzwischen auch vereinzelt muslimische Aktivisten von Einschüchterungen, willkürlichen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Dies geschieht inzwischen oft unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung und Wahrung der Sicherheit und Integrität des Landes. Bei einer vermuteten Nähe zu gewaltbereiten Gruppen (OLF, ONLF, Ginbot 7) oder einem (teilweise noch unbestätigten) Verdacht, zu Terrorismus anstiften zu wollen, wird hart durchgegriffen (AA 24.5.2016).

Das in der Verfassung verankerte Recht, nach der Verhaftung innerhalb von 48 Stunden einem Richter vorgeführt zu werden, wird - unter anderem wegen Überlastung der Justiz - häufig nicht umgesetzt. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Berichte über Misshandlungen, insbesondere in Untersuchungshaft, unbekanntem Verbleib zwischen Verhaftung und Vorführung vor Gericht bzw. Einlieferung in ein staatliches Gefängnis oder auch darüber, dass Familienangehörige von Verhafteten unter Druck gesetzt werden. Hinzu kommen weitreichende Befugnisse, die z.B. das Antiterrorgesetz den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden einräumt, z.T. auch ohne gerichtliche Überwachung (AA 24.5.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Länderinformationen - Äthiopien - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aethiopien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_7B87E3EFFF842E034C71AA5B64A842E2/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017

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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 29.12.2016

Sicherheitsbehörden

Die Bundespolizei untersteht dem Ministerium für Bundesangelegenheiten, das wiederum parlamentarischer Aufsicht unterliegt. Diese Aufsicht ist allerdings locker. Jeder der neun Regionalstaaten hat eine eigene Staats- oder Sonderpolizeieinheit, die jeweils den regionalen zivilen Behörden untersteht (USDOS 13.4.2016). Im ganzen Land gibt es zudem lokale Milizen, die sich in ihrer Arbeit mit regionalen und föderalen Polizei- und Militäreinheiten lose abstimmen. Das Ausmaß der Abstimmung variiert in den einzelnen Regionen. In vielen Fällen sind die Milizen der verlängerte Arm der Regierungspartei (USDOS 13.4.2016). Die Milizen sind von Gemeindevertretern gewählte, jedoch bewaffnete Personen, die ehrenamtlich militärische und Polizeidienste leisten und im Wesentlichen Polizeiaufgaben in (teilweise sehr entlegenen) ländlichen Gebieten erfüllen (vergleichbar mit "Community Police"). In manchen Fällen werden Milizen auch im Kampf gegen bewaffnete Rebellen eingesetzt, insbesondere in der Somali-Region im Osten Äthiopiens gegen die Ogaden National Liberation Front (ONLF) (AA 24.5.2016).

Die Sicherheitskräfte handeln im Allgemeinen diszipliniert und sind effektiv (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016), sind aber oftmals schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und ohne Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften (AA 24.5.2016). Straffreiheit ist weiterhin ein ernstes Problem. Mechanismen zur Untersuchung von Missbräuchen durch die Bundespolizei sind nicht bekannt und die Regierung gibt die Untersuchungsergebnisse nur selten öffentlich bekannt. Sie bemüht sich aber, Menschenrechtsschulungen für Polizei- und Militärschüler anzubieten (USDOS 13.4.2016). Es wird zudem berichtet, dass sich in Einzelfällen die Sicherheitsorgane oder andere Behörden über Gerichtsurteile hinweggesetzt haben (z.B. in Ostäthiopien/ Ogaden) (AA 24.5.2016).

Die Streitkräfte wurden in den letzten Jahren mit dem Ziel umstrukturiert, sie von Aufgaben der inneren Sicherheit, die der Polizei obliegen, zu entbinden. Dies ist noch nicht landesweit umgesetzt. In einigen Regionen (Oromia, Somali Region/Ogaden, Gambella, Sidamo) gehen Polizei und Militär weiterhin gezielt gegen vermutete und tatsächliche Unterstützer und Angehörige der dort aktiven, z.T. militant bis terroristisch operierenden oppositionellen Gruppierungen ONLF, OLF, Ethiopian National United Patriotic Front (ENUPF) und Sidamo Liberation Front (SLF) vor (AA 24.5.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 30.12.2016

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung und weitere Gesetze verbieten Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (USDOS 13.4.2016). Das in der Verfassung verankerte Verbot von Folter wird in der Praxis unterlaufen. Von verschiedener Seite werden immer wieder Vorwürfe über Misshandlungen durch Polizei und Militär laut (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Berichte von Folter und Misshandlung gibt es insbesondere während der Untersuchungshaft und von Häftlingen, die unter Verdacht stehen, mit Terrororganisationen in Verbindung zu stehen. Eine adäquate und konsistente Reaktion der Behörden auf z.B. in Gerichtsverfahren geäußerte Folter- und Misshandlungsvorwürfe ist nicht zu erkennen (AA 24.5.2016). Zudem verschwinden Berichten zufolge nach Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Rebellengruppen immer wieder Zivilisten - jedoch gibt es weniger glaubwürdige Berichte darüber als in den Vorjahren (USDOS 13.4.2016).

Systematische Verhaftungen und Folter bzw. Misshandlung durch Polizei, Militär und andere Mitglieder der Sicherheitskräfte sind nicht auszuschließen, insbesondere in Fällen, in denen der Verdacht oppositioneller Tätigkeit oder der Mitgliedschaft in bewaffneten Oppositionsgruppen und ein (vermuteter) Zusammenhang mit Terrorismus bestehen. Das Ersuchen des Sonderberichterstatters des UN-Menschenrechtsrates gegen Folter um einen Länderbesuch in Äthiopien wurde bisher abgelehnt (letzte Anfrage 2011) (AA 24.5.2016).

Laut NGO-Berichten, wurden tausende Oromos, denen die Regierung Terrorismus vorwirft, willkürlich festgenommen und in manchen Fällen gefoltert (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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USDOS - U.S. Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 29.12.2016

Korruption

Behördliche Korruption ist gesetzlich verboten (USDOS 13.4.2016; vgl. FH 27.1.2016). In Äthiopien hat es einige spektakuläre Korruptionsfälle gegeben, in die hochrangige Vertreter der Regierung verwickelt waren. In den bekannt gewordenen Fällen hat es Verurteilungen gegeben (GIZ 1.2017a). Trotz der Strafverfolgung vieler Beamter aufgrund von Korruption sind einige Beamte weiterhin in korrupte Praktiken involviert. Insbesondere auf niedriger Ebene ist Korruption - vor allem das Einfordern von Bestechungsgeldern - ein Problem. Auch bei der Polizei und in der Justiz ist Korruption weiterhin ein Problem (USDOS 13.4.2016; vgl. FH 27.1.2016), ebenso im Alltag (GIZ 1.2017a). Auf dem Corruption Perceptions Index 2014 von Transparency International lag Äthiopien auf Platz 103 von 168 untersuchten Ländern (TI 2015).

Beim Justizministerium ist eine Bundeskommission für Ethik und Antikorruption (FEACC) eingerichtet. Der Strafprozess wegen Korruption gegen den Generaldirektor der Äthiopischen Steuer- und Zollbehörde, dessen Stellvertreter und weitere Regierungsbeamte und privater Geschäftsleute wurde im Jahr 2015 weitergeführt (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/327613/454676_en.html, Zugriff 29.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017

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TI - Transparency International (2015): Corruption Perceptions Index - Results, https://www.transparency.org/cpi2015/, Zugriff 29.12.2016

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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 29.12.2016

Wehrdienst und Rekrutierungen

Die äthiopische Armee ist eine Freiwilligenarmee. Rekrutierungen werden im gesamten Land flächendeckend vorgenommen (AA 24.5.2016). Für einen freiwilligen Wehrdienst ist ein Mindestalter von 18 Jahren vorgesehen. Obwohl es keine Wehrpflicht gibt, kann das Militär Rekrutierungen durchführen und der Eintritt ins Militär ist dann verpflichtend (CIA 14.12.2016).

Fahnenflucht ist grundsätzlich nach Art. 288 des äthiopischen Strafgesetzbuches mit einer Haftstrafe bis zu fünf Jahren belegt, in Einzelfällen kann aber auch auf lebenslange Freiheitsstrafen oder gar auf Todesstrafe entschieden werden. Urteile von Militärgerichten werden nicht veröffentlicht, daher liegen keine verlässlichen Angaben vor. Fahnenflüchtige unter der Derg-Diktatur werden nicht mehr verfolgt (AA 24.5.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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CIA - Central Intelligence Agency (14.12.2016): The World Factbook

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Ethiopia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/et.html, Zugriff 29.12.2016

Allgemeine Menschenrechtslage, Opposition

Der äthiopischen Regierung ist die Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität erkennbar wichtiger als demokratische Freiräume, Bürger- und individuelle Menschenrechte (AA 24.5.2016). Zu den signifikantesten Menschenrechtsproblemen in Äthiopien zählen die Einschränkung der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit (unter anderem durch Festnahmen), politisch motivierte Gerichtsverfahren, Schikane und Einschüchterung von Oppositionspolitikern und Journalisten, sowie die Einschränkungen von Printmedien, Zivilgesellschaft und NGOs (USDOS 13.4.2016).

Die Verfassung und weitere Gesetze sehen die Meinungs- und Pressefreiheit vor (USDOS 13.4.2016). Journalisten, Oppositionsaktivisten und regierungskritische Personen werden jedoch schikaniert, verhaftet und strafrechtlich verfolgt. Die Aktivitäten der politischen Opposition werden überwacht und behindert (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016). Stärker als das Medien- und Informationsgesetz wirkt sich das Antiterrorgesetz auf die Meinungs- und Pressefreiheit in Äthiopien aus. Denn es umfasst nicht nur direkte und indirekte Unterstützung von Terrorismus als Tatbestand, sondern auch Berichterstattung über terroristische Gruppen oder Ak

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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