TE Lvwg Erkenntnis 2019/8/1 LVwG-2019/25/0948-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.08.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.08.2019

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §1 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geb am XX.XX.XXXX, wohnhaft in Adresse 1, Z, vertreten durch BB, Adresse 2, Y, vom 30.04.2019, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 12.04.2019, Zl *****, betreffend eine Übertretung nach der Gewerbeordnung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis behoben und das Verfahren gem § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Im bekämpften Straferkenntnis wird folgender Sachverhalt AA angelastet und folgende Strafe über ihn verhängt:

„Sie haben am 21.10.2018 um 10.45 Uhr auf dem Standort W, Adresse 3, beim dortigen Flohmarkt am CC-Gelände, neuwertige Schuhe verkauft und dadurch das Handelsgewerbe selbstständig, regelmäßig und in der Absicht ausgeübt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl Sie dafür keine Gewerbeberechtigung besitzen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 366 Abs 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO)

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe (€):

€ 360,00

Gemäß:

§ 366 Abs 1 Einleitungssatz Gewerbeordnung 1994 (GewO)

Ersatzfreiheitsstrafe:

96 Stunden

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 36,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, wobei jedoch mindestens € 10,00 zu bemessen sind.

Bei Freiheitsstrafe ist zur Berechnung der Kosten ein Trag Freiheitsstrafe mit 100 Euro anzusetzen.

€ 0,00 als Ersatz der Barauslagen für

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher: € 396,00“

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher der Rechtsmittelwerber im Wesentlichen ausführt, dass der Schuldspruch auf rein persönlichen Angaben des Meldungslegers beruhe, ohne jede schlüssige Beweise oder Berücksichtigung seiner Ausführungen bzw der des Mitbeschuldigten DD. Dieser habe sowohl gegenüber dem Polizeiorgan als auch gegenüber der Erstbehörde erklärt, dass der Beschuldigte für ihn nur für ca 10 min während eines Toilettenbesuches auf die Schuhe aufgepasst habe. Es stimme nicht, dass er regelmäßig und selbstständig neuwertige Schuhe verkauft hätte. Wie neuwertig die Schuhe waren, sei die persönliche Feststellung des Meldungslegers, mit dem er auch kein Verkaufsgespräch geführt habe. Er verstehe nicht dessen Behauptung, dass er in 5 bis 7 min, wo er ihn aus der Distanz beobachtete, mehrere Verkaufsgespräche mit potenziellen Kunden geführt haben solle. Dieser berufe sich auf die Aussagen von Standbetreibern mit seiner Angabe, dass sie beide bereits seit längerer Zeit Waren angeboten und auch verkauft hätten. Er sei an diesem Vormittag nur zufällig dort gewesen und habe nichts verkauft.

II.      Sachverhalt:

DD betrieb am Flohmarkt in W, Adresse 3, am 21.10.2018 einen Verkaufsstand. Der Beschwerdeführer AA befand sich gegen 10.45 Uhr bei diesem Verkaufsstand und vertrat dort den zu dieser Zeit für ca 15 min abwesenden DD. Auf diesem Verkaufsstand befanden sich mehrere Paar Schuhe, einige davon neuwertig, Taschen, Tonwiedergabegeräte, Ladegeräte sowie Küchengeräte. Der Beschuldigte befand sich zu dieser Zeit hinter dem Verkaufsstand. Während dieser Zeit führte er mehrere Gespräche mit potenziellen Kunden. Nach ca 15 min kam DD wieder zum Verkaufsstand zurück. Während der Zeit, als AA alleine am Verkaufsstand war, wurden keine Waren von ihm verkauft.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Aktes der Bezirkshauptmannschaft X und dabei insbesondere auf die Angaben des Meldungslegers sowie das im Zuge der Amtshandlung aufgenommene Lichtbild und die Rechtfertigung des Beschwerdeführers.

Auch wenn der Meldungsleger in den 5 bis 7 min vor dem Beginn seiner Amtshandlung den Beschuldigten aus der Distanz beobachtete und die mit anderen Personen geführten Gespräche nicht mithören konnte, so ist es aufgrund der Gestik der Gesprächspartner unschwer zu unterscheiden, ob es sich um ein Verkaufsgespräch oder ein sonstiges persönliches Gespräch handelt. Wenn der Meldungsleger die Gespräche mit anderen Personen aufgrund seiner Lebenserfahrung als Verkaufsgespräche interpretiert hat, erblickt das Verwaltungsgericht keinen Grund daran, diese Einschätzungen als unzutreffend zu beurteilen.

Der Umstand, dass sich am Verkaufsstand neuwertige Ware befunden hat, ist auf dem vom Meldungsleger aufgenommenen Lichtbild unschwer erkennbar. Jedenfalls ein Teil der Schuhe, zumindest diejenigen, die in der ersten Reihe stehen, müssen neuwertig sein, weil es sich dabei um weiße Schuhe handelt bzw um solche mit einem weißen Rand, der erfahrungsgemäß nur bei ungetragenen Schuhen völlig weiß ist. Auf einem Paar Schuhe befindet sich auch noch ein Etikett mit der Schuhnummer 39. Dieses wäre bei gebrauchten Schuhen kaum noch vorhanden gewesen. Bei den Küchengeräten ist teilweise noch die Originalverpackung vorhanden gewesen, was auch auf eine Neuwertigkeit hindeutet.

Das Beschuldigtenargument, dass er nur auf die Ware während der Abwesenheit seines Freundes aufgepasst hätte, ist wenig überzeugend, da er im Stil eines Verkäufers hinter dem Verkaufsstand gestanden ist. Zum Aufpassen auf die Ware wäre es naheliegender gewesen, vor dem Verkaufsstand zu stehen.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Fall ist folgende Bestimmung der Gewerbeordnung maßgeblich:

§ 1

„1. Geltungsbereich

„(1) Dieses Bundesgesetz gilt, soweit nicht die §§ 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten.

(2) Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hiebei macht es keinen Unterschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll.

(3) Selbständigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird.

(4) Auch eine einmalige Handlung gilt als regelmäßige Tätigkeit, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann oder wenn sie längere Zeit erfordert. Das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen wird der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten. Die Veröffentlichung über eine den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit in Registern gilt nicht als Ausübung, wenn die Veröffentlichung auf Grund von gesetzlichen Verpflichtungen erfolgt.

(5) Die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, liegt auch dann vor, wenn der Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil den Mitgliedern einer Personenvereinigung zufließen soll.

(6) Bei Vereinen gemäß dem Vereinsgesetz 1951 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit - sei es mittelbar oder unmittelbar - auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist. Übt ein Verein gemäß dem Vereinsgesetz 1951 eine Tätigkeit, die bei Vorliegen der Gewerbsmäßigkeit in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fiele, öfter als einmal in der Woche aus, so wird vermutet, daß die Absicht vorliegt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen.“

V.       Erwägungen:

Es kommt bei dem Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht im Sinn des § 1 Abs 2 GewO nicht auf einen tatsächlich erzielten Ertrag oder wirtschaftlichen Vorteil an. Diese Absicht ist aus äußeren Umständen abzuleiten. Herkömmlich genügt es, dass eine Tätigkeit im Allgemeinen auf die Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteiles gerichtet ist, der im Einzelnen nicht unbedingt in einem geldlichen Gewinn bestehen muss. Eine solche Ertragserzielungsabsicht ist gegeben, wenn die einer gewerblichen Tätigkeit entsprechenden Geschäfte „in einer Weise abgeschlossen werden, welche die Möglichkeit der Erzielung eines Gewinnes offen lässt, welche eben charakteristisch ist für den auf einen Gewinn abzielenden Betrieb einer Unternehmung“.

Unter den Begriff des Handels im Sinn der Gewerbeordnung ist die auf den Warenaustausch zwischen den einzelnen Wirtschaftsmitgliedern gerichtete, gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit zu verstehen, wobei bereits dem Erwerb der Ware der Zweck, diese an andere Wirtschaftsmitglieder weiterzugeben, zugrunde liegen muss (VwGH 15.09.1987, 86/04/0035).

Der Verkauf solcher Gegenstände, die seinerzeit zum eigenen Gebrauch angeschafft wurden und nicht mehr benötigt werden, fällt nicht unter den „weiteren“ Begriff der gewerbsmäßigen Tätigkeit im Sinn des § 1 Abs 2 GewO, welcher unter anderem die Absicht voraussetzt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen (OGH 15.03.1988, 4 Ob 11/88).

Regelmäßigkeit im Sinn des § 1 Abs 2 GewO bedeutet, dass eine Tätigkeit tatsächlich bzw von der Absicht her eine gewisse Dauer, also auf Wiederholung bzw Fortsetzung angelegt ist. Dies ist jedenfalls bei einer eine bestimmte Zeit dauernden, ununterbrochenen (den Gegenstand eines Gewerbes bildenden) Tätigkeit der Fall. Ausreichend ist aber auch eine Tätigkeit in (überschaubaren) zeitlichen Abständen, selbst wenn sie immer wieder unterbrochen wird (zum Beispiel saisonale Tätigkeit). Eine einmalige (den Gegenstand des Gewerbes bildende) Tätigkeit reicht nur hin, wenn die Kriterien des Abs 4 vorliegen. Gleiches gilt für gelegentliche Tätigkeiten, die ohne Fortsetzungs- bzw Wiederholungsabsicht durchgeführt werden (Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO3 § 1 Anmerkung 12).

Die Beurteilung einer an einem einzigen Tag begonnen und beendeten Tätigkeit als Tätigkeit, die längere Zeit erfordert, ist rechtlich nicht vertretbar. Die Ausnutzung einer sich bietenden einmaligen Erwerbsgelegenheit allein stellt sich nach dem Gesetz noch nicht als Gewerbebetrieb dar (VwSlg 4177 A/1956; 26.09.1959, 303/58).

Eine lediglich zwei Tage dauernde Tätigkeit (hier: Verrichtung von Bauarbeiten an einem Haus an zwei Samstagen) ist keine solche, die „längere Zeit“ in Anspruch genommen hat (VwSlg 6310 A/1964).

Der Beschwerdeführer bestreitet, regelmäßig und selbstständig neuwertige Schuhe verkauft zu haben. In Anbetracht des Umstandes, dass er nur zur angelasteten Tatzeit am 21.10.2018 gegen 10.45 Uhr für ca 15 min hinter dem Verkaufsstand tätig beobachtet wurde, was nicht dem § 1 Abs 4 erster Satz GewO zu subsumieren ist, und damit nur eine an einem einzigen Tag begonnene und beendete Tätigkeit festgestellt werden konnte, ermangelt es an dem für die Gewerbsmäßigkeit relevanten Kriterium der Regelmäßigkeit, weshalb die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann und deshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Flohmarkt;
Gewerbsmäßigkeit;
Regelmäßigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.25.0948.4

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten