TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/20 W119 2144951-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.05.2019
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Entscheidungsdatum

20.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W119 2144951-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. 12. 2016, Zl 1075025507-150732888, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21. 3. 2018 und am 8. 3. 2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 24. 6. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung nach dem AsylG am 25. 6. 2015 gab er an, der tadschikischen Volksgruppe anzugehören und sunnitischen Bekenntnisses zu sein. Er stamme aus der Provinz Kapisa und habe zwölf Jahre die Grundschule besucht. Seine Eltern, seine zwei Schwestern und seine vier Brüder würden weiterhin in Afghanistan leben. Zu seinem Fluchtgrund führte er an, dass seine Familie aufgrund der von seinem Bruder ausgeübten Tätigkeit als Polizist von den Taliban Drohbriefe erhalten habe. Zudem herrsche in Afghanistan Krieg, sodass man dort ständig in der Angst lebe, bei einem durch die Taliban verübten Attentat getötet zu werden. Im Fall seiner Rückkehr befürchte er von den Taliban getötet zu werden.

Am 14. 11. 2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen und gab eingangs an, anlässlich der durchgeführten Erstbefragung die Wahrheit angegeben zu haben. Weiters gab er an, weder einen Reisepass noch eine Tazkira zu besitzen. Da sein Elternhaus vom Hochwasser zerstört worden sei, habe er mit seiner Familie im Nachbarhaus gelebt. Sie hätten von anderen Dorfbewohnern Grundstücke erhalten, die sie bewirtschaftet hätten. Seine Eltern seien bei kriegerischen Handlungen zwischen der afghanischen Polizei und den Taliban gestorben. Seine Schwestern seien verheiratet, zwei Brüder würden sich im Iran aufhalten. Er habe einen Onkel mütterlicherseits, der mit seiner Familie im Iran lebe. Er habe keine Schule besucht. Außerdem habe er sich nie außerhalb seines Heimatdorfes aufgehalten.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab er an, dass es in seinem Heimatdorf ständig kriegerische Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den Taliban gegeben habe. Die Taliban hätten die Bevölkerung immer wieder motiviert, Opium anzubauen und sich ihnen anzuschließen, da sie dafür viel Geld erhalten würden. Schließlich seien sie auch dazu angehalten worden, Selbstmordattentate zu verüben. Die Taliban hätten seinen Vater bedroht, seine Familie umzubringen, wenn er ihnen nicht seine Söhne übergebe. Sein Onkel habe mit den Mujaheddin zusammen gearbeitet und gegen die Taliban gekämpft. Als amerikanische Truppen nach Afghanistan gekommen und die Taliban gestürzt worden seien, habe sein Onkel der Regierung seine Waffen übergeben und sei danach in den Iran gegangen. Einige Zeit später sei er von dort nach Afghanistan abgeschoben worden. Eines Tages hätten die Taliban sein Elternhaus angegriffen und seinen Onkel festgenommen. Zwei Tage später hätte die Familie des Beschwerdeführers seine Leiche auf einem Berg gefunden. Nach diesem Vorfall sei er mit seiner Familie nach XXXX gezogen. Nach fünf bis sechs Monaten hätten die Sicherheitsbehörden die Taliban in seinem ursprünglichen Heimatdorf angegriffen, worauf die Sicherheitsbehörden siegreich hervorgegangen seien. Daraufhin sei er mit seiner Familie wieder dorthin zurückgekehrt. Nach einem Jahr hätten die Taliban sein Elternhaus attackiert, indem das Haus von einer Rakete angegriffen worden sei, worauf er mit seiner Familie wieder nach XXXX gegangen sei. Von dort habe er Afghanistan verlassen und sei in den Iran gegangen. Zuvor habe er sich einige Monate in Kabul aufgehalten. Er habe sich insgesamt ungefähr sieben Monate im Iran aufgehalten.

Auf die Frage, ob er jemals persönlichen Kontakt zu den Taliban gehabt habe, verneinte er dies. Die Taliban hätten nämlich in der Nacht Flugblätter unter die Haustüren gesteckt. Auch sein Vater sei nicht persönlich bedroht worden, sondern habe diese Flugblätter erhalten. Der Angriff auf sein Haus habe sich so gestaltet, dass es zu Kämpfen zwischen der Regierung und den Taliban gekommen sei und eine Rakete sein Elternhaus getroffen habe. Beim zweiten Angriff auf sein Haus habe es ebenso Kämpfe zwischen beiden Truppen gegeben. Auf die Frage, warum er den Tod seines Onkels den Taliban zuschreibe, gab er an, dass dieser ein Soldat von Ahmad Shah Masood gewesen sei und gegen die Taliban gekämpft habe. Auf die Frage, dass er bei der Erstbefragung Drohbriefe wegen der Tätigkeit seines Bruders bei den Polizeibehörden erhalten habe, gab er an, dass dies richtig sei. Es habe sich um 20 bis 25 Stücke gehandelt. Die Frage, ob alle Dorfbewohner solche Drohbriefe oder Flugblätter erhalten hätten, bejahte er. Auf die Frage, ob er von den Taliban persönlich bedroht worden sei, gab er an, dass dies so gewesen sei.

Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Ausfolgung der landeskundlichen Länderfeststellungen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 19. 12. 2016, Zl 1075025507-150732888, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer einerseits angegeben habe, niemals von den Taliban persönlich bedroht worden zu sein, während er andererseits angab, dass ihm von den Taliban Geld angeboten worden wäre, wenn er sich ihnen anschließe. Auch stehe der Tod seines Onkels im Jahr 2006 oder 2007 in keinem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Ausreise.

Weiters würden beim Beschwerdeführer keine individuellen Umstände vorliegen, die dafür sprächen, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine derart extreme Notlage gelänge, die eine unmenschliche Behandlung iSd Art 3 EMRK darstelle.

Auch sei von keiner besonderen Verfestigung des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich auszugehen. Vielmehr kenne der Beschwerdeführer die kulturellen und sozialen Gepflogenheiten in Afghanistan und beherrsche die dort verwendete Sprache auf Muttersprachenniveau. Zudem handle es sich bei ihm um einen gesunden jungen Mann, der in der Lage sein werde, in Afghanistan seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Mit Verfahrensanordnung vom 22. 12. 2016 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, als Rechtsberaterin zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 5. 1. 2017 Beschwerde und führte darin aus, dass über einen schlechten Gesundheitszustand wegen seiner traumatischen Erlebnisse

In Afghanistan verfüge und das Bundesamt entsprechende Untersuchungen unterlassen habe.

Es sei als asylrelevant zu erachten, dass der Beschwerdeführer sich geweigert habe mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Zudem stehe dem Beschwerdeführer keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, da ihn seine Feinde im gesamten Staatsgebiet finden könnten.

In weiterer Folge wurde ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Mit Schreiben vom 23. 11. 2017 übermittelte das Arbeitsmarktservice XXXX eine Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer, die den Zeitraum vom 22. 11. 2017 bis 15. 5. 2018 umfasse und eine Ganztagsbeschäftigung als Abwäscher beinhalte.

Am 21. 3. 2018 und am 8. 3. 2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt als weitere Verfahrenspartei nicht teilnahm.

Am 21. 3. 2018 legte der Beschwerdeführer zunächst zwei Arbeitszeugnisse, eine Einstellungszusage (ab Mai 2018), Gehaltsabrechnungen, eine Bestätigung über eine ehrenamtliche Betätigung bei der Wohngemeinde, ein Schreiben der Volleyballgruppe sowie verschiedene Fotos, die den Beschwerdeführer unter anderem bei der Nagelmeisterschaft zeigen, bei der er den 1. Platz erreichte.

Weiters führte der Beschwerdeführer aus, in einem Dorf im Distrikt XXXX in der Provinz Kapisa geboren zu sein. Er habe nie die Schule besucht. Auf Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung angegeben habe, zwölf Jahre die Schule besucht zu haben, verneinte er dies. Er habe die eigenen landwirtschaftlichen Grundstücke bewirtschaftet. Zu seinen Geschwistern befragt, gab er an, dass seine beiden Schwestern verheiratet seien und in Kapisa lebten. Seine drei Brüder hielten sich im Iran auf. Ein Bruder, zu dem er keinen Kontakt habe, lebe weiterhin in Kapisa. Dieser bestreite seinen Lebensunterhalt durch Feldarbeit oder als Hirte. Seine Mutter habe einen Onkel, der im Iran lebe. Weitere Verwandte habe er in Afghanistan nicht. Sein Elternhaus sei bei einer Überschwemmung zerstört worden, sodass er mit seiner Familie in ein Nachbarhaus übersiedelt sei. Einmal seien die Taliban in seinem Heimatdorf erschienen und hätten einen Anschlag verübt. Dies sei im Jahr 2010 geschehen. Dabei sei sein Haus von einer Rakete zerstört worden. Er könne diesbezügliche Fotos vorlegen, die ihm sein Bruder XXXX geschickt habe. XXXX lebe im Iran.

Er habe einen Onkel väterlicherseits gehabt, der während der Herrschaft der Mujaheddin bewaffnet gewesen sei, später seine Waffen niedergelegt habe und in den Iran geflüchtet sei. Als er nach einiger Zeit in den Iran zurückgekehrt sei, hätten ihn die Taliban zuhause aufgesucht und ihn mitgenommen. Nach zwei Tagen hätten er und seine Familie erfahren, dass ihn die Taliban getötet hätten. Er habe diese Entführung seines Onkels selbst miterlebt. Als sein Bruder XXXX bei der Polizei als Küchenhelfer gearbeitet habe, seien sie ebenfalls von den Taliban bedroht worden. Dies sei mittels eines Briefes erfolgt, in dem gestanden sei, dass sein Bruder für die Polizei arbeiten würde. Zudem hätten sie seinen Vater aufgefordert, ihnen seine Söhne zu übergeben, damit diese in Pakistan zu Selbstmordattentätern ausgebildet werden sollten. Da er und seine Familie des Lesens nicht mächtig gewesen sei, habe ihnen der Mullah diesen übersetzt. Er wisse nicht genau, wann sein Vater den Brief erhalten habe, circa zwischen 1987 und 1989. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geboren gewesen sei, gab er an, dass es zwischen 2007 und 2009 gewesen sein müsse. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer beim Bundesamt angegeben habe, dass sein Vater den Brief zwischen 1389 und 1390 (=2010 - 2011) erhalten habe, gab er an, dass dies richtig sei. Zu seinem Bruder befragt, gab er an, dass dieser von 2010 bis 2011 bei der Polizei gearbeitet habe. Sie seien zu dieser Zeit geflüchtet. Auf Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung das Alter seines Bruders mit 16 Jahren angegeben habe und sein Bruder somit während seiner Tätigkeit der Polizei circa 10 bis 11 Jahre alt gewesen sei, gab er an, dass dies richtig sei. Er habe nur als Aushilfskraft gearbeitet und keine Waffe besessen, um am Krieg teilzunehmen. Auf die Frage, welches Interesse die Taliban an seinem Bruder hätten haben sollen, gab er an, dass die Taliban nicht wollten, dass jemand für die Polizei arbeite. Auf die Frage, wann sein Onkel getötet worden sei, gab er an, dass es zwischen 2005 und 2006 geschehen sei. Als dem Beschwerdeführer vorgehalten wurde, dass sein Bruder von 2010 bis 2011 bei der Polizei gearbeitet habe und sein Onkel 2005 oder 2006 getötet worden sei, sodass die Bedrohungen einen sehr langen Zeitraum stattgefunden hätten, gab er an, dass sie ständig unter den Bedrohungen der Taliban gelitten hätten. Auf Vorhalt, dass er beim Bundesamt angegeben habe, dass sein Vater in den Jahren 2010, 2011 von den Taliban bedroht worden sei, gab er an, dass sie auch zum Zeitpunkt der Tötung seines Onkels bedroht worden seien. Er habe 2013 Afghanistan verlassen. Befragt, ob es noch weitere Vorfälle zwischen 2010 und 2911 gegeben habe, gab er an, dass ihr Wohnhaus von einer Rakete angegriffen worden sei, wobei seine Mutter verletzt und auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben sei. Auf die Frage, ob es sich dabei um einen Angriff der Taliban um einen Angriff auf das Dorf gehandelt habe, gab er an, dass das Dorf angegriffen worden sei, wobei auch sein Elternhaus ebenfalls betroffen gewesen sei, weil sie die Forderungen der Taliban nicht erfüllt hätten. Es seien jedoch auch andere Häuser zerstört worden. Daraufhin sei er mit seiner Familie nach XXXX gezogen. Dort seien sie circa fünf bis sechs Monate geblieben. Während dieser Zeit hätten Regierungstruppen das Heimatdorf von den Taliban befreit. Dann seien sie dorthin zurückgekehrt und circa ein- bis eineinhalb Jahre später nach Kabul geflüchtet und hätten dort in einem Flüchtlingslager gelebt. Sein Vater sei 2014 gestorben, nachdem er von Kabul zurück nach XXXX gegangen sei. Seine drei Brüder seien in den Iran gezogen.

Im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan habe er Furcht vor den Taliban. Diese würden ihm vorwerfen, dass er aus Europa zurückkomme. Auf die Frage, ob er jemals persönlich von den Taliban bedroht worden sei, verneinte er dies. Auf Vorhalt, dass er beim Bundesamt ausgesagt habe, dass auch andere Bewohner Drohbriefe erhalten hätten, gab er an, dass dies auch möglich gewesen sei, dass andere Leute von den Taliban Drohbriefe erhalten hätten.

Zu seinem Leben in Österreich befragt, gab er an, dass er hier kein Familienleben führe, aber viele Freunde besitze. Er habe Deutschkurse besucht, fünf Monate als Küchenhilfe gearbeitet und nun sei er ebenfalls erwerbstätig. Er spiele jeden Tag Volleyball.

Mit Schriftsatz vom 26. 3. 2018 langte eine Stellungnahme der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers ein, in der die Sicherheitslage in Afghanistan bzw in Kabul beschrieben wurde und zudem darauf hingewiesen wurde, dass es für den Beschwerdeführer keine interne Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif gebe. Diesbezüglich wurden Berichte beigefügt. Überdies wurde auf die nicht vorhandene offizielle Berufsausbildung des Beschwerdeführers hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 10. 4. 2018 langte eine ergänzende Stellungnahme ein, in der ein Unterstützungsschreiben der Mitglieder des Volleyballvereines, ein aktueller Lohn- und Gehaltszettel, Fotografien des zerstörten Wohnhauses des Beschwerdeführers sowie eine Fotografie der getöteten Mutter des Beschwerdeführers vorgelegt wurden.

Mit Schreiben vom 23. 11. 2017 übermittelte das Arbeitsmarktservice XXXX eine Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer, die den Zeitraum vom 1. 12. 2018 bis 30. 4. 2019 umfasse und eine Ganztagsbeschäftigung als Abwäscher beinhalte.

Am 8. 3. 2019 fand wegen der sich ständig ändernden Sicherheitslage eine weitere Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht statt, an das das Bundesamt als weitere Partei des Verfahrens nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer legte zunächst ein Arbeitszeugnis seines Arbeitgebers vom März 2019 vor, in dem auf die gute Leistungen des Beschwerdeführers sowie sein freundlicher Umgang mit den Gästen hingewiesen wurde. Überdies legte er auch eine Lohn- und Gehaltsabrechnung vor, in der das Nettoeinkommen für Februar 2019 mit 1.468, - Euro beziffert wurde. Er legte zudem einen Entlassungsbrief des XXXX vom 12. 10. 2018 vor, aus dem hervorgeht, dass er starke Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (Bandscheibenvorfall) gehabt habe. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass in der Provinz Kapisa sein Bruder und zwei Schwestern lebten, zu denen er jedoch keinen Kontakt habe. Er habe keine weiteren Verwandte in Afghanistan. Er habe sich noch nie in Mazar-e Sharif aufgehalten. Er befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung. Im Fall seiner Rückkehr würde man ihn nicht mehr als Moslem wahrnehmen. Er spiele mit Nachbarn Volleyball.

Zu den der Rechtsberaterin in der Verhandlung übergebenen Länderberichten erstattete diese mit Schriftsatz vom 29. 3. 2019 eine schriftliche Stellungnahme, in der sie auf die sich verschlechternde Sicherheitslage in der Provinz Kapisa und Kabul hin. Zudem weise der Beschwerdeführer mehrere Merkmale auf, die ihn besonders vulnerabel machten, da er über keine gesicherten familiären Unterstützungsnetzwerke verfüge, er aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes im westlichen Ausland in eine besondere Außenseiterrolle gedrängt werde und ihm aufgrund seines erlittenen Bandscheibenvorfalles eine Arbeitssuche erschwert werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der tadschikischen Volksgruppe an und bekennt sich zum sunnitisch muslimischen Glauben. Er war zuletzt in einem Dorf im Distrikt XXXX in der Provinz Kapisa wohnhaft. Er stellte am 24. 6. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Provinz Kapisa leben ein Bruder und zwei dort verheiratete Schwestern, zu denen er keinen Kontakt hat. Drei seiner Brüder leben im Iran, ebenso ein Onkel mütterlicherseits. Er verließ im Jahr 2013 Afghanistan.

In seinem Heimatdorf gab es häufig Angriffe der Taliban, bei denen das Elternhaus des Beschwerdeführers - ebenso wie andere Gebäude in diesem Dorf - zerstört wurde. Danach übersiedelte er mit seiner Familie in ein Nachbardorf. Als das Heimatdorf von den Regierungstruppen unter Kontrolle gebracht werden konnte, kehrte der Beschwerdeführer mit seiner Familie zurück. Bei einem dieser Angriffe der Taliban im Jahr 2010 wurde die Mutter des Beschwerdeführers verletzt und starb kurze Zeit später. Als die Taliban das Dorf erneut angegriffen hatten, flüchtete der Beschwerdeführer mit seinem Vater und vier Brüdern nach Kabul, wo er sich fünf Monate aufhielt. Ein Freund überredete den Beschwerdeführer mit ihm nach Europa zu gehen. Er verließ im Jahr 2013 Afghanistan. Sein Vater kehrte in die Provinz Kapisa zurück und starb im Jahr 2014.

Ein Onkel des Beschwerdeführers war ein Mujahed und wurde in den Jahren 2005 oder 2006 in den Bergen von den Taliban getötet.

Festgestellt wird, dass ein Bruder des Beschwerdeführers im Alter von 10 bzw 11 Jahren als Küchenhilfe bei den Polizeibehörden während der Jahre 2010 bis 2011 gearbeitet hatte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers von den Taliban aufgefordert wurde, ihnen den Beschwerdeführer zu überlassen. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers zwischen 2007 und 2009 von den Taliban Drohbriefe erhalten hat.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer wegen seines Onkels von den Taliban verfolgt wird.

Überdies kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zwischen 2010 und 2012 Verfolgungshandlungen ausgesetzt war.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt ausgesetzt. Afghanischen Staatsangehörigen, die aus Europa nach Afghanistan zurückkehren, droht in Afghanistan allein aufgrund ihres Aufenthaltes außerhalb Afghanistans keine psychische und/oder physische Gewalt.

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Kapisa in Afghanistan aufgrund der unsicheren Sicherheitslage eine Gefahr in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Dem Beschwerdeführer ist es jedoch möglich und zumutbar sich in der Stadt Mazar-e Sharif anzusiedeln. Die Wohnraum- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif ist zwar sehr angespannt, der Beschwerdeführer kann jedoch bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten beschäftigt.

Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut und zudem anpassungsfähig.

Er hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Zudem kann er selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und zumindest vorübergehend verschiedene Hilfsprogramme in Anspruch nehmen, die ihn bei der Ansiedlung in Mazar- e Sharif unterstützen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Die Stadt Mazar-e-Sharif ist von Österreich aus sicher über Kabul mit dem Flugzeug zu erreichen.

Der Beschwerdeführer erlitt am 10. 10. 2018 einen Hexenschuss (Lumbago), wegen dem er sich an besagten Tag im einem Krankenhaus befand und dort schmerztherapiert wurde. Es wurden ihm Medikamente zur weiteren Einnahme empfohlen. Er befindet sich jedoch aktuell nicht in ärztlicher Behandlung.

In Österreich besuchte der Beschwerdeführer einen Deutschkurs, konnte jedoch kein Zertifikat vorlegen. Er verfügt über durchaus nennenswerte Deutschkenntnisse. Im Bundesgebiet führt er kein Familienleben und hat hier auch keine verwandtschaftlichen Beziehungen, jedoch österreichische Freunde. Der Beschwerdeführer arbeitet seit Dezember 2017 mittels saisonaler Beschäftigungsbewilligungen als Küchenhilfe in einem Gasthof. Er bezog im Jänner und Februar 2019 ein monatliches Einkommen von 1.950,- Euro brutto, sodass er seinen Lebensunterhalt eigenständig bestreitet. Er bewohnt auch eine Mietwohnung. Weiters war er auch Mitglied einer Volleyballgruppe. Zudem ist er - wie aus den zahlreichen Empfehlungsschreiben zu ersehe ist - in seinem Heimatort gut integriert.

Zur Situation in Afghanistan:

Feststellungen zur Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom Juni 2018 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler, letzte Aktualisierung vom 22. 1. 2019):

Sicherheitslage in Afghanistan:

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS- Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN

5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte.

Sicherheitslage in Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander

in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Sicherheitslage in der Provinz Kapisa:

Kapisa zählt zu den zentralen Provinzen Afghanistans. Die Provinz Panjshir befindet sich im Norden, die Provinzen Kabul und Parwan im Westen, Kabul im Süden, die Provinz Laghman liegt sowohl im Süden, als auch im Osten der Provinz Kapisa (Pajhwok o.D.s). Zu den Distrikten in der Provinz zählen: Hesa Dovon Kohistan, Hesa Aval Kohistan, Koh Band, Nijrab, Ala Sai, Tag Ab und die Provinzhauptstadt Mahmud-i-Raqi (NPS o.D.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 448.245 geschätzt (CSO 2016).

Gewalt gegen Einzelpersonen

6

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

96

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

16

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

8

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

0

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

126

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Kapisa 126 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

In der Provinz Kapisa ist ein flächendeckender Zugriff der Sicherheitskräfte gewährleistet (The Diplomat 31.5.2016). Einem Anrainer zufolge, hat sich die Sicherheitslage in Kapisa verbessert, seit der Polizeichef Fahim Qayam seinen Posten angetreten hat (Pajhwok

5.9.2016). Nach 13 Jahren gelang es der Regierung, Kontrolle über Mineralvorkommen in der Provinz Kapisa zu erlangen. Aufständische hatten über lange Zeit die Kontrolle über die reichen Vorkommen im Distriktzentrum Ala Sai und in der Gegend von Hassan Abad. Die Sicherheitskräfte (ANA und ALP) wurden in den Distrikt entsandt und haben Aktivitäten und Operationen der Aufständischen eingedämmt (Pajhwok 12.2.2017).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Tolonews 23.1.2017; Xinhua 22.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 22.1.2017;

Khaama Press 15.1.2017; Tolonews 12.1.2017; Khaama Press 30.8.2016;

Khaama Press 31.3.2016); dabei wurden unter anderem Aufständische getötet (Sputnik News 20.1.2017; Tolonews 19.1.2017; Khaama Press 7.1.2017; Kabul Tribune 4.1.2017; Pajhwok 28.4.2016).

Im April 2016 berichtet Pajhwok, dass Bauarbeiten an verschieden Straßen und an einer großen Brücke begonnen wurde - damit sollte die Verbindung der Transitrouten zwischen den Provinzen Kapisa und Parwan und in weiterer Folge nach Panjshir, sowie auf der Kabul-Jalalabad-Autobahn gewährleistet werden (Pajhwok 13.4.2016).

Sicherheitslage in der Provinz Balkh:

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

Religionsfreiheit:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi- Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht- Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht- muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).

Ethnische Gruppen:

Paschtunen:

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 20.4.2018). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Grundversorgung und Wirtschaft:

Im Jahr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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