Entscheidungsdatum
17.07.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §13Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Präsidenten Dr. Purtscher über die Beschwerde der AA GmbH mit dem Sitz in Z, Adresse 1, vertreten durch BB, öffentlicher Notar in Z, Adresse 2, gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 27.09.2016 (richtig: 27.09.2017), Zl ***, betreffend die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zu einem Kaufvertrag,
zu Recht:
1. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt:
Mit Kaufvertrag vom 12.07.2017 hat CC das neugebildete Gst **1 mit 793 m² samt darauf errichtetem Gebäude aus der Liegenschaft in EZ *** GB Y um den Kaufpreis von Euro 700.000,00 an die AA GmbH mit dem Sitz in Z, Adresse 1, verkauft.
Mit Eingabe vom 13.07.2017 hat die rechtsfreundlich vertretene Käuferin dieses Rechtsgeschäft entsprechend der Vorschrift des § 23 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (TGVG) angezeigt.
Mit Bescheid vom 27.09.2016 (richtig: 27.09.2017), Zahl ***, hat die Bürgermeisterin der Stadt Z diesem Kaufvertrag, gestützt auf die Vorschriften betreffend den Ausländergrundverkehr, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt.
Gegen diese Entscheidung hat die rechtsfreundlich vertretene AA GmbH mit näherer Begründung fristgerecht Beschwerde erhoben.
Mit Schriftsatz vom 16.07.2019, beim Landesverwaltungsgericht Tirol eingelangt am 17.07.2019, hat die rechtsfreundlich vertretene AA GmbH ihre Anzeige an die Grundverkehrsbehörde bzw den diesbezüglichen Antrag zurückgezogen.
II. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen konnten unbedenklich aufgrund der Unterlagen im Behördenakt sowie aufgrund der auf Beschwerdeebene erfolgten Zurückziehung der Anzeige an die Grundverkehrsbehörde getroffen werden. Diese Feststellungen stehen im Übrigen außer Streit.
III. Rechtslage:
Die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018, welche gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I 133/2013 idF BGBl I Nr 57/2018, auch auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG sinngemäß anzuwenden sind, lauten auszugsweise:
„3. Abschnitt: Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten
Anbringen
§ 13
(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.
…
(7) Anbringen können in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.
…“
IV. Rechtliche Erwägungen:
Die Verfahrenshandlungen eines Beteiligten, mit denen er an die Behörde herantritt, fasst § 13 AVG unter dem Begriff „Anbringen“ zusammen; darunter sind Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen zu verstehen. Anbringen können auf die Erlassung eines Bescheides abzielen und begründen diesfalls eine Entscheidungspflicht der Behörde; vielfach ist in den Verwaltungsvorschriften vorgesehen, dass ein Verwaltungsverfahren nur aufgrund einer Initiative eines Beteiligten einzuleiten ist. In diesen Fällen darf ein Bescheid – bei sonstiger Verletzung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) – nur aufgrund eines Anbringens erlassen werden (vgl Kolonovits/ Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 [2019] Rz 150).
Entsprechend der Bestimmung des § 13 Abs 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Eine rechtzeitige Zurückziehung eines Anbringens – also vor Erlassung des Bescheides – bewirkt das Erlöschen der Entscheidungspflicht sowie bei antragsbedürftigen Bescheiden auch der Entscheidungskompetenz der Behörde, sodass über das Anbringen – bei sonstiger Rechtswidrigkeit des Bescheides – nicht mehr abgesprochen werden darf. Im Falle der Erhebung einer rechtzeitigen und zulässigen Berufung ist eine solche Zurückziehung auch noch im Berufungsverfahren möglich. Auch die Berufungsbehörde ist nicht mehr berechtigt, über den (zurückgezogenen) verfahrenseinleitenden Antrag oder über die gegen die bescheidmäßige Abweisung des Antrages eingebrachte Berufung in der Sache abzusprechen. Im Fall der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags hat die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben. Diese Auslegung lässt sich – was im Hinblick auf das durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 geschaffene Rechtsschutzsystem zweckmäßig erscheint – dahingehend abstrahieren, dass die Zurückziehung gemäß § 13 Abs 7 AVG nur bzw noch so lange möglich ist, als noch einmal anhand der Sachlage im Zeitpunkt der (ausstehenden) Entscheidung über den betreffenden Antrag selbst abzusprechen ist. Das bedeutet im Hinblick auf die Funktion der Verwaltungsgerichte bzw der Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG, dass die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages auch noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffend einen Bescheid nach dem AVG (vgl §§ 11 und 17 VwGVG) zulässig sein und wie im Fall der Berufung zur ersatzlosen Behebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides führen muss (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 40 ff und die dort zitierte Judikatur [Stand 1.1.2014, rdb.at]).
Grundverkehrsverfahren werden – von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – aufgrund einer Anzeige nach § 23 TGVG eingeleitet; eine amtswegige Verfahrenseinleitung ist ausgeschlossen. Die Erlassung eines „antragsbedürftigen“ Verwaltungsaktes ohne entsprechendes Anbringen belastet den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Dies gilt – wie bereits dargelegt – auch dann, wenn ein dem Verfahren zugrundeliegendes Anbringen während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zurückgezogen wird. Ein Abspruch in der Sache ist daher dem Landesverwaltungsgericht vorliegend verwehrt; vielmehr ist der Bescheid der belangten Behörde ersatzlos zu beheben.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Christoph Purtscher
(Präsident)
Schlagworte
Zurückziehung verfahrensleitender Antrag;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2017.11.2412.9Zuletzt aktualisiert am
19.08.2019