TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/6 I420 2215265-1

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Veröffentlicht am 06.03.2019
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Entscheidungsdatum

06.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34
AVG §59 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I420 2215266-1/5Z

I420 2215268-1/5Z

I420 2215265-1/5Z

I420 2215262-1/5Z

I420 2215270-1/5Z

I420 2215271-1/5Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Magdalena HONSIG-ERLENBURG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, des minderjährigen XXXX, des minderjährigen XXXX, des minderjährigen XXXX, und der minderjährigen XXXX, gesetzlich vertreten durch ihre Eltern, alle StA. Ghana und alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. 1107567710-160356948, Zl. 1107567808-160356956, Zl. 1107905208-160356972, Zl. 1107905600-160356985, und vom 05.02.2019, Zl. 1122415505-160976628 und Zl. 1211036508-181032325, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Verfahren des am XXXX geborenen Erstbeschwerdeführers, der am XXXXgeborenen Zweitbeschwerdeführerin sowie ihrer minderjährigen Kinder, des am XXXX geborenen Drittbeschwerdeführers, des am XXXX geborenen Viertbeschwerdeführers, des am XXXX geborenen Fünftbeschwerdeführers und der am XXXX geborenen Sechstbeschwerdeführerin sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

Der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin stellten nach illegaler Einreise in Österreich am 09.03.2016 für sich und ihre zwei minderjährigen Kinder, den Dritt- und Viertbeschwerdeführer, Anträge auf internationalen Schutz. Für den in Österreich geborenen Fünftbeschwerdeführer und die in Österreich geborene Sechstbeschwerdeführerin wurden am 13.07.2016 bzw. am 30.10.2018 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

Am 09.03.2016 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Zu ihren Fluchtgründen befragt, gaben der Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie Ghana bzw. Nigeria aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hätten.

Am 11.04.2016 bzw. am 09.11.2016 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) u.a. in Bezug auf eine allfällige Dublin-Zuständigkeit von Italien befragt.

In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 14.12.2018 gab der Erstbeschwerdeführer an, dass die Familie seines Vaters einen Fluch über den Vater ausgesprochen und ihn bzw. die Familie des Erstbeschwerdeführers in Ghana umbringen hätte wollen, da sein Vater zum Christentum konvertiert sei. Die Zweitbeschwerdeführerin führte zu ihrem Fluchtgrund aus, dass sie Nigeria aufgrund von Kämpfen zwischen zwei Ortschaften verlassen habe, da auch das Haus der Familie in Brand gesetzt worden sei. Sie habe ihre Tochter bei ihrer Mutter zurücklassen müssen. Zudem gab sie an, dass eine Frau die Ausreise nach Europa finanziert habe; Frauen würden nach Nigeria kommen und würden Frauen nach Europa bringen und man müsse dann Geld zurückzahlen.

In der Folge wurden die Anträge der Beschwerdeführer mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 04.02.2019 bzw. vom 05.02.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ghana abgewiesen (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Ghana zulässig sei (Spruchpunkt V. der angefochtenen Bescheide). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide). Es besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen die Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII. der angefochtenen Bescheide).

Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde fristgerecht am 21.02.2019 Beschwerde erhoben sowie eine Vollmacht für die Vertretung durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vorgelegt. Es wurde beantragt das Bundesverwaltungsgericht möge, eine mündliche Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 VwGVG anberaumen; die angefochtenen Bescheide beheben und den Beschwerdeführern den Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuerkennen; in eventu die angefochtenen Bescheide beheben und den Beschwerdeführern in Bezug auf Ghana bzw. Nigeria den Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG zuerkennen; in eventu die angefochtenen Bescheide beheben bzw. dahingehend abändern, dass sowohl die Rückkehrentscheidungen für auf Dauer als unzulässig erklärt werden, als auch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 55 AsylG festgestellt werden möge und daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG den Beschwerdeführern Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG von Amts wegen zu erteilen sind; in eventu die angefochtenen Bescheide ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen; in eventu das erlassene Einreiseverbot aufheben bzw. die Dauer des Einreiseverbots kürzen; und der gegenständliche Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkennen.

Die Beschwerdevorlagen langten am 04.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer führte bei seiner Erstbefragung am 09.03.2016 aus, dass seine Eltern verstorben seien und er keine Zukunft in Ghana habe. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 14.12.2018 gab der Erstbeschwerdeführer zu Protokoll, dass die Familie seines Vaters den Erstbeschwerdeführer selbst bzw. die Familie des Erstbeschwerdeführers umbringen hätte wollen, da sein Vater zum Christentum konvertiert sei.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei ihrer Erstbefragung am 09.03.2016 an, dass sie Nigeria verlassen habe, da die Leute dort gekämpft hätten und sie dort nichts habe. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 14.12.2018 sprach die Zweitbeschwerdeführerin dann davon, dass eine Frau ihre Ausreise finanziert habe und solche Frauen Nigerianerinnen nach Europa bringen würden und man danach Geld zurückzahlen müsse. Auch im Beschwerdeschriftsatz wurde angeführt, dass die belangte Behörde dieser Aussage der Zweitbeschwerdeführerin nicht nachgegangen sei, obwohl dies ein Hinweis sei, dass die Zweitbeschwerdeführerin ein Opfer von Menschenhandel geworden sei.

Für den Drittbeschwerdeführer, den Viertbeschwerdeführer, den Fünftbeschwerdeführer und die Sechstbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen betreffend das Vorbringen der Beschwerdeführer ergeben sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und dem BFA, die auch in die angefochtenen Bescheide übernommen wurden, sowie aus dem Beschwerdeschriftsatz.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Das Bundesverwaltungsgericht hat gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die von Amts wegen zu treffende Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte bereits im behördlichen Verfahren vor, dass ihre Ausreise von Nigeria nach Europa von einer Frau finanziert worden sei, und legte auch in der Beschwerde dar, dass es Hinweise gäbe, dass die Zweitbeschwerdeführerin Opfer von Menschenhandel geworden sei, und dass sich die belangte Behörde nur unzureichend mit diesem Punkt auseinandergesetzt habe. Insbesondere dieser Aspekt des Fluchtgrundes bedarf einer näheren Überprüfung, welcher gegebenenfalls auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und somit die Anwesenheit der Zweitbeschwerdeführerin notwendig erscheinen lässt. Zudem ist die Staatsangehörigkeit der Zweitbeschwerdeführerin einer Überprüfung zuzuführen. Aus der dem Bundesverwaltungsgericht zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage kann daher nach Durchführung einer Grobprüfung eine Verletzung der genannten, durch die EMRK garantierten Rechte bei einer Rückführung der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat Ghana bzw. Nigeria aufgrund der besonderen Gegebenheiten im konkreten Fall und angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

Daher ist der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Gegenständlich war ein Teilerkenntnis (vgl. auch § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG) zu erlassen, da das BVwG über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG 2014 binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden hat (vgl. VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023).

Der Spruch der Bescheide der belangten Behörde war auch insoweit trennbar, als sich die gegenständliche Entscheidung nur auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Bescheidspruch bezieht.

Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. sowie VII. und VIII. der angefochtenen Bescheide ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 VwGVG entfallen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Asylverfahren, aufschiebende Wirkung, Familienverfahren,
Menschenrechtsverletzungen, real risk, reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I420.2215265.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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