TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/18 W178 2217320-1

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Veröffentlicht am 18.06.2019
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Entscheidungsdatum

18.06.2019

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z1
GSVG §4 Abs1 Z7

Spruch

W178 2217320-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin. Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte LEITNER und TRISCHLER, Lindengasse 38/3, 1070 Wien, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, VSNR XXXX vom 12.02.2019 zu Recht erkannt:

A) 1. Der Beschwerde zu Spruchpunkt 1. wird stattgegeben und

festgestellt, dass Herr XXXX vom 28.07.2017 bis 31.12.2017 nicht der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG unterlag.

2. Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides wird aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (belangte Behörde) erließ am 12.02.2019 einen Bescheid, in welchem festgestellt wurde, dass Herr XXXX (Beschwerdeführer-Bf) vom 28.07.2017 bis 31.07.2017 (gemeint 31.12.2017) der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß GSVG unterliege (Spruchpunkt 1.) und verpflichtet sei, für diesen Zeitraum einen Gesamtbetrag von 1.090,38 Euro an Beiträgen zu bezahlen (Spruchpunkt 2).

Die belangte Behörde führte an, dass der Bf aufgrund der Gewerbeberechtigung, die er ab 28.07.2017 habe, nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG ab diesem Zeitpunkt pflichtversichert sei. Erst bei einer Vorsprache am 04.01.2018 habe er einen Antrag auf Ausnahme als Kleinunternehmer gestellt.

In der Begründung legte die belangte Behörde auch die Berechnungsgrundlagen für die Beitragsforderung dar. Aus dieser ergibt sich eindeutig, dass nicht der 31.07.2017, sondern der 31.12.2017 als Endzeitpunkt der Pflichtversicherung gemeint war.

2. Der Beschwerdeführer brachte am 11.03.2019 im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung fristgerecht Beschwerde ein.

Der Beschwerdeführer habe bereits am 31.07.2017 im Zuge einer persönlichen Vorsprache einen Antrag auf Ausnahme als Kleinunternehmer gestellt. Die belangte Behörde habe den Sachverhalt gewürdigt, als ob es die Vorsprache nie gegeben hätte. Die Rechtfertigung der belangten Behörde, dass solche Vorsprachen "normalerweise" elektronisch erfasst werden, treffe hier nicht zu und sei dem daher keine Beweiskraft zuzumessen.

3. Am 08.04.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem BVwG vor. In der ergänzenden Stellungnahme führte die belangte Behörde aus, dass erstmals am 04.01.2018 ein Antrag auf Ausnahme für Kleinunternehmer gestellt worden sei und nicht am 31.07.2017. Normalerweise würden alle Vorsprachen elektronisch erfasst. Für den 31.07.2017 sei eine Vorsprache des Beschwerdeführers nicht erfasst worden, daher sei davon auszugehen, dass eine solche nicht erfolgt sei. Es widerspreche auch der Lebenserfahrung, dass nicht schon bei der erstmaligen Vorschreibung die Antragstellung vorgebracht wurde, sondern erst mit Schreiben vom 24.04.2018.

4. Dem Beschwerdeführer wurde die Stellungnahme der belangten Behörde übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, ebenfalls eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Schreiben vom 13.05.2019 brachte der Beschwerdeführer eine Gegenstellungnahme ein. Er habe am 31.07.2017 bei der belangten Behörde in 1050 Wien vorgesprochen. Der Beschwerdeführer sei an diesem Tag jedoch nicht elektronisch erfasst worden, er habe auch keine Nummer ziehen müssen. Er habe sich bei einem Schalter erkundigt und sei dann nach kurzer Wartezeit zum Tresen gerufen worden, wo er mit der zuständigen Dame gesprochen hätte. Er habe dort kundgetan, dass er die Kleinunternehmerregelung beanspruchen möchte; ihm sei mitgeteilt worden, dass dies in Ordnung sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist seit 28.07.2017 Inhaber eine Gewerbeberechtigung "Entrümpler". Er hat diese an diesem Tag bei der zuständigen Wirtschaftskammer beantragt. Dort wurde er über die Möglichkeit der Ausnahme von der Pflichtversicherung nach dem GSVG beraten.

1.2. Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Geltendmachung der Ausnahme für Kleinunternehmer am 31.07.2017 persönlich in der Landesstelle der belangten Behörde in 1050 Wien eingebracht hat. Eine weitere persönliche Vorsprache hat am 04.01.2018 stattgefunden.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und aus dem Ergebnis des nachfolgenden Ermittlungsverfahrens.

Für die Antragstellung am 31.07.2017 sprechen folgende Argumente:

Der Beschwerdeführer schilderte in seiner Stellungnahme detailliert den Ablauf seiner Vorsprache am 31.07.2017. Es liegt daher nahe, dass er dort war.

Die Angabe der belangten Behörde, dass alle Vorsprachen bei der belangten Behörde von dieser "normalerweise" (Zitat belangte Behörde, Anm.) elektronisch erfasst werden, lässt erkennen, dass die belangte Behörde damit einräumt, dass es durchaus - einige wenige - Einzelfälle geben kann, bei denen diese Erfassung - aus welchen Gründen auch immer - unterbleiben könnte. Dass der Bf in den Aufzeichnungen über Vorsprachen am 31.07.2017 nicht vorkommt, schließt (noch) nicht aus, dass er nicht doch dort war.

Die Tatsache, dass Vorsprachen normalerweise elektronisch erfasst werden, bedeutet nicht, dass es keine Ausnahme geben kann; Regelungen über Abläufe etc. ist es immanent, dass sie in Ausnahmefällen nicht eingehalten werden oder eingehalten werden können. Es ist jedenfalls ein Fehlerkalkül in die Erwägungen einzubeziehen.

Der Bf selbst bringt vor, dass es kein elektronisches System der Erfassung der Kunden gegeben hätte, sondern eine persönliche Kontaktaufnahme; diese Frage ist aber für sich nicht entscheidend, vgl. oben.

Der Vater des Beschwerdeführers gab eine Erklärung ab, dass er mit seinem Sohn am 31.07.2017 bei der belangten Behörde vorgesprochen hat und dieser dort die Ausnahme von der Pflichtversicherung für Kleinunternehmer beantragt hat; aufgrund des Naheverhältnisses hat diese Aussage nur eine beschränkte Beweiskraft.

Für die Antragstellung am 31.07.2017 spricht, dass der Bf kurz vorher - am 28.07.2017 - die Gewerbeberechtigung bei der WKÖ beantragt hat (vgl. GISA-Auszug) und davon auszugehen ist, dass er dort über die Beitragspflicht und die Ausnahmen informiert wurde, vgl. Schreiben des Bf vom 24.04.2018. Es ist lebensnah, dass der Bf, der nachvollziehbar von niedrigen Umsätzen bzw. Einkünfte ausging, die Verpflichtung zur Leistung von Mindestbeiträgen verhindern wollte und - wie ihm von der Interessensvertretung geraten wurde - den entsprechenden Antrag zeitnah bei der SVA gestellt hat.

Dass er auf die Information vom 04.08.2017 nicht reagiert hat, mag damit zusammenhängen, dass er von der laufenden Bearbeitung des Ausnahmeantrages ausging.

Dass er sich auf die Beitragsvorschreibung vom 21.10.2017 erst am 04.01.2018 gerührt hat, spricht gegen ihn, ist aber in der Zusammenschau zu beurteilen. Dass der rechtsfreundliche Vertreter diese Vorsprache am 31.07.2017 nicht beim ersten Kontakt mit der SVA erwähnt hat, liegt nach Auffassung des Gerichts daran, dass der Anwalt erst ab Februar 2018 im Verfahren aufscheint und über die vergangenen Verhältnisse des Mandanten offensichtlich erst später informiert wurde, vgl. Schreiben des RA vom 28.03.2018.

In der Gesamtbetrachtung überwiegen die Gründe für die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Zusammengefasst ist daher die Version des Bf plausibler und glaubwürdiger und daher der Sachverhaltsfeststellung zugrunde zu legen.

Die erkennende Richterin sieht es daher als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer tatsächlich am 31.07.2017 im Zuge einer persönlichen Vorsprache den Antrag gestellt hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gesetzliche Bestimmungen (GSVG):

§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

(.....)

4. selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die Versicherungsgrenze übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen.

(.....)

§ 4. (1) Von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung sind ausgenommen:

(.....)

7. auf Antrag Personen gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 oder § 2 Abs. 2 FSVG, die glaubhaft machen, dass ihre Umsätze aus sämtlichen unternehmerischen Tätigkeiten die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z 27 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, und ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit jährlich das 12fache des Betrages nach § 25 Abs. 4 nicht übersteigen. Treffen diese Voraussetzungen nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie glaubhaft gemacht wurden, tatsächlich nicht zu, ist der Wegfall der Ausnahme von der Pflichtversicherung im Nachhinein festzustellen. Ein Antrag kann nur von einer Person gestellt werden,

a) die innerhalb der letzten 60 Kalendermonate nicht mehr als zwölf Kalendermonate nach diesem Bundesgesetz pflichtversichert war oder

b) die das Regelpensionsalter (§ 130 Abs. 1) erreicht hat oder

c) die das 57. Lebensjahr vollendet und innerhalb der letzten fünf Kalenderjahre vor der Antragstellung die im ersten Satz genannten Voraussetzungen erfüllt hat.

Die Ausnahme tritt frühestens mit Beginn des Kalenderjahres, in dem der Antrag gestellt und die Voraussetzungen glaubhaft gemacht werden, ein. Wird die Ausnahme im Kalenderjahr rückwirkend geltend gemacht, so beginnt sie mit dem Ersten des Kalendermonates, der auf die Antragstellung folgt, sofern im Kalenderjahr bereits Leistungen aus der Kranken- oder Pensionsversicherung bezogen wurden.

3.2. Zu A) Stattgebung der Beschwerde-Spruchpunkt 1.

Wurden im Kalenderjahr der Antragstellung keine Leistungen in der Kranken- und Pensionsversicherung bezogen, beginnt die Ausnahme von der Pflichtversicherung (in der Kranken- und Pensionsversicherung) rückwirkend, also ab Beginn des Kalenderjahres. Wurden bereits Leistungen bezogen, beginnt die Ausnahme mit dem Ersten des Kalendermonates, der auf die Antragstellung folgt.

Entscheidungsrelevant ist fallbezogen die Frage, wann der Beschwerdeführer erstmals einen Antrag auf Ausnahme von der Pflichtversicherung für Kleinunternehmer nach § 4 Abs. 1 Z 7 GSVG gestellt hat und ob er damit von der Pflichtversicherung für das gesamte Jahr 2017 ausgenommen ist.

Dass die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Z 7 GSVG grundsätzlich vorliegen, ist nicht strittig.

Nach Würdigung der Vorbringen legt das Gericht der Beurteilung eine Antragstellung mit 31.07.2017 zugrunde.

Es war daher der Beschwerde stattzugeben und festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 28.07.2017 bis 31.12.2017 aufgrund seines Antrages im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 7 GSVG vom 31.07.2017 nicht der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG unterlag.

3.3 Zu Spruchpunkt 2 dieser Entscheidung:

Da keine Pflichtversicherung bestand, kommt auch keine Beitragspflicht zum Tragen. Der entsprechende Spruchteil des angefochtenen Bescheides war daher aufzuheben.

4. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.

3.4. Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus der in der Begründung angeführten Judikatur ergibt sich, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht.

Schlagworte

Antragstellung, Antragszeitpunkt, Ausnahmebestimmung,
Beitragszahlungen, Kleinunternehmer, Pflichtversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W178.2217320.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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