Entscheidungsdatum
03.05.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W203 2197524-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2018, Zl. 1111094700 - 160515540/BMI-BFA_STM_AST_01, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt VI. zu lauten hat:
"Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens und Angehöriger der tadschikischen Volksgruppe, stellte am 11.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag erfolgte die Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Im Rahmen dieser Befragung gab er zusammengefasst an, dass er in Takhar, Afghanistan, geboren worden und ledig sei. Er bekenne sich zum Islam, sei Sunnite und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Er habe sechs Klassen Grundschule, drei Klassen Hauptschule und drei Jahre lang die allgemein bildende höhere Schule in Takhar besucht Zuletzt habe er den Beruf eines Polizisten ausgeübt. Der Vater, die Mutter, zwei Brüder sowie eine Schwester des Beschwerdeführers würden sich im Herkunftsland befinden, ein Cousin in Österreich. Afghanistan verlassen habe er illegal ca. 3,5 Monate vor der gegenständlichen Erstbefragung, sein Ziel sei die Schweiz gewesen. Die Weiterreise aus Afghanistan nach Österreich sei über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn erfolgt. Befragt zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er in Afghanistan als Polizist gearbeitet und während seiner Dienstzeit auch gegen die Taliban gekämpft habe, weswegen er von diesen mit dem Tod bedroht worden sei. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst um sein Leben und vor den Taliban. Vorgelegt wurde eine Geburtsurkunde.
2. Nach einem erfolgten Konsultationsverfahren mit Ungarn wurde der Beschwerdeführer in Österreich zum Asylverfahren zugelassen.
3. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 24.08.2017, rechtskräftig mit 28.08.2017, wurde der Beschwerdeführer wegen § 15 StGB § 269 Abs. 1 1. Fall StGB, § 15 §§ 127, 129 Abs. 1 Z 3 StGB und § 84 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von sechs Monaten, bedingt nachgesehen mit einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Mit Urteil vom 25.09.2017 wurde diese Probezeit auf fünf Jahre verlängert und es wurde eine Bewährungshilfe angeordnet.
4. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 25.09.2017, rechtskräftig mit 29.09.2017, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG, § 127 und § 27 Abs. 2a 2. Fall SMG § 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Am 25.09.2017 trat der Beschwerdeführer seine Haft an. Das voraussichtliche Strafende wurde mit 05.05.2018 errechnet.
5. Am 24.04.2018 wurde der Beschwerdeführer durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. In dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er im bisherigen Verfahren die Wahrheit gesagt habe. Er sei zum damaligen Zeitpunkt nicht im Bundesgebiet gemeldet gewesen, da er aus dem Gefängnis entlassen worden und dann zu einem Freund gegangen sei, bei dem er sich drei bis vier Tage aufgehalten habe. Die zu seiner Person gemachten Angaben gleichen denen, wie der Beschwerdeführer diese in der Erstbefragung machte. Ergänzend gab er an, dass er in der Provinz Takhar, im Distrikt Farkhar, geboren worden sei und dann später in einer anderen Stadt in Takhar gearbeitet habe, in den Distrikten Darghad und Delaram. Gelebt habe er bis zu seiner Ausreise in Pole Sharawan - Gozare Khair Abad. Er sei 12 Jahre lang in die Schule gegangen, mit dem afghanischen Staat habe er keine Probleme gehabt. Er habe Afghanistan verlassen müssen, da er als Polizist jedes Mal Stress und Angst hatte, nach Hause zu kommen. Die Taliban seien für ihn gefährlich gewesen. Darghad sei aktuell unter der Kontrolle der Taliban. Er sei ständig im Krieg gewesen und kein Stadtpolizist. In Delaram sei er Leiter in Bezug auf Informationsgewinnung gewesen, er habe "seine Leute draußen" gehabt, diese hätten ermittelt, wer Straftaten begehe und diese Informationen seien an die anderen Polizeikräfte weitergegeben worden. Er sei auch für diverse Ausbildungen zuständig gewesen und habe dort täglich gekämpft. Sie hätten im Zuge von Gefechtshandlungen in der Region den Feind beschossen, er glaube nicht, dass er jemanden getötet habe, Kollegen seien getroffen worden. Der Beschwerdeführer selbst sei nicht verwundet worden. Er sei nicht persönlich bedroht worden, die Bedrohung ergebe sich aus dem Weg zur Arbeit und den dort befindlichen Taliban, sein Dienst sei "eben quasi im Krieg" gewesen. Da seine Mutter nur drei Söhne habe, hätten die Eltern des Beschwerdeführers gewollt, dass dieser seinen Dienst bei der Polizei quittiere, er habe aber nicht die Möglichkeit gehabt, etwas Anderes zu tun. Sein Vater, seine Mutter, zwei Brüder und eine Schwester würden noch in Takhar, im Heimatort des Beschwerdeführers, leben. Er habe per Internet Kontakt zu seiner Familie. Seine Angehörigen könnten noch in Afghanistan leben, da diese keine Polizisten seien. Die Arbeit eines Polizisten in Afghanistan sei generell gefährlich, in Kabul wäre der Beschwerdeführer nicht als Polizist "genommen worden". Nach Erörterung der Länderberichte, besonders zur Situation von jungen, gesunden, arbeitsfähigen Männern in Afghanistan, gab der Beschwerdeführer an, dass es kein Problem sei, wenn er in Österreich nicht akzeptiert werde, er wolle seine Dokumente zurück und würde in ein anderes Land gehen. Er sei gefragt worden, ob er in Österreich bleiben wolle und habe dies dann bejaht. Er wolle ein normales Leben haben und habe keinen Einfluss darauf, wo in Afghanistan er als Polizist eingesetzt werden würde. In anderen Ortschaften würden ihn die Taliban töten. Er werde nicht bedroht, aber er habe keine andere Möglichkeit, als wieder zur Polizei zu gehen und diese würde ihn wieder in den Krieg schicken, was er aber nicht mehr wolle, da er sehr erschöpft sei. Er wolle ein normales und besseres Leben haben und den Rest seines Lebens in einer freien Gesellschaft genießen, was bisher nicht der Fall gewesen sei. Auch die Zeit des Wartens auf seine Antragsbearbeitung sei eine verlorene Zeit gewesen. Ein Cousin des Beschwerdeführers lebe auch in Österreich. Seine Versorgung betreffend gab der Beschwerdeführer an, dass er sich Geld von Freunden und Bekannten ausborge und so seinen Lebensunterhalt bestreite. Geld von der Caritas bekomme er nicht mehr, er habe keine Verwandten oder Freunde in Österreich oder einem anderen EU-Staat, die für ihn sorgen könnten. Er habe früher in Österreich eine "Stiefmutter" gehabt, die habe ihn zu Kulturveranstaltungen und zum Fußball u.ä. mitgenommen, diese sei aber nach Deutschland gegangen. Er wolle in Österreich irgendeinen Beruf ausüben, von dem er leben könne. Festgehalten wurde im Protokoll, dass der Beschwerdeführer sich auf Deutsch "mäßig verständigen" könne. Zum Stand seiner Integration befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er ein großes Problem gehabt habe. Fünf Monate bevor er ins Gefängnis gekommen sei, habe das Problem angefangen. Er sei müde und erschöpft von der Reise gewesen und die Afghanen hätten ihn genervt. Er sei in einer Situation gewesen, in der er so außer sich gewesen sei, dass er entweder ein Messer gegen sich selbst oder gegen die anderen richten musste. Er sei dann zu einer Person gegangen, die ihm Geld geschuldet habe, ihm dieses aber nicht zurückzahlen wollte, da habe er gesehen, dass diese Person Drogen gehabt habe. Er habe die Drogen genommen und sei zur Polizei gegangen, um ins Gefängnis geschickt zu werden, damit er Abstand von seinen Problemen bekommen könne. Vorgelegt wurden eine Tazkira, ein Polizeikurszertifikat, ein Offizierskurszertifikat, die Kopie eines Polizeiausweises sowie diverse Deutschkursbestätigungen.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.04.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m.
§ 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, (AsylG 2005) (Spruchteil I.) als auch des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchteil II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchteil III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. Nr. 87/2012, idgF, (BFA-VG) wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) erlassen (Spruchteil IV.) und es wurde gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchteil V.). Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchteil VII.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchteil VI.). Mit Spruchteil VIII. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG gegen den Beschwerdeführer ein mit sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde Folgendes aus:
Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung von staatlicher Seite behauptet und auch sonst keine asylrelevanten Gründe glaubhaft gemacht. Es habe nicht festgestellt werden können, dass ihm in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung drohe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan die Existenzgrundlage entzogen wäre. Er sei jung, arbeitsfähig und lernwillig und könnte Unterstützung vor Ort bekommen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass eine ausgeprägte, verfestigte, entscheidungserhebliche, individuelle Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorliege. Der Beschwerdeführer stelle aufgrund der rechtskräftig erfolgten Verurteilungen eine erhebliche, tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar.
7. Gegen den gegenständlichen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in welcher er zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:
Der Beschwerdeführer habe für die afghanische Polizei gearbeitet und sei auch für die Ausbildung von Polizisten zuständig gewesen. Er habe als Polizist gegen die Taliban gekämpft und sei - genauso wie seine Kollegen - deswegen bedroht worden. Aus Angst vor dieser Bedrohung durch die Taliban habe der Beschwerdeführer seine Arbeit bei der Polizei beendet und beschlossen, sein Heimatland zu verlassen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte der Beschwerdeführer eine Verfolgung durch die Taliban. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht, da sich die drohende Verfolgung auf das gesamte Staatsgebiet erstrecke. Die belangte Behörde habe das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht mit der gebotenen Tiefe ermittelt, es würden Berichte fehlen über die Lage von und Konsequenzen für Personen, welchen von radikal islamistischen Gruppierungen - im vorliegenden Fall den Taliban - eine feindliche oppositionelle Gesinnung unterstellt werde und Berichte die die tatsächliche Lage von Rückkehrern wiederspiegeln. Dem Beschwerdeführer hätte Asyl gewährt werden müssen, da er auch unter ein in der UNHCR-Richtlinie angeführtes Risikoprofil falle und zwar: "Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen" und auch "Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben". Auch hat die belangte Behörde aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens keine ganzheitliche Würdigung und somit eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen. Dem Beschwerdeführer werde aufgrund seiner Unterstützung der afghanischen Polizei von den Taliban eine feindliche oppositionelle Gesinnung unterstellt, weshalb auch die Niederlegung dieser Tätigkeit keine Auswirkungen gehabt habe. Durch die gute Vernetzung der Taliban wäre der Beschwerdeführer auch in anderen Landesteilen Afghanistans aufgefunden worden, weswegen eine innerstaatliche Fluchtalternative auszuschließen sei. Auch sei der afghanische Staat nicht in der Lage, den Beschwerdeführer vor dieser drohenden Verfolgung zu schützen. Die Schutzunfähigkeit und Schutzunwilligkeit der afghanischen Behörden sei bekannt und aus den Länderberichten ersichtlich. Die Nichtzuerkennung den subsidiären Schutz betreffend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten würde, da er keine finanzielle Unterstützung seitens seiner Familie erhalten würde. Er sei um seine Integration in Österreich bemüht, habe nachweislich mehrere Deutschkurse besucht und wolle in Zukunft weiterhin seine Deutschkenntnisse verbessern sowie einer Arbeit nachgehen. Die Rückkehrentscheidung hätte als dauerhaft für unzulässig erklärt werden müssen und es hätte dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung (plus) erteilt werden müssen. Das verhängte Einreiseverbot betreffend wurde festgehalten, dass der Begründungspflicht bei dieser Ermessensentscheidung besonders große Bedeutung zukomme. Die Verhängung des Einreiseverbotes stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das geschützte Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich sowie im EU-Raum dar. Im gegenständlichen Fall sei die Dauer des Einreiseverbotes zu hoch bemessen.
8. Am 05.06.2018, einlangend mit 07.06.2018, wurde die Beschwerde durch die belangte Behörde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.06.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
10. Datiert mit 09.10.2018 wurde die belangte Behörde verständigt, dass gegen den Beschwerdeführer wegen § 125 StGB Anklage erhoben wurde. 11. Am 03.04.2019 wurde der Beschwerdeführer aus Frankreich rückübernommen, wo er einen Asylantrag gestellt hatte. Nach Ankunft am Flughafen wurde der Beschwerdeführer wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Schubhaft genommen. Die Beschwerde gegen diese Schubhaftverhängung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2019 als unbegründet abgewiesen und es wurde festgestellt, dass zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Schubhaft vorlagen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zum Beschwerdeführer:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens und Angehöriger der tadschikischen Volksgruppe. Der Beschwerdeführer ist in Takhar, Afghanistan geboren und aufgewachsen. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer reiste illegal aus Afghanistan aus und (spätestens) am 11.04.2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer befand sich seit der Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich, zwischenzeitlich hielt er sich auch in Frankreich, wo wer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte, bevor er wieder nach Österreich rücküberstellt wurde.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan sechs Klassen Grundschule, drei Klassen Hauptschule und drei Jahre lang die allgemein bildende höhere Schule in Takhar besucht.
Der Beschwerdeführer bezog Leistungen aus der Grundversorgung, einer Erwerbstätigkeit in Österreich ist er bisher nicht nachgegangen. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse bis zum Sprachniveau A2 besucht.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Freundin, keine Kinder - und somit auch keine Obsorgepflichten - und ist kein Mitglied in einem Verein. Er übt auch keine ehrenamtlichen Tätigkeiten aus.
Ein Cousin des Beschwerdeführers lebt in Österreich, seine Eltern, seine zwei Brüder und eine Schwester befinden sich in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt mit seiner Familie in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer war in Afghanistan als Polizist - unter anderem - in den Distrikten Farkhar, Darghad und Delaram tätig. Er ist auch ein Jahr lang im Iran einer Beschäftigung nachgegangen.
Dem Beschwerdeführer droht weder aufgrund der Tatsache, dass er in Afghanistan als Polizist gearbeitet hat, noch durch die Taliban eine maßgebliche persönliche Verfolgung. Der Beschwerdeführer hatte keine Probleme mit dem afghanischen Staat bzw. den Behörden in Afghanistan.
Am 24.08.2017, rechtskräftig mit 28.08.2017, wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt am 30.08.2016 1. zwei Polizisten mit Gewalt an der mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübten Amtshandlung der Durchsetzung seiner Identitätsfeststellung und Durchsuchung zu hindern versucht zu haben, indem er sich gewaltsam aus dem Haltegriff der Polizisten loszureißen versuchte und dabei mit den Armen um sich schlug, sodass Unterstützung angefordert werden musste, 2. eine Inspektorin während der Vollziehung ihrer vorbeschriebenen Aufgabe durch die zu Faktum
1. geschilderte Tathandlung vorsätzlich am Körper verletzt zu haben (Zerrung am rechten Daumen) und bei einem weiteren Vorfall an einem anderen Tag einer Person eine fremde bewegliche Sache in einem EUR 5.000,- nicht übersteigenden Wert, nämlich ein Fahrrad (Neuwert: EUR 700,-) durch Aufbrechen einer Sperrvorrichtung mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht zu haben, indem er es von einem mit einem Fahrradschloss fixierten Fahrradständer herunterzureißen versuchte, wobei die Tathandlung infolge Unvermögens scheiterte. Der Beschwerdeführer hat hiedurch das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 1. Fall StGB, das Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 2 StGB und das Vergehen des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Abs. 1 Z 3 StGB begangen und wurde zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von sechs Monaten verurteilt. Die verhängte Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Mildernd wurde hierbei gewertet, dass der Beschwerdeführer unbescholten gewesen ist, dass er alkoholisiert war und dass es bei zwei Taten beim Versuch geblieben ist. Erschwerend wurde angeführt, dass es zu einem Zusammentreffen von drei Vergehen gekommen ist. Mit Beschluss vom 25.09.2017 wurde von einem Widerruf der bedingten Nachsicht Abstand genommen, die Probezeit aber auf fünf Jahre verlängert.
Am 25.09.2017, rechtskräftig mit 29.09.2017, wurde der Beschwerdeführer wegen dem Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§§ 27 Abs. 2a 2 Fall SMG, teils blieb es beim Versuch nach § 15 StGB und nach § 27 Abs. 1 Z 1 SMG) sowie dem Vergehen des Diebstahles nach § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Ein Geständnis, die teilweise Suchtgiftsicherstellung sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, wurden als mildernd angesehen, als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen sowie der rasche Rückfall. Zusammengefasst wurden dem Beschwerdeführer die versuchte und vollendete Veräußerung von Cannabiskraut sowie der besitz desselben zum persönlichen Gebrauch vorgeworfen. Das Cannabiskraut hatte der Beschwerdeführer einem unbekannten Eigentümer zuvor mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Im Falle eine Rückkehr nach Afghanistan würde der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten.
1.2. Zur hier relevanten Situation in Afghanistan:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018:
1.2.1. Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).
1.2.2. Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan. im Nordosten an Kapisa. im Osten an Laghman. an Nangarhar im Südosten. an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar. Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami. Chaharasyab/Char Asiab. Dehsabz/Deh sabz. Estalef/Istalif. Farza. Guldara. Kabul Stadt. Kalakan. Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar. Mirbachakot/Mir Bacha Kot. Musayi/Mussahi. Paghman. Qarabagh. Shakardara. Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen. Tadschiken. Hazara. Usbeken. Turkmenen. Belutschen. Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an. dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten. Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).
Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul
Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul
Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani- Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).
Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).
Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).
1.2.3. Balkh
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).
Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).
Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:
Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).
Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).
1.2.4. Herat
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat- Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).
Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).
Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m3 turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).
Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Herat
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;
vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;
vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).
Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).
ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).
1.2.5. Takhar
Takhar grenzt im Nordosten an die Provinz Badakhshan - Kunduz liegt im Westen, Baghlan im Süden und im Norden grenzt Takhar an Tadschikistan. Die Provinz hat folgende Distrikte: Warsaj, Farkhar, Khawaja Ghar, Khawajah Bahawodin/Khwaja Bahauddin, Baharak, Hazar Sumuch, Dashti Qala, Yangi Qala, Chahab, Rustaq, Bangi, Ishkamish, Kalafgan, Chal, Namakab und Darqad/Durqad; Taluqan ist die Hauptstadt (Pajhwok o.D.aa; vgl. UN OCHA 4.2014). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.017.575 geschätzt (CSO 4.2017).
Die Provinz Takhar ist für Landwirtschaft besonders geeignet (Pajhwok o.D.aa). Takhar zählt zu den für ihre Früchte berühmten Provinzen: Angebaut werden Granatäpfel und Birnen (UNDP 16.1.2017) sowie auch Zitronen (Pajhwok 19.1.2016).
Es existiert eine Autobahn, die Kunduz und Takhar verbindet (Pajhwok 21.2.2017; vgl. Tolonews 12.5.2017); ebenso gibt es einen Bus, der zwischen Takhar und Kabul verkehrt (Planet Biometrics 14.2.2017).
Die Provinz Takhar behält auch im Jahr 2017 den opiumfreien Status, den sie seit dem Jahr 2008 hat. Kleinere Mengen an Mohnanbau (unterhalb der Grenze von 100 Hektar) wurden beobachtet. Nichtsdestotrotz, wurden 15 Hektar an Mohnanbauflächen zerstört (UNODC 11.2017).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Im Februar und März 2018 wurde verlautbart, dass Takhar zu den relativ volatilen Provinzen in Nordostafghanistan zählt, in der oft Aktivitäten von Aufständischen und Zusammenstöße zwischen afghanischen Sicherheitskräften und Rebellen registriert werden (Khaama Press 11.2.2018; vgl. Khaama Press 8.3.2018, Ansar 9.3.2018). Noch im Juni und Oktober 2017 zählte Takhar zu den relativ ruhigen Provinzen, in der, seit dem Fall des Talibanregimes, nur selten Aktivitäten von Aufständischen, registriert wurden. Dennoch haben aufständische Gruppierungen ihre Aktivitäten in der Provinz in den letzten Jahren erhöht. Auch grenzt die Provinz Takhar an gewisse unruhige Provinzen des nördlichen Afghanistan - Aufständische reisen über Takhar, um in andere Provinzen zu gelangen und dort aktiv zu werden (KhaamaPress 22.10.2017; vgl. Khaama 23.6.2017). Manchmal finden in der Provinz Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte statt (Pajhwok 9.3.2018; vgl. 25.4.2017).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 98 zivile Opfer (36 getötete Zivilisten und 62 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von Blindgängern/Landminen und Luftangriffen. Dies bedeutet einen Rückgang von 8% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Takhar
Militärische Operationen werden in der Provinz durchgeführt (Khaama Press 11.2.2018; vgl. Pajhwok 10.2.2018, Xinhua 11.2.2018, Pajhwok 6.2.2018, Khaama Press 23.6.2017, ST 20.6.2017); manchmal werden hochrangige Anführer der Taliban getötet (Xinhua 11.2.2018; vgl. Khaama Press 23.6.2017, Khaama Press 22.4.2017); Aufständische werden getötet und festgenommen (Pajhwok 11.2.2018; ST 20.6.2017). Luftangriffe bei denen auch Taliban getötet werden, werden ebenso durchgeführt (MD 26.3.2018; vgl. RFE/RL 6.3.2018, Tolonews 11.2.2018).
Zusammenstöße zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen finden in der Provinz statt (Xinhua 17.3.2018; vgl. SS 11.3.2018, Tolonews 9.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Takhar
Aufständische der Taliban sind in gewissen Distrikten der Provinz aktiv (FNA 9.3.2018; vgl. Khaama Press 11.2.2018, Tolonews 20.3.2018). Die Taliban haben auf etwa 40 Hektar Land (100 Acker) im Distrikt Darqad eine Siedlung errichtet, die u. a. mit Wohnungen, Gesundheitszentren und Geschäften ausgestattet ist (Pajhwok 24.1.2018). Die Siedlung ist unter dem Namen "Omari Town" bekannt gewesen (1TV News 8.2.2018). Die Taliban verlautbarten, der Distrikt Darqad sei ihr Zentrum in der Gegend (SW 7.10.2017). Im Februar 2018 wurde bekannt gegeben, dass die Region wieder unter Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte sei (FN 13.2.2018; vgl. 1TV News 8.2.2018). Eine weitere Siedlung der Taliban soll im Distrikt Khawajah Bahawodin errichtet werden (Pajhwok 8.10.2017; vgl. SW 7.10.2017).
Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz Takhar registriert (ACLED 23.2.2018).
1.2.6. Sicherheitsbehörden
In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS) (USDOS 20.4.2018). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist (USDOD 6.2017).
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 2018). Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANAKommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018, SIGAR 30.4.2018a, Tolonews 6.11.2017). Auch das NDS ist Teil der ANDSF (USDOS 3.3.2017).
Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018). Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt
313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat (SIGAR 30.4.2018b). Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt (USDOD 6.2017).
Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats." (AA 5.2018). Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt (TG 26.5.2018; vgl. E1 2.12.2017).
Aktuelle Tendenzen und Aktivitäten der ANDSF
Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9.2016; vgl. USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).
Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden USamerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen (SIGAR 30.4.2018a).
Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSFStreitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden (NATO o.D.).
Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei (SIGAR 30.4.2018a). Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich (USDOD 6.2017). Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPIProjekts in Herat auf (SIGAR 30.4.2018a). Nachdem die Operation Shafaq II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020 (USDOD 6.2017).
Reformen der ANDSF
Die afghanische Regierung versucht die nationalen Sicherheitskräfte zu reformieren. Durch die Afghanistan Compact Initiative sollen u.a. sowohl die ANDSF als auch ihre einzelnen Komponenten ANA und ANP reformiert und verbessert werden. Ein vom Joint Security Compact Committee (JSCC) durchgeführtes Monitoring der afghanischen Regierung ergab, dass die für Dezember 2017 gesetzten Ziele des Verteidigungs- und des Innenministeriums zum Großteil erreicht wurden (SIGAR 30.4.2018a). Das Aufstocken des ANASOC, der Ausbau der AAF, die Entwicklung von Führungskräften, die Korruptionsbekämpfung und die Vereinheitlichung der Führung innerhalb der afghanischen Streitkräfte sind einige Elemente der 2017 angekündigten Sicherheitsstrategie der afghanischen Regierung. Auch soll diese im Rahmen der neuen USamerikanischen Strategie für Südasien Beratung und Unterstützung bei Lufteinsätzen bekommen (TD 1.4.2018).
Mit Unterstützung der RS-Mission implementieren und optimieren das MoI und das MoD verschiedene Systeme, um ihr Personal präzise zu verwalten, zu bezahlen und zu beobachten. Ein Beispiel dafür ist das Afghan Human Resource Information Management System (AHRIMS), welches alle Daten inklusive Namen, Rang, Bildungsniveau, Ausweisnummer und aktuelle Position des ANDSF-Personals enthält. Auch ist das Afghan Personnel Pay System (APPS), das die AHRIMS-Daten u.a. mit Vergütungs- und in Lohndaten integrieren wird, in Entwicklung (SIGAR 30.4.2018a; vgl. NATO 21.7.2017).
Frauen in den ANDSF
Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans besonders herausfordert (BFA Staatendokumentation 3.7.2014).
Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 3.7.2014; vgl. BFA Staatendokumentation 4.2018). Die Aufnahme afghanischer Frauen in die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANA, ANP und NDS) wurde immer von zahlreichen Herausforderungen begleitet. Die traditionelle afghanische Gesellschaft und patriarchalische Mentalität machen es Frauen schwer, am öffentlichen Leben teilzuhaben, insbesondere in Verteidigungs- und Sicherheitsorganisationen. Aus diesen Gründen erlauben die meisten Familien ihren Töchtern und Frauen nicht, sich den Verteidigungs- und Sicherheitskräften anzuschließen. Auch Unsicherheit ist wahrscheinlich ein starker Grund für das Fehlen von Frauen in den Verteidigungs- und Sicherheitsinstitutionen (AIHRC 9.12.2017).
Frauen sind Diskriminierung in verschiedenen Bereichen ausgesetzt, zum Beispiel in Hinsicht bestimmter Rechte und Privilegien, Weiterbildungsmöglichkeiten und den Zugang zu beruflichen Fortbildung im In- und Ausland. Einer Befragung der AIHCR zufolge, an der 648 Frauen teilnahmen (579 in der ANP, 60 in der ANA und zwölf im NDS), gaben die befragten Frauen an, dass in den drei Institutionen Diskriminierung gegen Frauen stattfindet. Einige Gründe, warum Frauen im Verteidigungs- und Sicherheitssektor nicht die gleichen Möglichkeiten zur beruflichen Fortbildung und zur Weiterbildung erhalten, liegen in den Institutionen selbst; andere hängen mit Familie und Gesellschaft zusammen. Ein Anteil der befragten Frauen (17%) in den Provinzen (Kabul, Parwan, Kapisa und Panjshir) gaben gegenüber AIHCR an, keinen Zugang zu geschlechtergetrennten, geeigneten Toiletten und Umkleidebereichen zu haben. Das Fehlen von Umkleidebereichen bietet eine Grundlage für Missbrauch und Belästigung von Frauen und führt dazu, dass viele Frauen den Arbeitsplatz aufgeben. Auch gaben 13,2% der Befragten an, sexuell belästigt worden zu sein. Die Unterschiede beim Ausmaß der Belästigungen in den drei Verteidigungs- und Sicherheitsorganisationen (ANP, ANA und NDS) sind gering, jedoch in der ANP höher als in ANA und NDS (AIHRC 9.12.2017).
Im letzten Quartal des Jahres 2017 errichtete das afghanische Innenministerium ein Komitee zur Prävention von sexueller Belästigung und Gewalt; auch wurde eine Arbeitsanweisung dafür errichtet und die Aufgaben der bestellten Mitglieder erarbeitet - Berater/innen der Koalitionspartner sollen dem Komitee zur Seite stehen, um sicherzustellen, dass die Bemühungen gegen sexuelle Belästigung und Gewalt stark und effektiv sind (SIGAR 30.1.2018). Die AIHRC, in Kooperation mit dem afghanischen Verteidigungsministerium und dem Innenministerium erarbeitet derzeit ein Programm für den Ombudsmann, um externe Berichterstattung, Kontrolle und Opferunterstützung für weibliche Mitarbeiter der beiden Ministerien errichten. Dieses Programm soll Mitgliedern der ANDSF und der afghanischen Bevölkerung die Möglichkeit geben, geschlechtsspezifische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen gefahrlos der AIHRC melden zu können (USDOD 12.2017; vgl. AIHR