TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/11 W153 2218545-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W153 2218545-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. VR China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.04.2019, Zl. 1149669810-190089836, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der VR China, reiste legal mit seinem Reisepass mit einem Visum der Kategorie C mit der Gültigkeitsdauer vom 23.12.2018 bis 20.01.2019, ausgestellt von der Österreichischen Botschaft Peking, über den Luftweg am 23.12.2018 nach Österreich ein. Am 03.01.2019 stellte der BF in Norwegen einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF wurde am 25.01.2019 von Norwegen nach Österreich überstellt.

In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.01.2019 gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass seine Frau von der kommunistischen Partei umgebracht worden sei. Er sei von seiner Arbeitsstelle entlassen worden, da er gegen einen korrupten Arzt Beweise in der Form von Fotos in der Hand gehabt habe. Wegen dieser Sache seien seine Frau und er festgenommen und inhaftiert worden. Seine Frau habe die Folterungen nicht überlebt. Diese Vorfälle hätten sich vor zehn Jahren ereignet. In den letzten zehn Jahren habe der BF versucht die Vorfälle publik zu machen, doch sei er geschlagen worden. Es sei ihm in dieser Zeit auch nicht möglich gewesen Arbeit zu finden. Im November 2018 seien seine Antiquitäten und sein Haus durch die Partei beschlagnahmt worden. Aus diesem Grund sei er ausgereist und wolle er die Gräueltaten von damals durch die UNO veröffentlichen. Bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat befürchte er, von der kommunistischen Partei getötet zu werden.

Im Rahmen seiner Einvernahme am 28.03.2019 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wiederholte der BF im Wesentlichen sein Vorbringen und führte dies näher aus. Hierbei legte er Fotos sowie ein Negativ vor, auf welchen die Gräueltaten seines Vorgesetzten zu sehen seien.

Mit Bescheid des BFA vom 16.04.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß §§ 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde festgelegt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gegen diese Entscheidung erhob der BF am 03.05.2019 Beschwerde und wiederholte im Wesentlichen sein Vorbringen. Korruption sei im Herkunftsstaat des BF auf allen Ebenen weit verbreitet. Die Strafverfolgung sei sehr selektiv und undurchsichtig. Dadurch dass der BF die korrupten Geschäfte seines damaligen Vorgesetzten zur Anzeige gebracht habe, habe er sich kriminellen Organen, denen sich der Staat bedient, widersetzt. Da ein solches kriminelles Verhalten aber vom Staat selbst ausgehe, lasse sich der vorliegende Fall nicht mehr schlichtweg auf Kriminalitätsbekämpfung reduzieren, sondern bekomme auch eine politische Komponente.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der VR China und gehört der Volksgruppe der Han an. Er reiste am 23.12.2018 mit einem Visum der Kategorie C, ausgestellt von der Österreichischen Botschaft Peking, mit einer Gültigkeitsdauer von 23.12.2018-20.01.2019, nach Österreich. Über Ungarn gelangte er mit dem Flugzeug nach Norwegen, wo er am 03.01.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Am 25.01.2019 wurde er von Norwegen nach Österreich überstellt.

Der BF weist Schengen-Vorvisa, alle ausgestellt durch die Österreichische Botschaft Peking, mit folgenden Gültigkeitsdaten auf: 09.05.2017-31.05.2017, 01.10.2017-22.10.2017 und 22.02.2018-15.03.2018.

Der BF besitzt einen chinesischen Reisepass und ist ohne Probleme aus China ausgereist. Der BF hat in seinem Herkunftsstaat eine mehrjährige Schulbildung genossen. Er ist arbeitsfähig und konnte sich vor seiner Ausreise sein Leben durch Erwerbstätigkeit finanzieren. Vor der Ausreise lebte der BF allein in der Provinz Fujian, XXXX . Er war dort von Dezember 1988 bis Dezember 2018 durchgehend an derselben Adresse gemeldet. Im Herkunftsland lebt noch sein volljähriger Sohn, zu diesem hat der BF weiterhin regelmäßigen Kontakt.

Der BF konnte eine asylrelevante Verfolgung durch die Regierung und durch Privatpersonen im Zuge einer vor zehn Jahren stattgefundenen Entführung nicht glaubhaft machen.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach China Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Zum Entscheidungszeitpunkt kann auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des BF im Herkunftsstaat festgestellt werden.

Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat droht dem BF kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge EMRK), oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention. Es ist ihm zumutbar in China zu leben.

Es kann keine wie immer geartete existentielle Gefährdung des BF im Fall seiner Rückkehr in die Heimat festgestellt werden. Der BF hat Berufserfahrung im Heimatstaat und ist arbeitsfähig, sodass er im Herkunftsstaat zumindest durch einfache Arbeit das nötige Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen. Zudem verfügt der BF in China noch über ein familiäres Netzwerk.

Der BF leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Er ist in Österreich weder in ärztlicher Behandlung, noch nimmt er Medikamente.

Besondere familiäre oder private Bindungen des BF bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht. Der BF spricht nicht Deutsch, er bezieht Grundversorgung und ist strafrechtlich unbescholten.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Zur Situation im Herkunftsstaat werden auszugsweise die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen aus dem BFA-Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur VR China zitiert:

Rechtsschutz/Justizwesen:

Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei (KP) auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert (AA 4.2017a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.12.2016). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2016). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sog. "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen diejenigen, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 1.2017a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, dh. der Partei, keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2016).

Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2016).

Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahmen seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es - vor allem auf unterer Gerichtsebene - noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2016).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.12.2016).

Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des ZK im November 2013 offiziell am 28.12.2013 abgeschafft. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als schwarze Gefängnisse weiter genutzt werden (AA 15.12.2016).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt den "Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft sitzenden Personen innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Zudem besteht diese Informationspflicht nicht, wenn durch diese Information die Ermittlungen behindert würden - in diesen Fällen müssen Angehörige erst nach 37 Tagen informiert werden. Was eine "Behinderung der Ermittlung" bedeutet, liegt im Ermessen der Polizei, es gibt kein Rechtsmittel dagegen. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befindet, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein. Der Aufenthaltsort kann auch außerhalb offizieller Einrichtungen liegen. Diese Möglichkeit wurde mit der Strafprozessnovelle 2012 eingeführt und von Rechtsexperten wie dem Rapporteur der UN-Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances wegen des inhärenten Folterrisikos als völkerrechtswidrig kritisiert (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Die Staatsorgane griffen verstärkt auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück - eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Außenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis dient dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern - einschließlich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften - zu unterbinden (ÖB 11.2016; vgl. AA 15.12.2016, AI 22.2.2017).

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "black jails" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 15.12.2016).

Das 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert v.a. die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und der Verteidigung im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.12.2016). Der Schutz jugendlicher Straftäter wurde erhöht (ÖB 11.2014).

2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 1.2015a).

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.12.2016). Die Regierung hat weitere Gesetze zur nationalen Sicherheit ausgearbeitet und verabschieden lassen, die eine ernste Gefahr für den Schutz der Menschenrechte darstellen. Das massive landesweite Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und politisch engagierte Bürger hielt das ganze Jahr über an (AI 22.2.2017). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 15.12.2016).

Auch 2016 setzten sich die Übergriffe der Behörden auf Menschenrechtsanwälte das ganze Jahr hindurch mit Verhaftungen und strafrechtlichen Verfolgungen fort (FH 1.2017a). Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Mangelhafte nationale Gesetze und systemische Probleme im Strafrechtssystem hatten weitverbreitete Folter und anderweitige Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren zur Folge (AI 22.2.2017).

Seit der offiziellen Abschaffung der administrativen "Umerziehung durch Arbeit" im Jänner 2014 werden Menschenrechtsaktivisten vermehrt auf Basis der Strafrechtstatbestände der Unruhestiftung oder des Separatismus verurteilt und somit in Strafhaft gesperrt, wobei aufgrund der vagen Tatbestände ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht kreiert werden kann (ÖB 11.2016). Häufig wurden Anklagen wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung", "Untergrabung der Staatsmacht", "Anstiftung zum Separatismus" "Anstiftung zu Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen", sowie "Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen an das Ausland" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen verhängt (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Allein in Peking versammeln sich täglich Hunderte von Petenten vor den Toren des staatlichen Petitionsamts, um ihre Beschwerde vorzutragen. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Mio. Eingaben eingereicht. Petenten aus den verschiedenen Provinzen werden häufig von Schlägertrupps im Auftrag der Provinzregierungen aufgespürt und in ihre Heimatregionen zurückgebracht. Zwischen Februar und April 2014 wurden verschiedene Reformen des Petitionssystems verabschiedet, die eine schnellere Bearbeitung und Umstellung auf mehr Online-Plattformen beinhaltet. Das 4. Plenum des Zentralkomitees der KP hat im Oktober 2014 weitere Schritte zur Regelung des Petitionswesens getroffen, deren Umsetzung aber noch aussteht. Diese Reformen werden von Beobachtern dafür kritisiert, dass sie die Effektivität der Bearbeitung der Petitionen kaum steigern, sondern vor allem dazu dienen, Petitionäre von den Straßen Pekings fernzuhalten (AA 15.12.2016).

...

Sicherheitsbehörden:

Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit, und die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Die BVP ist in 45 Divisionen unterteilt, bestehend aus Innensicherheitspolizei, Grenzüberwachung, Regierungs- und Botschaftsbewachung, sowie Funk- und Kommunikationsspezialisten. Ein wesentlicher Anteil der in den letzten Jahren vorgenommenen Truppenreduktionen in der Volksbefreiungsarmee war in Wahrheit eine Umschichtung von den Linientruppen zur BVP. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen Zivilisten vor. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit beaufsichtigt alle innerstaatlichen Aktivitäten der zivilen Sicherheitsbehörden (außer derjenigen, die in die Zuständigkeit des Staatssicherheitsministeriums fallen), sowie die BVP. Konkret umfassen seine Aufgaben innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Zuständigkeit für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen. Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger "Blockwarte" die Bewegungen der Bewohner einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 11.2016).

Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.4.2017).

Zivile Behörden behalten die Kontrolle über Militär- und Sicherheitskräfte bei (USDOS 3.3.2017). Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes (AA 15.12.2016). Nach dem Gesetz zur Landesverteidigung von 1997 sind die Streitkräfte nicht dem Staatsrat, sondern der Partei unterstellt (AA 4.2017a).

Für die innere Sicherheit sind zuständig sind (1) Polizei und Staatsanwaltschaften, die Rechtsverstöße des Normalbürgers verfolgen; (2) Disziplinar-Kontrollkommission der KPCh, die gegen Verstöße von KP-Mitgliedern einschreitet; (3) Einheiten des Ministeriums für Verwaltungskontrolle, die für Pflichtverletzungen im Amt zuständig sind; (4) Staatsschutz (Guobao) für die Beobachtung und Verfolgung politischer bzw. als potentiell staatsgefährdend wahrgenommener Aktivitäten von Bürgern und Ausländern (AA 15.12.2016).

Für den Bereich der Gefahrenabwehr ist primär das dem Staatsrat unterstehende Ministerium für Öffentliche Sicherheit mit seinen Polizeikräften verantwortlich, das daneben auch noch für Strafverfolgung zuständig ist und in Teilbereichen mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitet. Aufgaben der Polizei sind sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Strafverfolgung, bei der ihr u. a. die Anordnung von Administrativhaft als Zwangsmaßnahme zur Verfügung steht. Im Bereich der Strafverfolgung ist sie für die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren originär zuständig. Bei Delikten, die von Polizisten aufgrund ihrer Amtsstellung begangen werden, ermittelt die Staatsanwaltschaft selbst, während sie sonst primär die Tätigkeit der polizeilichen Ermittlungsorgane beaufsichtigt und auf Grundlage deren Empfehlung über die Erhebung der Anklage entscheidet (AA 15.12.2016).

Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist u.a. zuständig für die Auslandsaufklärung sowie für die Überwachung von Auslandschinesen und von Organisationen oder Gruppierungen, welche die Sicherheit der VR China beeinträchtigen könnten. Es überwacht die Opposition im eigenen Land, betreibt aber auch Spionageabwehr und beobachtet hierbei vielfach auch die Kontakte zwischen ausländischen Journalisten und chinesischen Bürgern. Darüber hinaus verfügen auch die Streitkräfte über einen eigenen, sorgfältig durchstrukturierten Nachrichtendienst, die 2. Hauptverwaltung im Generalstab. Zudem sind viele Arbeitseinheiten parallel mit der Beschaffung von Informationen bzw. mit Überwachungsaufgaben von in- und ausländischen Bürgern befasst. Vor allem das Internationale Verbindungsbüro unter der politischen 1. Hauptverwaltung des Generalstabs ist zuständig für Informationen aus dem Ausland, für die Entsendung von Agenten in Auslandseinsätze, meist unter diplomatischer "Tarnung", und für die Überwachung des eigenen diplomatischen Personals. Zahlreiche "Think tanks" sind für die Beschaffung von Auslandsinformationen zuständig (AA 15.12.2016).

...

Korruption:

Korruption ist auf allen Ebenen weit verbreitet. Die Beamtenschaft der öffentlichen Sicherheit und der städtischen Verwaltung sind an Erpressungen, außergerichtlichen Inhaftierungen, und Übergriffen beteiligt. In vielen Fällen auch in stark von der Regierung regulierten Bereichen wie Landnutzung, Immobilien, Bergbau und Entwicklung der Infrastruktur - die anfällig für Betrug, Bestechung und Schmiergeld sind. Trotz der Bemühungen der Regierung die Korruption zu bekämpfen, bleibt diese bestehen. Die Strafverfolgung ist sehr selektiv und undurchsichtig, sodass persönliche Netzwerke und interne Machtkämpfe innerhalb der Kommunistischen Partei (KP) die Ausgänge der Verfahren beeinflussen (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017).

Seit der Übernahme der Führung der KP im Jahre 2012, verfolgte Xi Jinping eine der umfangreichsten Kampagnen zur Korruptionsbekämpfung. Gegen Parteifunktionäre und Beamte der Partei einschließlich des Sicherheits-Apparates, des Militärs, des Außenministeriums, staatlicher Unternehmen und staatlicher Medien wurden bis Ende 2016 Untersuchungen eingeleitet und Strafen verhängt (FH 1.2017a). Während des gesamten Jahres 2014 setzte der Präsident die mit großem Aufwand betriebene Kampagne zur Korruptionsbekämpfung fort, die sowohl niedere als auch ranghohe Staatsbedienstete ins Visier nahm (AI 22.2.2017).

Im Jahr 2013 langten bei der Zentralen Kommission für Disziplinaruntersuchungen 1,95 Millionen Korruptionsvorwürfe ein,

172.532 Fälle wurden untersucht und 182.038 Disziplinarverfahren verhängt (USDOS 25.6.2015). Diese Zahlen sind im Jahr 2015 auf 2,8 Millionen eingebrachte Korruptionsvorwürfe, 330.000 untersuchte Fälle und 336.000 Disziplinierungsmaßnahmen gestiegen (USDOS 3.3.2017).

Die Regierung ist bestrebt, durch den Abschluss von Rechtshilfe- und Auslieferungsabkommen in Strafsachen die Verfolgung von Tatverdächtigen im Ausland zu erleichtern. Dabei geht es der chinesischen Regierung vor allem darum, ihre Korruptionsbekämpfung im Rahmen der Aktionen "Fuchsjagd" und "Himmelsnetz" auf das Ausland auszuweiten (AA 15.12.2016).

...

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)

...

Allgemeine Menschenrechtslage

Die VR China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von UN-Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an und hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zwar 1998 gezeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert (AA 4.2017a).

Die Menschenrechtslage in China bietet weiterhin ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der Kommunistischen Partei (KP) oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie z. B. regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc.). Seit dem Führungswechsel im März 2013 ist ein noch einmal verstärkt repressives Vorgehen der chinesischen Behörden gegenüber Kritikern der Regierung oder der Partei zu beobachten. Einschüchterungsmaßnahmen umfassen u.a. Hausarrest, willkürliche Haft in sog. schwarzen Gefängnissen ("black jails" bzw. "legal education center"), Folter, Berufsverbote und Druck auf Familienangehörige; in einigen Fällen wurden lange Haftstrafen verhängt. Personen, die in Opposition zu Regierung und herrschender Ideologie stehen, setzen sich unmittelbar der Gefahr von Repression durch staatliche Stellen aus, wenn sie aus Sicht der Regierung die KP, die Einheit des Staates oder das internationale Ansehen Chinas gefährden. Die Schwelle ist immer dann erreicht, wenn die chinesischen Sicherheitsbehörden annehmen, dass ein - noch so loses - Netzwerk gebildet werden könnte. Aus Sicht der Regierung geht von separatistischen Bestrebungen und Untergrundaktivitäten innerhalb Chinas die größte Gefahr aus (AA 15.12.2016).

Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil), Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren (z.B. Unschuldsvermutung), sehr häufige Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich (AA 4.2017a).

Grundlegende Rechte, wie Rede- und Versammlungsfreiheit, sowie Reisefreiheit werden den Bewohner der autonomen Region Tibet (TAR) und anderen tibetischen Gebieten, sowie den Uiguren in der autonomen Region Xinjiang (XUAR) weiter verweigert (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

Besonders außerhalb der Großstädte werden häufig Fälle gemeldet, in denen von Behörden beauftragte Kräfte, gegen unliebsame Personen vorgehen. Zumeist handelt es sich um Demonstranten bei Fällen mit wirtschaftlichem Hintergrund (illegale Landnahme, Korruption etc.). Auch Journalisten sind von solchen Fällen betroffen, zum Teil werden offen Kopfgelder ausgesetzt, ohne dass dies rechtliche Konsequenz hat (AA 15.12.2016).

Petenten, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten, oder illegal in sog. "Black Jails", psychiatrischen Institutionen und anderen Orten inhaftiert, wo sie der Gefahr von Gewalt, psychischem Missbrauch oder sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um Unliebsame aus dem Verkehr zu ziehen (AA 15.12.2016; vgl. FH 1.2017a).

...

Grundversorgung und Wirtschaft

China ist seit 2010 die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA, seit 2014 nach Kaufkraft sogar die größte. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt China im Jahr 2016 mit rund

8.261 USD auf Platz 75 im weltweiten Vergleich. Zudem hält China die weltweit höchsten Devisenreserven. Innerhalb des Landes gibt es enorme regionale und soziale Unterschiede (AA 4.2017b). Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit (AA. 4.2017a).

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln bzw. Gegenständen des täglichen Bedarfs ist trotz starker Disparitäten zwischen Stadt und Land bzw. Ost und West grundsätzlich gegeben. In den letzten Jahren kam es zu einem rasanten Anstieg der Immobilien- und Nahrungsmittelpreise. Viele Städte in China gehören heute im Vergleich zum Einkommen zu den teuersten Immobilienmärkten der Welt (ÖB 11.2016). Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt im Allgemeinen kontinuierlich an, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit (AA 15.12.2016).

Eine andauernde Gefährdung für den sozialen Frieden in der chinesischen Gesellschaft stellt die rasche Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und die daraus resultierende Wohlstandsverteilung dar. Besonders gravierend zeigen sich die Unterschiede im Vergleich von (vergleichsweise wohlhabender) Stadt- und (vergleichsweise armer) Landbevölkerung, regulärer Arbeit und Wanderarbeit sowie jüngerer und älterer Menschen. Nur minimal hat sich der Gini-Koeffizient - der Maßstab für die Einkommensungleichverteilung verbessert. Er ist von seinem Höchststand 2008 von 0,49 langsam aber beständig auf 0,462 in 2015 gesunken - allerdings im Jahr 2016 wieder geringfügig auf 0,465 angestiegen. Damit liegt China nach wie vor deutlich über der Grenze, die nach der Definition der Vereinten Nationen eine extreme Ungleichheit anzeigt (0,4). Noch leben mehr als 45 Prozent aller Chinesen auf dem Land, wo die grundlegenden sozialen Sicherungs- und Geldleistungen (Rente, Krankheit, Arbeitslosigkeit) wie auch erweiterte wohlfahrtspolitische Leistungen und Institutionen (Bildung, Wohnung) deutlich schlechter entwickelt sind als in den Städten (AA 4.2017b).

2016 war das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen pro Kopf und Jahr in der Stadt mit 33.616 RMB (ca. 5.060 USD) 2,72-mal so hoch wie in ländlichen Gebieten mit 12.363 RMB (ca. 1.861 USD). Dabei wuchs das Einkommen der Landbevölkerung mit 8,2 Prozent etwas stärker als das der Stadtbewohner mit 7,8 Prozent (AA 4.2017b).

Laut offiziellen Angaben sind 4,1 Prozent der Chinesen mit Haushaltsregistrierung arbeitslos gemeldet. Darin nicht erfasst sind die mittlerweile ca. 275 Mio. "Wanderarbeiter", von denen ca. 168 Mio. außerhalb ihrer Heimatprovinz einer Beschäftigung nachgehen. Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren (AA 15.12.2016).

Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung ("Hukou-System") gekoppelt, befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 11.2016).

Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Um die Finanzierbarkeit der Pensionen zu gewährleisten, plant China eine Senkung der mit 10 Prozent sehr hohen jährlichen Anpassung der Rentenhöhe und die Erhöhung des Pensionsalters (derzeit generell Männer mit 60 Jahren, Frauen mit 55 Jahren, tatsächliches durchschnittliches Renteneintrittsalter 53 Jahre) (ÖB 11.2016). Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung (AA 4.2017b).

Chinas Basis-Krankenversicherung besteht aus einem Basis-Rentenplan für städtische Arbeiter und einem Plan für ländliche Arbeiter (Basic Pension Plan for Urban Employees and a Rural Pension Plan). Der Basis Pension Plan für Arbeiter im urbanen Umfeld deckt alle Arbeitnehmer ab. Für den Rural Pension Plan gilt: Nur wenige Regionen mit den finanziellen Kapazitäten haben einen solchen Rentenplan erlassen (IOM 8.2016).

Das chinesische Sozialsystem trifft hauptsächlich Senioren (Personen über 60 Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können), Kinder (Waisen ohne Verwandtschaft, ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologische Eltern nicht auffindbar sind, profitieren von staatlicher Beihilfe, sowie Erziehung und Pflege von offiziellen Institutionen) und Minderheiten (durch die Provinzen und Städte Chinas wurden unterschiedliche Systeme zur Behandlung von Minderheiten entwickelt) (IOM 8.2016).

Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums ("di bao") ähnelt der Sozialhilfe. Derzeit ist eine lokale Wohnmeldung ("Hukou-System") vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des "di bao" wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR). Ende 2014 gab es in den Städten lediglich 18,8 Mio. und in ländlichen Gebieten nur 52,1 Mio. Bezugsberechtigte (ÖB 11.2016).

Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen "Hukou" (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz solle in den kommenden 5 Jahren auf 45 Prozent steigen. Entsprechende Durchführungsverordnungen wurden bisher nicht erlassen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 277 Mio. Wanderarbeiter (ÖB 11.2016).

...

Rückkehr

Soweit Rückführungen aus Deutschland erfolgen, konnten die zurückgeführten Personen die Passkontrolle nach einer Identitätsüberprüfung unbehindert passieren und den Flughafen problemlos verlassen bzw. ihre Weiterreise in China antreten. Vereinzelte Nachverfolgungen von Rückführungen durch die Deutsche Botschaft Peking ergaben keinen Hinweis darauf, dass abgelehnte Personen allein deshalb politisch oder strafrechtlich verfolgt werden, weil sie im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden. Es handelt sich aber um ein eher geringfügiges Vergehen, das - ohne Vorliegen eines davon unabhängigen besonderen Interesses - keine politisch begründeten, unmenschlichen Repressalien auslöst. Nach Art. 322 StG droht bei Vorliegen schwerwiegender Tatumstände Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, Gewahrsam oder Überwachung und zusätzlich eine Geldstrafe. Nach bisherigen Erkenntnissen wird das Vergehen in der Praxis aber nur gelegentlich und dann mit Geldbuße geahndet (AA 15.12.2016).

Besondere Aufmerksamkeit widmet die chinesische Führung führenden Mitgliedern der Studentenbewegung von 1989, soweit sie noch im Ausland aktiv sind. Dies gilt auch für bekannte Persönlichkeiten, die eine ernst zu nehmende Medienresonanz im westlichen Ausland hervorrufen. Eine Überwachung oder sogar Gerichtsverfahren gegen diese Personen sind bei Rückkehr in die VR China nicht auszuschließen. 2016 kam es in zwei Fällen auch zu Verhaftungen von in China lebenden Familienangehörigen, um im Ausland lebende chinesische Dissidenten unter Druck zu setzen.

Aktivitäten der uigurischen Exilorganisationen stehen unter besonderer Beobachtung der chinesischen Behörden (einschließlich der Auslandvertretungen), insbesondere:

* der Weltverband der Uiguren,

* die Ostturkistanische Union in Europa e.V.,

* der Ostturkistanische (Uigurische) Nationalkongress e.V. und

* das Komitee der Allianz zwischen den Völkern Tibets, der Inneren Mongolei und Ostturkistans (AA 15.12.2016).

Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden (ÖB 11.2016).

Mitglieder uigurischer Exilorganisationen haben bei ihrer Rückkehr nach China mit Repressionen zu rechnen (AA 15.12.2016). In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, zumeist aus Kambodscha, Thailand, Pakistan und Malaysia. Im Juli 2012 wurden aus Malaysia abgeschobene Uiguren zu bis zu 15 Jahren Haft wegen "separatistischer Tätigkeiten" verurteilt (ÖB 11.2016).

Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 11.2016).

...

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF ergeben sich aus den Angaben des BF und den Ermittlungen der Behörde.

Die Feststellung bezüglich der zahlreichen Ausreisen des BF aus dem Heimatstaat beruht auf Erhebungen aus dem Visa-Informationssystem und den Angaben des BF.

Die Feststellung zur Asylantragstellung in Norwegen sowie Rückübernahme und Überstellung nach Österreich ergibt sich aus dem Akt und den Angaben des BF.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Das BFA hat zum Vorbringen des BF in der Beweiswürdigung Folgendes richtig ausgeführt:

"...

Im Zuge Ihrer Einvernahme anlässlich der Asylantragstellung haben Sie bzgl. der Daten zur eigenen Person Ihre letzte Wohnanschrift im Heimatland mit "Provinz Fujian, XXXX " bekannt gegeben.

Bei eigener Darstellung der Fluchtgründe gaben Sie an, Ihr Haus samt Antiquitäten wären im November 2018 durch die Partei beschlagnahmt worden und wäre dieser Vorfall für Sie ausreiserelevant gewesen. Weiters führten Sie aus, von Ihrer Arbeitsstelle, einem Krankenhaus, entlassen worden zu sein, da Sie gegen einen korrupten Arzt, der mehrere Patienten getötet hätte, Fotobeweise gehabt hätten und deshalb auch gemeinsam mit Ihrer Gattin festgenommen und inhaftiert worden wären.

Hinsichtlich Ihrer beruflichen Tätigkeiten gaben Sie als letzten ausgeübten Beruf "Angestellter in einem Krankenhaus" bekannt und behaupteten im Zuge der Einvernahme, dass die Geschehnisse bereits 10 Jahre zurück liegen und Sie in dieser Zeit keine Arbeit mehr gefunden hätten.

Im krassen Widerspruch zur behaupteten Auflösung Ihres Arbeitsverhältnisses im Jahre 2005, nämlich der Entlassung aus der Krankenanstalt infolge Ihrer Festnahme und Inhaftierung, gaben Sie jedoch in der Einvernahme beim BFA vom 29.03.2019 bekannt, dass es sich bei der von Ihnen genannten Wohnanschrift "Provinz Fujian, XXXX " um eine Dienstwohnung gehandelt hätte und wären Sie bis zum Zeitpunkt der Ausreise auch dort offiziell gemeldet gewesen. Darüber hinaus ist diese Anschrift auch auf Ihren in Vorlage gebrachten Original-Personalausweis behördlich vermerkt!

Weltweit kann davon ausgegangen werden, dass eine Dienstwohnung im Falle der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, noch dazu, wenn dieses - wie von Ihnen behauptet - aufgrund einer Entlassung infolge Festnahme und Inhaftierung erfolgt, dem ehemaligen Arbeitnehmer nicht noch jahrelang zur Verfügung steht!

Weil Sie Ihre berufliche Tätigkeit in einer Krankenanstalt für Geisteskranke in den Einvernahmen bei der PI Schwechat und beim Bundesamt in den Mittelpunkt Ihres Vorbringens gerückt und dabei behauptet haben, während Ihrer Tätigkeit Jahr 2005 bzw. in den Jahren davor (vor 15 Jahren!) Fotos von Gräueltaten eines Vorgesetzten gemacht und dessen Verbrechen bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht zu haben und in der Folge entlassen sowie gemeinsam mit Ihrer Gattin zweimal festgenommen worden und monatelang inhaftiert gewesen zu sein und Sie im krassen Widerspruch dazu jedoch nach wie vor offiziell an der Anschrift der Dienstwohnung Ihres "ehemaligen" Arbeitgebers gemeldet sind und eigenen Angaben zufolge dort auch wohnhaft gewesen wären, ist davon auszugehen, dass Ihr Vorbringen rund um Ihre Fluchtgründe nicht der Realität entspricht.

...

Personen, welche tatsächlich ungerechtfertigt seitens heimatstaatlicher Behörden zweimal (!) festgenommen und monatesowie jahrelang inhaftiert werden und welche darüber hinaus auch noch gemeinsam mit der Gattin in Haft genommen werden, wobei diese sogar an den Folgen der in der Haft erlittenen Misshandlungen stirbt, verbleiben nicht noch jahrelang (!) im Heimatland (noch dazu an derselben Anschrift!)!

Auf Vorhalt Ihres widersprüchlichen, nicht glaubhaften und nicht nachvollziehbaren Vorbringens sowie der als Beweismittel in Vorlage gebrachten Fotos gaben Sie wie nachstehend auszugsweise angeführt an:

Vorhalt

Die von Ihnen in Vorlage gebrachten Fotos beweisen nicht, dass Sie persönlich diese Erfahrungen und die entsprechenden Fotos gemacht haben. Bei dem in Vorlage gebrachten Foto auf welchem eine Frau scheinbar angekettet zu sehen ist und wo Sie auch ein Negativ vorlegen, kann nicht festgestellt werden um welche Person es sich dabei handelt, wo und unter welchen Umständen das Foto gemacht wurde bzw. wie Sie im Besitz des Fotos und des Negativs gelangten.

Sie bringen Fotos in Vorlage, welche angeblich von Ihnen miterlebte Gräueltaten Ihres Vorgesetzten zeigen und weswegen Sie angeblich mehrmals festgenommen und festgehalten wurden und Sie zuletzt Ihre Wohnung und Vermögen verloren haben. Ihren Angaben zufolge sind Sie im Besitz der Fotos seit 2005. Sie waren bereits viermal außerhalb Chinas und auch in Österreich und hätten Sie genügend Gelegenheit gehabt die Fotos und Ihre Gefährdung/Verfolgung in der VR China bekannt zu geben und einen Asylantrag zu stellen. Das haben Sie nicht gemacht, sondern sind Sie immer wieder ins Heimatland zurückgekehrt. Hätten Sie tatsächlich Probleme mit heimatstaatlichen Behörden aufgrund der behaupteten Geschehnisse gehabt, wäre Ihnen die mehrmalige problemlose Ein- und Ausreise aus der VR China nicht möglich gewesen. Probleme im Zuge der erfolgten Auslandsreisen haben Sie keine behauptet!

A: Da haben Sie Recht. Ich wurde damals nicht von der Sicherheitsbehörde festgenommen, deshalb war es mir möglich immer wieder nach VR China zurück zu reisen. Es war nicht die Sicherheitsbehörde. Wenn mich damals die Sicherheitsbehörde festgenommen hätte, wäre es mir auch nicht möglich gewesen Europa zu betreten, es war die Verwaltungsbehörde.

Vorhalt

Wären Sie tatsächlich aufgrund der von Ihnen angegebenen Geschehnisse im Heimatland verfolgt bzw. bedroht und/oder festgenommen worden, hätten Sie unmittelbar im Zuge der ersten Ausreise aus VR China im Jahr im Mai 2017 einen Asylantrag gestellt und wären nicht wieder nach VR China zurückgekehrt. Tatsächlich Verfolgte hätten dies getan. Sie nicht! Was sagen Sie dazu?

A: Ich habe mich nicht ausgekannt.

Ihre Rechtfertigung zielt ins Leere! Konkret befragt, weshalb Sie in Norwegen und nicht bereits im Zuge Ihrer (legalen!) Einreise nach Österreich einen Asylantrag gestellt haben, gaben Sie wie nachstehend auszugsweise angeführt an:

"LA: Sie gaben an, direkt nach Österreich geflogen zu sein. Weshalb haben Sie sich nach Norwegen begeben und haben dort einen Asylantrag gestellt und nicht bereits in Österreich.

A: Weil ich von einem Anwalt in China gehört habe, dass es in Norwegen besser ist.

LA: Was ist in Norwegen besser? Wie kann man das verstehen?

A: In Norwegen ist Asyl etwas lockerer, nachgefragt gemeint es ist leichter dort Asyl zu bekommen."

Die erkennende Behörde geht davon aus, dass Sie gegenständlichen Asylantrag ausschließlich deshalb gestellt haben um auf diesem Weg etwaige fremdenpolizeiliche Maßnahmen verhindern zu können.

Tatsächlich Verfolgte, welche aus Furcht vor Verfolgung Ihr Heimatland verlassen, stellen bereits nach Ankunft im ersten sicheren Land einen Asylantrag um Schutz vor Verfolgung zu finden und wählen nicht aus anderen Motiven, nämlich der "leichteren und besseren" Asylgewährung, entsprechend Staaten für die Asylantragstellung aus!

Der Vollständigkeit halber wird erwähnt, dass Sie hinsichtlich Ihrer tatsächlichen Lebensumstände (Vermögensverhältnisse) in der VR China massiv widersprüchliche Angaben tätigten.

Entgegen Ihren zuvor getätigten Behauptungen, wonach es Ihnen in den letzten 10 Jahren nicht möglich gewesen wäre eine Arbeit zu finden, gaben Sie beim BFA wiederum an, dass Sie nach erfolgter Entlassung bis zu Ihrer Ausreise aus der VR China Ladetätigkeiten durchgeführt hätten und als Bauarbeiter und einen Monat lang als Security tätig gewesen wären.

Im völligen Widerspruch zu Ihren behaupteten Beschäftigungsverhältnissen der letzten 10 Jahre und daraus in logischer Konsequenz resultierenden Vermögensverhältnissen, waren Sie jedoch in einer nicht nachvollziehbaren Art und Weise offensichtlich seit Ihrer Passausstellung im Jahre 2016 in der Lage die nicht unbeträchtlichen finanziellen Mittel für eine Vielzahl an Auslandsreisen aufzubringen. (auf die im Akt inl. Kopie Ihres Reisepasses samt Visa und Ein- Ausreisestempeln wird verwiesen).

Aufgrund Ihrer widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben hinsichtlich der Flucht auslösenden Ereignisse sowie Ihrer Lebensumstände konnte nicht festgestellt werden, dass Sie asylrelevante Verfolgung im Heimatland zu befürchten gehabt hätten oder in Zukunft befürchten müssen.

..."

Das Bundesverwaltungsgericht folgt bei den maßgeblichen Feststellungen der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides. Zusammengefasst hat das BFA zu Recht festgehalten, dass der BF keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehenden asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können.

Die angebliche Bedrohung durch den ehemaligen Arbeitgeber bzw. die Verwaltungsbehörde scheint weder substantiiert noch glaubwürdig. In seiner Einvernahme vor dem BFA gab der BF an, er habe in einer Anstalt für Geisteskranke im Kreis XXXX gearbeitet. Sein direkter Vorgesetzter, der der Vorstand der Anstalt gewesen sei, habe Experimente bei Patienten durchgeführt. Bei diesen Tests seien auch Patienten ums Leben gekommen. Der BF habe Beweise (Fotos) der Taten seines Vorgesetzten. Im März 2005 seien er und seine Frau von der Verwaltungsbehörde festgenommen worden, da der BF die Taten seines Vorgesetzten verraten habe. Seine Frau und er wären über neun Monate bei der Verwaltungsbehörde eingesperrt gewesen und seien im Jänner 2006 freigelassen worden. Zwei Tage nach der Freilassung habe der BF die Taten seines Vorgesetzten sowie die Festnahme bei der Staatsanwaltschaft in XXXX und auch in XXXX gemeldet. Diese hätten angeben, sich beim BF zu melden. Der BF und seine Frau seien jedoch ein paar Tage später für weitere zweieinhalb Jahre festgenommen worden. Der BF wisse nicht, wo sie festgehalten worden seien. Im Juli 2008 seien sie freigelassen worden. Kurz darauf sei seine Frau an den Folgen der Inhaftierung gestorben.

Bezüglich seiner Wohnanschrift im Heimatstaat führte der BF aus, dass er an der - in der Einvernahme genau angegebenen Wohnanschrift -durchgehend von Dezember 1988 bis zu seiner Ausreise im Jahr 2018 gemeldet gewesen sei (AS 91 und 111). Es ist aber nicht nachvollziehbar, weshalb der BF 13 Jahre nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses weiter Anspruch auf die Dienstwohnung - v.a. unter Bedachtnahme der Umstände der Beendigung des Dienstverhältnisses - gehabt haben soll und darin weiter gewohnt hat.

Im Widerspruch zur Erstbefragung gab der BF später auch an, dass er seit der ersten Festnahme im März 2005 weiterhin in seinem Heimatstaat berufstätig gewesen sei. Er habe Ladetätigkeiten durchgeführt und als Bauarbeiter und Security gearbeitet (vgl. AS 43 und AS 97). Als ausschlaggebendes Ereignis für seine Ausreise im Dezember 2018 soll dann gewesen sein, dass sein Vermögen und seine Wohnung seien im November 2018 durch seinen ehemaligen Vorgesetzten und den Vorstand der Verwaltungsbehörde beschlagnahmt worden. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass es sich nunmehr um eine Eigentumswohnung im Kreis XXXX (AS 99f) handle. Der BF fürchte bei einer Rückkehr in die VR China, dass ihn diese zwei Personen töten würden (AS 107) und die Polizei nichts gegen diese unternehmen würde (AS 101).

Im krassen Widerspruch dazu steht jedoch, dass der BF seit Oktober 2017 viermal, im Besitz gültiger Visa, unter anderem nach Österreich, Deutschland, Ungarn, Tschechien und die Slowakei reiste. Der BF gab selbst an, er habe dabei keine Probleme bei den Ein- und Ausreisen in bzw. aus seinem Heimatstaat gehabt (AS 105). Dies ist ein starkes Indiz, dass der BF keine asylrelevante Verfolgung durch staatliche Organe in seinem Heimatstaat zu befürchten hat. Außerdem, hätten die Ereignisse, wie vom BF vorgebracht, stattgefunden und hätte der BF deshalb zu befürchten, in seinem Heimatstaat getötet zu werden, wäre es naheliegend gewesen, bereits bei der ersten Ausreise aus seinem Heimatstaat einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen und nicht wieder in seinen Heimatstaat zurückzureisen.

Diesbezüglich aufschlussreich ist auch die Beantwortung der Frage durch den BF, weshalb er einen Antrag auf internationalen Schutz in Norwegen gestellt habe, obwohl er direkt nach Österreich gekommen sei. Er habe gehört, dass es in Norwegen leichter sei, Asyl zu bekommen (siehe oben S 14).

Der BF gab während seiner Einvernahme vor dem BFA auch explizit an, niemals konkreten persönlichen Verfolgungshandlungen durch private Dritte und/oder heimatlichen Behörden, staatlichen Stellen aufgrund seiner politischen Gesinnung, religiösen Glaubenszugehörigkeit, sozialen Stellung oder Volksgruppenzugehörigkeit ausgesetzt gewesen zu sein (AS 103).

Das Bundesverwaltungsgericht folgt somit bei den maßgeblichen Feststellungen der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides. Es können die Schilderungen des BF letztlich nicht als asylrelevant qualifiziert werden.

Die festgestellten familiären und persönlichen Verhältnisse des BF ergeben sich im Speziellen aus den eigenen Angaben. Zwar antwortete der BF in seiner Einvernahme durch das BFA auf die Frage, ob er im Bundesgebiet in einer Ehe oder eheähnlichen Beziehung oder in einer dem gleichkommenden Partnerschaft lebe mit ja, verneinte hingegen, in Österreich einen Bezug (Freunde, Bekannte) zu haben. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF über keine schützenswerten familiären oder privaten Bindungen in Österreich verfügt. Für das Bundesverwaltungsgericht ist dies jedenfalls offensichtlich (vgl. AS 107). Hätte der BF tatsächlich eine Beziehung in Österreich, hätte er dies in der Beschwerde aufgezeigt. Der arbeitsfähige BF hat bisher sein gesamtes Leben in China verbracht hat, wobei sich dort auch sein Sohn aufhält und sohin von einem bestehenden familiären Netz auszugehen ist.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen Angaben. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, wel

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten