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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des EK, geboren am 1970, (zuletzt) in B, vertreten durch Dr. K und Dr. R, Rechtsanwälte in N, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens in Angelegenheit der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. August 1994, Zl. 100.997/2-III/11/94, abgeschlossenen Verfahrens wird gemäß § 69 Abs. 1 AVG abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 17. Jänner 1994 wurde der als Verlängerungsantrag bezeichnete Antrag des Beschwerdeführers vom 5. Jänner 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. August 1994 abgewiesen. Der Bundesminister stützte sich dabei auf § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG; gegen den Beschwerdeführer sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (gleichfalls) vom 17. Jänner 1994 ein bis zum 16. Jänner 2000 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, das mit 1. Februar 1994 in Rechtskraft erwachsen sei.
Mit seinem am 31. März 1995 bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (erste Instanz) eingelangten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 29. März 1995 begehrt der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. August 1994 beendeten Verwaltungsverfahrens. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 22. März 1995, Zl. FR 30/94, sei "im zweiten Rechtsgang" das über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot aufgehoben worden. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 23. März 1995 zugestellt worden, sodaß der Antrag rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen ab Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund gestellt werde.
Mit der vorliegenden, am 23. Oktober 1995 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesministers für Inneres über den oben genannten Antrag auf Wiederaufnahme geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof forderte mit Verfügung vom 31. Oktober 1995 die belangte Behörde auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens ohne weitere Ausführungen vor. Der versäumte Bescheid wurde weder nach den Behauptungen der Parteien noch nach dem Inhalt der Verwaltungsakten erlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof ist daher - zumal dem keine prozessualen Hindernisse entgegenstehen (vgl. die nachstehenden Ausführungen) - zuständig, über den erwähnten Antrag des Beschwerdeführers in der Sache zu entscheiden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 69 Abs. 1 AVG ist - bei Vorliegen eines der Wiederaufnahmegründe der Z. 1 bis 3. - dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist.
Nach der Z. 3. des § 69 Abs. 1 AVG liegt ein Wiederaufnahmegrund vor, wenn der das Verfahren abschließende Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht gemäß Abs. 4 leg. cit. der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.
Der Beschwerdeführer behauptet das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 3. AVG infolge des ihm am 23. März 1995 zugestellten Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 22. März 1995. Der am 31. März 1995 bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Antrag auf Wiederaufnahme war daher zulässig und rechtzeitig.
Der Antrag führt jedoch aus nachstehenden Erwägungen nicht zum Erfolg:
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21. Februar 1997, Zl. 94/18/0681, (also nach Einbringung der vorliegenden Säumnisbeschwerde) den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. August 1994 aufgehoben. Damit ist beim Bundesminister für Inneres das Berufungsverfahren gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 16. Jänner 1994 wieder anhängig.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens hat den Zweck, ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren, dem besondere Mängel anhaften, aus den im Gesetz erschöpfend aufgezählten Gründen aus der Welt zu schaffen und die Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Sie soll ein bereits abgeschlossenes Verfahren wieder eröffnen, einen Prozeß, der durch einen rechtskräftigen Bescheid bereits einen Schlußpunkt erreicht hat, erneut in Gang bringen (vgl. die von Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1474 unter E 18 zitierte hg. Rechtsprechung). Dieses, der Wiederaufnahme ganz allgemein zugrundeliegende Ziel kann im Beschwerdefall nicht (mehr) erreicht werden; der das Verfahren rechtskräftig abschließende Bescheid wurde durch das erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes beseitigt. Der Beschwerdeführer kann im Berufungsverfahren alles vorbringen, worauf er seinen Wiederaufnahmeantrag stützt.
Sollte aber das Verfahren, dessen Wiederaufnahme der Beschwerdeführer anstrebt, inzwischen durch einen "Ersatzbescheid" (nach Aufhebung des Berufungsbescheides im ersten Rechtsgang durch den Verwaltungsgerichtshof) beendet worden sein, so führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis, weil der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Beschwerde die Wiederaufnahme eines mit einem anderen Bescheid (rechtskräftig) abgeschlossenen Verfahrens anstreben würde.
Da zum Zeitpunkt der gegenwärtigen Entscheidung eine Wiederaufnahme des Verfahrens aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht kommt, war der Antrag abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 55 Abs. 1 erster Satz leg. cit. und der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG den vom Beschwerdeführer offenbar gemeinten Fall der Entscheidung in der Sache bereits abschließend regelt.
Wien, am 4. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995191251.X00Im RIS seit
20.11.2000