Entscheidungsdatum
28.05.2019Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13Spruch
W271 2205494-1/12E
W271 2205500-1/12E
W271 2205502-1/12E
W271 2205499-1/16E
W271 2205498-1/12E
W271 2205497-1/12E
W271 2205495-1/11E
W271 2205496-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias
XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 06.03.2019 und 10.04.2019 Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde der XXXX alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 06.03.2019 und 10.04.2019 Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
3.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX alias
XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vertreten, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 06.03.2019 und 10.04.2019 Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
4.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , alias
XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vertreten, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 06.03.2019 und 10.04.2019 Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
5.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, gesetzliche Vertreterin:
XXXX alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , diese durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vertreten, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 06.03.2019 und 10.04.2019 Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
6.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde der minderjährigen XXXX alias
XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, gesetzliche Vertreterin: XXXX alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , diese durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vertreten, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 06.03.2019 und 10.04.2019 Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
7.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde des minderjährigen XXXX alias
XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, gesetzliche Vertreterin: XXXX alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , diese durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vertreten, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 06.03.2019 und 10.04.2019 Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
8.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, gesetzliche Vertreterin:
XXXX alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , diese durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vertreten, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 06.03.2019 und 10.04.2019 Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Erstbeschwerdeführer XXXX alias XXXX alias XXXX (in der Folge: "BF1") und die Zweitbeschwerdeführerin XXXX alias XXXX (in der Folge: "BF2") stellten am 16.08.2016 zusammen mit ihren sechs Kindern (der Drittbeschwerdeführerin XXXX , in der Folge: "BF3"; dem Viertbeschwerdeführer XXXX , in der Folge: "BF4"; dem Fünftbeschwerdeführer XXXX , in der Folge: "BF5"; der Sechstbeschwerdeführerin XXXX alias XXXX , in der Folge: "BF6"; dem Siebtbeschwerdeführer XXXX alias XXXX , in der Folge: "BF7"; dem Achtbeschwerdeführer XXXX , in der Folge: "BF8"), alle afghanische Staatsangehörige der Volksgruppe der Tadschiken, bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien (Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug) einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 17.08.2016 fand die Erstbefragung der BF statt.
2. a. BF1 gab im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:
Er sei am XXXX in Kabul geboren worden und habe acht Jahre lang eine Schule besucht. Zuletzt sei der BF1 als KFZ-Mechaniker tätig gewesen. Er gab an, über eine Familie zu verfügen: Diese bestehe aus seiner Frau und sieben Kindern, wobei ein Sohn Asylwerber in Deutschland sei.
Als Fluchtgrund führte der BF1 an, dass er in XXXX eine öffentliche Werkstatt gehabt habe und deswegen von den Taliban bedroht worden sei. Die Taliban hätten auch seine Kinder bedroht und den Töchtern in der Schule nachgestellt sowie diese mit dem Auto mitnehmen wollen. Schon vor zwei Jahren sei das Leben der Familie in Gefahr gewesen, weshalb der BF1 seinen Sohn nach Deutschland habe schicken müssen.
2. b. Die BF2, die am selben Tag einvernommen wurde, führte im Wesentlichen Folgendes bei der Erstbefragung an:
Sie sei am XXXX in XXXX geboren worden und habe weder eine Schul-, noch eine Berufsausbildung; sie sei Analphabetin.
Als Fluchtgrund gab die BF2 zu Protokoll, dass die Familie Probleme mit den Taliban gehabt habe. Diese hätten die Familie bedroht und ihre Kinder hätten nicht in die Schule gehen können. Die Taliban seien bis zur Schule gekommen und hätten die Kinder entführen wollen. Die BF2 habe Angst um ihre Kinder.
2. c. Die BF3 schilderte in der Erstbefragung, dass sie in XXXX geboren worden sei und elf Jahre lang eine Schule besucht habe.
Als Fluchtgrund gab diese an, von unbekannten Personen bedroht worden zu sein. Die BF3 sei zusammen mit ihrer Schwester verfolgt worden, als sie in die Schule gegangen seien. Sie sei auch alleine verfolgt worden. Unbekannte hätten ebenfalls einen Bruder entführen wollen. Die Familie habe ein gutes Leben in Afghanistan gehabt; der Vater der BF3 habe eine Werkstatt mit Gehilfen besessen. Aber nun sei das Leben der Familie in Gefahr gewesen.
2. d. Der BF4 machte folgende persönliche Angaben im Zuge der Erstbefragung: Er sei in XXXX geboren worden und habe zehn Jahre lang eine Schule besucht.
Hinsichtlich des Fluchtgrundes gab er zu Protokoll, Afghanistan verlassen zu haben, weil die Familie von unbekannten Leuten bedroht worden sei.
2. e. Der BF5 berichtete im Wesentlichen, er sei in XXXX geboren worden und habe sieben Jahre lang eine Schule besucht.
Zum Fluchtgrund gab dieser an, dass der Vater gesagt habe, dass das Leben der Familie in Gefahr sei. Außerdem habe auch sein Bruder aus der Heimat flüchten müssen. Das Leben des BF5 sei in Afghanistan in Gefahr, es herrsche Krieg und es würden täglich Menschen sterben.
3. Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: "BFA") wurde am 13.09.2017 mitgeteilt, dass zur Vertretung der BF (mit Ausnahme des BF4) der Rechtanwalt XXXX beauftragt worden sei.
4. Am 05.07.2018 erfolgte die Einvernahme des BF1, der BF2 und der BF3 vor dem BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari.
4. a. Dabei schilderte der BF1, dass er acht Jahre lang eine Schule besucht und als KFZ-Mechaniker gearbeitet habe. Er habe 22 Jahre lang eine eigene Werkstatt geführt.
Zu seinem Fluchtgrund befragt schilderte der BF1 zusammengefasst, dass einer seiner größten Auftraggeber die Firma XXXX gewesen sei. Er habe dadurch eine Genehmigung gehabt, in ein Militärcamp ein- und auszufahren. Eines Tages habe ein Kunde namens XXXX , der Autohändler gewesen sei, den BF1 unter dem Vorwand, dass er eine Motorenreparatur benötige, in einem Auto zu einem Haus in Chemtal gebracht. In diesem Haus voller Taliban habe der Talibanführer XXXX auf den BF1 gewartet. Dieser habe dem BF1 eine Zusammenarbeit mit den Taliban vorgeschlagen, weil er an der Zufahrtsberechtigung zum Militärcamp interessiert gewesen sei. Der BF1 habe zunächst abgelehnt, woraufhin er geschlagen, getreten und seine Erschießung befohlen worden sei. Schließlich habe der BF1 seine Mitarbeit doch zugesichert und sei an einer Kreuzung freigelassen worden und mit einem Linientaxi zu seiner Werkstatt zurückgekehrt. Von dort sei der BF1 nachhause gegangen, weil er nervös gewesen sei, und habe seiner Frau alles erzählt. Acht oder zehn Tage später sei dann ein Anruf gekommen, dass der BF1 wieder zur Kreuzung kommen solle, weil XXXX mit ihm sprechen wolle. Er habe diesen Anruf jedoch nicht ernst genommen, woraufhin die nächsten fünf oder sechs Tage weitere Anrufe gefolgt seien. Eines Morgens, als der BF1 in die Werkstatt habe fahren wollen, habe seine Frau einen in Paschtu verfassten Talibandrohbrief gefunden. Die BF2 habe geweint und gewollt, dass ihr Mann weglaufe und nicht in die Werkstatt gehe. Nach drei Stunden "Belehrung" durch seine Frau habe der BF1 seine Sachen gepackt und sei um elf Uhr vormittags nach Kabul zu den Eltern seines Freundes XXXX gefahren. Nach vier Tagen sei er in die Türkei geflogen. Zwei Wochen später habe ihm die BF2 erzählt, dass seine beiden Töchter beim Nachhausekommen von der Schule fast von Taliban entführt worden wären. Daraufhin habe ein Geschäftsfreund der Familie, XXXX , die Familie nach Kabul gebracht, wohin auch der BF1 sofort gekommen sei. Nach ein paar Tagen seien die BF als Familie mit einem Schlepper innerhalb der Provinz Kabul mitgegangen. Im Unterschlupf seien sie zwei Monate geblieben.
Zum seinem ältesten Sohn (der sich nicht im österreichischen Asylverfahren befindet) berichtete der BF1, dass dieser zur Schule gegangen sei, aber zeitgleich auch in einem eigenen Textilgeschäft mit dem Familienfreund XXXX gearbeitet habe. Eines Tages sei dieser nicht zum Abendessen erschienen. Zu später Stunde habe es einen Anruf gegeben, dass die Familie für die Freilassung ihres Sohnes USD XXXX zahlen solle. Am Telefon habe der BF1 seinen Sohn um Hilfe weinen gehört; die BF2 sei daraufhin zusammengebrochen. In derselben Nacht habe es einen weiteren Anruf gegeben. Am nächsten Morgen sei der BF1 dann mit dem Lösegeld zu einer Pilgerstätte gekommen. Es seien Personen auf zwei Motorrädern aufgetaucht und hätten um das Darlehen gefragt, das ihnen der BF1 daraufhin gegeben habe. Am Abend sei der Sohn auf einem Friedhof mit ausgeschlagenen Zähnen und einer gebrochenen Hand abgelegt worden. Er sei ins Krankenhaus gebracht worden und habe sich danach 20 bis 25 Tage zuhause aufgehalten, ehe der BF1 ihn nach Deutschland geschickt habe.
4. b.Die BF2 wurde ebenfalls vor dem BFA am selben Tag niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen der Befragung führte diese an, in XXXX aufgewachsen zu sein. Sie sei Hausfrau gewesen und habe sich um den Haushalt gekümmert. Die BF2 sei Analphabetin und habe nie eine Schule besucht.
Zum Fluchtgrund schilderte die BF2 im Wesentlichen, dass sie zwar nicht persönlich bedroht worden sei, die Fluchtgründe des Mannes aber die gesamte Familie betreffen würden. Der BF1 habe ein Auto zur Reparatur holen müssen und sei dann irgendwohin entführt worden. Ein XXXX habe mit ihm geredet, der gewollt habe, dass er bei den Taliban mitarbeite. Ihr Mann habe dies nicht gewollt, woraufhin er geschlagen worden sei. Um nicht umgebracht zu werden, sei der BF1 gezwungen gewesen, seine Mitarbeit zuzusichern; ihr Mann sei verletzt nachhause zurückgekommen. Etwa zehn Tage danach habe der BF1 Anrufe erhalten, auf die er nicht reagiert habe. Eines Tages am Morgen, als dieser das Auto aus der Garage geholt habe, habe die BF2 beim Schließen eines Tores einen Talibanbrief gefunden, weshalb sie ihren Mann in die Türkei geschickt habe. Vorher habe es nämlich schon den Vorfall mit ihrem Sohn gegeben, der entführt und für dessen Freilassung USD XXXX gezahlt worden seien. Der Sohn sei in einem schlechten körperlichen und psychischen Zustand gewesen und nach Deutschland geschickt worden.
Zum Vorfall mit ihren Töchtern gab die BF2 an, dass die Mädchen am späten Nachmittag von der Schule gekommen seien. Männer hätten diese in der Nähe des Hauses in ihr Auto zerren wollen; Ladenbesitzer, welche die Töchter gekannt hätten, hätten dies verhindert und die Töchter nachhause gebracht. Um elf in der Nacht habe es an der Türe geläutet und die BF2 sei an die Gegensprechanlage gegangen. Eine Stimme habe gesagt, dass sie nicht glauben solle, dass man ihre Töchter nicht mitnehmen könne. Dem BF1 solle sie ausrichten, dass er sich melden solle. Um sieben Uhr morgens habe XXXX die Familie dann zu seinen Eltern in Kabul gebracht. Die BF2 habe ihren Mann angerufen, der dann nachgekommen sei. Die Familie hätte sich einen Monat bei den Eltern des XXXX und zwei Monate bei einem Schlepper aufgehalten, ehe sie in die Türkei geflogen sei.
4. c. Die BF3 gab ihrer Befragung vor dem BFA an, die Schule in XXXX mit einer "Matura" abgeschlossen zu haben.
Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die BF3 zusammengefasst an, dass sie dieselben Fluchtgründe wie ihr Vater habe. Außerdem habe sie noch eigene: Die BF3 sei zusammen mit ihrer Schwester auf dem Weg von der Schule nachhause gewesen, als die Taliban versucht hätten, sie zu entführen. Vier Personen hätten die Geschwister ins Auto ziehen wollen, Geschäftsleute seien aber zur Hilfe geeilt. Zuhause hätte sie dann erfahren, dass die Personen die Mädchen gar nicht hätten entführen wollen, sondern es nur eine Warnung an den BF1 gewesen sei. Die Familie sei daraufhin zur Familie des XXXX nach Kabul gegangen, wohin der BF1, der sich zuvor in der Türkei aufgehalten habe, ebenfalls gekommen sei.
5. Mit Schreiben vom 17.07.2018 wurde von den BF die Auflösung der Vollmacht zum Rechtsanwalt XXXX bekannt gegeben.
6. Mit Bescheiden vom jeweils 21.07.2018 wies das BFA die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 ab (Spruchpunkte I.). Sie erhielten gemäß § 8 AsylG 2005 subsidiären Schutz und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 21.07.2019 (Spruchpunkte II. und III.). Diese Spruchpunkte erwuchsen in Rechtskraft. Die belangte Behörde begründete die Gewährung des subsidiären Schutzes mit dem Gesundheitszustand der BF2 bzw. der Eigenschaft als "Familienangehöriger" zur BF2 und mit der mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit der BF3.
Die BF unterschrieben gleichzeitig mit der Übergabe der Bescheide am 21.07.2018 mit "Rechtsmittelverzicht" betitelte Schreiben.
7. Die BF erhoben jeweils am 20.08.2018 gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide Beschwerde. In den Beschwerden wurde insbesondere vorgetragen, dass den BF eine Verfolgung durch die Taliban drohe, weil sich der BF1 geweigert habe, für die regierungsfeindliche Gruppierung zu arbeiten. Auch die Zusammenarbeit des BF1 mit dem afghanischen Militär würde die Familie einer Gefahr aussetzen.
8. Die Beschwerdevorlage erfolgte mit Schreiben vom jeweils 10.09.2018. Am 12.09.2018 langten die Akten der BF beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch: "BVwG") ein.
9. Das BVwG führte am 06.03.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein einer Rechtsvertreterin der BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
10. Am 10.04.2019 fand eine weitere Verhandlung vor dem BVwG in der Sache in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein einer Rechtsvertreterin der BF statt. Vernommen wurden dabei auch die für das damalige Verfahren der BF vor dem BFA zuständigen Mitarbeiter als Zeugen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zu den BF
1.1.1. Der BF1 trägt den Namen XXXX alias XXXX alias XXXX und führt das Geburtsdatum XXXX , alias XXXX .
Die BF2 trägt den Namen XXXX alias XXXX und führt das Geburtsdatum XXXX , alias XXXX .
Der BF1 und die BF2 sind verheiratet und die Eltern der volljährigen BF3 ( XXXX , geb. XXXX , alias XXXX ), des volljährigen BF4 ( XXXX , geb. XXXX , alias XXXX ), des minderjährigen BF5 ( XXXX , geb. XXXX , alias XXXX ), der minderjährigen BF6 ( XXXX alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX ), des minderjährigen BF7 ( XXXX alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX ) und des minderjährigen BF8 ( XXXX , geb. XXXX , alias XXXX ). BF1 und BF2 haben einen weiteren gemeinsamen Sohn ( XXXX alias XXXX ), der sich aktuell in der Türkei aufhält. Alle sind afghanische Staatsbürger, Volksgruppenangehörige der Tadschiken und sunnitische Moslems.
Als Muttersprache sprechen die BF Dari. Der BF1 beherrscht zudem etwas Urdu und Paschtu; die BF3, BF4 und BF5 sprechen etwas Paschtu; BF3 und BF4 auch Englisch.
1.1.2. Der BF1 wurde in Kabul geboren und zog später nach XXXX , wo er anfangs mit seinen Eltern zusammenwohnte.
Die BF2 wurde in XXXX geboren und wuchs bei ihren Eltern in XXXX auf.
Die BF3 bis BF8 wurden in XXXX geboren und sind dort aufgewachsen.
Sämtliche Familienmitglieder lebten bis zur Ausreise in XXXX ; zumindest fünf Jahre davon im Familienhaus. Dieses wurde mittlerweile verpachtet.
1.1.3. Im Herkunftsstaat hat der BF1 eine achtjährige Schulausbildung genossen und war über 20 Jahre lang als KFZ-Mechaniker in einer Werkstatt in XXXX tätig. Dabei konnte nicht festgestellt werden, ob die Werkstatt im Eigentum des BF1 oder der Wohngemeinde stand. Durch seine Arbeit verdiente der BF1 ca. USD XXXX pro Monat. Die BF2 erhielt keine Schul- oder Berufsausbildung und ist Analphabetin; sie war immer Hausfrau.
Die BF3, der BF4, der BF5 und die BF6 haben in Afghanistan mehrere Jahre bis zur Ausreise Schulen besucht (Mädchenschulden bzw. Knabenschulen) und durften selbstständig hingehen.
1.1.4. Der BF1 hat eine Schwester in Amerika; seine Eltern sind bereits verstorben. Die Familie der BF2 hält sich in der Türkei auf.
1.1.5. Die BF haben Afghanistan im März 2016 verlassen und stellten spätestens am XXXX im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Für die Schleppung, die vom BF1 organisiert und finanziert wurde, wurden USD XXXX gezahlt; ein Teil davon wurde als Bestechungsgeld für den Erhalt von Visa für die Türkei aufgebracht. Zielländer der Familie waren Deutschland oder Österreich.
1.1.6. In ihrem Herkunftsstaat sind die BF ist nicht vorbestraft, sie waren politisch nicht tätig und hatten keine Probleme mit den Behörden.
1.1.7. Der BF1 sowie die BF4 bis BF8 sind gesund.
Die BF2 leidet an einer schweren Nierenerkrankung ( XXXX ) und muss sich deshalb dreimal monatlich einer Dialyse und allenfalls auch einer Transplantation unterziehen. Durch die Medikamente, die diese einnehmen muss, leidet sie an Depressionen und auch ihre Sehfähigkeit wird beeinträchtigt. Es fällt ihr schwer, sich auf den Beinen zu halten.
Die BF3 hat Depressionen, nimmt zeitweise Medikamente dagegen und besucht einmal die Woche eine Gesprächstherapie.
1.1.8. Im Bundesgebiet verfügen die BF über keine weiteren Angehörigen.
1.1.9. Die BF wohnen derzeit in einer Unterkunft in XXXX und leben mit Ausnahme des BF1, der seit November 2018 im Bäckergewerbe arbeitet, und des BF4, der ebenfalls arbeiten geht, von der Grundversorgung.
Seit seiner Ankunft im Bundesgebiet hat der BF1 an mehreren Deutschkursen teilgenommen. In der Vergangenheit engagierte sich dieser regelmäßig ehrenamtlich für seine ehemalige Wohngemeinde XXXX
.
Die BF2 hat ebenfalls Deutschkurse absolviert und eine A1-Sprachprüfung abgelegt, diese jedoch nicht bestanden.
Die BF3 besucht einen Vorstudienlehrgang der XXXX , um im Juli 2019 zum XXXX antreten zu können. Sie ist derzeit sehr beschäftigt mit dem Lernen. Sie hat Deutschkurse besucht und Sprachzertifikate erworben (zuletzt für das Niveau B2; Level C1 ist demnächst geplant). In ihrer Freizeit geht BF3 mit Freunden laufen, geht mit ihnen einkaufen oder ins Kino, Kaffeetrinken oder sie essen gemeinsam. Sie ist auf der Suche nach einem Nebenjob und hat Bewerbungen abgeschickt.
Der BF4 hat mit einem Vorbereitungskurs zum Pflichtschulabschluss begonnen. Ferner hat dieser eine A1-Sprachprüfung abgelegt und ein Zertifikat im Rahmen des Bildungsangebotes XXXX erworben. Der BF4 hat zudem einmal bei einer Musicalproduktion mitgewirkt.
Der BF5 hat zunächst die Neue Mittelschule, danach eine Übergangsklasse des XXXX besucht und die Pflichtschule abgeschlossen. Er geht derzeit auf die Handelsakademie XXXX . Der BF5 hat außerdem einmal bei einer Musicalproduktion mitgewirkt.
Die BF6 besucht die Neue Mittelschule. Der BF7 geht in die Volksschule und der BF8 in den Kindergarten.
Eine Dame hat ein Empfehlungsschreiben über die positive Integration der Familie verfasst.
1.1.10. Die BF sind in Österreich nicht vorbestraft und haben keine Verwaltungsstrafen begangen.
Gegen den BF4 wurde wegen XXXX und XXXX Anklage erhoben, wobei er in der Hauptverhandlung vom XXXX vom erstem Delikt freigesprochen und ihm für das zweite Delikt eine Diversion angeboten wurde. Von der Polizeiinspektion Kapfenberg langte darüber hinaus am XXXX eine Meldung über einen weiteren Vorfall wegen XXXX und XXXX (unter Verwendung einer XXXX ) ein. Das Ermittlungsverfahren wurde mittlerweile eingestellt.
1.1.11. Der BF1, die BF2 und die BF3 erhielten gleichzeitig mit ihren Bescheiden sowie den Karten für subsidiär Schutzberechtigte eine Übernahmebestätigung, auf der auch ein "Rechtsmittelverzicht" ausgeführt wurde, den die BF1, BF2 und BF3 unterschrieben. Es war den BF1, BF2 und BF3 nicht restlos klar, was sie mit ihrer Unterschrift bekräftigten. Die BF wurden zum Rechtsmittelverzicht nicht von ihrer rechtsfreundlichen Vertretung beraten; eine Beratungsorganisation wurde nicht beigezogen. Bei der Übergabe war auch kein Dolmetscher zugegen.
1.2. Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates/Nachfluchtgründe
1.2.1. Die einvernommenen BF sind nicht persönlich glaubwürdig.
Der BF1 hat im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit über mehrere Jahre u.a. Aufträge einer Firma namens XXXX (kurz: XXXX ) angenommen, wodurch er Zugang zu einer Militärbasis erhielt ( XXXX).
Der BF1 und seine Familie hatten keine Probleme mit den Taliban. Dies insbesondere auch nicht wegen der früheren Zugangsberechtigung des BF1.
Die von den BF geschilderten Vorfälle mit den Taliban und sonstigen "Unbekannten" haben nicht stattgefunden: Es kam insbesondere nicht zu Übergriffen der Taliban auf BF1 oder seine Familie, BF1 wurde nicht von den Taliban geschlagen, getreten, gefoltert oder gequält, er wurde nicht unter Androhung von Übergriffen oder des Todes zur Zusammenarbeit mit den Taliban angehalten, er wurde nicht telefonisch an seine angeblich zugesagte Mitarbeit erinnert, er wurde auch auf sonst keine Art von den Taliban kontaktiert. Die Taliban versuchten nicht, die Töchter des BF1 zu entführen oder eine Entführung anzutäuschen oder in Aussicht zu stellen, um den BF1 zur Mitarbeit zu überreden. Keiner läutete bei den BF an der Gegensprechanlage, um den BF1 (unter Bedrohung seiner Familie) zur Mitarbeit zu überreden. Die Taliban unterstellten dem BF1 auch nicht, wegen seiner Zusammenarbeit mit der Firma XXXX das Militär zu unterstützen. Er erhielt auch keinen Drohbrief der Taliban. Die Taliban bedrohten die Familie der BF zu keinem Zeitpunkt und sie planten auch keine wie auch immer gearteten Übergriffe auf diese. Weder der BF1, noch die übrigen Familienmitglieder wurden in Afghanistan von den Taliban oder sonstigen Unbekannten bedroht; eine Bedrohung durch die Taliban oder sonstige Unbekannte stand auch nicht unmittelbar bevor und ist im Fall einer Rückkehr auch nicht zu befürchten.
Die BF hatten in Afghanistan auch sonst keine Probleme mit regierungsfeindlichen Gruppierungen, dem Staat oder sonst jemandem. Insbesondere hatten sie in Afghanistan keine Probleme wegen ihrer Nationalität, Religion, Ethnie, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppierung und sind solche Probleme im Fall ihrer Rückkehr auch nicht zu befürchten.
Die Ausreise erfolgte aus der Motivation, in Österreich oder Deutschland eine bessere Zukunft zu finden und in Bezug auf BF2 aus medizinischen Gesichtspunkten.
1.2.2. Die minderjährigen BF haben aufgrund persönlicher Eigenschaften, insbesondere ihrer Eigenschaft als Kinder, im Falle ihrer (derzeit theoretischen) Rückkehr nach Afghanistan keine speziell gegen sie gerichtete Bedrohung zu befürchten.
Im Herkunftsland besteht Schulpflicht und es ist auch ein reichhaltiges Schulangebot in XXXX vorhanden, das die Familie bereits in Anspruch nahm: Die vier ältesten Kinder haben dort bereits jahrelang die Schule besucht, was ihre Eltern guthießen. Die Schulen befanden sich etwa 15 bis 20 Gehminuten vom Wohnhaus der BF entfernt. Die Kinder konnten die Schulen selbstständig aufsuchen.
Der BF1 und die BF2 haben nicht vor, ihre Kinder durch Zwang zu verheiraten und lassen diesen die Entscheidungsfreiheit über wesentliche Fragen ihres Lebens, etwa die Berufs- und Partnerwahl.
1.2.3. In Afghanistan hat die BF2 Geld von ihrem Mann zur freien Verfügung erhalten, sie ist aber selbst nie einkaufen gegangen, weil "ein Kind nach dem anderen geboren wurde" und sie immer mit den Kindern beschäftigt war. Die meisten Einkäufe erledigte der BF1. Die BF2 kümmerte sich in erster Linie um die Kindererziehung und den Haushalt; diese verließ nur alle 15 bis 20 Tage das Haus in Begleitung ihres Mannes. Grundsätzlich ist es Frauen in XXXX möglich, sich ohne männliche Begleitung und einer Burka frei zu bewegen sowie einem Beruf nachzugehen, was die BF2 auch zugestand. Die BF2 hätte bereits in früher verschiedene Freiheiten genießen können, ohne damit Verfolgung, Gefahr oder Bedrohung auf sich zu ziehen, auch wenn von Seiten der Gesellschaft womöglich Beschimpfungen und Gerede drohten.
In Österreich besucht BF2 einen Deutschkurs, kümmert sich um den Haushalt und erledigt Einkäufe. Sonst ist sie nur zu Hause. Sie plant, arbeiten zu gehen, wenn ihre Deutschkenntnisse besser werden und schätzt, dass es in einem Jahr so weit sein wird. Derzeit muss sie erneut den Alphabetisierungskurs besuchen, weil sie die Prüfung hierüber nicht bestanden hat. Die BF2 möchte später als Verkäuferin arbeiten, hat sich mit dem geäußerten Berufswunsch aber noch nicht näher auseinandergesetzt. Sie hat an Festen teilgenommen (Fasching). Früher ging sie spazieren; wegen Schmerzen im Bein kann sie nicht mehr spazieren gehen und ist meistens zu Hause. Sie hat soziale Kontakte geschlossen ( XXXX , ihre Deutschlehrerin und XXXX ); die sonstigen Freunde sind nur Afghanen aus XXXX und XXXX . BF2 verwaltet das Familiengeld und gibt ihren Kindern davon Taschengeld. Auch der Mann darf beim Geld mitbestimmen. Die Einkäufe erledigen BF1 und BF2. Die älteren Kinder übernehmen die Behördenwege. BF3 kommt manchmal zum Dolmetschen mit, so z.B. zum Kinderarzt. BF2 benötigt auch bei Gesprächen im Kindergarten einen Dolmetscher.
Die BF2 spricht nur rudimentär Deutsch und geht keiner ehrenamtlichen Tätigkeit, kulturellen Veranstaltungen, einer Vereinstätigkeit oder einem Sport nach. Sie kümmert sich in Österreich hauptsächlich um ihre Kinder und den Haushalt. Behördenwege werden von ihren zwei ältesten Kindern getätigt. Wenn diese mit ihren Kindern zum Arzt geht, benötigt sie die BF3 zum Dolmetschen. Im Kindergarten und in der Schule erhält sie zur Kommunikation mit den Betreuern einen Dolmetscher. Die BF2 schätzt in Österreich vor allem die Sicherheit und die Bewegungsfreiheit.
Die BF3 und die BF6 haben in Afghanistan - mit Unterstützung ihrer Eltern, insbesondere ihres Vaters - eine langjährige Schulausbildung genossen und konnten sich draußen ohne männliche Begleitung aufhalten. Die BF3 hätte von ihren Eltern aus an einer Universität studieren dürfen und hätte von ihrer Familie aus u.a. Ärztin, Ingenieurin oder Wirtschafterin werden dürfen. Die BF3 und die BF6 konnten sich in XXXX bereits frei bewegen, fortbilden und einen Beruf ergreifen, ohne deswegen verfolgt oder bedroht zu werden.
Die BF3 hat die deutsche Sprache bisher gut erlernt und möchte in Österreich Ärztin werden, weshalb sie einen Vorstudienlehrgang besucht und viel lernt. Ihren Mann will sich diese einmal selbst aussuchen. Im Bundesgebiet hat die BF3 einen gemischten Freundeskreis, mit dem sie ihre Freizeit verbringt. Die BF3 findet es gut, dass Frauen und Männer dieselben Rechte hätten, sie sich schminken und abends ungestört alleine nachhause fahren könne.
Die BF6 hat die deutsche Sprache bisher ebenfalls gut erlernt und möchte in Zukunft als Mathematiklehrerin arbeiten. In Österreich besucht die BF6 eine Schule und pflegt Freundschaften zu Knaben und Mädchen. In ihrer Freizeit macht sie ihre Hausaufgaben, lernt, geht ihren Hobbies nach (Eislaufen und Schifahren). Sie möchte sich ihren Ehepartner einmal selbst auswählen.
Im Herkunftsstaat haben die BF2, die BF3 und die BF6 einen eher konservativen Kleidungsstil getragen. In Österreich achten sie ebenfalls auf körperbedeckende Kleidung und tragen nach wie vor - BF3 ausdrücklich aus Überzeugung - Kopftuch:
In der ersten und zweiten Beschwerdeverhandlung erschien die BF2 mit einem langen, dunklen Pullover sowie einem knöchellangen, dunklen Rock, dunklen Strümpfen und schwarzen Sportschuhen. Auf dem Kopf trug sie ein geblümtes Kopftuch, unter dem der Haaransatz erkennbar war.
Die BF3 hatte ein gelbes Kopftuch mit schwarzer "Haube" darunter an (Haaransatz versteckt, wie auf dem Foto am "Maturazeugnis"), das eng um Kopf, Wangen und Hals lag. Sie trug einen schwarzen, langärmeligen Sakko-Jumpsuit mit langem, weiten Bein, der mit engen Manschetten um die Handgelenke abschloss. Darunter trug sie einen gelben langärmeligen Pullover, schwarze Strümpfe und schwarze Sportschuhe.
Auch die BF6 erschien mit einem eng um Kopf, Wangen und Hals geschlungenes Kopftuch, das den Haaransatz erkennen ließ. Sie trug eine aufgekrempelte, tunikaartige, schwarz-gelb gestreifte Bluse, die über das Gesäß reichte. Darunter hatte sie einen langärmeligen, gelben Pullover, eine Jeans sowie Turnschuhe an.
Die BF2, die BF3 und die BF6 hatten in ihrer Heimatstadt bereits die Möglichkeit, sich zu bewegen, eine Ausbildung zu machen und einen Beruf ihrer Wahl zu ergreifen. BF3 und BF6 erfuhren dabei jedenfalls Unterstützung durch ihre Eltern. Auch wäre eine Heirat der BF3 und BF6 nur mit deren Einverständnis erfolgt. Der BF1 würde seine Frau nach Möglichkeit bei Bestrebungen, einen Beruf zu ergreifen und eine Ausbildung zu machen, unterstützen. Er kommt aus einer gebildeten Familie, alle gingen zur Schule. Er wünscht und hofft, dass seine Kinder eine "normale" Ausbildung haben können. Er unterstützt etwa auch den Wunsch seiner ältesten Tochter Ärztin zu werden und würde es auch gutheißen, wenn sie Ingenieurin wird oder Wirtschaft studiert.
Die Veränderung, die BF2, BF3 und BF6 in Österreich durchlaufen haben, ist - weil sie auch in der Herkunftsstadt schon verschiedene Freiheiten genossen haben - nicht groß. Sie haben auch keine Lebensweise angenommen oder Werthaltung verinnerlicht, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung von Grundrechten in einer Weise zum Ausdruck kommt, wie sie in der Herkunftsstadt der BF2, der BF3 und der BF6 nicht möglich wäre. Ihnen droht bei Beibehaltung ihrer Interessen und ihres Lebensstils in XXXX keine lebensbedrohliche Gefahr oder integritätsgefährdende Bedrohung, auch wenn Teile der Gesellschaft, auch in den liberaleren Städten, selbstständigere und arbeitende Frauen diskriminieren oder auf sie herabblicken.
1.3. Situation im Herkunftsstaat
1.3.1. Integrierte Kurzinformationen
KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft)
Anschläge in Kabul-Stadt
Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).
Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019). Überflutungen und Dürre Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).
Friedensgespräche
Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten.
Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019). Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen.
Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).
Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).
Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen, welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).
KI vom 1.3.2019 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte.
In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).
Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).
Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).
KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.01.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).
KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Qatar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).
Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).
Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).
KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul
Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).
Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).
Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).
KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.08.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban, noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiz