Entscheidungsdatum
31.05.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W260 2165034-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom 07.07.2017, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX I damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer"), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 31.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei der Erstbefragung am 01.11.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi an, dass er aus Char Deh, Kabul, stamme, der Volksgruppe der Tadschiken angehöre und sunnitischer Moslem sei. Seinen Fluchtgrund betreffend führte er aus, er habe Afghanistan wegen der schlechten Sicherheitslage und aus Angst vor den Mujahedin bzw. Taliban verlassen. Diese haben von ihm verlangt, dass er für sie am Flughafen in Kabul einen Anschlag verübe oder Amerikaner erschieße. Dies habe er aber nicht gewollt.
3. Am 09.06.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde") im Beisein einer Vertrauensperson, sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Dari.
Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst an, er habe in Afghanistan neun Jahre die Schule besucht und anschließend eine Militärschule absolviert. Er habe als Kampflugzeugtechniker und "Crew Chief" sowie als Ausbilder für das afghanische Militär gearbeitet. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass die Mujahedin bzw. die Taliban bzw. der IS mit allen Personen, die beim Militär seien, "Probleme" hätten. Der Beschwerdeführer sei von unbekannten Nummern telefonisch kontaktiert worden und man habe von ihm verlangt, dass er Sprengstoff zum Flughafen mitnehmen solle oder während eines Fluges den Sprengstoff zum Einsatz zu bringen. Die Bedrohungen seien immer mehr geworden. Da der Beschwerdeführer niemanden habe töten wollen, habe er sich entschlossen seine Heimat zu verlassen. Die Eltern, die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers würden noch in Kabul leben. Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Beweismitteln zu seiner militärischen Tätigkeit sowie Integrationsunterlagen vor.
4. Mit dem nunmehr angefochtenem Bescheid vom 07.07.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Die belangte Behörde stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, der Beschwerdeführer habe eine Furcht vor Verfolgung durch Mujahedin, durch die Taliban oder den IS nicht glaubhaft gemacht, da sich seine Furcht lediglich auf Vermutungen stütze und er weder persönlich bedroht noch persönlich angesprochen worden sei. Zudem habe er als Flugzeugtechniker beim Militär nur eine untergeordnete Tätigkeit ausgeübt und könne das Verfolgungsinteresse aufständischer Gruppierungen daher nur lokal auf den Flughafen, wo er stationiert gewesen sei, begrenzt gewesen sein. Der Beschwerdeführer hätte zudem die Möglichkeit gehabt, das Militär zu verlassen und so den Bedrohungen zu entgehen.
5. Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsberatung fristgerecht Beschwerde ein. Der Beschwerdeführer wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und argumentierte, er habe immer detaillierte und konkrete Angaben zu seinen Fluchtgründen gemacht. Er monierte die Begründung der belangten Behörde, dass er jederzeit seine Tätigkeit beim Militär unterlassen hätte können und damit gleichzeitig der Verfolgungsgefahr entkommen hätte können. Dies sei für ihn nicht nachvollziehbar, da er aufgrund seiner Ablehnung, mit den betreffenden Gruppierungen zu kooperieren, als deren Feind angesehen worden wäre. Zudem sei die Sicherheitslage, wie aus den Länderfeststellungen ersichtlich, nicht mit der in westlichen Ländern vergleichbar.
6. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 19.07.2017 wurde der Bezug habende Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage gebracht und langte dieser am 21.07.2017 ebendort ein.
7. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.10.2017 wurde eine mündliche Verhandlung für den 27.11.2017 anberaumt.
8. Der Beschwerdeführer legte namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung mit Schreiben vom 20.11.2017 Beweismittel und Integrationsunterlagen vor.
9. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht am 24.11.2017 eingeholten Auszug aus dem Strafregister des Beschwerdeführers ist ersichtlich, dass keine Verurteilungen aufscheinen.
10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.11.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Rechtsberaterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt.
Der Beschwerdeführer legte Integrationsunterlagen, Fotos, eine Orginal-Tazkira, ein Konvolut an militärischen Zertifikaten und Ausbildungsbestätigungen vor, die als Beilagen ./II bis ./VII zum Akt genommen wurden.
In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden folgende Unterlagen in das gegenständliche Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingebracht: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.09.2017, welches dem Beschwerdeführer bereits übermittelt wurde;
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender samt Begleitschreiben von 04.05.2016;
Gutachten Mag. Karl Mahringer zu GZ: BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017; Gutachten Mag. Karl Mahringer, Aktualisierung des Gutachtens vom 05.03.2017; EASO - Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban;
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 08.06.2017:
Rekrutierung von Tadschiken durch Taliban, Verfolgung durch Taliban in Kabul.
Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen sowie innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
11. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung mit Schreiben vom 06.12.2017 eine schriftliche Stellungnahme zu den vom Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eingebrachten Länderberichtsmaterial und zitierte diverse Berichte zur aktuellen Sicherheitslage in Kabul.
12. Mit Schreiben vom 20.11.2018 übermittelte der Beschwerdeführer namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung weitere Integrationsunterlagen (Beschäftigungsbewilligung, Dienstzeugnis).
13. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs aktuelles Länderberichtsmaterial übermittelt: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 08.01.2019, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender Stand August 2018, sowie eine auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2018, Seiten 21-25 und 98-109. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert etwaige aktuelle Integrationsunterlagen und Krankenunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln.
14. Der Beschwerdeführer übermittelte mit Schreiben vom 07.02.2019 namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde geltend gemacht, dass die Berichte die Angaben des Beschwerdeführers zur schlechten Sicherheitslage in Afghanistan vollinhaltlich bestätigen. In Verbindung mit den in den Länderfeststellungen enthaltenen Informationen komme man zu dem Schluss, dass sein Vorbringen absolut plausibel sei. Aufgrund seiner Tätigkeit für das afghanische Militär sei ihm von den regierungsfeindlichen Gruppierungen eine ihnen gegenüberstehende politische Haltung unterstellt worden. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre der Beschwerdeführer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiteren Verfolgungen ausgesetzt. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren.
Er ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.
Der Beschwerdeführer wurde in Kabul, Afghanistan geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise.
Die Familie des Beschwerdeführers besteht aus seiner Ehefrau, drei Söhnen und einer Tochter. Diese leben in einem Haus in einem Außenbezirk von Kabul. Die Eltern, vier Brüder und eine Schwester des Beschwerdeführers leben ebenfalls in Kabul.
Der Beschwerdeführer ist neun Jahre lang zur Schule gegangen und absolvierte im Anschluss daran eine einjährige Ausbildung zum Kampfflugzeugtechniker.
Ungefähr von 1988 bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2015 arbeitete der Beschwerdeführer - mit Unterbrechungen - für das afghanische Militär.
Er übte dabei unterschiedliche Tätigkeiten als Techniker, "Crew Chief", Bordschütze im Helikopter und Ausbilder aus.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Oktober 2015 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2015 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer weist geringe Deutschkenntnisse auf. Er war in Österreich ehrenamtlich tätig und war im Jahr 2018 als Saisonarbeitskraft in einem Weinbaubetrieb beschäftigt. In seiner Freizeit spielt er Boccia. Der Beschwerdeführer pflegt zahlreiche soziale Kontakte zu österreichischen Freunden.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer, welcher für das afghanische Militär als Kampfflugzeugtechniker, "Crew Chief" und Ausbilder tätig war, wurde im Jahr 2014 mehrmals telefonisch von den Taliban kontaktiert und aufgefordert, für sie zu arbeiten und Sprengstoff zum Flughafen zu bringen, um damit Anschläge durchzuführen bzw. Flugzeuge zu zerstören.
Der Beschwerdeführer erhielt rund 10 bis 15 Anrufe von unbekannten Nummern.
Die Anrufe dienten zunächst dem Zweck, den Beschwerdeführer zu einer Zusammenarbeit zu überreden. Einige Anrufe enthielten aber auch Drohungen. Der Beschwerdeführer wurde mit dem Tod bedroht, sollte er nicht mit den Taliban kooperieren und die Anschläge ausführen. Da der Beschwerdeführer nicht mit den Taliban zusammenarbeiten wollte, entschied er sich zur Flucht und reiste, ohne seinen Dienst beim afghanischen Militär offiziell zu quittieren, aus Afghanistan aus.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gewalt durch die Taliban aufgrund seiner politischen Gesinnung, weil er sich geweigert hat, für die Taliban zu arbeiten und Anschläge gegen militärische Einrichtungen und militärisches Personal durchzuführen.
Die staatlichen Behörden in Afghanistan können dem Beschwerdeführer in seiner Heimatregion keinen Schutz vor Verfolgung durch die Taliban bieten.
Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative nicht zur Verfügung.
Es liegen keine Gründe vor, nach denen ein Ausschluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 08.01.2019, in den UNHCR Richtlinien vom August 2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:
1.3.1. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.
1.3.1.1. Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu. Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten.
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US- Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren.
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant.
1.3.1.2. Herkunftsprovinz Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten: Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi.
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt.
In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt. Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen.
Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden.
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte.
Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich.
Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden.
Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul
Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden.
Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an.
Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte).
1.3.2. Wirtschafts- und Versorgungslage
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).
1.3.3. Medizinische Versorgung
Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.
1.3.4. Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.
Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken, zu welchen der Beschwerdeführer zählt, ist die zweitgrößte; und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten: In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.
1.3.5. Religion
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der Beschwerdeführer ist.
1.3.6. Rechtsschutz/ Justiz
Gemäß Artikel 116 der Verfassung ist die Justiz ein unabhängiges Organ der Islamischen Republik Afghanistan. Die Judikative besteht aus dem Obersten Gerichtshof, den Berufungsgerichten und den Hauptgerichten, deren Gewalten gesetzlich geregelt sind. Die wichtigste religiöse Institution des Landes ist der Ulema-Rat, eine nationale Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. den Präsidenten in islamrechtlichen Angelegenheiten berät und Einfluss auf die Rechtsformulierung und die Auslegung des existierenden Rechts hat.
Das afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.:
Scharia] als auch auf dem nationalen Recht. Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen, einschließlich Menschenrechtsverträge, vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt.
Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten umgesetzt. Die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich.
Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan üblicherweise akzeptiert wird, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang; oft werden die Bestimmungen des islamischen Rechts zugunsten des Gewohnheitsrechts missachtet, welches den Konsens innerhalb der Gemeinschaft aufrechterhalten soll. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem das Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, die Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte.
Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht). Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz im Fall eines Konflikts zwischen dem traditionellen islamischen Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen.
Die mangelnde Präsenz eines formellen Rechtssystems in ruralen Gebieten führt zur Nutzung lokaler Schlichtungsmechanismen. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist. In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles auf der Scharia basierendes Rechtssystem um.
Die Unabhängigkeit des Justizwesens ist gesetzlich festgelegt; jedoch wird die afghanische Judikative durch Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquate Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert. Rechtsstaatliche (Verfahrens-)Prinzipien werden nicht konsequent angewandt.
Korruption stellt weiterhin ein Problem innerhalb des Gerichtswesens dar.
1.3.7. Sicherheitsbehörden
In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist.
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 2018). Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA- Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA). Auch das NDS ist Teil der ANDSF.
Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen.
Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat. Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt.
Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats". Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt).
Die afghanische Nationalarmee (ANA) überwacht und kommandiert alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte. Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen.
Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug der Personalstand der ANA 184.572 Mann. Im Vergleich zum Jänner 2017 ist die Anzahl der ANA-Streitkräfte um 6.861 Mann gestiegen. Die monatlichen Ausfälle der ANA im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 im Durchschnitt 2%. Im letzten Jahr blieben sie relativ stabil unter 2%.
1.3.8. Wehrdienstverweigerung, Desertion
Afghanistan kennt keine Wehrpflicht. Das vorgeschriebene Mindestalter für die freiwillige Meldung beträgt 18 Jahre. Da die Tätigkeit als Soldat oder Polizist für den großen Teil der jungen männlichen Bevölkerung eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten darstellt, erscheint die Notwendigkeit für Zwangsrekrutierungen jedoch eher unwahrscheinlich.
Gemäß dem afghanischen militärischen Strafverfahrenskodex von 2008 wird die permanente Desertion mit einer Haftstrafe von zwei bis fünf Jahren bedroht. Bei Desertionen während einer Sondermission beträgt die maximale Haftstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren. Eine Abwesenheit von mehr als 24 Stunden wird als unerlaubt definiert [Anm.: Absent without official leave, AWOL]. In der Praxis werden Deserteure jedoch in der Regel nicht rechtlich verfolgt. Im Jahr 2016 wurde ein Soldat wegen Desertion in erster Instanz zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt; Berichten zufolge wurde dies zu einem Medienfall, was u.a. auf die Seltenheit solcher Verurteilungen hinweist und auf die Absicht schließen lässt, ein Exempel zu statuieren.
2015 musste die afghanische Armee ca. ein Drittel ihrer 170.000 Soldaten wegen Desertion, Verlust bzw. dem niedrigen Anteil an Weiterverpflichtungen ersetzen. Im Jahr 2017 wurde vom Special Inspector General for Afghanistan (SIGAR) festgestellt, dass ca. die Hälfte der afghanischen Soldaten (83 von 152), die in den USA Fortbildungen besuchten, sich während ihres Aufenthalts unerlaubt vom Dienst entfernten; dies könne u.a. negative Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft der ANSDF haben. Dem Kommandanten der US-amerikanischen Truppen in Afghanistan zufolge ist die Zahl der Desertionen im Land gestiegen: Monatlich verlassen mindestens 4.000 Soldaten die ANDSF; diese Aussage wurde am nächsten Tag vom Verteidigungs- und Innenministerium dementiert. Desertionen sind in Afghanistan seit ca. 40 Jahren an der Tagesordnung.
Als Gründe für Desertion und unerlaubtes Fernbleiben gelten Korruption, die Angst vor den Taliban, niedrige Gehälter, schlechte Lebensbedingungen. Das Problem der Abwesenheit in der ANA wird ebenso damit begründet, dass Soldaten oftmals nicht in ihrer Heimatprovinz dienen. Viele von ihnen müssen einen langen Reiseweg auf sich nehmen, um in ihre Heimatdörfer zu gelangen und ihren Familien die Löhne geben zu können. Diese Deserteure werden schon aufgrund der sehr hohen Zahlen bezüglich vorübergehender Abwesenheiten nach Rückkehr zu ihrem ursprünglichen Standort wieder in die Armee aufgenommen. Allerdings ist die Zahl der unerlaubt Abwesenden in den letzten Jahren etwas gesunken, da nun fast jede Bezahlung der ANA-Soldaten elektronisch durchgeführt wird.
1.3.9. Terroristische und aufständische Gruppierungen
1.3.9.1. Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.
Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können.
Die Taliban haben ein Netzwerk an Spitzeln in Afghanistan, allein in der Stadt Kabul sind drei verschiedene Taliban Nachrichtendienste nebeneinander aktiv. Es heißt, dass die verschiedenen Nachrichtendienste der Taliban in Kabul über 1.500 Spione in allen 17 Stadtteilen haben. Selbst die, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden. Die Taliban behaupten, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, regelmäßig Berichte darüber zu erhalten, wer neu ins Land einreist.
Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban-Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr.
Es ist davon auszugehen, dass Sippenhaftung in Afghanistan ein weit verbreitetes Phänomen ist, und die Taliban neben Regierungsmitarbeitern, Sicherheitskräften und anderen, der Kollaboration oder "Spionage" bezichtigten Personen auch deren Angehörige gezielt verfolgen und bedrohen.
1.3.9.2 Auszug aus dem EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012:
"Zusammenfassung - Struktur und Vorgehensweise der Taliban
(...)
Zur Gewinnung von Einfluss und Kontrolle in einem Territorium folgen die Gruppen einem allgemeinen Muster. Zunächst infiltrieren sie eine Region und versuchen, die Bevölkerung mit Überzeugungsarbeit und Predigten für sich zu gewinnen. Daran schließt sich eine Einschüchterungs- und Gewaltkampagne an, mit der der Widerstand gegen sie gebrochen werden soll. Abschließend errichten sie eine Schattenregierung, die für Recht sorgt und Steuern eintreibt."
1.3.9.3. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation "Afghanistan Rekrutierung von Tadschiken durch Taliban, Verfolgung von Taliban in Kabul", Juni 2017:
"Nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass die Taliban in Afghanistan und auch in der Provinz Logar, Kommandanten gegnerischer Truppen ebenso wie Kämpfer, welche der Volksgruppe der Tadschiken angehören, an- bzw. abwerben.
Nachfolgend zitierter Quellen werden eine Vielzahl von Mechanismen zur Rekrutierung, einschließlich von Rekrutierungsmechanismen, welche auf Zwangsmaßnahmen beruhen eingesetzt. Während einzelne Quellen berichten, dass eine Verwendung von Gewalt bei der Rekrutierung ungewöhnlich sei und meist freiwillig erfolge, gibt es auch Berichte darüber, dass Personen und deren Familienangehörige, welche sich einer Rekrutierung widersetzen, gefährdet sind, mit schwerwiegenden Körperstrafen bestraft oder getötet zu werden. Nachfolgend zitierter Quelle ist zu entnehmen, dass die Taliban es aufgrund der religiösen Legitimierung ihres Herrschaftsanspruchs einen Abfall vom Islam als ein besonders schweres, todeswürdiges und nicht verjährendes Verbrechen ansehen, sich durch Flucht einer Rekrutierung zu entziehen.
Nachfolgend zitierter Quelle ist es in Fällen, in welchen eine Rekrutierung zumindest teilweise auf Angst, Einschüchterung, Stammesdruck oder anderen zwingenden Faktoren basiert, es äußerst schwierig sei, klar zu unterscheiden, ob sich eine Person freiwillig den Taliban angeschlossen habe oder zwangsrekrutiert worden ist.
(...)
Rekrutierung von Tadschiken
Das Afghanistan Analysts Network berichtet am 3.1.2017, dass die Talibanbewegung in der nördlichen Provinz Badakhshan, eine Provinz, welche nie erobert worden ist als die Taliban in den 1990er Jahren an der Macht waren, an Boden gewinnt. In den letzten zwei Jahren ist eine neue Generation von Kämpfern entstanden - weitgehend von tadschikischen Talibans -, welche eine ernsthafte Herausforderung für die afghanische Sicherheitskräfte (ANSF) darstellt. Dieser Erfolg scheint zum Teil auf die Rekrutierungspolitik zurückzuführen zu sein, welche im Gegensatz zu den 1990er-Jahren, lokale Nicht-Paschtunen als Kämpfer und für Schlüsselpositionen in den Provinzen einzusetzen bevorzugt.
Die Strategie der Taliban zur Aufnahme von Nicht-Paschtunen in ihre Kader in von Tadschiken dominierten Gebieten, hat nicht nur militärische Erfolge, sondern auch politische gebracht. Die Propaganda-Website der Aufständischen hat wiederholt Filmbeiträge sowie Vorträge von tadschikischen Kommandanten präsentiert, um den Aufstand als eine landesweite, supranationale Bewegung darzustellen. Diese Darstellung des Aufstandes hat dazu beigetragen, neue Führungspersönlichkeiten auf lokaler Ebene zu generieren und weiterhin Kämpfer, die nicht der Gruppe der Paschtunen angehören, hervorzubringen."
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellung zum Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde, in den im Verfahren erstatteten Stellungnahmen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus den vorgelegten Dokumenten (Tazkira).
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort, seinen Aufenthaltsorten, seinem schulischen und beruflichen Werdegang, seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen und seinen Lebensumständen in Afghanistan waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel.
Die Feststellungen zum Sprachniveau und den beruflichen und ehrenamtlichen Betätigungen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den im gesamten Verfahren vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Das Verfolgungs- Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers lautet auf das Wesentliche zusammengefasst, ihm drohe Gewalt durch die Taliban. Diese haben versucht, den für das afghanische Militär tätigen Beschwerdeführer zu rekrutieren und ihn mit Drohungen zu Attentaten auf Militäreinrichtungen zu bewegen. Der Beschwerdeführer habe aber nicht für die Taliban arbeiten wollen und sei daher geflüchtet.
Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers im Verlauf des Verfahrens ist schlüssig, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Strukturen in Afghanistan plausibel, weitgehend widerspruchsfrei, substantiiert und angereichert mit lebensnahen Details sowie im Einklang mit den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten.
Der Beschwerdeführer zeichnete insbesondere in der mündlichen Verhandlung in seinen Aussagen und seinem Antwortverhalten ein glaubwürdiges Bild der geschilderten Vorfälle, präsentierte keine einstudierte lineare Fluchtgeschichte und vermittelte so den Eindruck, die dargestellten Ereignisse tatsächlich erlebt zu haben.
An dieser Stelle wird beweiswürdigend folgendes hervorgehoben:
Der Beschwerdeführer brachte sowohl in der Erstbefragung, als auch in der Einvernahme bei der belangten Behörde und im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung beim Bundesverwaltungsgericht das fluchtauslösende Ereignis, nämlich die Drohanrufe der Taliban und deren Aufforderung an den Beschwerdeführer, für diese tätig zu werden und Attentate auf Militäreinrichtungen durchzuführen, gleichbleibend, widerspruchsfrei und auf Nachfragen detailliert vor.
Auch seinen beruflichen Werdegang und seine Tätigkeit für das afghanische Militär, welche der Grund für seine Probleme im Herkunftsstaat ist, schilderte der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleichbleibend und anschaulich. Er konnte glaubhaft machen, dass er - nach einer Ausbildung als Kampfflugzeugtechniker - als "Crew Chief", als Bordschütze und als Ausbilder für das Militär gearbeitet hat. In der Einvernahme bei der belangten Behörde am 09.06.2017 war er in der Lage, seine berufliche Tätigkeit ausführlich zu beschreiben. Er erzählte von den Flugzeugtypen, den Waffentypen und der Art der Munition, welche während seiner Tätigkeit verwendet wurden. Auch war er in der Lage, die Handhabung der Waffen genau zu beschreiben (vgl. AS 103). Seine Angaben konnte er auch durch die vorgelegten Beweismittel belegen (Konvolut Beilagen ./III bis ./VII zum Verhandlungsprotokoll vom 27.11.2017). Dazu zählen Fotos, die den Beschwerdeführer bei seiner militärischen Tätigkeit zeigen, sowie Zertifikate, welche die Ausbildung und den Militärdienst des Beschwerdeführers beschreiben (Abschlussschreiben zur Ingenieurs-Ausbildung, Arbeitserlaubnis des Verteidigungsministeriums).
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt bei diesen Beweisanboten nicht, dass in zahlreichen Verfahren vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht die Echtheit von Unterlagen aus Afghanistan zweifelhaft ist. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren gilt es dazu auszuführen, dass der Beschwerdeführer in seinen Aussagen und seinem Antwortverhalten ein glaubwürdiges Bild der geschilderten Vorfälle mitsamt den angeführten Beweisanboten präsentierte und sein Aussageverhalten aus Sicht des erkennenden Richters keine einstudierte, sondern eine lineare Fluchtgeschichte ist und ebenso den Eindruck vermittelte, die dargestellten Ereignisse tatsächlich erlebt zu haben.
Der Beschwerdeführer konnte zudem auch die versuchte Rekrutierung durch die Taliban nachvollziehbar und glaubhaft schildern:
In der Beschwerdeverhandlung gab er an, dass er im Jahr 2014 ungefähr 10 bis 15 Anrufe erhalten habe. Die Taliban hätten versucht ihn zu überreden, dass er sich ihnen anschließe. Er sei nicht bei allen Telefonaten bedroht worden, lediglich bei ca. fünf bis sechs dieser Anrufe. Dabei sei ihm gesagt worden, er werde getötet werden, wenn er die Taten nicht ausführe. Auf Nachfrage des erkennenden Richters, warum er so oft telefonisch bedroht worden sei und nicht bereits nach der zweiten Bedrohung persönlich von den Taliban aufgesucht worden sei, schilderte der Beschwerdeführer nachvollziehbar, dass die Taliban ihn überreden haben wollen, sich ihnen anzuschließen. Sie hätten gewollt, dass er ihr "System" kennenlerne. Anfangs hätten sie sehr ruhig mit ihm gesprochen und er hätte auch nicht gesagt, dass er die Taten nicht ausführen werde (vgl. S 18f des Protokolls der Beschwerdeverhandlung vom 27.11.2017).
Dass ein Anschlag dieses geschilderten Ausmaßes von Seiten der Taliban eine längerfristige Überredung erfordert, ist lebensnah und konnte der Beschwerdeführer daher die Vorgehensweise der Taliban, nämlich die mehrmaligen Anrufe und das Ziel, den Beschwerdeführer dadurch Schritt für Schritt für ihre Sache zu gewinnen, glaubhaft darlegen.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auch im Lichte der in den Feststellungen zu Afghanistan enthaltenen Ausführungen, insbesondere zum Vorgehen der Taliban bei Rekrutierungen, plausibel.
Den in den Feststellungen genannten Länderberichten ist nämlich zu entnehmen, dass die Taliban - wenn sie versuchen eine Region zu infiltrieren - zunächst versuchen die Bevölkerung mit Überzeugungsarbeit für sich zu gewinnen. Daran schließt sich eine Einschüchterungs- und Gewaltkampagne an, mit der der Widerstand gebrochen werden soll. Es ist anzunehmen, dass dieses auf eine Region bezogene Vorgehen auch bei der Anwerbung von einzelnen Personen, wie dem Beschwerdeführer, Anwendung findet und deckt sich daher die beschriebene Handlungsweise der Taliban, wie bereits erwähnt, mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers.
Wie den Länderfeststellungen zu entnehmen ist, ist es durchaus auch Praxis der Taliban, nicht nur Paschtunen, sondern auch Mitglieder anderer Volksgruppen wie etwa Tadschiken, zu rekrutieren. Daher ist das Vorbringen des Beschwerdeführers auch diesbezüglich nachvollziehbar, zumal er der Volksgruppe der Tadschiken angehört.
Der Beschwerdeführer konnte in der Beschwerdeverhandlung auch glaubhaft schildern, weshalb er sicher ist, dass die Taliban hinter den Anrufen stecken. Er gab nämlich an, dass es vor den Taliban derartige Bedrohungen nicht gegeben habe. Die Mujahedin haben keine Mobiltelefone gehabt. Die Taliban haben sich zwar am Telefon nicht als solche zu erkennen gegeben, als sie jedoch gesagt haben, dass ein Moslem aufgrund des Djihad verpflichtet sei, andere zu töten, sei ihm klar gewesen, dass es sich um die Taliban oder den IS handle (vgl. S 20 des Protokolls der Beschwerdeverhandlung vom 27.11.2017).
Dass das Fluchtvorbringen der Wahrheit entspricht, ergibt sich für den erkennenden Richter auch aus den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer ist ein 37jähriger Familienvater, der in Afghanistan vor seiner Ausreise einen sicheren und - für afghanische Verhältnisse - gut bezahlten Job beim Militär innehatte. Die Ehefrau, Kinder, Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers leben in geordneten Verhältnissen in Kabul. Die Familie besitzt ein Haus. Ein derart stabiles berufliches und familiäres Umfeld grundlos aufzugeben, erscheint nicht nachvollziehbar.
Die Bedrohung durch die Taliban ist daher auch deshalb sehr wahrscheinlich. Noch dazu ist zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer die militärische Tätigkeit in Afghanistan nicht einvernehmlich beendet hat, sondern (quasi) desertiert ist und etwaige Folgen, die sich aus einer Desertion ergeben, in Kauf nimmt. Bei einer Rückkehr droht ihm - wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, wie den Länderfeststellungen zu entnehmen ist ("Gemäß dem afghanischen militärischen Strafverfahrenskodex von 2008 wird die permanente Desertion mit einer Haftstrafe von zwei bis fünf Jahren bedroht. (...) In der Praxis werden Deserteure jedoch in der Regel nicht rechtlich verfolgt.") - eine strafgerichtliche Verfolgung und hätte der Beschwerdeführer in Anbetracht seiner familiären Verpflichtungen ein derartiges Vorgehen wohl nicht an den Tag gelegt, wäre er nicht tatsächlich asylrelevant von den Taliban bedroht worden. Nur ergänzend ist zu erwähnen, dass - laut den in den Feststellungen enthaltenen Länderberichten - als Grund für Desertion in Afghanistan unter anderem die Angst vor den Taliban genannt wird. Auch in diesem Punkt findet daher das Vorbringen des Beschwerdeführers Deckung in den offiziellen Berichten zum Herkunftsstaat.
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wird daher insgesamt als glaubhaft erachtet und wird eine weitere beweiswürdigende Auseinandersetzung mit den Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung, wonach nun auch sein Sohn Probleme mit den Taliban hätte (vgl. S 15ff des Protokolls der Beschwerdeverhandlung vom 27.11.2017), nicht vorgenommen.
Die durch die Länderberichte belegte, über einen langen Zeitraum äußerst volatile Sicherheitslage in der Heimatregion des Beschwerdeführers, Kabul, die hohe Präsenz der Taliban und die Vielzahl von sicherheitsrelevanten Vorfälle zeigen, dass derzeit nicht davon ausgegangen werden kann, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden im Hinblick auf die dortige Verfolgung durch die