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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §1 Abs3 Z1 idF 1995/351;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1942 geborenen RH in Salzburg, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. März 1997, Zl. 121.475/2-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Witwe eines am 21. September 1993 verstorbenen österreichischen Staatsbürgers. Sie verfügte über einen gewöhnlichen Sichtvermerk mit Geltungsdauer vom 4. Dezember 1992 bis 4. Dezember 1994. Am 25. Oktober 1994 (Datum des Einlangens bei der erstinstanzlichen Behörde) beantragte sie die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg namens des Landeshauptmannes von Salzburg vom 13. Juli 1995 gemäß § 5 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Am 7. Oktober 1996 (Datum des Einlangens bei der erstinstanzlichen Behörde) beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Den Antragsunterlagen ist zu entnehmen, daß für die Beschwerdeführerin ein Befreiungsschein mit Geltungsdauer vom 23. September 1996 bis 22. September 2001 ausgestellt wurde.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. März 1997 wurde dieser Antrag - unter anderem - gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde in Ansehung dieses Versagungsgrundes aus, gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt ihrer Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten. Auf ihrem Antragsformular habe sie als Datum den 4. Oktober 1996 und als Aufenthaltsort Salzburg angegeben. Damit sei der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan. Der Antrag sei abzuweisen gewesen. Fest stehe, daß für die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 4. Dezember 1992 bis 4. Dezember 1994 ein Sichtvermerk ausgestellt gewesen sei. Der am 25. Oktober 1994 gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei jedoch abgewiesen worden. Im Anschluß an die Abweisung dieses Antrages halte sich die Beschwerdeführerin entgegen § 15 FrG unerlaubt im Bundesgebiet auf. Die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin in Österreich beschränkten sich auf ihr Arbeitsverhältnis im Inland. Die öffentlichen Interessen an der Versagung einer Bewilligung überwögen die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK, zumal sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhalte.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin vorerst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung von diesem Gerichtshof mit Beschluß vom 29. September 1997, B 984/97-9, abgelehnt wurde. Über Antrag der Beschwerdeführerin wurde die Beschwerde sodann dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2
VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 6 Abs. 2 AufG lautete (auszugsweise):
"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (19. März 1997) ist für seine Überprüfung die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, maßgeblich. § 4 Z. 4 dieser Verordnung lautete:
"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."
§ 15 Abs. 1 und 3 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) lauteten:
"§ 15. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
...
2. wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von der Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde
...
(3) Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden im Bundesgebiet richtet sich nach
...
2. der Befristung der Bewilligung oder des Sichtvermerkes."
Der hier gegenständliche Antrag der Beschwerdeführerin vom 7. Oktober 1996 wurde gestellt, nachdem ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften mit einem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid abgewiesen worden war. Ein Fall des § 113 Abs. 6 oder 7 FrG 1997 liegt nicht vor. Der angefochtene Bescheid blieb vom Inkrafttreten des FrG 1997 unberührt.
Die Beschwerdeführerin tritt der maßgeblichen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, sie habe sich im Zeitpunkt ihrer Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten, nicht entgegen. Mit einer solchen Antragstellung ist jedoch der Bestimmung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG nicht Genüge getan.
Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, ihr Aufenthalt sei im Sinne des § 15 FrG deshalb rechtmäßig, weil sie seinerzeit rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist sei, ist ihr § 15 Abs. 3 leg. cit. entgegenzuhalten, wonach sich die Dauer der Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes grundsätzlich nach der Befristung des ihr erteilten Sichtvermerkes richtete. Ihr rechtzeitig gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 25. Oktober 1994 bewirkte nach der damals geltenden Rechtslage (vgl. § 6 Abs. 3 AufG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) lediglich die Verlängerung der Geltungsdauer dieser Bewilligung um sechs Wochen.
Die Beschwerdeführerin hielt sich daher entgegen ihrer Auffassung im Zeitpunkt ihrer hier gegenständlichen Antragstellung vom 7. Oktober 1996 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Im übrigen würde auch nicht jeder rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet auch die Berechtigung zur Antragstellung im Inland nach sich ziehen.
§ 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist daher im Falle der Beschwerdeführerin dahin zu verstehen, daß sie nach Ablauf ihrer Berechtigung zum Aufenthalt aufgrund ihres gewöhnlichen Sichtvermerkes, dessen Verlängerung durch Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung versagt wurde, Österreich zu verlassen und einen neuerlichen Antrag vom Ausland aus zu stellen gehabt hätte.
Die Nichterfüllung des Erfordernisses des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG hat die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Folge (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zlen. 95/19/0701, 1010).
Von dem in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG umschriebenen Erfordernis, den Antrag vom Ausland aus zu stellen, hätte die belangte Behörde nur dann abzusehen gehabt, wenn die Beschwerdeführerin zu dem in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf gestützten Verordnung umschriebenen Personenkreis zählte. Dafür bestehen im vorliegenden Fall jedoch keine Anhaltspunkte. Unter § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, fiel die Beschwerdeführerin nicht, weil sie noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte.
Der für die Beschwerdeführerin ausgestellte gewöhnliche Sichtvermerk gehört nicht dazu (vgl. das zur gleichlautenden Bestimmung des § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, ergangene hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998, Zl. 96/19/3491).
Insoweit die Beschwerdeführerin aber auf die Dauer ihres Voraufenthaltes, ihre Berufstätigkeit und ihre persönlichen Beziehungen zu in Österreich aufhältigen Personen verweist, ist ihr zu entgegnen, daß der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, mit § 2 Abs. 3 Z. 4 und § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen, von der Bundesregierung auch genutzten, Verordnungsermächtigung auf die durch Art. 8 MRK geschützten Interessen in Österreich beschäftigter Fremder bereits Bedacht genommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1997, Zlen. 96/19/2291, 2790). Auch aus Anlaß des Beschwerdefalles sind keine Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes entstanden, daß diese Verordnungsermächtigung zu eng wäre und ihrerseits dem Art. 8 MRK widerspräche.
Ein Fall, der jenem vergleichbar wäre, welcher dem - zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 ergangenen - Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, zugrundelag, ist hier nicht gegeben. In diesem Erkenntnis sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß aus dem Grunde des Art. 8 MRK Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig (insbesondere aufgrund von gewöhnlichen Sichtvermerken) in Österreich aufgehalten haben und die aus welchen Gründen immer im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes über keine Berechtigung zum Aufenthalt (mehr) verfügen, im Falle einer relativ kurzen Fristversäumnis mit der Antragstellung auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Hinblick auf das Gebot verfassungskonformer Auslegung des zu § 6 Abs. 2 AufG (in seiner Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) geschaffenen Regelungssystems dem zweiten Satz der zuletzt genannten Vorschrift zu unterstellen sind.
Damit ist aber für die Beschwerdeführerin schon deshalb nichts gewonnen, weil in ihrem Fall keine Fristversäumnis vorlag, sondern zwischenzeitig bereits ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit einem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid abgewiesen wurde.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin schließlich die Mißachtung der Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes gemäß § 37 AVG sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG durch die belangte Behörde. Im Falle der Vermeidung dieser Verfahrensfehler - so die Beschwerdeführerin - hätte die belangte Behörde in der Beschwerde näher angeführte Feststellungen über intensive persönliche Beziehungen der Beschwerdeführerin in Österreich getroffen. Insbesondere wäre hervorgekommen, daß die Beschwerdeführerin im Inland über einen Freundes- und Bekanntenkreis verfüge und eine Unterkunft habe. Auch ihr Vereins- und Kulturleben spiele sich in Österreich ab. Sie sei zwar Staatsangehörige Rußlands, habe sich dort jedoch nie aufgehalten. In ihre eigentliche Heimat, die Ukraine, könne sie nicht zurückkehren, weil sie diesem Staat nicht angehöre.
Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerdeführerin jedoch nicht, die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen, weil nach dem Vorgesagten eine über die Ausnahmebestimmungen der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, hinausgehende Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen schon im Hinblick auf die zwischenzeitige Abweisung des rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages nicht Platz zu greifen hatte.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 4. Dezember 1998
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997191779.X00Im RIS seit
11.07.2001