TE Vfgh Erkenntnis 1996/12/3 B2476/94, B2480/94

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Veröffentlicht am 03.12.1996
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/02 Gehaltsgesetz 1956

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung einer Wortfolge in §23 Abs2 letzter Satz GehG 1956 mit E v 03.12.96, G162/96 ua.

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien, zu Handen ihrer Rechtsvertreter, die mit je S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Der Vater der beiden beschwerdeführenden Parteien stand in einem aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er verstarb am 29. Dezember 1992. Zu diesem Zeitpunkt bestand aufgrund von noch nicht zur Gänze zurückgezahlten Bezugsvorschüssen, die ihm gewährt worden waren, eine offene Forderung des Bundes ("Bezugsvorschußersatzrest") in der Höhe von

S 42.572,70.

Seine beiden Kinder (das sind die beschwerdeführenden Parteien) beziehen als Halbwaisen gemäß §17 des Pensionsgesetzes 1965 jeweils einen Waisenversorgungsgenuß in der Höhe von zuletzt S 3.281,90 netto.

b) Die Bundesministerin für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz erließ an die beiden beschwerdeführenden Parteien gleichlautende, mit 12. Oktober 1994 datierte Bescheide.

Deren Spruch hat jeweils folgenden Wortlaut:

"Gemäß §2 Abs6 Dienstrechtsverfahrensgesetz - DVG, BGBl. Nr. 29, in der geltenden Fassung in Verbindung mit §23 Abs2 Satz 3 des Gehaltsgesetzes 1956 (=GG 1956), BGBl. Nr. 54 in der geltenden Fassung, werden zur Hereinbringung des nach Ihrem am 29. Dezember 1992 aus dem Dienststand ausgeschiedenen Vaters (...), in der Höhe von

S 42.572,70

noch nicht zurückgezahlten Vorschusses die Ihnen als Angehörige(r) und Hinterbliebene(r) zustehenden Geldleistungen - ausgenommen der Todesfallbeitrag, der Bestattungskostenbeitrag und der Pflegekostenbeitrag - herangezogen.

Ihrem Ersuchen um Berücksichtigung Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse wird teilweise stattgegeben und Ihnen gemäß §61 Abs1 und 2 Bundeshaushaltsgesetz - BHG, BGBl. Nr. 213 in der geltenden Fassung, die Zahlung in Raten bewilligt sowie von der Verrechnung von Stundungszinsen Abstand genommen.

Gemäß §61 Abs1 BHG tritt im Fall des Ausbleibens einer Teilzahlung Terminverlust ein.

Die nach Ihrem am 29. Dezember 1992 verstorbenen Vater wiederkehrend an Sie zur Auszahlung gelangenden pensionsrechtlichen Geldleistungen werden ab Vollstreckbarkeit dieses Bescheides in jener jeweiligen monatlichen Ratenhöhe zur Rückzahlung des Vorschusses herangezogen werden, als diese Geldleistungen den Mindestsatz gemäß §1 Z3 der Ergänzungszulagenverordnung 1994, BGBl. Nr. 983/1993, von derzeit S 2.801,-- überschreiten."

2. Gegen diese Bescheide wenden sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz mit der Begründung behauptet wird, daß der die angefochtenen Bescheide vornehmlich tragende letzte Satz des §23 Abs2 Gehaltsgesetz 1956 verfassungswidrig sei.

Die beschwerdeführenden Parteien beantragen die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide, hilfsweise die Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof.

3. Die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete Gegenschriften; sie begehrt, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat am 12. Juni 1996 beschlossen, aus Anlaß der vorliegenden Beschwerden gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der im §23 Abs2 letzter Satz des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. 54, in der Fassung der 20. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. 245/1970, enthaltenen Wortfolge "sowie die den Angehörigen und Hinterbliebenen zustehenden Geldleistungen - ausgenommen der Todesfallbeitrag, der Bestattungskostenbeitrag und der Pflegekostenbeitrag -" einzuleiten.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag G162,163/96, hob er diese Wortfolge als verfassungswidrig auf.

III. Die belangte Behörde hat

eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage der Fälle offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war.

Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (z.B. VfSlg. 10404/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je

S 3.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B2476.1994

Dokumentnummer

JFT_10038797_94B02476_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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