TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/18 W262 2215049-1

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Veröffentlicht am 18.06.2019
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Entscheidungsdatum

18.06.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W262 2215049-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Walter SILBERMAYER em. & Mag. Martin REIHS, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 08.01.2019, OB XXXX , betreffend den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid

behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist seit 08.05.1996 Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von zuletzt 70 v.H.

2. Am 22.08.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Neufestsetzung des Grades der Behinderung sowie die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Seinem Antrag legte er diverse medizinische Unterlagen bei.

3. In der Folge holte das Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet), ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie ein. In dem nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erstellten Gutachten vom 09.11.2018 samt ergänzender Stellungnahme vom 04.01.2019 wurde ein Grad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 08.01.2019 stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr erfülle. Begründend führte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf das eingeholte Sachverständigengutachten (samt Stellungnahme), welches dem Beschwerdeführer als Beilage zum Bescheid übermittelt wurde, aus, dass der nunmehr festgestellte Grad der Behinderung des Beschwerdeführers nur noch 40 v.H. betrage, weshalb die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr vorliegen würden.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass sein tatsächlicher Leidenszustand nur unzureichend geprüft worden sei. Es liege nun ein neuer Befund aus dem Fachgebiet Orthopädie und orthopädische Chirurgie vor. Er sei hochgradig bewegungseingeschränkt und könne nur Lasten bis maximal 3 kg heben. Jedenfalls habe sich sein Gesundheitszustand keinesfalls gebessert, sodass der festgestellte Grad der Behinderung von 40 v.H. unzutreffend sei.

Abschließend stellte er den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass ein Grad der Behinderung über 70 v.H. festgestellt werde. In eventu beantragte er die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides.

6. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 25.02.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist seit 08.05.1996 Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von zuletzt 70 v.H.

Am 22.08.2018 beantragte der Beschwerdeführer u.a. die Neufestsetzung des Grades der Behinderung.

In der Folge holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie samt Stellungnahme ein, in dem ein Grad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt wurde.

Der Spruch des nunmehr angefochtenen Bescheides lautet:

"Mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 40% erfüllen Sie nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses."

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen auf den unbedenklichen Unterlagen im Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu Spruchteil A)

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."

"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(...)"

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

3.3. In seinem Erkenntnis vom 13.12.2018, Ra 2018/11/0204, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall ausgesprochen, dass ein Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gemäß § 41 Abs. 2 BBG - innerhalb zeitlicher Schranken - zulässig ist. Im Falle einer solchen Neufestsetzung des Grades der Behinderung ist, solange der Grad der Behinderung weiterhin wenigstens 50 v.H. beträgt, gemäß § 43 Abs. 1 erster Satz BBG der Behindertenpass zu korrigieren (bzw. erforderlichenfalls ein neuer mit geänderten Eintragungen auszustellen). Demgegenüber regelt § 43 Abs. 1 zweiter Satz BBG das Vorgehen, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses weggefallen sind. In einem solchen Fall "ist der Behindertenpass einzuziehen" (vgl. z.B. VwGH 29.03.2011, 2008/11/0191). Die Einziehung hat gemäß § 45 Abs. 2 BBG durch Bescheid zu erfolgen. § 43 Abs. 1 zweiter Satz BBG enthält keine Ermächtigung für einen gesonderten Ausspruch der Behörde, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr vorliegen (anders als etwa § 14 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes - BEinstG) oder dass ein Grad der Behinderung von weniger als 50 v.H. besteht.

3.4. Insofern findet der Spruch des angefochtenen Bescheides, in dem über Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung ausgesprochen wurde, dass er mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr erfülle, keine Deckung im BBG.

3.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vielmehr konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf aktuelle, oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stützen); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Rechtsanschauung des VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W262.2215049.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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