TE OGH 2019/7/25 2Ob19/19m

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Veröffentlicht am 25.07.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2017 verstorbenen I***** H*****, zuletzt *****, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. I***** R*****, 2. P***** G*****, beide *****, vertreten durch Gruböck & Lentschig Rechtsanwälte OG in Baden, 3. J***** S*****, vertreten durch Dr. Herbert Wabnegg, Rechtsanwalt in Wien, 4. F***** M*****, 5. R***** H*****, 6. A***** W*****, 7. M***** W*****, 8. C***** B*****, 9. G***** O*****, 10. G***** H*****, 11. R***** O*****, 12. R***** F*****, 13. E***** G*****, 14. W***** F*****, alle vertreten durch Noll, Keider Rechtsanwalts GmbH in Wien, über den Revisionsrekurs der 4.–14. Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 10. Dezember 2018, GZ 16 R 344/18d-82, womit infolge Rekurses der 4.–14. Antragsteller der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 10. Oktober 2018, GZ 10 A 21/17s-68, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der 4.–14. Antragsteller aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die am ***** 2017 verstorbene Erblasserin war geschieden und hatte keine Kinder. Die 4.–14. Antragsteller sind Nachkommen einer Tante und zweier Onkel der Erblasserin (jeweils väterlicherseits). Mit Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 25. 6. 2014, GZ *****, war ihr ein Sachwalter für alle Angelegenheiten bestellt und festgehalten worden, dass die Erblasserin ihren letzten Willen nur mündlich vor Gericht oder einem Notar erklären kann.

Die Erblasserin hinterließ ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament vom 27. 7. 2016, mit dem sie die Drittantragstellerin zur Alleinerbin einsetzte.

Weiters liegt die Fotokopie eines von der Erblasserin eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testaments vom 12. 12. 1994 vor. Auf dieser befinden sich originale eigenhändige Streichungen und Änderungen durch die Erblasserin und eine originale eigenhändige Unterschrift der Erblasserin vom 3. 11. 2003. Die Urkunde hat folgenden Inhalt (originale Teile vom 3. 11. 2003 in Fettdruck hervorgehoben):

                           „Testament

Ich, I***** H*****, geboren am ***** 1932, wohnhaft ***** errichte meinen letzten Willen wie folgt:

1. Ich widerrufe sämtliche von mir etwa früher errichtete letztwillige Verfügungen und erkläre dieselben ausdrücklich für aufgehoben und nichtig.

2. Zum Alleinerben meines gesamten Nachlassvermögens berufe ich meinen Lebensgefährten, Herrn W***** G*****, geb. ***** 1939, wohnhaft an obiger Adresse.

Sollte Herr W***** G***** meine Erbschaft aus welchen Gründen auch immer nicht annehmen können oder wollen, so berufe ich zu gleichen Teilen zu dessen Ersatzerben Herrn P***** G***** [Anm: Zweitantragsteller], geb. ***** 1965, und Frau K***** G***** I***** R*****, [Anm: Erstantragstellerin] geb. ***** 1975 am ***** 1963.

Wien, am 12. Dez. 1994

                                             I***** H*****

geändert am

3. 11. 2003 I***** H*****

Die Erblasserin wohnte bis zur Übersiedelung in ein Pflegeheim im Mai/Juni 2014 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten in ihrem Haus in Baden. Letzterer bewohnte weiterhin das Haus bis zu seinem Tod am 30. 6. 2014. Die Kopie des Testaments vom 12. 12. 1994 samt originalen Änderungen vom 3. 11. 2003 wurde in einem Kuvert aufbewahrt, welches sich in einer verschlossenen Schatulle im Haus der Erblasserin befand. Das Haus wurde, nachdem es im Herbst 2016 von einem Unternehmen geräumt worden war, im November 2016 verkauft. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass das Originaltestament vom 12. 12. 1994 durch Zufall und ohne Kenntnis der Erblasserin untergegangen ist.

Im Verlassenschaftsverfahren gaben die Erstantragstellerin und der Zweitantragsteller aufgrund des Testaments vom 12. 12. 1994 sowie dessen Änderungen vom 3. 11. 2003 je zur Hälfte des Nachlasses die bedingte Erbantrittserklärung ab. Die Drittantragstellerin gab aufgrund des Testaments vom 27. 7. 2016 zum gesamten Nachlass die bedingte Erbantrittserklärung ab. Die 4.–14. Antragsteller gaben jeweils aufgrund des Gesetzes bedingte Erbantrittserklärungen ab, deren Quoten sie im Zuge des Verfahrens über das Erbrecht entsprechend ihrem Verwandtschaftsgrad konkretisierten.

Im Verfahren über das Erbrecht brachten die Erstantragstellerin und der Zweitantragsteller vor, beim Testament vom 12. 12. 1994/3. 11. 2003 handle es sich um ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament. Insbesondere die Änderung samt Unterschrift liege auch im Original vor. Das Abhandenkommen des Originals der letztwilligen Verfügung sei nicht mit Wissen und Willen der Erblasserin erfolgt, sondern vielmehr ihrem schlechten geistigen Gesundheitszustand und der damit einhergehenden mangelhaften Fähigkeit, Ordnung zu halten, zuzurechnen. Es habe sich lediglich um einen zufälligen Verlust der letztwilligen Anordnung und nicht um einen Widerruf gehandelt. Die Verstorbene sei zuletzt ein „Messie“ und das Auffinden des Originaltestaments in ihrem Haus mit Sicherheit nicht möglich gewesen. Dieses sei im Zuge des Verkaufs und der Räumung des Hauses verloren gegangen. Der wahre Wille der Erblasserin sei aufgrund der vorliegenden handschriftlich ergänzten Testamentskopie vom 12. 12. 1994/3. 11. 2003 evident, nämlich die Einsetzung des Lebensgefährten als Erben sowie der Erstantragstellerin und des Zweitantragstellers als Ersatzerben.

Die Drittantragstellerin brachte vor, das Testament vom 27. 7. 2016 sei gültig. Die Erblasserin habe sich bei dessen Abfassung in einem „lichten Augenblick“ befunden.

Die 4.–14. Antragsteller brachten vor, die Kopie des Testaments vom 12. 12. 1994 mit Änderungen vom 3. 11. 2003 stelle kein formal gültiges eigenhändiges Testament dar. Die Kopie eines Testaments, also dessen bloße „Abschrift“, entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Eigenhändigkeit eines Testaments. Die handschriftliche Streichung und die Hinzufügung des Namens auf der Kopie ergäben für sich gesehen keinen Sinn und enthielten keine Erbeinsetzung. Im Falle eines Verlusts der Urkunde sei zu vermuten, dass das Testament widerrufen worden sei. Das Testament vom 27. 7. 2016 sei ungültig, da es zu einem Zeitpunkt errichtet worden sei, als für die Erblasserin bereits ein Sachwalter für alle Angelegenheiten bestellt und verfügt worden sei, dass die Erblasserin ihren letzten Willen nur mündlich vor Gericht oder einem Notar erklären könne. Selbst bei klarem und eindeutig erweisbarem Willen der Erblasserin seien nicht formgerechte Verfügungen ungültig. Es trete daher die gesetzliche Erbfolge ein.

Das Erstgericht stellte das Erbrecht der Erstantragstellerin und des Zweitantragstellers aufgrund des Testaments vom 12. 12. 1994 mit den Änderungen vom 3. 11. 2003 je zur Hälfte des Nachlasses fest. Die übrigen Erbantrittserklärungen wies es ab. Das Testament vom 27. 7. 2016 sei ungültig, weil es nicht mündlich vor Gericht oder einem Notar errichtet worden sei. Daran hätte auch ein „lichter Augenblick“ der Erblasserin nichts geändert. Hingegen sei das Testament vom 12. 12. 1994 mit den Änderungen vom 3. 11. 2003 gültig. Da die Testamentskopie sowohl eigenhändige Änderungen als auch eine eigenhändige Unterschrift aufweise, bliebe der Sinn der Formvorschriften des § 578 ABGB, nämlich die Individualisierbarkeit eines Testaments und die Verhinderung von Kopien ohne Wissen des Erblassers, gewahrt.

Das von den 4.–14. Antragstellern angerufene Rekursgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und bestätigte dessen Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Trotz der Zwischenschaltung eines Kopiergeräts finde sich durch die eigenhändigen Änderungen samt Unterschrift die Individualität des Testators in der Schrift wieder. Die Urheberschaft sowohl des Originals als auch der Änderungen auf der (mit dem echten Original übereinstimmenden) Kopie sei nicht zweifelhaft. Das Erfordernis einer neuerlichen wortidenten Abfassung wäre ein bloß formaler Selbstzweck. Es werde auch nicht substanziiert in Abrede gestellt, dass das Testament vom 3. 11. 2003 im Gegensatz zur gesetzlichen Erbfolge dem tatsächlichen Willen der Erblasserin entspreche.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob die Kopie eines eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testaments mit im Original geschriebenen und unterschriebenen Änderungen den Anforderungen des § 578 ABGB genüge.

Gegen die Abweisung ihrer Erbantrittserklärungen und die Feststellung des Erbrechts der Erstantragstellerin und des Zweitantragstellers richtet sich der Revisionsrekurs der 4.–14. Antragsteller mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass ihr Erbrecht gemäß den von ihnen begehrten Quoten aufgrund des Gesetzes festgestellt und die Erbantrittserklärungen der Erstantragstellerin und des Zweitantragstellers abgewiesen werden. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Erstantragstellerin und der Zweitantragsteller beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Er ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Revisionsrekurswerber vertreten die Auffassung, die zwingende Formvorschrift des § 578 ABGB verlange, dass ein eigenhändiges Testament vom Erblasser eigenhändig geschrieben und eigenhändig unterschrieben sei. Da es sich bei dem in Rede stehenden Dokument aber gerade um keine eigenhändige Niederschrift, sondern um die Kopie eines Testaments handle, auf der lediglich eigenhändige Zusätze angebracht worden seien, die für sich genommen den Anforderungen an die inneren und äußeren Formvorschriften eines Testaments nicht genügten, seien die Erstantragstellerin und der Zweitantragsteller nicht erbberechtigt. Selbst bei klar und eindeutig erweisbarem Willen des Erblassers sei eine nicht formgerechte Verfügung ungültig. Maßgebend sei nicht der Wille des Testators schlechthin, sondern nur sein gültig erklärter Wille. Die Formvorschriften des § 578 ABGB seien keiner teleologischen Reduktion zugänglich. Sie sollten die Feststellung der Identität des Verfassers ermöglichen und eine Garantie gegen die Verfälschung des Testaments bieten.

Hiezu wurde erwogen:

1. Im Hinblick auf das Errichtungsdatum der letztwilligen Verfügungen sind auf diese die §§ 577 bis 591 und 603 ABGB idF des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) nicht anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 5 ABGB). Es ist daher insoweit die Rechtslage vor Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 maßgeblich.

2. Die Formvorschriften der §§ 578 ff ABGB aF sind zwingend. Wurde die Form nicht gewahrt, so führt dies gemäß § 601 ABGB selbst bei klarem und eindeutig erweisbarem Willen des Erblassers zur Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung (2 Ob 126/18w; RS0012514). Denn der Grundsatz, dass dem wahren erblasserischen Willen zu entsprechen sei, hat dort seine Grenze, wo es sich um Formvorschriften für letztwillige Verfügungen im engeren Sinn handelt (RS0012452).

3. Gemäß § 578 Satz 1 ABGB aF muss, wer schriftlich und ohne Zeugen testieren will, das Testament oder Kodizill eigenhändig schreiben und eigenhändig mit seinem Namen unterfertigen.

3.1 Das eigenhändige Testament besteht aus einer eigenhändig geschriebenen Erklärung, die der Erblasser eigenhändig unterschreibt. Das Gesetz unterscheidet also zwischen beiden Bestandteilen des Testaments. Erst wenn sie beide vorliegen und sich aufeinander beziehen, liegt ein Testament vor (Weiß in Klang III² 303; Tschugguel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ § 578 Rz 3).

3.2 Auch der Text der Erklärung muss vom Erblasser selbst eigenhändig geschrieben sein (Welser, Erbrecht [2019] 99). Die Eigenhändigkeit soll eine Garantie gegen die Verfälschung des Testaments bieten und die Feststellung der Identität des Verfassers ermöglichen (7 Ob 185/05i mwN; Eccher/Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 578 Rz 2; Tschugguel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ § 578 Rz 4).

Das bedeutet, dass, wie bei der Unterschrift, auch beim Text der Urkunde die Schrift unmittelbar durch den Erblasser selbst erzeugt werden muss (1 Ob 571/93 [mit Blaupapier angefertigte Durchschrift]; Tschugguel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ § 578 Rz 4). Die Herstellung des Textes mit Schreibmaschine, Stempel, Computer, Kopierer oder Telefax, auch durch den Verfügenden selbst, erfüllt das Erfordernis nicht (vgl 1 Ob 145/05p [Telefax]; 2 Ob 130/99b SZ 72/87 [Fotokopie]; 2 Ob 796/50 SZ 23/389 [beglaubigte Fotokopie]; Tschugguel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ § 578 Rz 4; Eccher/Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 578 Rz 2; Welser, Erbrechtskommentar § 578 Rz 2; Weiß/Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 152 f). Zwar lassen auch mittels Telefax oder Kopierer hergestellte Schriftstücke das individuelle Schriftbild des Erblassers erkennen. Es sind aber die Fälschungsmöglichkeiten ungleich größer, sodass die Echtheit nicht ausreichend garantiert ist (Weiß/Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 153).

3.3 Bei dem lediglich in Kopie vorhandenen Textteil der Urkunde vom 3. 11. 2003 handelt es sich daher um keinen eigenhändigen Text. Daran ändern auch die darin vorgenommenen originalen eigenhändigen Streichungen und Änderungen samt Originalunterschrift der Erblasserin nichts.

3.4 Damit stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob die originalen eigenhändigen Teile des Schriftstücks für sich genommen einen Sinn ergeben. Denn nur dann läge insoweit eine formgültige letztwillige Verfügung vor, die allenfalls durch Bezugnahme auf den übrigen Urkundeninhalt ausgelegt werden könnte (2 Ob 106/15z; vgl auch RS0121863; RS0012455; Welser, Erbrechtskommentar § 578 Rz 9). Nur der originale eigenhändig geschriebene Text wäre dann wirksam und so zu lesen, als ob der (ungültige) kopierte Teil nicht vorhanden wäre (vgl 2 Ob 106/15z; auch RS0121863; Weiß/Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 153).

Die originalen eigenhändig geschriebenen Teile der Urkunde bestehen aus der geänderten Adresse der Erblasserin, Namen und Geburtsdatum der Erstantragstellerin, danach der Erwähnung „geändert am“ sowie Datum und Unterschrift der Erblasserin. Sie enthalten weder eine Erbeinsetzung noch ergeben sie für sich genommen sonst einen sinnvollen Text, sodass darin keine letztwillige Verfügung erblickt werden kann.

3.5 Die Urkunde vom 3. 11. 2003 stellt somit keine wirksame letztwillige Verfügung der Erblasserin dar und scheidet als Berufungsgrund aus.

4. Gemäß § 722 ABGB idF ErbRÄG 2015 (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB) bleibt der letzte Wille wirksam, wenn die Urkunde nur zufällig zerstört wird oder verloren geht, sofern der Zufall oder Verlust und der Inhalt der Urkunde bewiesen werden. Bloß zufällig verletzte oder verloren gegangene Anordnungen sind daher weiter wirksam. Insoweit liegt kein schlüssiger Widerruf des Testaments vor (5 Ob 785/81 SZ 55/4; Welser, Erbrechtskommentar §§ 721, 722 Rz 7). Diese Bestimmung entspricht dem § 722 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 mit lediglich sprachlichen Änderungen (Eccher in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 722 Rz 1; vgl ErläutRV zu §§ 721, 722 ABGB, abgedruckt bei Welser, Erbrechtskommentar), sodass dazu auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Sie regelt insbesondere die Verteilung der Beweislast (Eccher in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 722 Rz 1; allgemein zur Beweislast im Verfahren über das Erbrecht vgl 2 Ob 78/17k): Wer sich auf ein in Verlust geratenes Testament zu seinen Gunsten beruft, muss nicht nur dessen Inhalt beweisen, sondern auch den Umstand, dass der Verlust oder die Vernichtung des Testaments auf einem Zufall beruht und nicht auf den Willen des Erblassers zurückzuführen ist (RS0012797). Dies gilt auch, wenn sich der Erbansprecher zum Beweis des Inhalts auf eine Fotokopie des Testaments stützen kann (2 Ob 130/99b; 2 Ob 796/50; RS0012793).

5. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass ein von der Erblasserin eigenhändig geschriebenes und auch unterschriebenes Testament vom 12. 12. 1994 existierte. Weiters, dass darin die Streichungen und Ergänzungen vom 3. 11. 2003 nicht enthalten waren, wovon auch das Rekursgericht ausging. Das Erstgericht konnte aber nicht feststellen, dass das Originaltestament vom 12. 12. 1994 durch Zufall und ohne Kenntnis der Erblasserin untergegangen ist.

6. Dies bedeutet zunächst, dass eine wirksame Einsetzung der Erstantragstellerin als Ersatzerbin jedenfalls nicht vorliegt, zumal diese auch im Originaltestament vom 12. 12. 1994 nicht genannt war.

7. Der Zweitantragsteller hat die Feststellung des Erstgerichts zum Verbleib des Originaltestaments vom 12. 12. 1994 in seiner Rekursbeantwortung als unrichtig bekämpft und die Feststellung begehrt, dieses sei durch Zufall untergegangen. Gelänge ihm dieser Beweis, so wäre dieses Testament (zur Gänze) wirksam geblieben und es läge eine wirksame Einsetzung des Zweitantragstellers und der (nicht verfahrensbeteiligten) K***** G***** als Ersatzerben je zur Hälfte des Nachlasses vor. Mit dieser Tatsachenrüge hat sich das Rekursgericht jedoch aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht nicht auseinandergesetzt, was der Zweitantragsteller in seiner Revisionsrekursbeantwortung als Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens auch rügt. Somit ist eine Entscheidung in der Sache durch den Obersten Gerichtshof noch nicht möglich.

8. Nach § 161 Abs 1 AußStrG hat das Gericht im Rahmen des Vorbringens der Parteien und ihrer Beweisanbote das Erbrecht der Berechtigten festzustellen und die übrigen Erbantrittserklärungen abzuweisen. Das Gesetz sieht eine einheitliche Entscheidung über das Erbrecht und die Abweisung der übrigen Erbantrittserklärungen vor und ermöglicht keine gesonderte Erledigung einzelner Erbantrittserklärungen (vgl 6 Ob 282/07z; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 161 Rz 28).

Daher ist der angefochtene Beschluss zur Gänze aufzuheben. Das Rekursgericht wird sich im fortgesetzten Verfahren mit der Tatsachenrüge des Zweitantragstellers auseinanderzusetzen und eine neuerliche Entscheidung zu treffen haben.

9. Der

Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 Abs 1 Satz 2

AußStrG.

Textnummer

E125836

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00019.19M.0725.000

Im RIS seit

20.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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