TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/28 W196 1306836-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.05.2019
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Entscheidungsdatum

28.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W196 1306836-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.06.2015, Zl. 752077203-14879967 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.04.2019 zu Recht erkannt

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. wie folgt lautet:

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Zum Vorverfahren:

Der Beschwerdeführer stellte am 28.11.2005 einen Asylantrag gemäß AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.10.2006, Zl. 0520.722-BAS abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien als zulässig erklärt, und der Beschwerdeführer nach Georgien ausgewiesen, wurde.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 24.01.2007, Zl. 306.836-C1/E1-XVIII/59/06 abgewiesen. Die negative Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates erwuchs am 26.01.2017 in Rechtskraft.

Nach Erhebung der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, wurde nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.04.2010, Zl 2008/23/1075-8, abgelehnt.

Gegenständliches Verfahren:

Der Beschwerdeführer reiste erneut in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.08.2014 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der Erstbefragung am 22.09.2014 brachte der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt vor, dass er Staatsangehöriger Georgiens sei, Georgisch, Russisch und etwas Deutsch spreche. Er sei in Tiflis/Georgien geboren. Er sei verheiratet und habe orthodoxen Glauben. Im Jahr 2007 sei er von Österreich nach Tiflis abgeschoben worden. Er habe von Februar 2007 bis August 2014 in Tiflis gelebt. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass sein Leben in Georgien in Gefahr gewesen sei. Er sei seit 2010 als Sicherheitsbeamter in einem Gefängnis XXXX in Tiflis beschäftigt gewesen. Nach den Wahlen im Oktober 2012 sei er entlassen und von manchen Insassen, die amnestiert worden seien, verfolgt worden. Er sei mehrmals bedroht und zweimal geschlagen worden. Es wären immer mehrere Personen gewesen, wobei er die Namen der Personen nicht nennen könne. Einmal habe man ihm sogar nachgeschossen. Sein Leben sei in Gefahr gewesen und habe er Georgien abermals verlassen müssen.

Am 27.04.2015 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Zu Beginn, gab er an, seit zehn Jahren an psychischen Problemen zu leiden und Tabletten zu nehme. Er sei deswegen bereits im Herkunftsland behandelt worden. Zu seinem Fluchtgrund führte er im Wesentlichen aus, dass er zur Erstbefragung einen weiteren Fluchtgrund habe. Er sei Mitglied einer nichtstaatlichen Organisation, namens "Rette das Leben" gewesen. Er sei im Oktober 2012, bei den Parlamentswahlen, als Wahlbeobachter tätig gewesen. Er habe den Auftrag gehabt gefälschte Wahlzettel in Wahlurnen einzuwerfen, um eine Wahlfälschung zu Gunsten der "Nationalen Bewegung" herbeizuführen. Dabei sei er von anderen Wahlbeobachtern gesehen worden und wäre es zu Auseinandersetzungen gekommen, wobei der Beschwerdeführer fliehen habe können.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 13.08.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Georgien nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 und 57 AsylG nicht erteilt. Ferner wurde unter Spruchpunkt III. gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist und festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Dabei führte die Behörde an, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat politisch bzw. parteipolitisch tätig gewesen und deshalb verfolgt worden sei. Es würden keine asylrelevanten Probleme aufgrund seiner Religionszugehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder aus Gründen seiner Rasse oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe gegeben sein. Probleme mit Ämtern und Behörden hätten ebenfalls nicht festgestellt werden können. Eine asylrelevante Verfolgung habe jedoch nicht festgestellt werden können, dies auch vor dem Hintergrund, da der Beschwerdeführer alle Fluchtgründe, welche in der Genfer Flüchtlingskonvention erschöpfend angeführt werden, ausdrücklich verneinte. Der Beschwerdeführer habe einen tätlichen Angriff gegen seine Person und den Erhalt von Drohbriefen vorgebracht, wobei sich im Verwaltungsverfahren keine begründeten Hinweise auf eine Flüchtlingseigenschaft ergeben hätten.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine besondere Vulnerabilität des Beschwerdeführers nicht bestehe, da dies in einer Zusammenschau der Angaben des Beschwerdeführers in Verbindung mit seiner Familienanamnese und seinen persönlichen Verhältnissen zu verneinen sei. So liege auch kein wie immer geartetes politisches Engagement seinerseits vor. Die von Seiten des Beschwerdeführers angegebenen personenbezogenen Daten sowie Lebensgeschichte würden keine Hinweise auf das Vorliegen einer individuell besonders herausragenden Stellung seiner Person innerhalb der Gesellschaft bieten. Durch seinen, als unbedenklich zu bezeichnenden Gesundheitszustand, könne er durch erneute Aufnahme einer Beschäftigung die elementaren Lebensbedürfnisse auch weiterhin decken. In Ansehung der Informationen der landeskundlichen Feststellungen zu Georgiern habe eine deutliche Existenz eines demokratischen Gemeinwesens in Georgien, jedem Bürger stünden alle Rechts- Gesellschafts- Sozial- und Wirtschaftsinstrumentarien uneingeschränkt zur Verfügung, festgestellt werden können. Wenngleich es verbesserungswürdige Umstände gäbe, so sei jedoch die Einschätzung eines generell vorliegenden Klimas von Chaos, Gewalt und Hoffnungslosigkeit völlig verfehlt. In diesem Zusammenhang wurde besonders darauf hingewiesen, dass in Georgien eine Vielzahl von Menschrechtsorganisationen operiere, die in vielen Bereichen tätig seien und ihre Arbeit uneingeschränkt durchführen könnten. Zudem habe der Beschwerdeführer ausdrücklich angegeben, dass er in seinem Herkunftsstaat weder auf Grund seiner Rasse, seiner Nationalität, seiner politischen oder religiösen Gesinnung bzw. Anschauung oder auf Grund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden sei. Als Ausreisegrund verbleibe das Vorbringen, von Mitgliedern der Partei "Nationale Bewegung" wegen der Wahlfälschung als Wahlbeobachter im Oktober 2012 verfolgt zu werden. Dies sei für die Behörde jedoch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner sogenannten Wahlfälschung derart politisch verfolgt würde, zumal der Beschwerdeführer erklärte, diese im Jahr 2012 begangen, jedoch erst zwei Jahre später ausgereist zu sein. Ferner scheine es verwunderlich, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der behaupteten anhängigen gerichtlichen Verfahren wegen des Wahlbetruges keinerlei Schriftstücke habe vorlegen können. Ferner handle es sich bei Wahlfälschung um ein strafrechtliches Delikt, das in der GFK oder dem Asylgesetz keine Deckung finde. Zum Vorbringen, von amnestierten Häftlingen bedroht worden zu sein, führte die Behörde aus, dass dem zu entgegnen sei, dass es unglaubwürdig sei, dass der Beschwerdeführer nachdem er selbst zu einer vierjährigen Haftstrafe in Georgien verurteilt worden sei und diese Haftstrafe laut vorliegenden Akten von November 2001 bis Ende 2003 verbüßt habe, in weiterer Folge als Sicherheitsbeamter in einem Gefängnis angestellt worden sei. Diese widerspräche jeglicher Realität. Zudem hätten sich innerhalb der Schilderungen des Beschwerdeführers zu den Drohbriefen und der behaupteten Bedrohung durch Exhäftlinge Widersprüche und Ungereimtheiten ergeben. Auch die von Seiten des Beschwerdeführers behaupteten Misshandlungen wären nicht glaubhaft, wobei selbst bei Wahrunterstellung dieser Behauptung, Handlungen von Privatpersonen, keine Deckung mit der GFK oder dem Asylgesetz finden. Die Unglaubwürdigkeit würde durch die vom Beschwerdeführer benutzten "Schwindelzettel" im Zuge der Einvernahme verstärkt, wonach die Übersetzung der besagten Zettel ergeben habe, dass sich der Beschwerdeführer einer vorgefertigten Fluchtgeschichte bedient habe, wobei hierzu ausgeführt wurde, dass von einem Menschen, der gegen Leib und Leben bedroht worden sei, erwartet werden könne, diese lebensbedrohlichen Ereignisse jederzeit schildern zu können. Dabei sei zwar zu berücksichtigen, dass weniger wichtigere Ereignisse in der geistigen Rückschau nicht mehr "richtig" wiedergegeben werden könnten, tragende Teile würden jedoch immer in gleicher Weise vorgetragen werden können. In einer Zusammenschau gehe die belangte Behörde davon aus, dass der vom Beschwerdeführer geschilderte Ausreisegrund nicht zur Zuerkennung von Asyl führen könne, zumal die von ihm geschilderten Ereignisses nicht glaubhaft seien.

Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er im Jahre 2012 von der Nationalen Bewegung als Wahlbeobachter, mit dem Spezialauftrag, gefälschte Wahlzettel in die Wahlurnen zu werfen, eingesetzt worden sei. Er sei nach ca. drei Monaten einerseits zur Polizei, aber auch zur zentralen Wahlkommission geladen und dort hinsichtlich der Wahlfälschung befragt worden, wobei man ihn mangels Beweise wieder freigelassen habe. Auch habe der Beschwerdeführer ab 2010 bis 2012 in einem Gefängnis gearbeitet. Nach dem Machtwechsel wären mehrere Gefängnischefs entlassen worden, da sie in Folterfälle verwickelt gewesen wären. Man habe den Beschwerdeführer beschuldigt in diese Folterfälle verwickelt gewesen zu sein und sei er im Jahr 2013, nach der Entlassung vieler Gefangener, von einigen bedroht worden. Zudem sei er einmal von acht Personen in einem Stiegenhaus zusammengeschlagen werden. Diese Personen könnte er nicht mehr identifizieren. Ferner sei die Annahme der Behörde, da der Beschwerdeführer die Straftat 2012 begangen habe, jedoch erst zwei Jahre später ausgereist sei, dass ein Bedrohter immer gleich ausreisen könne, weil sonst seine überhaupt nicht glaubwürdig wäre, eine unbewiesene Annahme. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer keine Beweise, Schriftstücke vorgelegt habe, sage noch nichts über den Beweiswert seiner Aussagen aus. In der "Mafiarepublik" Georgien sei zudem vieles möglich, so auch etwas, dass ein Verurteilter, wie der Beschwerdeführer, als Gefängnisbeamter eingesetzt werde. Hinsichtlich der Notiz des Beschwerdeführers, die er im Rahmen der Einvernahme dabeigehabt habe, wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer an pathologischer Vergesslichkeit leide und es erlaubt sei, eine Notiz zu benutzen.

Mit Eingabe vom 28.09.2015 erging die Information, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines disziplinären Grundes aus der Grundversorgung entlassen worden sei.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.04.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Georgisch und im Beisein der rechtlichen Vertretung des Beschwerdeführers sowie des Behördenverteters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Dem Verhandlungsprotokoll sind folgende entscheidungswesentliche

Passagen zu entnehmen:

RI: Wieso sind Sie 2014 nach Österreich gekommen? Sie waren schon einmal 2005 in Österreich.

BF: Nach der Abschiebung habe ich in meinem Heimatland große Probleme bekommen. Weil ich schon einmal hier gewesen bin und weil ich so begeistert von diesem Land war, weil Österreich ein richtiger Rechtsstaat, habe ich den Entschluss gefasst, wieder zurückzukommen und erneut einen Antrag zu stellen.

Das ist der erste Grund. Ich, als Mitglied einer politischen Partei, eigentlich die Bewegung "Rette das Leben" und als ein aktiver Vertreter dieser Partei im Bezirk XXXX , habe ich große Probleme bekommen.

Der BF gibt der D einen eingeschweißten Zettel, der einen Ausweis für die Mitgliedschaft in dieser Bewegung und zugleich ein Zeugnis als Vertreter für die Wahlbeobachtung darstellt.

Ich habe nämlich in diesem Zeitraum, im Jahr 2010, in einem Gefängnis gearbeitet. Das ist eben der Zeitraum, wo es allgemein bekannt wurde, wie Häftlinge im Gefängnis und gefoltert wurden. Ich habe dort als offiziell als Wachbeamter gearbeitet, aber es gab viele Zwischenfälle von Misshandlungen und man wollte mir auch diese Sachen anhängen, als ob ich in dieser furchtbaren Sache auch mitgemacht hätte. Deswegen wurde ich auch mehrmals von der Polizei geladen. Aber ganz gefährlich wurde es für mich, als die misshandelten Häftlinge entlassen wurden. Ich wurde doppelt unter Druck gesetzt, einerseits seitens der Behörde, der Polizei und andererseits privat von den entlassenen Häftlingen. Das war schlimm und lebensgefährlich für mich. Ich habe mich ständig versteckt. Das Ganze hat in der Hauptstadt Tbilissi stattgefunden. Ein paar Mal musste ich sogar das Land verlassen. Zweimal war ich in Weißrussland und 2014 habe ich mich entschieden, herzukommen. Ich bin illegal über die Türkei eingereist und habe ich mich in einem riesigen, bedeckten Lastwagen versteckt. Ich habe am gleichen Tag einen Antrag in St. Georgen gestellt. Weil ich krank war, ich hatte Probleme mit der Lunge, wurde ich ins Spital geschickt. Aber vorher hat man mich von St. Georgen nach Traiskirchen geschickt.

R: Die Frage, die Sie auch schon das BFA gefragt hat, nämlich warum sind Sie wegen der gefährlichen Drohungen der Häftlinge nicht zur Polizei gegangen? Was haben Sie gemacht?

BF: Die Polizei wusste sowieso alles, was mit den entlassenen Wachbeamten draußen passieren, dass sie gefährdet gewesen sind. Die Polizei war sehr wohl informiert, aber ich wurde ja selbst bei Polizei wegen dieser Sachen angezeigt, also konnte ich keine Hilfe seitens der Polizei erwarten.

BehV: Keine Fragen.

R: Sind Sie bei der Polizei gewesen oder nicht?

BF: Ja, ich war bei der Polizei, aber es hat nichts genützt.

R: Was hat die Polizei gesagt?

BF: Die Polizei hat gesagt, sie könnten mir überhaupt nicht helfen.

R: Warum konnte Ihnen die Polizei nicht helfen?

BF: Weil ich unmöglich 500-1 000 Personen anzeigen konnte.

R: Wann haben Sie 500-1 000 Personen bedroht? Das finde ich nicht im Akt.

BF: Das sind nicht nur verbale Drohungen gewesen. Ich wurde sogar einmal zusammengeschlagen. Damit haben diese Männer ein Zeichen gesetzt, dass mich nichts Gutes erwartet.

R: Wie viele Männer waren das, die Sie zusammengeschlagen haben?

BF: Vier.

BehV: In der BFA-Befragung, haben Sie angegeben, dass Sie von acht Personen geschlagen wurden.

BF: Das stimmt, aber es war kein Einzelfall, dass ich zusammengeschlagen wurde.

BehV: Sie haben noch nie einen zweiten Vorfall angegeben.

BF: Es war sogar mehr als zweimal. Einmal wurde ich sogar angeschossen, aber nicht getroffen.

R: Welcher Art waren die verbalen Drohungen?

BF: Die Drohungen sind sinngemäß folgenden Inhalts: "Wir werden dich genauso foltern, wie du uns dort drin gefoltert hast." Als ich zusammengeschlagen wurde, hat man mir damals das ständig gesagt, aber auch meine Familie hat solche Botschaften per Telefon erhalten.

R: Im Akt gibt es Drohbriefe. Haben Sie auch Drohbriefe bekommen?

BF: Das stimmt. Ich habe ein paar Mal Drohbriefe in meinem Postkasten gefunden.

R: Was ist da gestanden?

BF: "Du sollst sterben."

R: Sonst nichts?

BF: Nein.

R: Haben Sie diese Drohbriefe der Polizei gezeigt?

BF: Selbstverständlich. Als ich Anzeige machen wollte, habe ich natürlich auch diese Briefe mitgebracht, aber die Polizei hat darauf nicht reagiert.

R: Was heißt "nicht reagiert"?

BF: Die Polizisten haben mir gesagt, diese Briefe sind von ihnen als Beweismittel nicht verwertbar, weil sie gedruckt sind.

BehV: Warum bringen Sie weitere Übergriffe gegen Ihre Person erst heute vor und nicht schon bei etlichen Gelegenheiten zuvor?

BF: Weil die erste Einvernahme ziemlich provisorisch und oberflächlich war. Mir wurden nicht viele Fragen gestellt und ich musste nicht konkret auf alles antworten.

BehV: Welche Einvernahme meinen Sie?

BF: In Salzburg.

R: So einen Drohbrief haben Sie nicht zum Anschauen für uns hier?

BF: Nein, leider nicht.

R: Wo sind diese Drohbriefe jetzt?

BF: Sie sind bei der Polizei. Die georgische Polizei hat zwei davon bekommen und danach habe ich sie nicht mehr der Polizei gebracht.

R: Laut dem ersten Protokoll haben Sie alle Drohbriefe weggeschmissen. Laut dem Protokoll des BFA haben Sie die Drohbriefe nie der Polizei gezeigt.

BF: Ja, ich habe tatsächlich alle Drohbriefe weggeschmissen, auch die zwei ich zurückbekommen. Die Polizei hat gesagt, sie können sie nicht gebrauchen.

BehV: Ich möchte an dieser Stelle auf das Neuerungsverbot hinweisen und dass der BF auch schon in der letzten BFA-Befragung darauf hingewiesen wurde. Er wurde in der BFA-Befragung mehrfach dazu befragt, ob er alle Fluchtgründe angegeben hat. Jetzt behauptet er, dass die Befragung nur oberflächlich war.

BF: Ich habe beide Fluchtgründen erwähnt, aber ich wurde diesbezüglich nicht richtig ausgefragt.

R: Ihre Verfolgungsgründe sind nur mäßig deckungsgleich mit der Befragung beim BFA. Nichtsdestotrotz kann der Wahrheitsgehalt dahingestellt bleiben, da es sich bei der behaupteten Verfolgung eigentlich ausschließlich um Verfolgung durch Privatpersonen handelt und in diesem Fall der georgische Staat schutzfähig und schutzwillig ist.

[...]

BF: Das ist die Arzt-Verordnung. Dieses Medikament muss ich zweimal am Tag, einmal morgens und einmal abends, nehmen.

BehV: Wo haben Sie diesen Zettel her?

BF: Vom Hausarzt Dr. med. Otto Dobretsberger.

BehV: Ich meine das georgische Original.

BF: Das ist eine Antwort auf meine Anfrage an das georgische Gesundheitsministerium.

BehV: Wissen Sie, was dieser Bericht aussagt?

BF: Natürlich weiß ich, was im Bericht steht. Die Medikamente dieser Gruppe gibt am georgischen Markt nicht.

BehV: Seit wann müssen Sie dieses Medikament regelmäßig einnehmen?

BF: Seit mehr als 3 Jahren.

BehV: Was ist das für ein Medikament?

BF: Es sind Schmerztabletten gegen Rückenschmerzen. Wenn ich diese Medikamente nicht nehme, kann ich nachts nicht schlafen.

BehV: Wissen Sie, welche Wirkstoffe in diesem Medikament sind?

BF: Nein, ich bin kein Arzt und auch kein Chemiker, ich weiß das nicht.

BehV: Am 22.04.2019 haben Sie diese Anfrage gestellt. Stimmt das?

BF: Ja, per Email vor 2 Tagen. Ich habe sie gestern bekommen. Mein Anwalt Dr. Klodner hat das ausgedruckt.

R: Möchten Sie noch etwas sagen?

BehV: Das ärztliche Attest besagt, dass der BF seit mindestens 10 Jahren chronische Schmerzen hat. In den letzten 10 Jahren hat der BF mehrere Jahre in Georgien verbracht. Für Rückenschmerzen im Allgemeinen kommen als Erkrankung nicht in den Nahbereich der EMRK.

BF: Das Problem mit dem Mittel habe ich schon seit 10 Jahren. Aber mit dem Alter ist es immer schlimmer geworden. Außerdem hatte ich vor einem Jahr einen Unfall. Ich bin ausgerutscht und die Schmerzen sind unerträglich geworden und inzwischen habe ich auch Schmerzen im rechten Bein. Ursprünglich habe ich nur 50 mg von dem Medikament genommen. Aber der Arzt musste die Dosis schrittweise auf 200 mg erhöhen.

BehV: Was machen Sie als Beruf?

BF: Paketzusteller.

BehV: Denken Sie, dass das mit so einer Erkrankung der richtige Beruf ist? Ich stelle mir das ziemlich kontraproduktiv vor.

BF: Der Arzt hat nicht gesagt, dass dieser Beruf gefährlich für meine Krankheit ist. Als in diesem Winter das rechte Bein zu schmerzen begonnen hat, hat der Arzt gesagt, dass es kein Problem ist.

Im Zuge des Verfahrens wurden folgende Unterlagen in Vorlage gebracht:

* Kopie einer Karte als Wahlbeobachter für die Parlamentswahlen im Jahr 2012, ausgestellt am 25.09.2012

* Krankenhausaufenthaltsbestätigung während des Zeitraumes von 14.08.2014 bis 25.08.2014, ausgestellt am 25.08.2014;

* Röntgenbefund vom 21.04.2015;

* Überweisungen vom 22.04.2015;

* Teilnahmebestätigung an einem Kurs: "Deutsch für Asylwerbende" vom 17.11.2014 bis 30.01.2015, ausgestellt am 24.04.2015;

* Empfehlungsschreiben vom 24.06.2015;

* Empfehlungsschrieben ohne Datumsangabe;

* Bescheinigung über die Absolvierung eines Erste-Hilfe-Kurses im Ausmaß von 16 Stunden vom 29.09.2015;

* Teilnahmebestätigung an einem Kurs: "Deutsch für Asylwerbende A2/1", ausgestellt am 08.09.2016;

* ÖSD Zertifikat A1, ausgestellt am 17.08.2016;

* Bestätigung vom 19.04.2019, dass der Beschwerdeführer seit zwei Jahren als Paketzusteller tätig sei;

* Bestätigung, dass der BF eine Gewerbeberechtigung für die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen hat des bmwfw vom 08.05.2017;

* Verständigung über die Begründung der Gewerbeberechtigung vom 08.05.2017;

* Strafregisterbescheinigung vom 08.05.2017;

* Dienstleistungsvertrag vom 27.05.2017;

* vier private Empfehlungsschreiben vom 16.04.2019 und 20.04.2019, 26.04.2019 eines ohne Datumangabe;

* diverse Steuerunterlagen;

* Vorlage eines Schreibens, ausgestellt vom "Ministry of Labor, Helath, and Social Affais of Georgia", wonach das Medikament "Vendal" nicht in Georgien erhältlich sei;

* Ärztliches Attest, worin bestätigt wurde, dass der Beschwerdeführer seit zehn Jahren wegen chronischer Rückenschmerzen in Behandlung stehe, ausgestellt am 19.04.2019

* Medikationsplan vom 19.04.2019, wonach er Beschwerdeführer morgens und abends und bei Bedarf zu Mittag das Medikament "VendalREt Ftbl 200mg" einnehme

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist georgischer Staatsangehöriger und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist verheiratet, er gehört der Volksgruppe der Georgier und der orthodoxen Glaubensrichtung an. Der Beschwerdeführer ist in Tiflis geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder, seine Familie lebt in Georgien. Der Beschwerdeführer spricht Georgisch und Russisch sowie etwas Deutsch.

Der Beschwerdeführer reiste bereits im Jahr 2005 nach Österreich ein und stellte am 28.11.2005 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.10.2006 abgewiesen und gleichzeitig eine Ausweisung erlassen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 24.01.2007 abgewiesen. Nach erfolgter Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wurde dem Beschwerdeführer vorerst die aufschiebende Wirkung zuerkannt und wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes die Behandlung der Beschwerde letztlich abgelehnt. Das negative Asylverfahren erwuchs somit am 26.01.2007 in Rechtskraft. Im Februar 2007 wurde er von Österreich nach Tiflis abgeschoben. Von Februar 2007 bis 08.08.2014 lebte er in Tiflis bis er wieder illegal nach Österreich einreiste und am 13.08.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz einbrachte.

Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat verlassen, um in Europa bessere Lebensbedingungen vorzufinden. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Georgien einer Verfolgung aus politischen Motiven aufgrund seiner einmaligen Mithilfe als Wahlbeobachter im Jahr 2012 für die Oppositionspartei "Nationale Bewegung" ausgesetzt gewesen ist oder dies im Fall einer Rückkehr zu befürchten hätte. Ebensowenig kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Georgien aufgrund seiner behaupteten Tätigkeit als Sicherheitsbeamter einem konkreten Risiko unterliegt, Opfer einer extralegalen Strafverfolgung respektive ungerechtfertigten Haftstrafe zu werden oder einen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit zu erleiden und ihm in Bezug auf eine allfällige Bedrohung durch Privatpersonen, so sie tatsächlich stattgefunden hätte, eine Inanspruchnahme der staatlichen Schutzmechanismen Georgiens nicht möglich wäre. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Georgien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer hat sein zehn Jahren, und somit auch vor seiner Einreise nach Österreich, chronische Rückenschmerzen und nimmt zweimal täglich, bei Bedarf eine dritte Schmerztablette, des Medikamentes VendalRet 200 mg ein. Weitere Erkrankungen in körperlicher oder psychischer Hinsicht sowie Hinweise auf einen längerfristigen Pflege-oder Rehabilitationsbedarf konnten nicht festgestellt werden. Festgestellt wird, dass in Georgien sowohl die medizinische Grundversorgung als auch der Erhalt von Medikamenten gewährleistet ist.

Es besteht für den Beschwerdeführer als leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf im Falle einer Rückkehr nach Georgien keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit; ihm steht die Möglichkeit offen, sich abermals in seiner früheren Heimatstadt niederzulassen und einer Beschäftigung nachzugehen. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen. Dieser liefe auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. In Georgien halten sich unverändert die Frau und zwei volljährigen Kinder des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und verfügt in Georgien über familiäre Kontakte.

Der Beschwerdeführer ist seit seiner illegalen Einreise im August 2014 in Österreich aufhältig. In dieser Zeit hat er zwei Deutschkurse besucht und im August 2016 ein Prüfungszertifikat der Niveaustufe A1 erlangt. Der Beschwerdeführer bezog Leistungen aus der Grundversorgung bis er am 27.09.2015 wegen eines disziplinären Grundes aus der GV entlassen wurde. Der Beschwerdeführer arbeitet seit zwei Jahren als Paketzusteller. Er ist weder Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Der Beschwerdeführer hat einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Weitere Aus- Weiter-Fortbildungen oder Kurse hat er nicht absolviert. Der Beschwerdeführer hat nie über einen Aufenthaltstitel verfügt, der sich nicht auf einen Antrag auf internationalen Schutz gestützt hat. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in Österreich, bis auf einen Cousin zweiten Grades, nicht über verwandtschaftliche Beziehungen verfügt und auch mit niemandem in einer Lebensgemeinschaft oder familienähnlichen Beziehung lebt. Es liegen keine Hinweise auf eine ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers, insbesondere in sprachlicher und gesellschaftlicher Hinsicht, in Österreich vor. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Lage in Georgien:

KI vom 11.12.2018, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei "Georgischer Traum", setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor. Gemeinsam mit dem unterlegenen Kandidaten Vashadze und dem im Exil lebenden Ex-Präsidenten Saakashvili forderten sie vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Quellen:

* CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl:

Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 11.12.2018

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin,

https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 11.12.2018

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 11.12.2018

* Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen -

derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 11.12.2018

KI vom 25.6.2018, Regierungsumbildung (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage).

Am 13.6.2018 erklärte Premierminister Giorgi Kvirikashvili seinen Rücktritt. Als Grund wurden Meinungsverschiedenheiten mit dem Parteivorsitzenden Ivanishvili genannt, der am 11.5.2018 das Amt des Parteivorsitzenden des "Georgischen Traums" von Kvirikashvili übernommen hatte und damit in die Politik Georgiens zurückgekehrt war. Begleitet war Kvirikashvilis Rücktritt zudem von Massenprotesten (RFE/RL 20.1.2018, vgl. civil.ge 20.6.2018). Das georgische Parlament hat am 20.6.2018 den bisherigen Finanzminister Mamuka Bakhtadze zum neuen Premierminister von Georgien gewählt und das von ihm vorgeschlagene Kabinett als Übergangsregierung bestätigt. Die parlamentarische Opposition blieb der Abstimmung geschlossen fern. Aus den eigenen Reihen erhielt Bakhtadze sechs Gegenstimmen, bei 99 Ja-Stimmen. Bakhtadze kündigte an, dass das neue Kabinett geschlossen an einem Neuzuschnitt einiger Ressorts und damit auch einer Verringerung der Zahl der Ministerien arbeiten werde (GA 21.6.2018, vgl. RFE/RL 20.6.2018). Überdies betonte Bakhtadze, dass er die Bestrebungen nach einer Mitgliedschaft sowohl in der NATO als auch der EU fortsetzen werde (RFE/RL 20.6.2018).

Quellen:

* Civil.ge (20.6.2018): Bakhtadze's Cabinet Wins Confidence, https://civil.ge/archives/244788, Zugriff 25.6.2018

* GA - Georgien aktuell (21.6.2018): Mamuka Bakhtadze zum Premierminister von Georgien gewählt, http://georgien-aktuell.info/de/politik/article/13762-premierminister, Zugriff 25.6.2018

* RFE/RL - Radion Free Europe/Radio Liberty (20.1.2018): Georgian Parliament Approves Bakhtadze As Prime Minister, https://www.rferl.org/a/georgia-parliament-approves-bakhtadze-as-prime-minister/29307191.html, Zugriff 25.6.2018

1. Politische Lage

Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).

Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).

Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).

Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).

Quellen:

* Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 26.3.2018

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 26.3.2018

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 26.3.2018

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017):

Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 26.3.2018

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 26.3.2018

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians

In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 26.3.2018

* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 26.3.2018

* Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,

http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 26.3.2018

2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).

Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sowie Einbrüche kommen vor, und sind gelegentlich von Gewalt begleitet. Übergriffe gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, können vorkommen (AA 6.6.2018a, vgl. EDA 6.6.2018).

Bei einem Anti-Terroreinsatz in Tiflis sind am 22.11.2017 ein Polizist und drei mutmaßliche Terroristen getötet worden. Mehrere mutmaßliche Anhänger einer terroristischen Gruppe hatten sich der Festnahme widersetzt, indem sie das Feuer mit automatischen Waffen eröffneten und Handgranaten auf die Anti-Terror-Einheit warfen (Standard 23.11.2017). Einer der getöteten Terroristen war offenbar Achmed Tschatajew, ein tschetschenischer Befehlshaber des sog. Islamischen Staates (IS), der den georgischen Behörden bekannt war. Tschatajew stand seit 2015 auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auch von Russland und der Türkei wegen der Organisation des tödlichen Bombenanschlags auf den Flughafen von Istanbul im Juli 2016 gesucht. Die Prognose, dass sich die terroristische Bedrohung in Georgien auf die einheimischen und zurückkehrenden Kämpfer verlagert hat, wurde durch die Operation in Tiflis drastisch bestätigt (Jamestown 29.11.2017, GA 1.12.2017):

Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien und die EU-Beobachtermission (EUMM), die zu Stabilität und Frieden beitragen. Georgien hat sich weiterhin den internationalen Gesprächen in Genf verschrieben. Der sog. "Incident Prevention Mechanisms (IPRM)", der 2009 geschaffen wurden, um Risiko- und Sicherheitsfragen zu erörtern, die die Gemeinden in Abchasiens bzw. Südossetiens betreffen, und die EUMM-Hotline arbeiten weiterhin effizient als wesentliche Instrumente, um lokale Sicherheitsfragen anzugehen und, um die weitere Vertrauensbildung zwischen den Sicherheitsakteuren zu fördern (EC 9.11.2017).

Anfang März 2018 wiederholte Premierminister Giorgi Kvirikashvili Georgiens Interesse, bei den internationalen Gesprächen in Genf konkrete Fortschritte zu erzielen. Hierzu erklärte er sich auch bereit, in einen direkten Dialog mit Vertretern der separatistischen Regionen Abchasien und Südssetien zu treten (Jamestown 26.3.2018, vgl. Civil.ge 9.3.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (6.6.2018a): Landesspezifische Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/georgien-node/georgiensicherheit/201918#content_0, Zugriff 6.6.2018

* Civil.ge (9.3.2018): Prime Minister Appeals to Russian Authorities, Offers Direct Dialogue with Sokhumi, Tskhinvali, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30935&search, Zugriff 12.4.2018

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.6.2018): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 6.6.2018

* GA - Georgien aktuell (1.12.2017): Anti-Terror-Einsatz: getötete Terroristen offenbar illegal ins Land gekommen, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13430-illegal, Zugriff 9.4.2018

* Jamestown (26.3.2018): Georgian Government Insists on Direct Talk With Moscow-Backed Separatists, https://jamestown.org/program/georgian-government-insists-direct-talk-moscow-backed-separatists/, Zugriff 12.4.2018

* Jamestown (29.11.2017): Special Operation in Tbilisi Highlights Risk of Terrorism by Returning Fighters in Georgia, https://jamestown.org/program/special-operation-tbilisi-highlights-risk-terrorism-returning-fighters-georgia/, Zugriff 9.4.2018

* Der Standard (23.11.2017): Vier Tote bei Anti-Terror-Einsatz in Tiflis,

https://derstandard.at/2000068329714/Vier-Tote-bei-Anti-Terror-Einsatz-in-Tiflis, Zugriff 9.4.2018

2.1. Regionale Problemzone: Abchasien

Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich - unterstützt von Russland - als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in denen sich ein de-facto politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur zu sehr geringem Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 jedoch nicht mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/megrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Passdokumenten und damit Freizügigkeit, Ausübung des Stimmrechts bei de facto-Präsidentschaftswahlen 2014, Besetzung öffentlicher Stellen, Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge, Ermöglichung von "Grenz"-Übertritten nach Georgien, Arbeitserlaubnis). Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen. Von Abchasien aus war es bislang gängige Praxis, dass Kinder ethnischer Georgier die Administrative Boundary Line (ABL) zum Schulbesuch auf dem georgischen Hauptterritorium regelmäßig überqueren konnten. Nach der Schließung von mittlerweile drei der fünf offiziellen Übergangsstellen verlängert sich der tägliche Schulweg aber so sehr (z.T. ca. 100 km einfach), dass diese Möglichkeit inzwischen kaum noch genutzt wird (AA 11.12.2017).

Die abchasische Regierung ist finanziell von Russland abhängig, das eine militärische Präsenz auf dem Territorium unterhält und zu den wenigen Staaten gehört, die die Unabhängigkeit Abchasiens anerkennen. Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf, und die meisten Einwohner sind Berichten zufolge gegen eine formelle Annexion durch Russland. Während die lokalen Rundfunkmedien weitgehend von der Regierung kontrolliert werden, gibt es einige unabhängige Print- und Online-Medien. Die Versammlungsfreiheit wird in der Regel respektiert. Zu den anhaltenden Problemen gehören ein zutiefst mangelhaftes Strafrechtssystem und die Diskriminierung von ethnischen Georgiern (FH 1.2017).

Die abchasischen Behörden inhaftieren weiterhin Personen, die die "Grenze" illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter entlang der Verwaltungsgrenze zwischen Abchasien und Georgien setzen normalerweise die Regeln der abchasischen Machthaber um, indem sie Individuen abstrafen und wieder freilassen. Es gab Berichte über willkürliche Verhaftungen von ethnischen Georgiern in den abtrünnigen Gebieten. Ihnen wurden weder die Gründe für die Haft noch für das Vorführen vor den Staatsanwalt mitgeteilt. In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992-93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 20.4.2018).

Die Behörden in Abchasien lehnen weiterhin die Rückkehr von ethnischen georgischen Binnenvertriebenen an Orte ihrer Herkunft oder ihres gewöhnlichen Aufenthalts mit Ausnahme der Distrikte Gali, Ochamchira und Tkvarcheli ab. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) hat die Behörden wiederholt um Zusicherungen in Bezug auf die Rechte der Rückkehrer hinsichtlich des Daueraufenthalts, Freizügigkeit, Geburtenregistrierung und Eigentumsrechte gebeten. Generell haben die Vereinten Nationen gefordert, den Zugang der Rückkehrer zu politischen Rechten, gleichen Schutz vor dem Gesetz, soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung, Arbeit und Beschäftigung, Bildung, Gedanken-, Gewissens- und Meinungsfreiheit und kulturelles Leben zu gewährleisten. Im Dezember 2016 wurde das "Gesetz über die Rechtsstellung von Ausländern in Abchasien" geändert, um die Einführung einer "Aufenthaltserlaubnis für Ausländer" zu ermöglichen, die den in Abchasien lebenden ethnischen Georgiern die Ausübung ihrer Rechte erleichtern würde (UN-GA 3.5.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/abkhazia, Zugriff 13.4.2018

* UN_GA - UN General Assembly (3.5.2017): Status of internally displaced persons and refugees from Abkhazia, Georgia and the Tskhinvali region/South Ossetia, Georgia [A/71/899], https://www.ecoi.net/en/file/local/1402817/1226_1499079794_n1712489.pdf, Zugriff 13.4.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html, Zugriff 6.6.2018

2.2. Regionale Problemzone: Südossetien

Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig (90% seines Budgets für 2016), und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus. Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, die auch die Aktivitäten der Zivilgesellschaft einschränken oder genau überwachen. Die Justiz unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 1.2017).

Russische Streitkräfte und De-facto-Behörden in Südossetien haben die Bewegungsfreiheit über die De-facto-Grenze weiter eingeschränkt und Dutzende von Menschen wegen "illegalen" Grenzübertritts kurzzeitig festgenommen und bestraft. Die zunehmende Umzäunung entlang der Verwaltungsgrenzen beeinträchtigte weiterhin die Rechte der Anwohner, einschließlich des Rechts auf Arbeit, Nahrung und einen angemessenen Lebensstandard, da der Zugang zu ihren Obstgärten, Weiden und Ackerland verloren ging (AI 22.2.2018).

In Südossetien leben kaum noch ethnische Georgier. Das Recht auf Rückkehr der Vertriebenen wird von den dortigen de facto-Behörden verwehrt. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen. Als Ausnahme ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori (Südossetien) lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 11.12.2017).

Die südossetischen Behörden haben gegenüber UN-Vertretern ihre Offenheit für die Rückkehr von Binnenvertriebenen nach Südossetien bekundet, allerdings hauptsächlich in den Bezirk Akhalgori und unter der Voraussetzung, dass sich die Personen nur dort aufhalten werden. Besuche im Bezirk Akhalgori scheinen für die Vertriebenen und ihre Angehörigen möglich zu sein. Die zuständigen südossetischen Behörden haben rund 4.300 neue Grenzübertrittsdokumente ("propusk") ausgestellt, die neben rund 1.000 südossetischen sogenannten "Pässen" auch das Überschreiten der Verwaltungsgrenze ermöglichen (UN-GA 3.5.2017).

Bei den Präsidentschaftswahlen in Südossetien am 9.4.2017 gewann der bisherige Parlamentsvorsitzende, Anatoly Bibilov mit 54,8% Prozent (PEC 12.4.2017). Der bisherige Amtsinhaber, Leonid Tibilov, de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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