Entscheidungsdatum
09.05.2019Norm
BBG §40Spruch
W166 2216477-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 07.02.2019, wegen Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin brachte am 14.11.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) ein und legte dem Antrag diverse medizinische Beweismitteln bei.
In dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie, vom 21.01.2019, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, wurde im Wesentlichen Nachfolgendes ausgeführt:
"Anamnese:
AE, CHE
2011 transossäre Glutäalsehnenrefixation rechts
2014 arthroskopische Teilmenisektomie medial, Partialruptur des vorderen Kreuzbandes, Chondromalazieveränderungen Grad lll-IV medial
2015 Implantat MCP Gelenk 3 rechts
Versteifung Daumengrundgelenk rechts, 2 Schrauben
2018 Bildwandlergezielte Facettengelenksinfiltration C5/C6, C6/C7
multisegmentale Osteochondrose ohne signifikante Vertebrostenose, Bandscheibenprotrusion bei C6/C7
Derzeitige Beschwerden:
"Beschwerden habe ich vor allem in der rechten Hüfte, Bänder sind gerissen und wurden fixiert, Schmerzen in der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in den Kopf und in den Nackenbereich, keine Ausstrahlung in die Arme, Gefühlsstörungen oder Lähmungen habe ich nicht. Besserung durch physikalische Behandlungen. Die CT-gezielte Infiltration hat links eine Besserung gebracht, rechts nicht. Bezüglich Lunge habe ich keine Beschwerden, keine diesbezüglichen Medikamente, ab und zu Husten. Die Feinmotorik in der rechten Hand ist gestört, habe eine Arthrose im rechten Grundgelenk des Mittelfingers, hier wurde ein Implantat eingebaut, das Daumengrundgelenk rechts wurde mit 2 Schrauben versteift."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: ThromboASS, Sevikar
Allergie: Novalgin
Nikotin: 0
Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , Pöggstal
Sozialanamnese:
Verwitwet, 2 Kinder, lebt alleine in Einfamilienhaus.
Berufsanamnese: Pensionistin, Fotografin
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befund KH XXXX 05.09.2018 (Cervikalgie bei Facettengelenksarthrosen C5-C7 bds. Polyarthrosen der rechten Hand Periarthropathie Os coxea rechts Glutealsehnenruptur rechts Mediale degenerative Meniskopathie linkes Kniegelenk St.p. Insult cerebralis St.p.
Hepatitis St.p. AE St.p. CHE Novalginunverträglichkeit Bildwandlergezielte Facettengelenksinfiltration C5/C6, C6/C7 bds. Multimodale konservative Schmerztherapie am 7.5.2018)
MRT der HWS 19.01.2018 (multisegmentale Osteochondrose ohne signifikante Vertebrostenose, Bandscheibenprotrusion bei C6/C7)
Befund KH XXXX 04.12. 2014 (Mediale degenerative Meniscopathie linkes Kniegelenk Arthroskopie, arthroskopische Teilmenisektomie medial)
MRT linkes Knie 04.10.2014 (Partialruptur des vorderen Kreuzbandes Hochgradiger degenerativer Meniscusschaden am Innenmeniscus Chondromalazieveränderungen Grad lll-IV im Innenkompartement))
Befund KH XXXX 23.09. 2011 (transossäre Glutäalsehnenrefixation rechts.)
Nachgereichte Dokumente:
Implantat 2015 (Fingergelenksimplantat rechts, Krankenhaus XXXX )
Medikamentenverordnung vom 11.1.2019, Dr. XXXX (Diagnosen: weiche Carotis Plaques 50 % Stenose, Zustand nach rezidivierenden Insult 2007, reaktive Depressio, Mikroinfarktläsionen, vaskulärer Enzephalopathie, Zustand nach Pneumonie, Neuroforamenstenose lumbal,
Lungenemphysem. Therapie: ThromboASS. Sevikar)
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut, 85a
Ernährungszustand: BMI 21,6
Größe: 158,00 cm Gewicht: 54,00 kg Blutdruck: 180/80
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, Lungenbasen tieferstehend, rein, VA. HAT rein, rhythmisch.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Mittelfinger Grundgelenk rechts: Narbe dorsal nach Implantation eines Gelenksimplantat, keine wesentliche Umfangsvermehrung, keine Schwellung, endlagiges Beugedefizit des Mittelfingers.
Daumengrundgelenk rechts: Narbe nach Verschraubung, in Streckstellung verschraubt Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich annähernd frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist links komplett, rechts 2 und 3 endlagig eingeschränkt, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Opponensfunktion kraftvoll möglich. ? Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.
Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.
Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.
Hüftgelenk rechts: endlagige Schmerzen bei Außenrotation, sonst unauffällig
Kniegelenk rechts: unauffällig
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften frei, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 80° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Deutlich Hartspann im Bereich der Schulter- und Nackenmuskulatur, geringgradig paralumbal. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich
BWS/LWS: FBA: 20 cm, in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich, Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einem Gehstock rechts geführt, das Gangbild im Untersuchungszimmer barfuß ohne Hilfsmittel und ohne Anhalten ist geringgradig rechts hinkend, Schrittlänge geringgradig verkürzt, Richtungswechsel sicher durchführbar.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates Unterer Rahmensatz, da Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule, Fingergelenke und rechten Hüfte jeweils mit geringen funktionellen Einschränkungen.
02.02.02
30
2
Bluthochdruck
05.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt."
Im Wege des Parteiengehörs räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit ein zum eingeholten Gutachten eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, und führte die Beschwerdeführerin in einer Stellungnahme vom 06.02.2019 im Wesentlichen Gründe dafür an, öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen zu können.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.02.2019 sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle und wies den Antrag ab. In der Begründung des Bescheides verwies die belangte Behörde auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, welche als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das ärztliche Gutachten vom 21.01.2019 übermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte darin im Wesentlichen vor, der Grad der Behinderung sei als unverhältnismäßig niedrig beurteilt worden, und ihr Alter von 85 Jahren sei kaum gewürdigt worden. Darüber hinaus brachte sie - wie bereits in der Stellungnahme zum Parteiengehör - vor, aus welchen Gründen sie ein öffentliches Verkehrsmittel nicht benützen könne. In der Beschwerde stellte die Beschwerdeführerin die Anträge der Beschwerde stattzugeben und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 25.03.2019 zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführerin stellte am 14.11.2018 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
Bei der Beschwerdeführerin wurden folgende Funktionseinschränkungen festgestellt:
1 Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates (02.02.02, 30%)
2 Bluthochdruck (05.01.01, 10%)
Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken besteht.
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 v.H.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Datum der Einbringung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zu den behindertenrelevanten Funktionseinschränkungen und zum Grad der Behinderung ergeben sich aus dem eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie vom 21.01.2019, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin.
In dem ärztlichen Gutachten wurde - unter Zugrundelegung der vorgelegten Beweismittel - auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.
In der Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin vor, der Grad der Behinderung sei als unverhältnismäßig niedrig beurteilt worden, und ihr Alter von 85 Jahren sei kaum gewürdigt worden.
Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die fachärztliche Sachverständige in ihrem Gutachten Leiden 1 "Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates" entsprechend der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 02.02.02 und einem Grad der Behinderung von 30 v.H., da Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule, der Fingergelenke und der rechten Hüfte jeweils mit geringen funktionellen Einschränkungen vorliegen, eingeschätzt hat. Leiden 2 "Bluthochdruck" wurde ebenfalls entsprechend der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem fixen Rahmensatz unter der Positionsnummer 05.01.01 und einem Grad der Behinderung von 10 v.H. eingeschätzt. Diese Einschätzungen sind schlüssig und nachvollziehbar und entsprechen den vorliegenden Funktionseinschränkungen.
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin ihr Alter von 85 Jahren sei kaum gewürdigt worden ist festzuhalten, dass die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen sind, und dieser nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage zur Einschätzungsverordnung festgelegt ist. Das Alter ist zur Beurteilung des Grades der Behinderung nicht relevant (siehe auch unter Pkt. 3 Rechtliche Beurteilung).
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass den Ausführungen der Beschwerdeführerin in einer Stellungnahme und der Beschwerde - aus welchen Gründen sie ein öffentliches Verkehrsmittel nicht benützen könne - ebenfalls keine Relevanz zukommt, da Gegenstand des gegenständlichen Verfahrens der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und nicht auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" ist, und überdies die grundsätzliche Voraussetzung für die Vornahme der genannten Zusatzeintragung - nämlich das Vorhandensein eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v. H. - bei der Beschwerdeführerin nicht vorliegt.
Die Beschwerdeführerin hat keine Einwendungen erhoben, welche das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften vermochten, und hat auch mit der Beschwerde keine neuen Beweismittel vorgelegt.
Die Beschwerdeführerin ist dem vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Sie hat kein Sachverständigengutachten oder eine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der befassten Sachverständigen unschlüssig oder unzutreffend seien.
Das vorliegende fachärztliche Sachverständigengutachten vom 21.01.2019 ist vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen und es bestehen seitens des Bundesverwaltungsgerichtes keine Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtensergebnisses und der erfolgten Beurteilung durch die Sachverständige. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. 2r. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers /§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorgesehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 leg. cit. nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 35 Abs. 1 EStG steht dem Steuerpflichtigen, der außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat und weder der Steuerpflichtige nach sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, ein Freibetrag gemäß Abs. 3 leg. cit. zu.
Gemäß § 35 Abs. 2 EStG bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hierfür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 162/2010, die die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständige Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
-
der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947)-
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie beim Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Arten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; diese hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung diese Bestimmungen ergangen Bescheid zu erstellen.
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 (Einschätzungsverordnung), lauten auszugsweise:
"Behinderung
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."
Betreffend die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Leiden ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung Nachfolgendes zu entnehmen:
"02.02 Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates
02.02.01 Mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades 10 - 20 % Leichte Beschwerden mit geringer Bewegungs- und Belastungseinschränkung
02.02.02 Mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades 30 - 40 % Mäßige Funktionseinschränkungen, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität
05 Herz und Kreislauf
05.01 Hypertonie
05.01.01 Leichte Hypertonie 10 %."
Da in dem gegenständlichen fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 21.01.2019, das vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewertet wurde, ein Grad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt wurde, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt.
Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Beurteilung des Grades der Behinderung in Betracht kommt.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist (vgl. VwGH vom 16.09.2008, Zl. 2008/11/0083).
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarere verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs.4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin unter Mitwirkung einer fachärztlichen Sachverständigen und nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung nach den Bestimmungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwendungen waren nicht geeignet, das Sachverständigengutachten zu entkräften. Neue medizinische Beweismittel wurden mit der Beschwerde nicht vorgelegt. Für das Bundesverwaltungsgericht ergaben sich keine weiteren Fragen an die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde oder an die befasste Sachverständige. Das Sachverständigengutachten ist schlüssig und der Sachverhalt ist als geklärt anzusehen, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W166.2216477.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.08.2019