Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr.
Stefula und die Hofrätin Mag.
Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** K*****, vertreten durch MMag. Dr. Christina Haslwanter, Rechtsanwältin in Hall in Tirol, gegen die beklagte Partei Mag. M***** K*****, vertreten durch Krall & Kühnl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Räumung und Übergabe, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2019, GZ 3 R 203/18a-43, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 27. Juli 2018, GZ 3 C 630/17b-35, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die Revision
wegen Nichtigkeit wird verworfen.
II. Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Räumung und Übergabe des Hauses *****. Sie sei Alleineigentümerin der Liegenschaft. Sie habe dem Beklagten bloß für die Dauer der zwischen ihnen bestehenden Lebensgemeinschaft unentgeltlich und gegen jederzeitigen Widerruf gestattet, das Haus gemeinsam mit ihr zu benützen. Zwischen den Streitteilen habe von ca 1997 bis Juni 2017 eine Lebensgemeinschaft bestanden, die die Klägerin mit Schreiben vom 14. 6. 2017 aufgelöst habe. Die Klägerin könne als Liegenschaftseigentümerin jederzeit die Räumung der Liegenschaft von jedem, der keinen Rechtstitel zu ihrer Benützung habe, verlangen. Der Beklagte benütze die Liegenschaft titellos.
Der Beklagte bestritt in erster Linie, die Liegenschaft titellos zu benützen. Die Klägerin sei anfänglich vor der Situation gestanden, dass ihr Vater mit Schenkungsvertrag vom 14. 3. 1993 ihr und ihrem damaligen Verlobten K***** W***** je zur Hälfte das betreffende Grundstück geschenkt gehabt habe und darauf sodann ein Rohbau errichtet worden sei, die Beziehung mit K***** W***** letztlich aber gescheitert sei. Die Klägerin habe unbedingt das Grundstück samt Rohbau „halten“ wollen. Dazu sei es erforderlich gewesen, K***** W***** dessen Liegenschaftshälfte abzukaufen. Die Bedienung des hierzu aufzunehmenden Kredits wäre der Klägerin allein unmöglich gewesen. Die Streitteile, die sich am 25. 1. 1995 kennen und sodann lieben gelernt hätten, hätten – schon vor der Eingehung der Lebensgemeinschaft und lange vor der tatsächlichen Gründung einer Familie durch die Geburt der beiden Kinder 2001 und 2002 – zumindest konkludent zur Finanzierung, Fertigstellung und Erhaltung des Hauses eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Beide Streitteile hätten durch Beistellung finanzieller Ressourcen und Einsatz ihrer Arbeitskraft an der Finanzierung des Hauses mitgewirkt, beide ihre Mühe und ihr Kapital und sämtliche ihrer Sachwerte zum gemeinschaftlichen Zweck, die Liegenschaft und das Haus zu finanzieren und auszubauen, vereinigt. Sie hätten dabei zumindest eine lose Wirtschaftsorganisation vereinbart, die jedem Partner gewisse Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte eingeräumt habe. Der Beklagte habe mitentscheiden können, was und wie gebaut, verändert, fertiggestellt und eingerichtet werde. Die Klägerin habe vor allem den Haushalt geführt und sich sodann um die Kinder gekümmert, die Rolle des Beklagten sei gewesen, ein Einkommen zu erzielen und dadurch sowie durch seine Arbeitsleistungen zur Vermögensbildung beizutragen. Tatsächlich habe der Beklagte das Haus mit seinen Arbeitsleistungen und seinem Geld fertiggestellt und in den letzten zwanzig Jahren wirtschaftlich betrachtet nahezu alle Investitionen und Rückzahlungen für das Haus sowie auch die Lebenserhaltungskosten der Streitteile und der Kinder getragen, zumal der Beklagte in den letzten zwanzig Jahren über 500.000 EUR, die Klägerin hingegen nur 100.000 EUR ins Verdienen gebracht habe. Der Klägerin sei bereits vor der Auszahlung von K***** W***** bekannt gewesen, dass sich der Beklagte für seine Arbeitsleistungen und zukünftigen Zahlungen erwartete, Miteigentümer der Liegenschaft und des Hauses zu werden, was immer wieder Thema gewesen und auch vereinbart worden sei. Dass noch keine Aufteilung des Gesellschaftsvermögens stattgefunden habe, stehe der Räumung entgegen. Die Klägerin habe im Übrigen schon vor etlichen Jahren unbemerkt begonnen, ihr geringes Eigeneinkommen zu separieren und alles – auch ihr Leben, ihre Schulden, ihren Kindesunterhaltsanteil – über den Beklagten zu finanzieren und Geld für sich anzusparen. Der Beklagte hätte aufgrund der „plündernden Vorgehensweise“ der Klägerin nicht einmal Geld für eine Mietkaution und wüsste auch nicht, wohin er solle. Die beabsichtigte Räumung des Beklagten aus dem in den letzten rund zwanzig Jahren von ihm nahezu alleine finanzierten Haus sei schikanös; das Räumungsbegehren diene nur dazu, ihn zu schädigen.
Das Erstgericht traf auf den Seiten 3 (unten) und 4 (oben) sowie 49 bis 59 Feststellungen. Es stellte unter anderem fest, dass die Klägerin Alleineigentümerin der Liegenschaft und bei Eingehen der Lebensgemeinschaft mit dem Beklagten auf der Liegenschaft bereits ein – aber noch nicht zur Gänze fertiggestelltes – Haus errichtet gewesen sei. Um den Kaufpreis, den sie ihrem ehemaligen Lebensgefährten für dessen Hälfteanteil an der Liegenschaft zu leisten gehabt habe, finanzieren zu können, habe sie in ihrem Namen einen Kredit aufgenommen. Im Laufe der Lebensgemeinschaft hätten die Streitparteien das Haus gemeinsam sukzessive fertiggestellt. Die Klägerin habe ihr gesamtes Einkommen sowie staatliche Zuschüsse (Familienbeihilfe, Karenzgeld, Kindergeld) zur Tilgung des Kredits verwendet. Das Einkommen des Beklagten sei in die gemeinsame Lebensführung geflossen. Im Jahr 1998 hätten die Streitteile ein Gespräch über die finanzielle Absicherung des Beklagten für seine Investitionen geführt. Für die Klägerin sei die Einräumung von Miteigentum nicht in Betracht gekommen. Eine Absicherung sei schließlich nicht erfolgt.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, mangels bindender Organisationsabsprachen liege keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor. Der Beklagte nütze daher das Haus nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft titellos. Der Liegenschaftseigentümer könne jederzeit die Räumung von jedem verlangen, der keinen Rechtstitel zur Benützung habe; dies verstoße nicht gegen die guten Sitten. Die Räumungsklage widerspreche weder dem Kindeswohl noch wäre der Beklagte, der über ein Einkommen verfüge, der Obdachlosigkeit ausgesetzt. Allfällige bereicherungsrechtliche Ansprüche des Beklagten gegenüber der Klägerin für die von ihm getätigten Investitionen seien nicht Gegenstand des Verfahrens, weshalb die dazu angebotenen Beweismittel zurückzuweisen gewesen seien.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten in der Hauptsache nicht Folge. Es verneinte die vom Beklagten relevierten Nichtigkeiten. Zu den gegen die Zurückweisung zahlreicher Urkunden erhobenen Mängelrügen führte das Berufungsgericht aus, dass der Berufungswerber auch vorgebracht habe, dass die angebotenen Urkunden ein Indiz für die Erwerbsgesellschaft seien. Dies könne vom Berufungsgericht nicht von vornherein verneint werden, ohne dass in einer solchen Verneinung eine vorgreifende Beweiswürdigung läge. Der Beklagte halte aber dem Räumungsbegehren in erster Linie das Bestehen einer Erwerbsgesellschaft entgegen und vertrete in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass die noch nicht erfolgte Aufteilung der Räumung entgegenstehe. Dazu vertrat das Berufungsgericht unter Verweis auf seine rechtlichen Ausführungen im Rahmen der Erledigung der Rechtsrüge die Ansicht, dass auch in dem Fall, dass von den Streitteilen zu Anfang ihrer Lebensgemeinschaft eine Erwerbsgesellschaft gegründet worden wäre, diese nunmehr nach Auflösung der Lebensgemeinschaft dem Räumungsbegehren nicht mehr entgegenstehen könnte. Damit seien die Mängelrügen nicht berechtigt. Die gegen 34 Feststellungen im Ersturteil erhobenen Beweisrügen des Beklagten ließ das Berufungsgericht ausgehend von seiner rechtlichen Beurteilung unerledigt. Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, dass nicht abschließend geklärt werden müsse, ob zwischen den Streitteilen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts konkludent gegründet worden sei, was auf der Grundlage der Behauptungen des Beklagten nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne. Auch bei einer stillschweigenden Begründung einer Erwerbsgesellschaft zu Beginn der Lebensgemeinschaft der Streitteile sei nämlich von einer Berechtigung des Räumungsbegehrens auszugehen. Mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft – der Beklagte habe nicht bestritten, dass die Klägerin ihm mit Schreiben vom 14. 6. 2017 die Auflösung der Lebensgemeinschaft erklärt habe – sei auch die Auflösung der allenfalls gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts einhergegangen. Auch bei der GesbR gelte für den Eigentumserwerb der Grundsatz von titulus und modus, sodass die Übertragung von Liegenschaften an die Gesellschaft die Einverleibung des (Mit-)Eigentums der beteiligten Gesellschafter erfordere. Nachdem eine solche grundbücherliche Eintragung zu Gunsten des Beklagten nicht erfolgt sei, sei davon auszugehen, dass die Liegenschaft der Klägerin „quoad usum“, also lediglich zum Gebrauch, in eine allfällige Erwerbsgesellschaft eingebracht worden sei. „Quoad usum“ eingebrachte Sachen seien aber bei Auflösung der Gesellschaft bzw Ausscheiden eines Gesellschafters zurückzustellen und unterlägen nicht der Vermögensauseinandersetzung. Eine weitere Benützung der „quoad usum“ eingebrachten Sache nach der Auflösung der Gesellschaft erfolge ohne Rechtstitel. Auch die etwaige Zusage der Begründung von Miteigentum erzeuge kein dingliches Recht, das der Räumungsklage entgegenstehe. In der Verteidigung des Eigentumsrechts nach Aufhebung einer Lebensgemeinschaft liege nichts Sittenwidriges; das Bestehen von Bereicherungsansprüchen mache die Räumungsklage nicht schikanös.
Das Berufungsgericht ließ die Revision im Hinblick auf die Auflösungsbestimmungen des GesbR-Reformgesetzes und die daran anschließende Vermögensauseinandersetzung zu.
Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und (nur dem Namen nach, inhaltlich aber der Rechtsrüge zuzuordnen) Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen für nichtig zu erklären, hilfsweise sie im klagsabweisenden Sinn abzuändern. Hierzu wiederum hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zulässig und im Sinne des Aufhebungs- und Zurückverweisungsbegehrens auch berechtigt.
I. Zur behaupteten Nichtigkeit:
Der Beklagte relevierte in seiner Berufung mehrere Nichtigkeiten des erstinstanzlichen Verfahrens. Insbesondere beanstandete er die Nichtaufnahme bzw Zurückweisung von ihm vorgelegter Urkunden durch das Erstgericht (auch) als nichtig iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO und erblickte eine Nichtigkeit des (schriftlich ergangenen) Ersturteils darin, dass das Urteilsdatum nicht mit jenem des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz übereinstimmte. Ferner relevierte er Begründungsmängel (§ 477 Abs 1 Z 9 ZPO). Das Berufungsgericht verneinte alle relevierten Nichtigkeiten. Eine vom Berufungsgericht
verneinte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden, weil insoweit ein gemäß § 519 ZPO unanfechtbarer Beschluss des Berufungsgerichts vorliegt (RIS-Justiz RS0042981 [T6]). Daran vermag auch die Behauptung des Rechtsmittelwerbers nichts zu ändern, dem Berufungsgericht sei dabei selbst eine Aktenwidrigkeit unterlaufen (5 Ob 174/08m [Pkt 2.];
7 Ob 138/17w [Pkt 1.]).
II. Zur Rechts- und zur Verfahrensrüge:
Der Beklagte rügt die Nichterledigung seiner Beweisrügen und die Verwerfung seiner gegen die Zurückweisung seiner Beweisanträge erhobenen Mängelrügen durch das Berufungsgericht als Mangelhaftigkeiten des Berufungsverfahrens und erhebt eine Rechtsrüge, in der er unter anderem die Beurteilung, es läge allenfalls eine Einbringung der Liegenschaft bloß quoad usum vor, anficht. Er befindet sich zumindest im Sinne seines hilfsweise erhobenen Aufhebungs- und Zurückverweisungsbegehrens im Recht. Das Berufungsgericht begründete sowohl die Verwerfung der Mängelrügen des Beklagten als auch die Nichterledigung seiner Beweisrügen unter Verweis auf seine rechtliche Beurteilung, weshalb zunächst auf diese einzugehen ist:
1. Bei einer auf titellose Benützung gegründeten Räumungsklage nach § 366 ABGB hat der Beklagte ein eigenes dingliches oder obligatorisches Recht auf Innehabung zu behaupten und beweisen (4 Ob 134/18m [Pkt 1.1.] mzwN).
Da mit der Aufnahme einer Lebensgemeinschaft allein nicht nur keine dinglichen und obligatorischen, sondern auch keine familienrechtlichen Beziehungen entstehen, kann der Lebensgefährte, der Eigentümer des Hauses ist, das die Lebensgefährten bewohnten, jederzeit, jedenfalls aber bei Aufhebung der Lebensgemeinschaft, die Räumung des Hauses verlangen. Eine Ausnahme besteht – abgesehen von Rechtsmissbrauch (Schikane) – nur dann, wenn der andere einen von der Lebensgemeinschaft unabhängigen Rechtstitel besitzt. Ein solcher kann im Zweifel nicht angenommen werden, die Beweislast trifft also auch hier den Beklagten (RS0011874).
2.1. Ein solcher Rechtstitel kann eine zwischen Lebensgefährten hinsichtlich des Hauses gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Erwerbsgesellschaft, GesbR) sein. Liegt eine solche vor, so ergibt sich aus ihr ein Rechtsgrund zur Benützung, der einem Räumungsbegehren entgegensteht (4 Ob 502/91; 1 Ob 181/13v = EF-Z 2014/115 [Linder]). Nach der ständigen Rechtsprechung zum Recht der GesbR vor dem GesbR-Reformgesetz (BGBl I 2014/83) galt dies selbst nach Auflösung der GesbR, sofern noch nicht die Beendigung der auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Rechtsgemeinschaft durch Vermögensauseinandersetzung erfolgt war (8 Ob 325/71 = MietSlg 23.037/23; 5 Ob 722/81 = MietSlg 34.279; 3 Ob 545/87 = JBl 1988, 516 [Kerschner]; 7 Ob 183/97f).
2.2. Während nach dem alten Recht das 27. Hauptstück des 2. Teils des ABGB über die GesbR kein Liquidationsstadium vorsah, sondern mit Beendigung der Gesellschaft eine automatische Umwandlung in eine schlichte Rechtsgemeinschaft iSd §§ 825 ff ABGB annahm und für die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft gemäß § 1215 ABGB aF die §§ 830 ff, 841 ff ABGB zur Anwendung kamen (Grillberger in Rummel, ABGB3 § 1215 Rz 2; Schauer/Hofmair, Die Grundzüge der GesbR-Reform – Ein Überblick über Inhalte und Neuerungen, SWK 2014, 1549 [1558 f] mwH), enthält das ABGB idF des GesbR-Reformgesetzes in den §§ 1216a ff Bestimmungen zur Liquidation. Diese Regelungen finden mit Inkrafttreten des GesbR-Reformgesetzes sofort und damit auch auf vor dem 1. 1. 2015 gegründete Gesellschaften bürgerlichen Rechts Anwendung, es sei denn, es handelt sich um „Sachverhalte“ (§ 1503 Abs 5 Z 1 Satz 2 ABGB), die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben (6 Ob 127/17w [Pkt 2]; Haglmüller, Glosse zu 6 Ob 127/17w in JBl 2018, 271 f mwH; allgemein Dehn in KBB5 § 1503 Rz 4).
Sollte zwischen den Streitteilen eine GesbR bestehen, wäre diese frühestens mit Schreiben vom 14. 6. 2017 aufgelöst worden („Sachverhalt“), sodass hier jedenfalls bereits das Liquidationsrecht der §§ 1216a ff ABGB idF des GesbR-Reformgesetzes anzuwenden wäre.
3.1. Ausgenommen vom Grundsatz, dass ein Räumungsbegehren erst nach Beendigung der auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Rechtsgemeinschaft durch Vermögensauseinandersetzung möglich ist, war nach dem alten Recht der Fall, dass die Liegenschaft zum bloßen Gebrauch in die Gesellschaft eingebracht wurde (illatio quoad usum). (Nur) Sachen, die bloß quoad usum, bloß zum Gebrauch, der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden, fielen im Auflösungsfalle an den Eigentümer zurück (7 Ob 635/86; Kerschner, JBl 1988, 517 f; Grillberger in Rummel, ABGB3 § 1215 Rz 2 mwN). Mit Eintritt der Auflösung der Gesellschaft konnte in Bezug auf bloß zum Gebrauch eingebrachte Sachen nicht einmal mehr eine einfache Rechtsgemeinschaft bestehen, die allein einen Titel zur Weiterbenützung durch einen Gesellschafter hinaus gewähren konnte (so 3 Ob 146/02w = RS0110362 [T1] unter Ablehnung von Lehrmeinungen, wonach auch bei quoad usum eingebrachten Sachen nach Auflösung der Gesellschaft keine titellose Benützung vorliege, solange die „Auseinandersetzung“ nicht beendet sei).
3.2. Das neue Recht unterscheidet sich diesbezüglich im Ergebnis nicht vom alten. § 1216c Abs 2 ABGB sieht nunmehr vor, dass den Gesellschaftern „die Gegenstände, die sie der Gesellschaft zur Benutzung überlassen haben, zurückzugeben [sind]“. Auch das neue Recht sieht damit die Rückgabe der quoad usum überlassenen Gegenstände vor (vgl Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1216c ABGB Rz 1, 19 und § 1216e Rz 3 mwH). Die Pflicht zur Rückstellung trifft die Liquidatoren (§ 1216c Abs 2 ABGB). Sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, sind die Gesellschafter selbst die Liquidatoren (§ 1216b Abs 1 Satz 1 ABGB). Im Falle einer quoad usum in eine GesbR eingebrachten Liegenschaft kann die Geltendmachung des nach wie vor – auch im Innenverhältnis – aufrechten Eigentumsrechts des einbringenden Gesellschafters mit Räumungsklage durchgesetzt werden. Es liegt gerade kein „Gesellschaftsvermögen“ vor, weshalb die Bestimmung des § 1216e Abs 3 ABGB nicht anzuwenden ist, wonach bei Streit unter den Gesellschaftern über die Verteilung des Gesellschaftsvermögens die Liquidatoren die Verteilung bis zur – zumindest in der Regel über eine Feststellungsklage (vgl Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1216e ABGB Rz 20; U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB4 § 155 Rz 27; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3 § 155 Rz 20 mwH) erfolgenden – Entscheidung des Streits auszusetzen haben.
3.3. Sowohl das alte als auch das neue GesbR-Recht sieht neben der Möglichkeit der Einbringung einer Sache „quoad usum“ vor, dass die Einbringung auch „quoad dominium“ oder „quoad sortem“ erfolgen kann (zum alten Recht: Grillberger in Rummel, ABGB3 § 1182 Rz 5; Jabornegg/Resch/Slezak in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1183 Rz 1 ff; zum neuen Recht: Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1180 ABGB Rz 1, 19 ff; Riedler in KBB5 § 1180 Rz 2). Auf welche Art eine Sache in die Gesellschaft eingebracht wurde richtet sich – nach altem sowie auch neuem Recht – nach der getroffenen Vereinbarung. Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung, ist die Absicht der Parteien unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Gesellschaftszwecks und der Übung des redlichen Verkehrs, zu ermitteln. Die Widmung kann auch durch konkludentes Verhalten der Gesellschafter vorgenommen werden
(
zum alten Recht: 3 Ob 348/97s = JBl 2000, 238 [Jabornegg]; 2 Ob 141/98v [Pkt 3.]; RS0022088 [T4]; RS0022116 [T3, T6]; Grillberger in Rummel, ABGB3 § 1182 Rz 6; zum neuen Recht: Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1180 ABGB Rz 2; Riedler in KBB5 § 1180 Rz 3; Warto in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1180 Rz 6).
4. Im vorliegenden Fall scheidet – wie bereits vom Berufungsgericht zutreffend erkannt – eine Einbringung der Liegenschaft quoad dominium, also zum gemeinschaftlichen Eigentum der Gesellschafter, von vornherein aus, weil hierfür die bücherliche Einverleibung eines Miteigentumsanteils des Beklagten an der Liegenschaft erforderlich gewesen wäre (7 Ob 313/98z; 5 Ob 297/05w; zum neuen Recht zB Warto in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1079 Rz 4, § 1180 Rz 7 mwH). Aus dem Fehlen einer grundbücherlichen Einverleibung eines Miteigentumsanteils des Beklagten kann entgegen dem Berufungsgericht aber nicht geschlossen werden, dass die Liegenschaft der Klägerin nur quoad usum in die allfällig bestehende GesbR eingebracht wurde, weil ebenso eine Einbringung der Liegenschaft quoad sortem denkbar wäre. Bei der Einbringung einer körperlichen Sache quoad sortem (dem Wert nach) in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bleibt der Eigentümer zwar sachenrechtlich verfügungsberechtigt, im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern soll die Sache aber wie Eigentum der Gesellschafter behandelt werden (RS0022088; Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1180 ABGB Rz 21). Haben Lebensgefährten zur Schaffung eines Hauses eine GesbR gegründet, wäre nach der Entscheidung 7 Ob 313/98z bei Einbringung der Liegenschaft des einen und Bereitschaft des anderen, die im Zusammenhang mit dem Liegenschaftserwerb stehenden Schulden abzutragen und Mühe und Geld in den Ausbau der auf der Liegenschaft vorhandenen Baulichkeit ohne Absicherung der Rückerstattung zu investieren, sogar davon auszugehen, dass eine Einbringung der Liegenschaft quoad sortem beabsichtigt war. Ein quoad sortem in eine GesbR eingebrachter Vermögensgegenstand fällt in die Liquidationsmasse (Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1216c ABGB Rz 19). Das nach Berücksichtigung der Schulden verbleibende Gesellschaftsvermögen ist gemäß § 1216e Abs 1 ABGB nach dem Verhältnis der Beteiligung der Gesellschafter unter Berücksichtigung ihrer Guthaben und Verbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis unter die Gesellschafter zu verteilen. Damit hat der Gesellschafter, der eine Liegenschaft quoad sortem in eine GesbR eingebracht hat, sofern gesellschaftsvertraglich nichts anderes bestimmt ist, keinen unmittelbaren Anspruch auf ihre Rückgabe (vgl Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1216e ABGB Rz 5 f; Warto in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1216e Rz 7). Die besondere Bestimmung des § 1216e ABGB verdrängt als lex specialis den allgemeinen, letztlich auf § 366 ABGB fußenden Räumungsanspruch. Bei Vorliegen einer GesbR und Einbringung der Liegenschaft der Klägerin quoad sortem in diese wäre damit die Klage – sofern nichts Besonderes vereinbart wurde – mangels Liquidation der GesbR iSd § 1216e ABGB abzuweisen.
5. Nicht nur zur Beantwortung der Frage, ob die Streitteile eine GesbR konkludent gründeten, sondern auch zur Beantwortung der Frage, ob die Liegenschaft in die allenfalls gegründete GesbR nur quoad usum, also nicht quoad sortem eingebracht wurde, ist die Behandlung der zahlreichen Tatsachenrügen des Beklagten in dessen Berufung erforderlich. Den Verfahrensrügen wurde ausgehend von einer unrichtigen materiell-rechtlichen Beurteilung vom Berufungsgericht die Relevanz aberkannt und sie aus diesem Grunde verworfen, sodass die angefochtene Entscheidung auch insofern keinen Bestand haben kann (
vgl RS0043051; A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 503 Rz 10). Weitere rechtliche Ausführungen – auch zum Schikaneeinwand des Beklagten – haben an dieser Stelle zu unterbleiben, weil noch völlig unklar ist, von welchem Sachverhalt diese auszugehen hätten; der Oberste Gerichtshof ist keine Tatsacheninstanz.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten aufzutragen.
6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Textnummer
E125860European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00049.19T.0724.000Im RIS seit
22.08.2019Zuletzt aktualisiert am
19.06.2020