Entscheidungsdatum
13.06.2019Norm
AlVG §38Spruch
W216 2125543-2/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Petra SANDNER sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Kurt SCHEBESTA als Beisitzer in der Beschwerdesache von Mag. XXXX , SVNR XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Redergasse vom 11.02.2016, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 04.05.2016, GZ: XXXX , betreffend die Einstellung der Notstandshilfe mangels Arbeitsfähigkeit, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung des Arbeitsmarktservice Wien Redergasse vom 04.05.2016 gemäß § 28 Abs. 2 und Abs. 5 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Bezüglich des bisherigen Verfahrensganges wird auf den Verfahrensgang der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.07.2016, W216 2125543-2/3E, sowie des VwGH vom 24.11.2016, Ra 2016/08/0142-5, verwiesen. Der, auf das Wesentliche zusammengefasste, Behebungsgrund des VwGH lautete: "[...] Im vorliegenden Fall beschränkt sich das im Weg der Gesundheitsstraße eingeholte Gutachten bei der Erstellung des Leistungskalküls auf die einer rechtlichen Schlussfolgerung gleichkommende, als solche überdies unsachlich begründete Aussage, dass "Arbeitsfähigkeit in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters nicht mehr gegeben sei". Welche Arbeitsverrichtungen dem Revisionswerber noch möglich sind, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen. Ein Zusammenhang zwischen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung und einem Leistungskalkül ist nicht herstellbar. Ein derartiges Gutachten entspricht den genannten Anforderungen nicht. Da dem Verwaltungsgericht sohin kein ordnungsgemäßes Gutachten vorlag, hätte es von Amts wegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten über den Leidenszustand des Revisionswerbers, das bei ihm bestehende Leistungskalkül sowie die daraus resultierende Fähigkeit, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, einholen müssen. [...]"
Im fortgesetzten Verfahren erfolgten seitens des Bundesverwaltungsgerichtes drei Ladungsversuche im Wege der PVA zum Zwecke der Erstellung eines Gutachtens.
Der Beschwerdeführer kam keiner der Ladungen nach.
Mit Parteiengehör vom 28.01.2019 wurde folgender Text an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers versandt: "Bezugnehmend auf das anhängige Beschwerdeverfahren wird hiermit mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Einladungen zu den jeweiligen Untersuchungsterminen (vorgesehen für den 11.07.2018, den 27.08.2018 sowie den 22.10.2018) zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit unentschuldigt nicht erschienen ist. Eine Feststellung der Arbeitsfähigkeit durch Erstellung eines medizinischen Sachverständigenbeweises - basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers - konnte daher nicht vorgenommen werden. Es darf in diesem Zusammenhang ersucht werden, dem Bundesverwaltungsgericht binnen z w e i W o c h e n ab Zustellung dieses Schreibens mitzuteilen, ob unter diesen Umständen am Beschwerdevorbringen festgehalten wird und ein Interesse an der Fortführung des Verfahrens besteht."
Mit Schreiben datierend auf 13.02.2019 wurde die Vollmachtsauflösung bekannt gegeben und um direkten Kontakt mit dem Beschwerdeführer ersucht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das im Weg der Gesundheitsstraße eingeholte "Gutachten" beschränkt sich bei der Erstellung des Leistungskalküls auf die einer rechtlichen Schlussfolgerung gleichkommende, als solche überdies unsachlich begründete Aussage, dass "Arbeitsfähigkeit in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters nicht mehr gegeben sei". Welche Arbeitsverrichtungen dem Beschwerdeführer noch möglich sind, ist dem "Gutachten" nicht zu entnehmen. Ein Zusammenhang zwischen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung und einem Leistungskalkül ist nicht herstellbar. Ein derartiges "Gutachten" entspricht den genannten Anforderungen an ein Gutachten nicht. Daher mangelt es dem Verfahren an einem Gutachten.
Der Beschwerdeführer kam keiner der Ladungen (vorgesehen für den 11.07.2018, den 27.08.2018 sowie den 22.10.2018) nach.
Somit konnte im Verfahren kein Gutachten zwecks Feststellung der Arbeitsfähigkeit bzw. der Arbeitsunfähigkeit erstellt werden.
Im gegenständlichen Verfahren reagierte der Beschwerdeführer auf das Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes gar nicht.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zum Fehlen eines Gutachtens ergibt sich aus der, für das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren bindenden, Rechtsansicht des VwGH in der Entscheidung vom 24.11.2016, Ra 2016/08/0142-5.
Die Ladungen und das Nichtzustandekommen der Untersuchung des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Nichtreaktion des Beschwerdeführers auf das Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus einer mangelnden Antwort auf das Schreiben vom 28.01.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin das AMS Wien Redergasse.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Zu dem E-Mail des Beschwerdeführers vom 14.02.2019:
Gemäß § 13 Abs. 1 AVG können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden.
Es ist zu beachten, dass die Subsidiaritätsklausel des § 13 Abs. 1 erster Satz AVG "soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist" nach Ansicht des VwGH nicht nur die verschiedenen Anbringenstypen, sondern auch die verschiedenen Anbringensübermittlungsarten betrifft. Es haben die in den Verwaltungsvorschriften normierten Regelungen Priorität; die in § 13 AVG enthaltenen Bestimmungen kommen (subsidiär) nur soweit zum Tragen, als in den Verwaltungsvorschriften keine besonderen Regelungen getroffen werden (vgl. VwGH 11.10.2011, 2008/05/0156).
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers über den elektronischen Verkehr zwischen Bundesverwaltungsgericht und Beteiligten (BVwG-EVV), in der Fassung BGBl. II Nr. 11/2015, können Schriftsätze und Beilagen zu Schriftsätzen nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten auf folgende Weise elektronisch eingebracht werden:
1. im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs;
2. über elektronische Zustelldienste nach den Bestimmungen des 3. Abschnittes des Zustellgesetzes - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982;
3. im Wege des elektronischen Aktes;
4. im Wege einer standardisierten Schnittstellenfunktion;
5. mit auf der Website www.bvwg.gv.at abrufbaren elektronischen Formblättern;
6. mit Telefax.
E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen im Sinne dieser Verordnung.
Mit dem gegenständlichen E-Mail vom 14.02.2019 wurden Ausführungen gemacht. E- Mail ist jedoch eine gemäß § 1 Abs. 1 BVwG-EVV unzulässige Einbringungsform, zumal eine Einbringung von Anbringen unter Verwendung von E-Mails in der BVwG-EVV nicht vorgesehen ist. Anbringen, für die die Verwaltungsvorschriften eine bestimmte Art der Einbringung vorsehen, sind unwirksam, wenn die Einbringung in einer anderen als der gesetzlich bestimmten Art erfolgt (vgl. nochmals VwGH 11.10.2011, 2008/05/0156).
Da ein auf einem rechtlich nicht zugelassenen Weg eingebrachtes Anbringen als nicht eingebracht gilt (vgl. dazu das zur BAO ergangene, insoweit aber einschlägige E vom 28. Mai 2009, 2009/16/0031, mwH, sowie das E vom 22. Juli 1999, 99/12/0061), ist die Behörde auch nicht gehalten, im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG einen Verbesserungsauftrag zu erteilen, weil auch für die Einleitung eines Mängelbehebungsverfahrens das Vorliegen einer an sich wirksam erhobenen (wenn auch mit einem Mangel behafteten) Eingabe erforderlich ist (vgl. dazu den ebenfalls zur BAO ergangenen, insoweit einschlägigen B vom 28. Juni 2007, 2005/16/0186).
Wird ein Anbringen auf einem nicht zugelassenen Weg zugeleitet, so gilt es als nicht eingebracht. Im gegenständlichen Fall wurde ein E-Mail eingebracht. Daraus folgt, dass dieses beim Bundesverwaltungsgericht nicht rechtswirksam eingebracht worden ist. Daher brauchte auf die Ausführungen in diesem E-Mail vom 14.02.2019 nicht eingegangen werden.
Abschließend sei zu diesem Thema noch angemerkt, dass alle Personen die zulässigen Einbringungswege zwecks formgerechter Einbringung leicht über die Homepage des Bundesverwaltungsgerichtes ermitteln hätten können.
Zur Sache:
Einleitend ist gegenständlich auf den Rechtssatz des VwGH in der Entscheidung vom 25.01.2002, 99/02/0041, zu verweisen: "Im Fall des Auftretens von Zweifeln daran, ob ein Arbeitsloser arbeitsfähig ist, ist es Aufgabe der Behörden der Arbeitsmarktverwaltung, von Amts wegen darüber selbständig - auf entsprechenden Gutachten aufbauende - Feststellungen zu treffen (Hinweis E 8.6.1993, 92/08/0212; E 16.2.1999, 96/08/0083). Auch für den Fall einer nachweislichen Zustellung einer Vorladung zum Amtsarzt ist die Behörde nur berechtigt, gemäß § 8 Abs. 2 AlVG 1977 idF 1994/314 den Arbeitslosen für die Dauer einer (unentschuldigten) Weigerung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, vom Bezug des Arbeitslosengeldes auszuschließen (Hinweis E 16.2.1999, 99/08/0003). Für den Schluss, auf Grund der Verweigerung dieser Untersuchung könne auf die Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen und damit auf die Zumutbarkeit der ihm angebotenen Beschäftigung geschlossen werden, bietet das Gesetz keine Grundlage."
Somit ist es dem Bundesverwaltungsgericht, in Anwendung des Rechtssatzes auf diese Entscheidung, mangels Vorliegens eines Gutachtens, und weiters mangels der Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Erstellung eines solchen, verwehrt, die Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers festzustellen.
Kann jedoch die Arbeitsunfähigkeit nicht festgestellt werden, fehlt es an der Grundlage für die Einstellung der Notstandshilfe im gegenständlichen Verfahren.
Aufgrund des Zeitverlaufes seit dem Antrag erscheint es weiters faktisch aussichtslos bzw. unmöglich, den Status der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers retrospektiv zum Antragsstellungszeitpunkt durch Sachverständige erheben zu lassen.
Daher war die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Arbeitsfähigkeit, Einbringung, Einstellung, Gutachten,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W216.2125543.2.00Zuletzt aktualisiert am
21.08.2019