Entscheidungsdatum
09.04.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L525 2146935-1/14E
SCHRIFLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 15.3.2019 VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch die KOCHER & BUCHER Rechtsanwälte OG in Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.1.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.3.2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer - ein pakistanischer Staatsangehöriger - stellte nach illegaler Einreise am 23.7.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 25.7.2015 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt führte er aus, dass es in Pakistan viele politische und wirtschaftliche Probleme gebe. In Parachinar seien die Taliban an der Macht und es gebe große Unsicherheit und täglich Bombenanschläge. Das Leben des Beschwerdeführers sei dort nicht sicher. Konkrete Hinweise auf eine unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe im Falle seiner Rückkehr gebe es nicht, auch Sanktionen würden ihm nicht drohen. Mit den Behörden habe der Beschwerdeführer keine Probleme gehabt.
Der Beschwerdeführer wurde am 24.11.2016 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, gesund zu sein und den Dolmetscher zu verstehen. Seine bisher im Verfahren getätigten Aussagen würden der Wahrheit entsprechen. Er sei pakistanischer Staatsangehöriger, gehöre zur Volksgruppe der Paschtuna und bekenne sich zum schiitischen Islam. Er sei in Pewar, Pakistan geboren worden und habe nach zehn Jahren Grundschule in Pewar ein College mit dem Schwerpunkt Sprachen in Parachinar für zwei Jahre besucht. Danach habe er als Lehrer in Pewar gearbeitet, wo er bis vor seiner Ausreise auch gelebt habe. Bis auf zwei Brüder lebe seine Familie nach wie vor in Pewar. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass von 2007 bis 2012 in Parachinar Krieg geherrscht habe und die Situation sehr schlecht gewesen sei. Die Taliban seien in den Bergen um das Dorf des Beschwerdeführers sehr stark vertreten gewesen, mehr als hundert Personen aus dem Dorf seien bei Auseinandersetzungen mit den Taliban ums Leben gekommen. Die Regierung habe die Taliban unterstützt. Der Beschwerdeführer habe sich als Teil einer Bewegung von etwa 50 Personen aus dem Dorf gegen die Errichtung einer Straße in das Gebiet der Taliban gestellt und im Jahr 2013 im Ort Tersa Patak an einer Demonstration gegen die Straße teilgenommen. Bei der Demonstration sei es zu keinen Problemen gekommen. Auch in der Zeit nach der Demonstration sei es zu keinen Vorfällen gekommen. Die Straße sei im Jahr 2014 errichtet worden. Im Jahr 2015 sei er von einem befreundeten Kommandanten gewarnt worden, dass alle Personen, die der Protestbewegung angehört hätten, auf einer Liste stünden, in Gefahr seien und das Land verlassen sollten. Alle, die in Pewar verblieben seien, wären im Gefängnis. Da auch er Teil der Protestbewegung gewesen sei und es zu Verhaftungen gekommen sei, habe der Beschwerdeführer den Beschluss gefasst, das Land zu verlassen. Eine direkte, persönliche Verfolgung verneinte der Beschwerdeführer. Er würde von den Behörden und den Taliban gesucht werden. Der Beschwerdeführer legte Integrationsunterlagen vor.
Mit Bescheid des BFA vom 16.1.2017 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs 1 IVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat nicht vorliegen würde und Gründe für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nicht bestünden. Hinweise auf eine besondere Integrationsverfestigung hätten nicht festgestellt werden können.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 26.1.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Als Beschwerdegründe machte der Beschwerdeführer die unrichtige Sachverhaltsfeststellung, die mangelhafte Begründung des Erkenntnisses sowie Rechts- und Verfahrensmängel geltend. Begründend führte die Beschwerde aus, dass der Beschwerdeführer aus der am meisten von Gewalt betroffenen Region Pakistans stamme und durch den fortschreitenden Verfall staatlicher Strukturen einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer habe ein Jahr nach Teilnahme an einer Demonstration gegen die Errichtung einer Straße davon erfahren, dass die Regierung eine Vergeltung gegen die Teilnehmer plane und deshalb sein Heimatland verlassen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, Nachforschungen in diese Richtung zu unternehmen.
Mit Schriftsatz vom 28.8.2017 legte der Beschwerdeführer ein Arbeitszeugnis, eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs, eine Bestätigung über die Mithilfe an Auf- und Abbauarbeiten, eine Unterstützungserklärung und ein ÖSD-Zertifikat A2 vor.
Mit Schriftsatz vom 15.11.2018 ergänzte der Beschwerdeführer seine Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe. Der Beschwerdeführer habe eine Bedrohung in seinem Heimatland nicht dezidiert verneint. Die protokollierte Aussage des Beschwerdeführers "Nein, ich wurde nicht aus diesen Gründen nicht verfolgt. Wäre ich aber in Pakistan geblieben, hätte es sein können, dass ich festgenommen würde." sei als doppelte Verneinung zu verstehen, wobei es sich entweder um einen Protokollierungsfehler handle oder sich der Beschwerdeführer sehr wohl aus den von der Behörde genannten Gründen vor Verfolgung fürchte. Zudem hätte die belangte Behörde Informationen betreffend die im Jahr 2015 fertig gebaute Straße einholen müssen und den Beschwerdeführer zu seiner Tätigkeit in der Schule und zum Namen des Kommandanten befragen müssen.
Mit Schriftsatz vom 6.3.2019 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelten Länderinformationen.
Das erkennende Gericht führte am 15.3.2019 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Der Beschwerdeführer legte im Zuge der Verhandlung fünf Empfehlungsschreiben, eine Lohn-Gehaltsabrechnung sowie eine Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs vor.
Mit Schriftsatz vom 19.3.2019 beantragte der Beschwerdeführer fristgerecht die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer stammt aus Pewar in Pakistan, einem Dorf mit ca. 500 Häusern, von dem aus Parachinar mit einem motorisierten Verkehrsmittel in 45 Minuten erreichbar ist. Der Beschwerdeführer bekennt sich zum schiitischen Islam und zur Volksgruppe der Paschtunen. Seine Muttersprache ist Paschtu. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er hat in Pewar zehn Jahre lang die Grundschule und danach für zwei Jahre ein College in Parachinar besucht. Zuletzt hat er als Lehrer für die Sprache Urdu an einer Volkshochschule (Community School) in Pewar gearbeitet. Seine Mutter und seine beiden Brüder leben in Pewar, der Beschwerdeführer steht in telefonischem Kontakt zu seiner Mutter. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Österreich und lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist gesund.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit spätestens 23.7.2015 in Österreich. Er reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Der Beschwerdeführer nahm an Deutschkursen der Adventgemeinde Voitsberg und der Evangelischen Pfarre in Voitsberg teil und erwarb zuletzt das Deutsch-Zertifikat A2. Der Beschwerdeführer kann auf einfache Fragen auf Deutsch antworten. Der Beschwerdeführer hat auch in einer Kleidersammlung und bei Übersetzungstätigkeiten in der Kirche geholfen. Von 29.8.2016 bis 3.9.2016 hat er im Rahmen eines Beschäftigungsprojektes der Organisation Jugend am Werk in Kooperation mit der Graz Holding an der Straßenreinigung mitgearbeitet und im selben Jahr bei den österreichischen Staatsmeisterschaften im Crosslauf mehrere Tage lang bei Auf- und Abbauarbeiten sowie als Streckenposten mitgeholfen. Im Jahr 2018 hat er als Reinigungskraft in einer Fleischerei gearbeitet. Der Beschwerdeführer kann einfach Sätze auf Deutsch beantworten, ist unbescholten und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. In seiner Freizeit spielt er Fußball und Volleyball mit Freunden. Der Beschwerdeführer spielte auch in einer Volleyballmannschaft in Voitsberg. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu Österreichern. Der Beschwerdeführer hat am 30.10.2017 an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen.
Am 3.7.2016 wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen pakistanischen und afghanischen Asylwerbern gemeinsam mit vier seiner Cousins aus der Asylwerberunterkunft Erzherzog-Johann-Straße 51, 8570 Voitsberg weggewiesen und gegen ihn ein Betretungsverbot verhängt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.
Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.
Eine berücksichtigungswürdige Integration konnte nicht festgestellt werden.
1.2 Länderfeststellungen:
Sicherheitslage
Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).
Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).
Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2017a). Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.] Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).
Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).
Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 10.2017a).
2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch. Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht, dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen vorgingen (USDOS 7.2017).
Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen, Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert (USDOS 7.2017).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).
Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere 1.736 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35 Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nicht-belutschische Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).
2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443 Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere 28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).
Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017 fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP) zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).
Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von IS-Unterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch, vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).
Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016:
749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von 1.956 auf 2.212 (PIPS 1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 % weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).
Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18 in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab (2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492), davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern durchgeführt (PIPS 1.2017).
Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).
Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).
Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen, insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a):
Pakistan - Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018
-
AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.BFA Staatendokumentation (9.2015):
Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018
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USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Pakistan (S 261-265), https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf, Zugriff 8.5.2018
Regionale Verteilung der Gewalt
Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus:
PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).
Im Jahr 2017 war Belutschistan - wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben. Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit 61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-59).
Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974, Zugriff 8.5.2018
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018
Wichtige Terrorgruppen
Im Jahr 2017 ging die Zahl terroristischer Anschläge weiter zurück, doch aufständische Gruppierungen stellen weiterhin eine starke Bedrohung für die innere Sicherheit des Landes dar. Die Gruppierungen unterliegen wie bereits 2016 einer konstanten Transformation. Eine bisher unbekannte Gruppierung namens Ansarul Sharia wurde in Karatschi aktiv und verstärkte Aktivitäten von Daesh / ISIS stellen eine neue Herausforderung für die Sicherheitskräfte dar (PIPS 1.2018).
Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte aufständische Gruppe in Pakistan (EASO 7.2016); 70 Angriffe mit 186 Toten gingen 2017 auf ihr Konto (PIPS 1.2018 S 83f). Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint, als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nord-Wasiristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6.2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operationen in Nord-Wasiristan und in der Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die TTP konnte ihre internen Streitigkeiten 2017 durch die Wiedereingliederung der größten Fraktion aus Süd-Wasiristan in die Hauptgruppe beilegen (PIPS 1.2018 S 83f).
Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den [ehem.] FATA aktiv, sie werden als lokale Taliban bezeichnet (PIPS 1.2018 S 85). Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6.2013).
Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderen unterscheiden (SATP o.D.). Die LeJ erlitt 2016 starke Verluste in der Führerschaft (PIPS 1.2017). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke in Belutschistan und Sindh durch die Sicherheitskräfte zu erklären (PIPS 1.2018 S 87).
Jamaatul Ahrar (JuA) war 2017 Urheberin von 37 terroristischen Anschlägen (2016: 66) mit 123 Toten, vorwiegend in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa. JuA wurde 2017 durch interne Streitigkeiten sowie durch Tötungen mehrerer Kommandanten stark geschwächt (PIPS 1.2018 S 84f).
Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem Operationsgebiet begrenzt (PIPS 1.2018). Nachdem die nationalistischen Gruppen 2016 durch Sicherheitsoperationen und interne Krisen stark geschwächt wurden (PIPS 1.2017), stieg die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen 2017 wieder an. Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, die 2017 42 Angriffe mit 51 Todesopfern durchführte, ein leichter Rückgang verglichen mit 55 Angriffen 2016. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind die Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan und die Balochistan Liberation Front (PIPS 1.2018).
Quellen:
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BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.
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EASO - European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (4.1.2015): Pakistan Security Report 2014.
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SATP - South Asia Terrorism Portal (o.D.): Lashkar-e-Jhangvi, http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/terroristoutfits/lej.htm, Zugriff 8.5.2017
Zwangsrekrutierung und Drohbriefe
Bei der Zwangsrekrutierung handelt es sich um eine Rekrutierung, die unter Androhung von Gewalt oder anderen Formen von Bedrohung durchgeführt wird. Die zu diesem Thema befragten Interviewpartner gaben im Rahmen der FFM 2015 an, dass ihnen keine derartigen Fälle bekannt sind (BFA 9.2015). Allerdings gab es für die Zeit der Besetzung des Swat-Tals durch die Taliban [Anm.: 2009 durch die Regierung beendet] Berichte zu Zwangsrekrutierungen. Die Taliban entführten Kinder und setzen durch, dass Familien entweder Geld oder ein Familienmitglied zur Verfügung stellen (Abbas 2015; vgl. The Telegraph 30.5.2009). Die bei der FFM 2013 interviewte Sozialwissenschaftlerin an der National Defence University erläuterte derartige Beispiele für Rekrutierungen bei der Übernahme des Swat-Tals. Einige Unwillige wurden zur Abschreckung getötet, diese Botschaft verbreitete sich rasch und die Eltern gaben ihre Kinder den Taliban als Kämpfer mit. Ebenso spielten allerdings ökonomische und religiöse Faktoren eine Rolle. Taliban waren eine Art Unternehmen, mit zwar geringer, aber monatlicher Bezahlung, und es wurde propagiert, dass die Jungen etwas für Gott täten, und die Religion studieren würden (BAA 6.2013). Bildungseinrichtungen und radikale Segmente von religiösen Gruppen sind attraktive Rekrutierungsböden für Aufständische (PIPS 1.2017).
Quellen:
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BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.
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BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017
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Hassan Abbas (2015): The Taliban Revival Violence and Extremism on the Pakistan-Afghanistan Frontier, Yale University Press.
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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
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The Telegraph (30.5.2009): Taliban recruits teenage suicide bombers for revenge attacks,
http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/pakistan/5413052/Taliban-recruits-teenage-suicide-bombers-for-revenge-attacks.html, Zugriff 18.3.2017
Ehemalige Federal Administered Tribal Areas - FATA
Das Gebiet der [Anm.: ehemaligen] FATA (Federal Administered Tribal Areas, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) liegt strategisch bedeutend an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan und ist charakterisiert durch eine überwiegend paschtunische Bevölkerung und eine stark tribale Struktur mit über 24 Hauptstämmen (FRC 24.1.2017). Zur Volkszählung 2017 lebten fünf Millionen Menschen in den [ehem.] FATA (PBS 2017a), das jährliche Bevölkerungswachstum beträgt 3,76 % (FRC 24.1.2017).
Die [ehem.] FATA wurden am 31.5.2018 Teil der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 31.5.2018; vgl. GEO.tv 31.5.2018). Die Verwaltungsgliederung der ehem. FATA innerhalb der Provinz Khyber Pakhtunkhwa besteht aus sieben Tribal Districts - Bezeichnung bis 31.5.2018: Agencies - Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan (FRC 24.1.2017; vgl. PBS 2017, Dawn 31.5.2018) - denen jeweils ein Deputy Commissioner - Bezeichnung bis 31.5. 2018 Political Agent - vorsteht (FRC 24.1.2017; vgl. Dawn 31.5.2018). Die bis 31.5.2018 bestehenden Frontier Regions, sie werden von den Distrikten Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank aus verwaltet (BFA 9.2015; vgl. PBS 2017), werden als Subdivisions in die entsprechenden, bereits bestehenden Distrikte eingegliedert (Dawn 31.5.2018).
Die Sicherheitslage in den [ehem.] FATA hat sich aufgrund mehrerer militärischer Operationen seit 2008 verbessert (BFA 9.2015). Die Militäroperationen und Aktionen gegen Aufständische in den [ehem.] FATA sind abgeschlossen, aber die Region ist eine ehemalige Kriegszone und Instabilität ist weiterhin eine Bedrohung (Dawn 29.5.2018). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Gewaltvorfälle in den [ehem.] FATA im Vergleich zu 2015 deutlich zurück (FRC 24.1.2017) und auch im Jahr 2017 war ein Rückgang der Zahl an terroristischen Vorfällen um 16 % im Vergleich zum Vorjahr zu registrieren. Allerdings lag bei diesen Vorfällen die Zahl der Toten um 55 % und die Zahl der Verletzten um 122 % über dem Vorjahreswert (PIPS 1.2018).
In Khyber Agency wurde Ende 2014 die Militäroperation "Khyber-1" und von März 2015 bis Juli 2015 "Khyber-2" durchgeführt (BFA 9.2015). 2016 wurde die Militäroperation als "Khyber-3" fortgesetzt (FRC 24.1.2017) und die Operation "Khyber-4" wurde nach einer Dauer von einem Monat am 21.8.2017 erfolgreich beendet (TET 21.8.2017). In Nord-Wasiristan wurde die militärische Operation "Zarb-e Azb" von Juni 2014 bis April 2016 durchgeführt (Nation 6.9.2016). In der Kurram Agency sind die Schiiten in der Mehrheit und diese Agency ist geprägt von religiös-sektiererisch motivierter Gewalt. In den Jahren 2007 bis 2012 gab es besonders viele Kämpfe und nach einer Entspannung aufgrund von Friedensgesprächen (BFA 9.2015) gab es 2017 in der Kurram Agency zahlreiche große Terrorangriffe mit insgesamt 154 Toten (PIPS 1.2018). Aus der Orakzai Agency sind nach der militärischen Operation 2009 die meisten Aufständischen geflohen. Es kommt zu religiös-sektiererisch motivierter Gewalt, jedoch nicht in dem gleichen Ausmaß wie in Kurram Agency (BFA 9.2015). In Süd-Wasiristan wurde im Jahr 2009 eine militärische Operation durchgeführt. Seitdem hat das Militär seine Präsenz etabliert und es kommt nur noch zu sporadischen Angriffen der Aufständischen (BFA 9.2015).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in den [ehem.] FATA 18 terroristische Angriffe mit 17 Toten und 23 Verletzten. Es kam in allen sieben Agencies zu Vorfällen. Die meisten Todesopfer waren in Kurram zu beklagen (1 Vorfall, 7 Tote), die meisten Vorfälle in Mohmand (5 Vorfälle, 3 Tote). Unter den Todesopfern befanden sich elf Zivilisten und drei Soldaten sowie drei Todesopfer ohne nähere Angabe von Details (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).
Im Jahr 2017 waren die [ehem.] FATA die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene Region Pakistans. PIPS registrierte 83 terroristische Angriffe in den [ehem.] FATA, bei denen 253 Menschen ums Leben kamen - darunter 192 Zivilisten, 57 Mitglieder der staatlichen Sicherheitskräfte und vier Aufständische - und 491 Personen verletzt wurden. Bei den terroristischen Angriffen in den [ehem.] FATA 2017 kam es zu drei suizidalen Explosivangriffen, 63 Explosionen von unkonventionellen Spreng- und Brandsätzen, zwölf Schießereien, zwei Granatangriffen und einem Raketenangriff (PIPS 1.2018).
Obwohl Vorfälle in allen sieben Agencys vorkamen, waren die meisten Opfer in der Kurram Agency zu beklagen: Bei elf Anschlägen, darunter einige religiös-sektiererisch motivierte durch die Gruppen Jamaatul Alar, TTP und Lashkar-e-Jhangvi, wurden 154 Menschen getötet, d. h. ca. 60 % aller Toten in den [ehem.] FATA entfielen auf die Kurram Agency. Die größte Zahl von Anschlägen wurde in der Khyber Agency registriert, wo bei 24 Angriffen durch die TTP, Lashkar-e Islam und Jamaatul Ahrar 24 Menschen getötet und 19 verletzt wurden (PIPS 1.2018).
Die TTP führte in den Agencies Nord- und Süd-Wasiristan insgesamt 17 Anschläge mit 43 Toten durch. In der Mohmand Agency führten vorwiegend die Jamaatul Ahrar sowie einzelne unbekannte Gruppen 13 Angriffe mit 15 Toten durch. In der Orakzai Agency waren die TTP gemeinsam mit örtlichen Taliban-Gruppierungen für fünf Anschläge mit vier Toten verantwortlich (PIPS 1.2018).
Neben den o. a. 83 terroristischen Angriffen gab es 2017 in den [ehem.] FATA 18 Militäraktionen und vier bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen zu verzeichnen. Es gab 27 grenzüberschreitende Angriffe aus Afghanistan, vorwiegend durch pakistanische Mitglieder der Taliban, die dort Unterschlupf fanden. Weiters gab es neun Dronenangriffe durch die USA, eine stammesübergreifende Fehde und einen Fall von Mob-Gewalt. Bei insgesamt 143 Gewaltvorfällen unterschiedlicher Art im Jahr 2017 wurden 537 Menschen getötet - davon 195 Zivilisten, 80 Mitglieder der Sicherheitskräfte, 262 Aufständische und 575 verletzt (PIPS 1.2018).
Von PIPS wurden im Jahr 2016 99 Anschläge aus den [ehem.] FATA mit 163 Toten gemeldet. Unter den Todesopfern waren 91 Zivilisten, 43 Sicherheitskräfte und 29 Aufständische. Alle 99 Anschläge wurden durch verschiedene Talibangruppen, hauptsächlich der TTP und Jamaatul Ahrar oder Aufständische mit ähnlichen Zielen durchgeführt (FRC 24.1.2017). Am stärksten von Anschlägen betroffen war die Mohmand Agency mit 36 Anschlägen und 79 Todesopfern, gefolgt von der Khyber Agency mit 19 Anschlägen und 37 Toten. Bajaur erlitt 15 Anschläge mit neun Toten, Kurram sechs Anschläge mit 15 Toten, Nord-Wasiristan acht Anschläge mit elf Toten, Süd-Wasiristan zwölf Anschläge mit zehn Toten und Orakzai drei Anschläge mit zwei Toten (PIPS 1.2017).
Insgesamt waren 2016 147 für die Sicherheitslage relevante Gewaltvorfälle mit 439 Toten (98 Zivilisten, 52 Angehörige der Sicherheitskräfte und 289 Aufständische) zu verzeichnen. Neben den Anschlägen waren dies fünf Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen, 14 grenzüberschreitende Angriffe aus Afghanistan, 24 operative Schläge der Sicherheitskräfte, zwei Drohnenangriffe, zwei Auseinandersetzungen zwischen militanten Gruppierungen und eine zwischen Aufständischen und Stammesmitgliedern (PIPS 1.2017).