TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/9 I403 2197768-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2197768-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH (ARGE Rechtsberatung), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018, Zl. 1082736808/151097565, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.01.2019 und am 08.04.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger, stellte am 16.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, er sei im Juli 2015 aus seiner Heimat Irak wegen des Krieges und ständiger Bedrohungen geflohen. Er befürchte für den Fall der Rückkehr die Verfolgung durch Milizen.

Der Beschwerdeführer wurde am 25.01.2018 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen. Er erklärte, dass seine Mutter die Entscheidung getroffen habe, dass er den Irak verlassen solle und er im November 2014 ausgereist sei. Schiitische Milizen seien zur Universität gekommen und würden verlangt haben, dass sich die Studenten dem bewaffneten Kampf anschließen. Es sei eine Liste mit zwanzig Namen, darunter auch jenem des Beschwerdeführers, erstellt worden. Der Beschwerdeführer habe daraufhin das Studium abgebrochen und sich die nächsten drei bis vier Monate zuhause aufgehalten; dort sei nichts mehr passiert.

Mit Bescheid des BFA vom 03.05.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Gegen den am 04.05.2018 zugestellten Bescheid wurde fristgerecht mit Schreiben vom 30.05.2018 in vollem Umfang Beschwerde erhoben. Es wurde vorgebracht, das Ermittlungsverfahren sowie die Beweiswürdigung der belangten Behörde seien mangelhaft und die herangezogenen Länderberichte veraltet. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuerkennen, in eventu dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak zuerkennen, in eventu feststellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG vorliegen oder den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens an das Bundesamt zurückverweisen sowie eine mündliche Verhandlung durchführen.

Am 07.01.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, im Zuge derer der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen im Wesentlichen wiederholte. Die Verhandlung wurde am 08.04.2019 fortgesetzt, um die Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin befragen zu können.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer hält sich seit August 2015 in Österreich auf. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist seinen Angaben nach sunnitischer Moslem. Die Eltern, eine Schwester und zahlreiche Onkel und Tanten des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Bagdad. Ein Bruder lebt teilweise in der Türkei, teilweise in Bagdad. Der Vater des Beschwerdeführers ist Automechaniker und besitzt ein Haus.

Der Beschwerdeführer hat in Bagdad, im Viertel XXXX, gelebt und dort ein Studium der Buchhaltung begonnen. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer heiratete am XXXX.2018 eine österreichische Staatsbürgerin. Die Beziehung begann vor ca. drei Jahren, seit September 2018 besteht ein gemeinsamer Wohnsitz. Beide Ehepartner waren sich bei der Eheschließung des unsicheren Aufenthaltes des Beschwerdeführers bewusst. Die Ehefrau des Beschwerdeführers arbeitet bei einem Supermarkt und verdient rund 1200 Euro monatlich (netto: rund 1050 Euro). Die Fortsetzung des gemeinsamen Ehelebens im Irak ist für die österreichische Ehefrau nicht vorstellbar.

In den dreieinhalb Jahren seines Aufenthaltes im Bundesgebiet hat der bislang unbescholtene Beschwerdeführer verschiedene Schritte gesetzt, um sich in der österreichischen Gesellschaft zu integrieren. Der Beschwerdeführer hat von 31.05.2016 bis zum 23.08.2016 zwei Alphabetisierungskurse und im Anschluss Deutschkurse besucht. Er hat die Prüfungen A1 und A2 abgeschlossen und enge Bekanntschaften geschlossen. Ihm wurde eine mündliche Einstellungszusage eines Autohändlers gegeben.

Gegen den Beschwerdeführer wurde am 28.04.2017 wegen einer von ihm ausgehenden Gefährdung ein Betretungsverbot ausgesprochen. Der Beschwerdeführer wurde zudem wegen Diebstahls angezeigt, von der Verfolgung wurde allerdings zurückgetreten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und zu einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:

Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer an der Universität in Bagdad von Milizen angeworben wurde und von diesen bedroht wird.

Es sind keine Gründe ersichtlich, warum es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar wäre, in seine Heimatstadt Bagdad zurückzukehren. Er ist jung, gesund und erwerbsfähig und verfügt über Familie im Irak. Es ist nicht davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr Opfer willkürlicher Gewalt wird oder in eine existenzbedrohende Notlage geraten wird.

1.3. Zur Situation im Irak:

Die entscheidungswesentlichen Feststellungen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand: 20.11.2018) sind:

Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018). Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS 11.5.2018).

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

-

Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker,

https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker-

180915115434675.html, Zugriff 19.10.2018

-

BBC - British Broadcasting Corporation (9.12.2017): Iraq declares war with Islamic State is over, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-42291985. Zugriff 18.10.2018

-

BBC - British Broadcasting Corporation (3.10.2018): New Iraq President Barham Saleh names Adel Abdul Mahdi as PM, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-45722528. Zugriff 18.10.2018

-

CIA - Central Intelligence Agency (17.10.2018): The World Factbook

-

Iraq,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html. Zugriff 19.10.2018

-

DW - Deutsche Welle (2.10.2018): Iraqi parliament elects Kurdish moderate Barham Salih as new president, https://www.dw.com/en/iraqi-parliament-elects-kurdish-moderate-barham-salihas-new-president/a-45733912, Zugriff 18.10.2018

-

Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and- politics-of-iraq/. Zugriff 17.10.2018

-

The Guardian (3.10.2018): Iraqi president names Adel Abdul-Mahdi as next prime minister,

https://www.theguardian.com/world/2018/oct/03/iraqi-president-names-adel-abdul-mahdi-as-

next-prime-minister, Zugriff 18.10.2018

-

ICG - International Crisis Group (9.5.2018): Iraq's Pre-election Optimism Includes a New Partnership with Saudi Arabia, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-andarabian-peninsula/iraq/iraqs-pre-election-optimism-includes-new-partnership-saudi-arabia. Zugriff 18.10.2018

-

KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www. kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30. pdf?180501131459, Zugriff 17.10.2018

-

LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018):

The 2018 Iraqi Federal

Elections: A Population in Transition?.

http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC Iraqi-

elections Report 2018.pdf. Zugriff 18.10.2018

-

Reuters (15.9.2018): Iraq parliament elects Sunni lawmaker al-Halbousi as speaker, breaking

deadlock,

https://www.reuters.com/article/us-iraq-politics/iraq-parliament-elects-sunni-

lawmaker-al-halbousi-as-speaker-breaking-deadlock-idUSKCN1LV0BH. Zugriff 18.10.2018

-

Rol - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 18.10.2018

-

Der Standard (13.5.2018): Wahlen im Irak: Al-Abadi laut Kreisen in Führung,

https://derstandard.at/2000079629773/Irakische-Parlamentswahl-ohne-groessere-Zder. Zugriff 2.11.2018

-

Der Standard (3.10.2018): Neue alte Gesichter für Iraks Topjobs,

https://derstandard.at/2000088607743/Neue-alte-Gesichter-fuer-Iraks-Topiobs. Zugriff 19.10.2018

-

TA - Tagesanzeiger (12.5.2018): Im Bann des Misstrauens,

https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/im-bann-des-misstrauens/storv/

29434606, Zugriff 18.10.2018

-

UNSC - United Nations Security Council (17.1.2018): Report of the Secretary-General

pursuant to resolution 2367 (2017),

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N1800449.pdf, Zugriff 19.10.2018

-

WZ - Wiener Zeitung (12.5.2018): Erste Wahl im Irak nach Sieg gegen IS stößt auf wenig Interesse, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/964399_Erste-Wahl-im-Irak-nach-Sieg-gegen-IS-stoesst-auf-wenig-Interesse.html, Zugriff 23.10.2018

Parteienlandschaft

Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da'wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).

Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017) obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018).

Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf

Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018)

Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran ("Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018).

Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi's Nasr ("Victory")-Allianz (LSE 7.2018).

Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al- Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ 9.10.2018). Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018).

Quellen:

-

Al Jazeera (6.6.2018): Iraq orders recount of all 11 million votes from May 12 election, https://

www.aljazeera.com/news/2018/06/iraq-orders-recount-11-million-votes-12-election-

180606163950024.html. Zugriff 23.10.2018

-

Al-Monitor (23.8.2018): Many Iraqi legislators call for canceling election results, https://www.almonitor.com/pulse/originals/2018/05/iraq-election-fraud.html. Zugriff 23.10.2018

-

The Arab Weekly (7.10.2018): Room for optimism in Iraq under new leadership,

https://thearabweekly.com/room-optimism-iraq-under-new-leadership. Zugriff 23.10.2018

-

BP - Baghdad Post (17.12.2017): All Shia political parties have armed militias - Nujaba,

https://www.thebaghdadpost.com/en/Storv/21086/All-Shia-political-parties-have-armed-

militias-Nujaba. Zugriff 22.10.2018

-

CGP - Center for Global Policy (4.2018): The Role of Iraq's Shiite Militias in the 2018 Elections, https://www.cgpolicy.org/wp-content/uploads/2018/04/Mustafa-Gurbuz-Policy-Brief.pdf, Zugriff 22.10.2018

-

Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and- politics-of-iraq/. Zugriff 17.10.2018

-

The Guardian (12.5.2018): Martyr or master? Future of anti-Isis militias splits Iraq ahead of

elections,

https://www.theguardian.com/world/2018/may/12/iraq-elections-become-

battleground-iranian-influence, Zugriff 22.10.2018

-

HoC - House of Commons (12.6.2018): Briefing paper: Iraq and the 2018 election,

researchbriefings.files.parliament.uk/documents/.../CBP-8337.pdf. Zugriff 22.10.2018

-

IRIS - Institute of Regional and International Studies (11.5.2018): Iraq Votes 2018: Election

Mobilization Strategies,

https://auis.edu.krd/iris/sites/default/files/IraqVotes2018_MobilizationStrategies1.pdf. Zugriff 2.11.2018

-

ISPI - Istituto per gli studi di politica internazionale (10.5.2018): After IS: The meaning of Iraq's election for the Arab Sunni community,

https://www.ispionline.it/sites/default/files/pubblicazioni/ commentary_seloom_10.05.2018.pdf. Zugriff 22.10.2018

-

Joel Wing - Musings on Iraq (22.5.2018): Sadr-Communist Alliance And Iraq's 2018 Elections Interview With Benedict Robin, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/05/sadr-communistalliance-and-iraqs-2018.html. Zugriff 22.10.2018

-

KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www. kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30. pdf?180501131459, Zugriff 17.10.2018

-

LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018):

Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum,

http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf. Zugriff 23.10.2018

-

LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018):

The 2018 Iraqi Federal

Elections: A Population in Transition?, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-

elections_Report_2018.pdf, Zugriff 18.10.2018

-

MEMO - Middle East Monitor (16.1.2018): Iraq: 3 major Sunni provinces form alliance to run in elections, https://www.middleeastmonitor.com/20180116-iraq-3-major-sunni-provinces-formalliance-to-run-in-elections/, Zugriff 22.10.2018

-

MEMO - Middle East Monitor (27.2.2018): Iraq Islamic party will not run in upcoming elections,

https://www.middleeastmonitor.com/20180227-iraq-islamic-party-will-not-run-in-upcoming-

elections/, Zugriff 22.10.2018

-

Niqash (7.7.2016): Too Many Contradictions: Why Iraq's New Political Parties Law Can Never Work, http://www.niqash.org/en/articles/politics/5304/. Zugriff 22.10.2018

-

Niqash (5.4.2018): Formerly-Armed Angels? The Controversial Iraqi Militia That Now Prefers Social Work To Politics, http://www.niqash.org/en/articles/security/5873/. Zugriff 22.10.2018

-

Reuters (19.5.2018): Cleric Moqtada al-Sadr's bloc wins Iraq election,

https://www.reuters.com/article/us-iraq-election-results/cleric-moqtada-al-sadrs-bloc-wins-iraq-

election-idUSKCN1IJ2X0. Zugriff 19.10.2018

-

Reuters (24.5.2018): Iraqi PM Abadi says election fraud allegations to be investigated, https:// www.reuters.com/article/us-iraq-election-fraud/iraqi-pm-abadi-says-election-fraud-allegations-

to-be-investigated-idUSKCN1IP2Z2. Zugriff 23.10.2018

-

Reuters (10.8.2018): Recount shows Iraq's Sadr retains election victory, no major changes,

https://www.reuters.com/article/us-iraq-election/recount-shows-iraqs-sadr-retains-election-

victory-no-major-changes-idUSKBN 1KV041, Zugriff 19.10.2018

-

Der Standard (29.10.2017): Kurdenpräsident Barzani hinterlässt einen Trümmerhaufen,

https://derstandard.at/2000066849335/Kurdenpraesident-Barzani-hinterlaesst-einen-

Truemmerhaufen, Zugriff 22.10.2018

-

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2016): Die "Volksmobilisierung" im Irak, h ttps://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2016A52_sbg.pdf. Zugriff 22.10.2018

-

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Die Badr-Organisation: Irans wichtigstes

politisch-militärisches Instrument im Irak, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A27 sbg.pdf, Zugriff 22.10.2018

-

WI - al-Waqä'i'a al-iräqiyya (12.10.2015): Law No. 36 of 2015 on Political Parties,

httPs://www.ilo.org/dvn/natlex/docs/ELECTRONIC/102986/124758/F1240401810/4383.pdf.

Zugriff 22.10.2018

-

WoR - War on the Rocks (25.8.2017): Iraq's competing security forces after the battle for Mosul, https://warontherocks.com/2017/08/iraqs-competing-security-forces-after-the-battle-for-

mosul/, Zugriff 22.10.2018

-

WSJ - Wall Street Journal (9.8.2018): Iraq Election Results Unchanged After Recount on Fraud Allegations, https://www.wsj.com/articles/iraq-election-results-unchanged-after-recounton-fraud-allegations-1533852653. Zugriff 23.10.2018

-

WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/994916_Schluesselland-Irak.html.

Zugriff 15.10.2018

Protestbewegung

Die Protestbewegung, die es schon seit 2014 gibt, gewinnt derzeit an Bedeutung. Zumeist junge Leute gehen in Scharen auf die Straße, fordern bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus (WZ 9.10.2018). Im Juli 2018 brachen im Süden des Landes, in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr Proteste aus. Diese eskalierten, nachdem die Polizei in West Qurna auf Demonstranten schoss (ICG 31.7.2018). Reich an Ölvorkommen, liefert die Provinz Basra 80 Prozent der Staatseinnahmen des Irak. Unter den Einwohnern der Provinz wächst jedoch das Bewusstsein des Gegensatzes zwischen dem enormen Reichtum und ihrer eigenen täglichen Realität von Armut, Vernachlässigung, einer maroden Infrastruktur, Strom- und Trinkwasserknappheit (Carnegie 19.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018).

Die Proteste im Juli weiteten sich schnell auf andere Städte und Provinzen im Süd- und Zentralirak aus (DW 15.7.2018; vgl. Presse 15.7.2018, CNN 17.7.2018, Daily Star 19.7.2018). So gingen tausende Menschen in Dhi Qar, Maysan, Najaf und Karbala auf die Straße, um gegen steigende Arbeitslosigkeit, Korruption und eine schlechte Regierungsführung, sowie die iranische Einmischung in die irakische Politik zu protestieren (Al Jazeera 22.7.2018). Die Proteste erreichten auch die Hauptstadt Bagdad (Joel Wing 25.7.2018; vgl. Joel Wing 17.7.2018). Am 20.7. wurden Proteste in 10 Provinzen verzeichnet (Joel Wing 21.7.2018). Demonstranten setzten die Bürogebäude der Da'wa-Partei, der Badr-Organisation und des Obersten Islamischen Rats in Brand; praktisch jede politische Partei wurde angegriffen (Al Jazeera 22.7.2018). Es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, sowie zu Todesfällen (Kurier 15.7.2018; vgl. CNN 17.7.2018, HRW 24.7.2018). Ende August war ein Nachlassen der Demonstrationen zu verzeichnen (Al Jazeera 3.8.2018). Im September flammten die Demonstrationen wieder auf. Dabei wurden in Basra Regierungsgebäude, die staatliche Fernsehstation, das iranische Konsulat, sowie die Hauptquartiere fast aller Milizen, die vom Iran unterstützt werden, angegriffen. Mindestens 12 Demonstranten wurden getötet (Vox 8.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018).

Quellen:

-

Al Jazeera (22.7.2018): Iraq protests: What you should know,

https://www.aljazeera.com/indepth/features/iraq-protests-180717074846746.html.

Zugriff

23.10.2018

-

Al Jazeera (3.8.2018): Protests in Iraq dwindle after weeks of anger,

https://www.aljazeera.com/news/2018/08/protests-iraq-dwindle-weeks-anger-180803192747710.html, Zugriff 24.10.2018

-

Carnegie - Carnegie Middle East Center (19.9.2018): The Basra Exception, http://carnegie- mec.org/diwan/77284?lang=en. Zugriff 23.10.2018

-

CNN - Central News Network (17.7.2018): Protests spread, turn deadly in Iraq: At least 8 are dead, dozens hurt, https://edition.cnn.com/2018/07/16/world/iraq-protests-violent/index.html. Zugriff 23.10.2018

-

The Daily Star (19.7.2018): In Iraq, old grievances fuel deadly protests,

https://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2018/Jul-19/457085-in-iraq-old-grievances-

fuel-deadly-protests.ashx, Zugriff 23.10.2018

-

DW - Deutsche Welle (15.7.2018): Protests spread from oil-rich Basra across southern Iraq,

https://www.dw.com/en/protests-spread-from-oil-rich-basra-across-southern-iraq/a-44678926.

Zugriff 23.10.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten