TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/27 W169 2208176-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.2019
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Entscheidungsdatum

27.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W169 2208176-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2019,

Zl. 810658805-190148913, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III gemäß § 57 AsylG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Erstes vorangegangenes Verfahren:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, stellte nach illegaler Einreise unter dem Namen XXXX , geb. XXXX , am 01.07.2011 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer in diesem Verfahren im Rahmen der Erstbefragung am 02.07.2011 an, sein Freund habe eine Affäre gehabt und die Brüder des Mädchens hätten den Freund ermordet. Daraufhin hätten die Brüder den Beschwerdeführer des Mordes beschuldigt und sei er von den Brüdern, den Angehörigen seines Freundes und auch von der Polizei verfolgt und mit dem Umbringen bedroht worden.

Am 06.07.2011 wurde der Beschwerdeführer zu seinem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen. Dabei hielt er im Wesentlichen sein Fluchtvorbringen aufrecht, gab jedoch ergänzend an, außer ihm seien noch zwei weitere Freunde des Mordes bezichtigt worden und hätte ihn die Familie des Freundes auch bei seinem Onkel in Delhi gesucht, wo er zwischenzeitig hin geflohen sei.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.07.2011, Zl. 11 06.588-BAT, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 01.07.2011 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Weiters wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 16.07.2011 fristgerecht Beschwerde, welche mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.09.2011, Zl. C12 420.289-1/2011/3E, als unbegründet abgewiesen wurde.

In den Entscheidungsgründen führte der Asylgerichtshof im Wesentlichen aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Heimatland von den Angehörigen des Mordopfers oder den Brüdern von dessen Freundin ohne Aussicht auf staatlichen Schutz bedroht oder verfolgt worden wäre bzw. dass ihm eine solche Verfolgung im gesamten Staatsgebiet Indiens drohen würde. Ebenso hätten sich keine Hinweise auf ungesetzmäßige Ermittlungshandlungen der lokalen Polizeibehörden ergeben. Selbst für den Fall polizeilicher Verfolgung bestünde in anderen Landesteilen eine innerstaatliche Fluchtalternative.

Am 03.11.2011 erging gegen den Beschwerdeführer eine Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien wegen Verletzung der Meldeverpflichtung gemäß § 121 FPG. Ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer sei seiner Meldeverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 AsylG 2005 laut Auszug des Meldeblattes für den 28.10.2011 nicht nachgekommen. Gleichzeitig wurde das Bundesasylamt über die Verletzung der Meldeverpflichtung informiert.

In weiterer Folge erging eine öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustellG betreffend des o.a. Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 30.09.2011. Der Aushang erfolgte am 03.10.2011, die Abnahme am 18.10.2011.

2. Zweites vorangegangenes Verfahren:

Am 29.04.2014 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

Im Rahmen seiner Erstbefragung am 01.05.2014 gab er zunächst an, XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein. Auf Nachfrage zu seinen Fluchtgründen führte er an, er habe keine neuen Gründe. Bei einer Rückkehr in die Heimat habe er Angst um sein Leben. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig negativ entschieden worden sei.

Am 13.05.2014 wurde der Beschwerdeführer zu seinem Folgeantrag niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er vor, er hätte Österreich 2011 in Richtung Italien verlassen und sei dort zweieinhalb Jahre in Haft gewesen. Von Italien sei er nach Paris gefahren und am 30.04.2014 wieder nach Österreich gekommen. Der Beschwerdeführer hielt weiterhin sein bisheriges Fluchtvorbringen aufrecht. Nachgefragt, was sich seit dem ersten Verfahren aus dem Jahr 2011 geändert hätte, gab er an, er sei zweieinhalb Jahre im Gefängnis gewesen und habe überhaupt keinen Kontakt mehr nach Indien. Er wisse nicht, wie die Situation derzeit sei. Der Beschwerdeführer gab auch an, dass drei Monate nach seiner Ankunft in Österreich im Jahr 2011 ein weiterer Freund getötet worden sei. Dies habe ihm ein Familienmitglied telefonisch erzählt, kurz bevor er nach Italien gefahren sei.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2014, Zl. 810658805 - EAST Ost, wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers vom 29.04.2014 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Neuerungen vorgebracht hätte und unter Berücksichtigung der bereits im Vorverfahren festgestellten Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und mangels Nachweises für das tatsächliche Bestehen der behaupteten Rückkehrbefürchtungen davon auszugehen sei, dass die im gegenständlichen Verfahren vorgebrachten Fluchtgründe nicht den Tatsachen entsprächen. Der Beschwerdeführer halte es offensichtlich nicht für notwendig, nähere Angaben im Asylverfahren zu machen, so sei er auch einer Ladung zum Parteiengehör nicht nachgekommen und habe seine Mitwirkungspflicht verletzt.

Der Bescheid vom 02.07.2014 wurde mit Wirksamkeit vom 02.07.2014 gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 23 ZustellG ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt.

3. Drittes vorangegangenes Verfahren:

Am 20.05.2015 stellte der Beschwerdeführer einen dritten Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am 22.05.2015 erstbefragt wurde. Im Zuge dieser Erstbefragung gab er an, er sei am 15.06.2014 selbstständig von Wien nach Berlin gefahren und habe dort einen Asylantrag gestellt. Von den Behörden in Deutschland sei er aufgefordert worden, nach Österreich zurückzukehren, was er im April 2015 gemacht habe. Seine alten Asylgründe seien nicht mehr aufrecht. Er habe jetzt neue Gründe.

Aufgefordert, diese neuen Gründe zu schildern, gab er an, sein Vater sei Mitglied einer politischen Partei in Indien gewesen. Er habe einen Konflikt mit den Mitgliedern der gegnerischen Partei gehabt. Im März 2015 sei sein Vater von der gegnerischen Partei bedroht worden, dass seine ganze Familie umgebracht würde. Es habe mehrere Angriffe auf seine Familie gegeben, welche derzeit versteckt leben würde. Im Falle einer Rückkehr könne ihn die gegnerische Partei unschuldig einsperren lassen.

Am 18.06.2015 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG ein Festnahmeauftrag erlassen.

Am selben Tag wurde das Asylverfahren mit Aktenvermerk gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt, weil der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht weder bekannt noch sonst leicht feststellbar war.

Am 06.08.2015 wurde der Festnahmeauftrag vom 18.06.2015 widerrufen, da die Voraussetzungen der Erlassung nicht mehr vorlagen, weil beim Beschwerdeführer laut ZMR eine Meldeadresse aufschien, weshalb das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt wurde.

Am 03.10.2016 wurde der Beschwerdeführer zu seinem zweiten Folgeantrag niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, psychisch durcheinander zu sein und sich nicht konzentrieren zu können. Er wurde aufgefordert, binnen vierzehn Tagen ein ärztliches Attest vorzulegen.

Am 14.10.2016 gab der Beschwerdeführer bekannt, er sei am 11.10.2016 beim Arzt gewesen und habe ihm dieser für zehn Tage Tabletten (Escitalopram ratiopharm) verschrieben. Der nächste Kontrolltermin sei am 23.10.2016. Bestätigung legte der Beschwerdeführer keine vor.

In Folge wurde der Beschwerdeführer für den 01.12.2016 zu einer ärztlichen Untersuchung geladen. Im Bericht über die medizinische Begutachtung, erstattet am 19.12.2016 von Dr. Gerlinde MAIRINGER, Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin, wurde zusammenfassend ausgeführt, der Beschwerdeführer leide an einer leichten depressiven Episode, die vornehmlich vor dem Hintergrund des Erlebten und des unentschiedenen Asylverfahrens zu sehen sei. Er sei diesbezüglich medizinisch abgeklärt und therapiert worden. Eine stationäre Aufnahme sei bisher nicht notwendig gewesen. Empfohlen würde die Fortführung der Medikation. Der Beschwerdeführer erscheine zum Untersuchungszeitpunkt medikamentös kompensiert, sodass eine Überstellung (i.S.e. Reisefähigkeit) und eine allfällige medizinische Betreuung im Ankunftsland möglich sei.

Am 06.02.2017 wurde der Beschwerdeführer erneut zu seinem zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz einvernommen. Dabei gab er an, die Angaben, die er bisher in diesem Asylverfahren gemacht hätte, würden nicht stimmen. Er habe früher Drogen konsumiert und wisse nicht, welche Angaben er gemacht habe. Heute würde er die Wahrheit sagen, da er jetzt keine Drogen mehr nehme. Im weiteren Verlauf der Einvernahme gab er an, er habe drei oder vier Joints am Tag geraucht. Nun habe sich seine Einstellung zu Drogen geändert und wolle er sich verändern. Aufgefordert, seinen Fluchtgrund darzulegen, gab der Beschwerdeführer an, seine Familie habe eine Partei namens "Mann" unterstützt und habe er selbst sich auch der Partei angeschlossen. Er habe für ein Referendum für einen eigenen Staat Khalistan Poster verteilt. Viele, die diese Poster verteilt hätten, seien im Gefängnis. Sieben bis acht Personen seien festgenommen worden. Auch er selbst sei festgenommen worden. Die Polizei habe ihn und die anderen geschlagen. Nach zwei Monaten seien sie auf Kaution freigekommen. Nach etwa einem Monat seien sie wieder festgenommen worden, damit sie keine Propaganda machen könnten. Seine Eltern hätten sehr viel Geld gezahlt, um ihn frei zu bekommen. Als die Polizei zum dritten Mal die anderen wieder mitgenommen habe, sei er geflüchtet. Der Prozess gegen die anderen laufe immer noch. Nachgefragt, ob er noch andere Fluchtgründe habe, gab er an, er habe Drogen genommen, seine Freundin sei weg und sein Leben sei kaputt.

Anschließend machte der Beschwerdeführer weitere Angaben zur Organisation "Simranjeet Mann" und der Situation der Sikhs in Indien.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.02.2017, Zl. 810658805-150535730, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 20.05.2015 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gleichzeitig gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen ihn gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kern des neuen Vorbringens des Beschwerdeführers beruhe, wie bei den beiden Vorverfahren, darauf, dass er zu Unrecht - wegen einer falschen Anzeige - von der Justiz verfolgt würde. Der Nebenumstand, also die Frage, weshalb er verfolgt würde, ändere sich. Diesmal habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Sikhs und zur Partei "Simranjeet Mann" verfolgt würde. Der Beschwerdeführer habe keine Beweismittel beigebracht, obwohl er bis dato fünf Jahre Zeit gehabt hätte, um diese Beweismittel beizuschaffen. Bei seiner ersten, aufgrund seines Gesundheitszustandes abgebrochenen Einvernahme zum zweiten Folgeantrag habe er selbst angegeben, einen Monat zu brauchen, um sämtliche Beweismittel vorlegen zu können. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei unglaubwürdig. In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesamt aus, dass sich weder die maßgebliche Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amts wegen zuzugreifen sei - geändert habe, noch im Begehren oder in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe. Daher stehe die Rechtskraft des ergangenen Erkenntnisses vom 30.09.2011 und des erlassenen Bescheides vom 02.07.2014 einem neuerlichen Antrag entgegen. Selbst bei näherer Betrachtung des neu hervorgebrachten Sachverhaltes gelange das Bundesamt zur Ansicht, dass das Ergebnis aufgrund der mangelnden Glaubwürdigkeit nicht anders gelautet hätte, als jenes der beiden Vorverfahren.

4. Viertes vorangegangenes Verfahren:

Der Beschwerdeführer stellte am 13.09.2018 einen vierten Antrag auf internationalen Schutz. In seiner Erstbefragung am darauffolgenden Tag führte er aus, er habe Probleme mit der indischen Polizei und Angst, dass diese ihn im Falle einer Rückkehr sofort festnehmen und ins Gefängnis stecken würde. Weiters gab er an, er habe sich von Juli bis August 2018 in Deutschland aufgehalten. Er habe außerdem nicht gewusst, dass sein Asylantrag bereits rechtskräftig negativ entschieden worden sei. Er habe keine Post bekommen.

Mit Verfahrensanordnung vom 14.09.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15b AsylG 2005 iVm § 7 Abs. 1 VwGVG aufgetragen, in einem näher bezeichneten Quartier durchgehend Unterkunft zu nehmen.

Am 25.09.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Bereits mit der Ladung wurde dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt für Indien, Stand 11.04.2017, zugestellt.

In der Einvernahme führte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund aus, gegen ihn bestünden ein oder mehrere "first information reports" (FIR). Die Personen, die nach Indien geschickt würden und gegen die solche FIR bestünden, würden sofort festgenommen und ins Gefängnis gesteckt. Man brauche sehr viel Geld, um auf Kaution freizukommen. Er gab an, diese FIR nicht schon im ersten Verfahren erwähnt und absichtlich nicht erzählt zu haben, dass die Polizei hinter ihm her sei. Der Beschwerdeführer meinte in der Einvernahme, er sei gesund. Zu seinem Leben in Österreich sagte er, gearbeitet zu haben, wollte jedoch auf Nachfrage seine Arbeitgeber nicht nennen, da diese sonst kontrolliert und Probleme bekommen würden. Er habe auch Freunde, die Freundschaften hätten schon vor Rechtskraft des vorigen Verfahrens bestanden. Mit seinen Familienmitgliedern in Indien habe er schon lange nicht mehr telefoniert.

Am 09.10.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum gegenständlichen Folgeantrag einvernommen. Dabei hielt der Beschwerdeführer seine bisher gemachten Angaben aufrecht. Ihm wurde vorgehalten, er habe gegen die Verfahrensanordnung zur Unterkunftnahme verstoßen. Dazu gab er an, es sei kein Zug mehr gefahren und er sei deswegen nicht rechtzeitig zurückgekommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 13.09.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-vG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI). Festgestellt wurde weiters, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen wurde, ab 14.09.2018 in einem im Spruch näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII).

Festgestellt wurde, abgesehen vom Verfahrenslauf, im Wesentlichen, dass sich im neuen Verfahren kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe und dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig sei. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehe. Er habe im Bundesgebiet auch keine sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden.

Beweiswürdigend wurde zu den Gründen für den neuen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren dieselben Asylgründe angegeben habe, wie im Vorverfahren. Das Parteibegehren in diesem Antrag decke sich mit jenem des vorigen Antrages.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Zimmergenosse habe ihm auf Grund eines Streites Briefe unterschlagen und habe er deshalb nicht gemerkt, dass sein Asylantrag abgewiesen worden sei, sei nicht geeignet, eine neuerliche Prüfung seiner bereits im Vorverfahren angegebenen Fluchtgründe zu veranlassen. Generell liege kein neuer Sachverhalt vor und könne der Beschwerdeführer seine Behauptungen auch nicht durch Beweismittel belegen oder plausibel darlegen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers seien bereits im ersten Verfahren unglaubwürdig gewesen. In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesamt aus, da weder in der maßgeblichen Sachlage noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lasse, stehe die Rechtskraft des ergangenen Bescheides im Vorverfahren einem neuerlichen Antrag entgegen, weswegen dieser zurückzuweisen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und stellte unter einem einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 17 Abs. 1 BFA-VG.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.11.2018, Zl. W220 2208176-1/4E wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte III bis VII wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VIII wurde gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seinen vierten Antrag auf internationalen Schutz im Kern auf jene Gründe gestützt habe, die er bereits im ersten Verfahren sowie in den ersten zwei Folgeverfahren geltend gemacht habe und seinem Vorbringen kein glaubwürdiger Kern anhafte, weshalb zweifelsfrei entschiedene Sache vorliege. Somit beziehe sich der Beschwerdeführer auf die im Zuge der ersten Antragstellung vorgebrachten Fluchtgründe. Von einer relevanten wesentlichen Änderung des Sachverhalts seit den rechtskräftigen Entscheidungen über die vorangegangenen Asylanträge könne daher nicht gesprochen werden. Auch im Hinblick auf Art. 3 EMRK sei nicht erkennbar, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Indien zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei seiner Rückkehr in eine Situation geraten würde, die einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Auch aus den Länderfeststellungen zu Indien würden sich keine Gründe ergeben, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger der reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK auszugehen sei. Aufgrund der Länderberichte ergäbe sich, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht wesentlich geändert habe. Zudem verfüge der Beschwerdeführer über eine Schulbildung, sei bereits in Indien berufstätig gewesen und es würden auch die Eltern des Beschwerdeführers weiterhin in Indien leben. Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amtswegen aufzugreifen sei, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liege entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden könne. Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache sei sohin rechtmäßig, weshalb die Beschwerde diesbezüglich abzuweisen sei. Der Beschwerdeführer erfülle auch nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG. Eine der Rückkehr entgegenstehende Integration des Beschwerdeführers habe ebenso wenig erkannt werden können, wie eine der Rückkehr entgegenstehende Situation nach Indien. Schließlich wurde die Verhängung des Einreiseverbots damit begründet, dass der Beschwerdeführer den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht habe. Auch die Anordnung der Unterkunftnahme sei nicht zu beanstanden, weshalb auch die Beschwerde diesbezüglich als unbegründet abzuweisen sei.

5. Fünftes vorangegangenes Verfahren:

Am 11.02.2019 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren (den fünften) Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.02.2019 führte der Beschwerdeführer aus, dass er zuletzt in Frankreich aufhältig gewesen sei und von dort am 24.01.2019 neuerlich nach Österreich eingereist sei. Er habe keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen und hätte keinen Bezug zu Indien. Im Falle einer Rückkehr befürchte er von der Regierung eingesperrt zu werden.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2019 wurde der fünfte Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer auch in diesem Verfahren keine neuen entscheidungsrelevanten Sachverhaltselemente vorgebracht habe, weshalb von entschiedener Sache auszugehen sei.

Da der Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung keine Beschwerde einbrachte, erwuchs der Bescheid in Rechtskraft.

6. Gegenständliches Verfahren:

Am 18.05.2019 stelle der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führte der Beschwerdeführer aus, dass er bis jetzt gelogen habe und dies jetzt berichtigen würde. Dies tue ihm leid. In Indien sei gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden. Er hätte in Indien eine Freundin namens Sonja gehabt und hätten sie gegen den Willen ihrer Familien geheiratet. Ihr Vater sei ein hoher Offizier im Punjab. Seine Freundin sei von ihm schwanger geworden. Als ihre Familie erfahren habe, dass sie geheiratet hätten und sie nun schwanger sei, habe ihr Vater in jeder Polizeidienststelle ihre Bilder angegeben, damit sie gefunden werden würden. Ihr Vater sei ein mächtiger Mann, welcher auch Einfluss in die Politik habe. Da er Angst gehabt habe, von ihrem Vater getötet zu werden, sei er ins Ausland geflüchtet. Die indische Gesellschaft würde keine Liebesbeziehungen akzeptieren.

Am 21.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer eine schriftliche Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG ausgefolgt, mit welcher ihm mitgeteilt worden sei, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Absicht habe, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Am 29.05.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdendwesen und Asyl zu seinem sechsten Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei, keine Medikamente nehme und derzeit nicht in ärztlicher Behandlung stehe. Weiters führte der Beschwerdeführer an, dass seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren noch weiter aufrecht seien, er aber auch neue Fluchtgründe habe. Nach Aufforderung, diese zu schildern, gab der Beschwerdeführer an, dass er in ein Mädchen verliebt gewesen sei, welche aus einer Polizeifamilie stamme. Sie habe der Religionsgemeinschaft der Hindus und er der Sikhs angehört. Er habe sie heiraten wollen, ihre Familie habe den Heiratsantrag aber abgewiesen. Sohin seien sie zusammen nach Hamarchal geflüchtet und hätten dort zwei Monate zusammengelebt. Ihr Vater habe sie dort gefunden. Er habe flüchten können, seine Freundin sei aber von ihrem Vater erschossen worden. Ihre Familie habe die Tat als Unfall dargestellt und den Beschwerdeführer als Verursacher des Unfalls bezichtigt. Ihr Vater habe auch in der Zeitung inseriert, dass nach dem Beschwerdeführer gesucht werde. Aus diesem Grund habe er aus Indien flüchten müssen. Auch sei ein Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer erlassen worden. Nach Vorhalt, warum er in der Erstbefragung nichts von der Tötung seiner Freundin erzählt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass ihm dort gesagt worden sei, er solle kurz antworten. Nach Vorhalt, dass er jetzt bereits seinen sechsten Asylantrag gestellt und warum er diese Geschichte nicht bereits in den bisherigen Asylverfahren vorgebracht habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er dies bereits bei seiner ersten Asylantragstellung angeben haben wollen. Ein Freund von ihm habe ihm aber davon abgeraten. Sein Leben in Indien sei in Gefahr. Zu seinen Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich keine Verwandten habe. Seine Freundin lebe in Frankreich. Er habe keinen Deutschkurs besucht und spreche auch nicht Deutsch. Er sei nicht Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation. Er habe in Österreich als Maler gearbeitet und so Geld verdient. Auch schreibe er Lieder und verkaufe diese an berühmte Sänger in Indien.

Im Rahmen der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, vom Dolmetscher die Länderfeststellungen zu Indien übersetzt und zur Kenntnis gebracht zu bekommen. Dazu gab der Beschwerdeführer an, dass er die Feststellungen nicht brauche. Auf die Frage, was einer Ausweisung seiner Person nach Indien entgegenstehen würde, gab der Beschwerdeführer an, dass er festgenommen und getötet werde. Der bei der Einvernahme anwesende Rechtsberater stellte keine Fragen und auch keine Anträge.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 18.05.2019 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

Begründend wurde hinsichtlich der Spruchpunkte I und II ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten neuen Fluchtgründe schon zum Zeitpunkt des Verlassens seines Heimatstaates bestanden hätten, er diese gekannt habe und diese somit laut Angaben des Beschwerdeführers auch schon vor Eintritt der Rechtskraft des Bescheides im ersten Asylverfahren bestanden hätten, weshalb kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt vorliegen würde. Ein neuer Sachverhalt, welcher im gegenständlichen Fall eine anderslautende Entscheidung in der Sache rechtfertigen würde, läge somit nicht vor. Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch in jenen, welcher von Amtswegen aufzugreifen sei - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, sei der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Hinsichtlich des Spruchpunktes III wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nicht vorliegen würden.

Zum Herkunftsstaat stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl folgendes fest:

"Länderfeststellungen zu Indien (Stand Februar 2019)

(...)

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).

Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 18.9.2018).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.1.2019 wurden 12 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.1.2019).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2018).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.9.2018).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.1.2018).

Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).

Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046, Zugriff 23.1.2019

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BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 29.1.2019

-

BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (12.12.2017):

Innerstaatliche Konflikte - Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien, Zugriff 23.10.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 11.10.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

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SATP - South Asia Terrorism Portal (13.1.2019): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2019,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 23.1.2019

(...)

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.4.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.4.2018).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 10.2017).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 10.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394309.html, Zugriff 6.11.2018

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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 18.10.2018

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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 18.10.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2015 Report on International Religious Freedom - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436757.html, Zugriff 23.10.2018

(...)

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 18.9.2018). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2018). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 18.9.2018). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 18.9.2018).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung bei, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit (USDOS 20.4.2018).

Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 18.9.2018). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 18.9.2018). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niederer Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 12.2018). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 12.2018).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im "Maoistengürtel" begingen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 20.4.2018).

In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein, Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018:

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

(...)

Relevante Bevölkerungsgruppen

Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf Basis von Rasse, Geschlecht, Invalidität, Sprache, Geburtsort, Kaste oder sozialen Status. Die Regierung arbeitet mit unterschiedlichem Erfolg an der Durchsetzung dieser Bestimmungen (USDOS 20.4.2018). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 12.2018).

Quellen:

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

(...)

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.4.2018). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 18.9.2018).

Die Regierung lockerte Einschränkungen für ausländische Reisende in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen (USDOS 20.4.2018).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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