TE OGH 2019/7/24 8Ob52/19h

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Veröffentlicht am 24.07.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei a***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte OG in Mödling, wegen 25.488,21 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Februar 2019, GZ 15 R 157/18w-28, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. August 2018, GZ 14 Cg 49/17d-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.657,18 EUR (darin 274,53 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagende Leasinggeberin finanzierte – über E-Mail-Anfrage der Lieferantin, zu der sie in keiner Geschäftsbeziehung stand – die Anschaffung eines zum gewerblichen Einsatz bestimmten Elektro-Muskelstimulationsgeräts durch die Beklagte. Die Beklagte hatte sich zu der Anschaffung dieses unter anderem zur Faltenstraffung und Gewichtsreduktion gedachten Geräts nach Gesprächen mit einem Mitarbeiter der Lieferantin und einem Probebetrieb entschlossen. Nach der vertraglichen Konstruktion kaufte die Beklagte das Gerät von der Lieferantin und schloss in der Folge ein sale-and-lease-back-Geschäft mit der Klägerin zu monatlichen Leasingraten von je 540,06 EUR netto bei einer Grundleasingzeit von 60 Monaten, während der die Kündigung ausgeschlossen war. Die Klägerin übermittelte die bereits ausgefüllten Unterlagen für das Leasinggeschäft an die Lieferantin, um diese von der Beklagten unterzeichnen zu lassen. Die Beklagte unterfertigte die Verträge am 17. 6. 2016 und erhielt das Gerät an diesem Tag direkt von der Lieferantin geliefert. Am 30. 6. 2016 wurde der Leasingvertrag und der Kauf- und Übereignungsvertrag von der Klägerin gegengezeichnet und leistete diese den Kaufpreis von 28.392,42 EUR an die Lieferantin. Die Beklagte verwendete das Gerät bis Mai 2017 und bezahlte bis zu diesem Zeitpunkt die Leasingraten. Am 24. 7. 2017 kündigte die Klägerin den Leasingvertrag aufgrund Zahlungsverzugs der Beklagten. Am 21. 2. 2018 übergab die Beklagte das Leasingobjekt an die Klägerin.

Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung von 25.488,21 EUR sA aus der Abrechnung des Leasingvertrags.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass sie vom Vertreter der Lieferantin über die Leasingkonstruktion und die Kündigungsmöglichkeit getäuscht worden sei, wobei der Vertreter der Lieferantin der Klägerin zuzurechnen sei. Darüber hinaus habe die Beklagte den Leasingvertrag als Verbraucherin im Sinn des FAGG abgeschlossen und fristgerecht ihren Rücktritt erklärt.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren übereinstimmend statt.

Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, eine (Hilfs-)Person, deren sich ein Teil im Rahmen von Verhandlungen als Gehilfe bei der Vorbereitung und/oder beim Abschluss eines Vertrags bediene, sei nicht Dritter im Sinne des § 875 ABGB, sondern – als Ausnahme – jenem Teil zuzurechnen. Ein bloßer Bote, der nur zur Einholung von Unterschriften eingesetzt werde, sei hingegen nicht Verhandlungsgehilfe. Die Klägerin habe die Lieferantin nicht mit der Verhandlungsführung oder der Erteilung irgendwelcher Informationen über den Leasingvertrag beauftragt und sie nicht zur Person ihres Vertrauens gemacht. Aus diesem Grund sei ihr das irreführende Verhalten des Mitarbeiters der Lieferantin nicht zuzurechnen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es zur Frage, ob ein bloßer Bote als Dritter im Sinne des § 875 ABGB zu werten sei, einer Schärfung der Rechtsprechung durch das Höchstgericht bedürfe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.

1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen. Dies ist hier der Fall.

2.1 Zu der Frage, ob der Vertreter der Lieferantin der Klägerin irrtumsrechtlich als Verhandlungsgehilfe zuzurechnen, oder ob er als Dritter im Sinne des § 875 ABGB zu qualifizieren ist, hat der Oberste Gerichtshof jüngst in der Entscheidung 4 Ob 41/19m Stellung genommen, der ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Dort hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, dass die Kriterien zur Beurteilung dieser Frage in der (auch aktuellen) Rechtsprechung geklärt sind.

2.2 Nach herrschender Auffassung ist eine Person, deren sich ein Teil im Rahmen von Vertragsverhandlungen als Gehilfe bedient, nicht Dritter im Sinne des § 875 ABGB. Als Gehilfe kommt in Betracht, wer auf der Seite des Erklärungsgegners steht und maßgeblich am Zustandekommen des Geschäfts mitgewirkt hat, sofern seine Erklärung zu seinem Aufgabenbereich gehört (RIS-Justiz RS0016309; 3 Ob 93/16x mwN). Der den Irrtum Veranlassende muss nicht Stellvertreter des Geschäftsherrn bzw mit Vollmacht oder Anscheinsvollmacht ausgestattet sein, er muss vom Geschäftsherrn aber jedenfalls mit der Verhandlungsführung beauftragt sein (RS0016310 [T15]). Derjenige, der sich bei der Führung von Vertragsverhandlungen eines solchen Gehilfen bedient, haftet für einen von diesem veranlassten Irrtum wie für einen von ihm selbst veranlassten (RS0016200).

2.3 Wie der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 41/19m unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den auch in der vorliegenden Revision zitierten Entscheidungen 7 Ob 639/85, 6 Ob 507/95, 8 Ob 76/06v, 6 Ob 24/10p, 1 Ob 5/04y, 4 Ob 129/12t und 2 Ob 112/00k hervorgehoben hat, bedarf es nach diesen Grundsätzen für die Zurechnung einer Person als Verhandlungsgehilfe im Sinne des § 875 ABGB eines besonderen Zurechnungselements. Dieses Element besteht darin, dass die Person „auf der Seite des Erklärungsgegners“ (Geschäftspartners des Irrenden) und damit für diesen auftritt. Dazu muss er vom Erklärungsgegner mit der Verhandlungsführung beauftragt oder mit einem bestimmten Aufgabenbereich, zu dem die Verhandlungsführung zählt, betraut worden sein (Interessenverfolgung).

3. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Lieferantin im Anlassfall nicht mit der Verhandlungsführung für die Klägerin beauftragt war, sondern dieser lediglich eine bloße Botentätigkeit zukam, weshalb sie der Klägerin nicht als Verhandlungsgehilfin zuzurechnen ist, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.

Nach den Feststellungen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mitarbeiter der Lieferantin (der auch als solcher auftrat) Verhandlungsgehilfe der Klägerin gewesen wäre. Erst nachdem sich die Beklagte zur Anschaffung des Geräts entschieden hatte, wurde die Finanzierungsanfrage im Rahmen eines sale-and-lease-back-Geschäfts an die Klägerin gestellt; bis dahin war die Klägerin in das Geschäft nicht involviert. Die Lieferantin war auch nicht vorab zum Zweck der Vermittlung mit Formularen oder Geschäftsunterlagen der Klägerin ausgestattet oder gar zum Vertragsabschluss ermächtigt. In der Folge wurden die bereits ausgefüllten Vertragsunterlagen von der Klägerin nur zum Zweck an die Lieferantin übermittelt, diese von der Beklagten unterfertigen zu lassen. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, dass die Lieferantin mit der Verhandlungsführung oder der Erteilung von Informationen zum Leasinggeschäft beauftragt war. Vielmehr war, worauf auch das Berufungsgericht hingewiesen hat, nach den Bestimmungen des Leasingvertrags der Lieferant ausdrücklich nicht berechtigt, Erklärungen für die Klägerin abzugeben oder entgegenzunehmen.

4. Dem Argument der Revisionswerberin, dass der Vertreter der Lieferantin zumindest als Anscheinsgehilfe der Klägerin anzusehen sei, hat der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 41/19m entgegnet, dass auch für die Qualifikation als Anscheinsgehilfe ein besonderes Zurechnungselement erforderlich ist, das darin besteht, dass der Gehilfe zumindest scheinbar – aufgrund eines vom scheinbaren Geschäftsherrn ausgehenden Rechtsscheins – in dessen Pflichtenprogramm gegenüber dem Vertragspartner einbezogen war (vgl dazu allgemein RS0028425; RS0028499). Der Anschein der Gehilfenhaftung erfordert zumindest ein bewusstes, nach außen erkennbares Gewährenlassen des Gehilfen, wofür im Anlassfall ebenfalls keine Anhaltspunkte bestehen.

5.1 Da nach dem festgestellten Sachverhalt das Berufungsgericht vertretbar davon ausgegangen ist, dass innerhalb der Jahresfrist (§§ 11, 12 FAGG) weder von noch namens der Beklagten ein Rücktritt von den Verträgen, insbesondere vom Leasingvertrag, erklärt wurde, kann die Anwendbarkeit des FAGG dahingestellt bleiben.

5.2 Das Berufungsgericht hat im Zusammenhang mit von der Beklagten eingewandten Gewährleistungsansprüchen eine „erstmalige Verschaffungspflicht“ der Klägerin als Leasinggeberin aufgrund der konkreten Vertragskonstruktion verneint. Die Einzelfallbezogenheit spricht aber schon grundsätzlich gegen das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. Mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung, wonach beim Finanzierungsleasing die Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs der Sache zur unabdingbaren Verpflichtung des Leasinggebers im Austauschverhältnis zu den Leasingraten gehört (RS0020739), zeigt die Beklagte eine solche auch nicht auf. Dieser Judikatur liegt zugrunde, dass der Leasingnehmer keinen Kaufvertrag mit dem Lieferanten abschließt, weshalb ihm diesem gegenüber weder Eigentumsverschaffungsansprüche, noch eigene vertragliche Gewährleistungsansprüche oder ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung zustehen (4 Ob 90/19t mwN auf 4 Ob 59/09v; 2 Ob 1/09z; 5 Ob 159/09g; 7 Ob 173/10g). Vielmehr erwirbt der Leasinggeber das Leasinggut bei einem Dritten (Lieferanten, Hersteller, Händler), um es dem Leasingnehmer für eine bestimmte Zeit zum Gebrauch zu überlassen (RS0019912).

Im vorliegenden Fall allerdings hat die Beklagte das Leasinggut vom Dritten selbst käuflich erworben und an die Klägerin (weiter-)verkauft. Das Leasingobjekt befand sich im Zeitpunkt des Verkaufs an die Klägerin bzw des Zurückleasens von dieser bereits durchgehend bei der beklagten Leasingnehmerin, womit die Verschaffung des Objekts durch den Lieferanten aufgrund des (mit der späteren Leasingnehmerin abgeschlossenen) ersten Kaufvertrags dem Leasingvertrag (und den daraus abzuleitenden Rechten und Pflichten) zeitlich vorgelagert war. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist daher in der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu erblicken (so jüngst auch 4 Ob 90/19t).

5.3 Demgemäß liegen die in diesem Kontext von der Revisionswerberin geltend gemachten Verfahrensmängel und sekundären Feststellungsmängel schon wegen fehlender Relevanz nicht vor.

6. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]). Der Ansatz nach TP 3C RATG beträgt bei einer Bemessungsgrundlage von 25.488,21 EUR allerdings richtig 913,70 EUR.

Textnummer

E125841

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00052.19H.0724.000

Im RIS seit

20.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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