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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des A M S, (geboren am 1. Februar 1958), in Markt Piesting, vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausplatz 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. Jänner 1996, Zl. Fr 3701/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 9. Jänner 1996, wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 26. März 1991 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt und habe am 2. April 1991 einen Asylantrag eingebracht. Von der Bezirkshauptmannschaft Baden sei ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Fremdenpolizeigesetz bis 2. Oktober 1991 erteilt worden; von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 20. August 1992 eine Aufenthaltsberechtigung bis 30. Dezember 1992. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Juni 1995 sei das Asylverfahren abgeschlossen worden und dem Beschwerdeführer kein Asyl gewährt worden. Der Beschwerdeführer habe sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Rumänien und Ungarn aufgehalten. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 käme ihm deshalb nicht zu. Weder aus dem Akteninhalt noch aus der Berufung sei eine nach dem 30. Dezember 1992 erteilte Aufenthaltsberechtigung ersichtlich, sodaß sich der Beschwerdeführer somit seit 31. Dezember 1992 rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte. Er habe mehrmals versucht, im Bundesgebiet einer Beschäftigung nachzugehen, die Anträge auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung seien vom Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt abgewiesen worden. Im Bundesgebiet würden die Ehegattin und die drei minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers leben. Diese hielten sich ebenfalls rechtswidrig in Österreich auf und es sei ein Ausweisungsverfahren anhängig. Die belangte Behörde verkenne nicht, daß die Ausweisung einen vorübergehenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstelle, zumal er nicht nur beabsichtige, in Österreich Asyl zu erhalten, sondern auch einer Beschäftigung nachzugehen. Auf Grund seiner rechtswidrigen Einreise und des nunmehr langen rechtswidrigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei die Ausweisung aber zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) nicht nur zulässig, sondern auch dringend geboten. Es würde einem geordneten Fremdenwesen grob zuwiderlaufen, wenn der rechtswidrige Aufenthalt über einen längeren Zeitraum hinweg ohne Ergreifung fremdenpolizeilicher Maßnahmen beibehalten werde. Die Ausweisung verwehre dem Beschwerdeführer nicht eine neuerliche rechtmäßige Einreise in das Bundesgebiet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 FrG Bedacht zu nehmen.
Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 findet § 17 des Fremdengesetzes auf Asylwerber mit vorläufigem Aufenthaltsrecht keine Anwendung; solche Asylwerber dürfen daher nicht ausgewiesen werden.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Grunde des § 7 Asylgesetz 1991 im Besitz einer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gewesen sei. Vor seiner - unmittelbar vor der Stellung seines Asylantrages erfolgten - Einreise nach Österreich habe er sich in Ungarn aufgehalten, und die belangte Behörde habe sich mit der Frage seiner Verfolgungssicherheit in Ungarn im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend auseinandergesetzt. Die Behörde gehe lediglich auf Grund des Umstandes, daß er sich vor seiner Einreise zunächst in Rumänien und anschließend in Ungarn aufgehalten habe, davon aus, daß ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht zukomme. Bereits im Rahmen der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer auf eine gegen die Abweisung seines Asylantrages gerichtete Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde verwiesen und diese der Berufung angeschlossen. In dieser Beschwerde habe er ausgeführt, daß er während seines Aufenthaltes in Ungarn nicht die Möglichkeit gehabt hätte, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen und daß die begründete Gefahr vorgelegen wäre, daß er ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in seine Heimat abgeschoben würde. Er sei also in Ungarn (und zuvor in Rumänien) nicht vor Abschiebung in seine Heimat sicher gewesen.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt. Gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968 war ein Asylwerber bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn er den Antrag auf Asylgewährung innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt stellte, in dem er in das Bundesgebiet eingereist ist oder in dem er von der Gefahr einer Verfolgung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention angeführten Gründe Kenntnis erlangt hat. Gemäß § 5 Abs. 3 des Asylgesetzes 1968 durfte die vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Fall der rechtzeitigen Stellung des Asylantrages nur dann verneint werden, wenn rechtskräftig festgestellt war, daß der Asylwerber nicht Flüchtling im Sinn des Asylgesetzes 1968 ist, oder wenn er "bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Konvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat". Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgeführt hat, haben die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Asylgesetzes 1991 bestehenden vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968 ihre Geltung nicht verloren und sind nunmehr als vorläufige Aufenthaltsberechtigungen nach dem Asylgesetz 1991 anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1997, Zl. 95/21/0423, mwN).
Aus der Aktenlage ist zu ersehen, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zwar das Asylverfahren des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Juni 1995 abschlägig beendet worden war. Einer dagegen vom Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde war jedoch von diesem mit Beschluß vom 24. August 1995, Zl. AW 95/20/0294, die aufschiebende Wirkung derart zuerkannt worden, daß ihm damit jene Rechtsstellung eingeräumt wurde, die er als Asylwerber vor Erlassung des angefochtenen Asylbescheides hatte.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde - deren Feststellungen zufolge der Beschwerdeführer eine Woche nach seiner Einreise in Österreich einen Asylantrag gestellt hatte - das Bestehen eines vorläufigen Asylrechtes gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968 allein unter Hinweis darauf verneint, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Rumänien und sodann in Ungarn aufgehalten habe. Damit hat sie die Rechtslage verkannt, kam es doch für die Verneinung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung im Grunde des § 5 Abs. 3 leg. cit. unter dem Gesichtspunkt "bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Konvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat" nicht auf den bloßen Aufenthalt des Beschwerdeführers in den genannten Staaten an, vielmehr darauf, daß den Behörden dieser Staaten sein Aufenthalt bekannt war und von ihnen geduldet wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1985, Slg. Nr. 11.773/A).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Wien, am 27. November 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996210196.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
23.02.2010