Entscheidungsdatum
03.06.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W176 2198709-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA.:
Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2018, Zl. 1093944901 - 151717135/BMI-BFA_KNT_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), iVm §§ 3, 8, 10, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, nicht zulässig.
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Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer brachte am 06.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 07.11.2015 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes vor: Er stamme aus Afghanistan, habe jedoch die letzten zehn Jahre im Iran gelebt. Auf der Flucht sei er von seinen Eltern und seinem Bruder getrennt worden. Er sei Muslim und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er sei Analphabet und könne Dari sprechen, jedoch nicht schreiben. Zuletzt habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet. Als Fluchtgrund gab er an, er habe illegal im Iran gelebt, keine Schule besucht und keine Arbeit gehabt. Er habe befürchtet, dass die iranischen Behörden ihn nach Afghanistan bringen würden. Dort herrsche jedoch noch immer Krieg, er habe Angst vor Taliban und Islamisten.
2. Am 20.03.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) erstmalig niederschriftlich einvernommen, führte der Beschwerdeführer - zusammengefasst - Folgendes an: Sein Fluchtgrund sei gleichgeblieben. Er sei in Afghanistan in der Provinz Samangan geboren und habe mit etwa vier Jahren Afghanistan verlassen. Er sei Hazara und schiitischer Muslim.
Einmal sei er im Iran geschlagen worden, weil er eine christliche Tätowierung am Rücken habe. Befragt, wie er in Österreich seinen Glauben auslebe, gab er an, es sei hier - im Gegensatz zum Iran - nicht verbindlich. Die Frage, ob er am christlichen Glauben interessiert sei, verneinte der Beschwerdeführer und gab an, er habe nur am Rücken ein Kreuz tätowiert.
Er sei nie in die Schule gegangen, spreche Dari, Farsi und Deutsch, könne aber nur Deutsch lesen und schreiben, jedoch nicht Dari oder Farsi. Vor seiner Ausreise habe er manchmal gearbeitet, etwa Obst geerntet bzw. seinem Vater bei der Arbeit geholfen. Er wisse nicht, wo sich seine Familie befinde, da er sie zwischen dem Iran und der Türkei unterwegs verloren habe. In Afghanistan habe er noch einen Onkel und eine Tante väterlicherseits, aber keinen Kontakt zu ihnen. Er wisse nicht, wieso seine Eltern Afghanistan verlassen hätten, außer dass er gehört habe, dass sie Angst vor den Taliban hätten. Seit seiner Ausreise mit etwa vier Jahren sei er nicht mehr in Afghanistan gewesen.
Er habe den Iran verlassen, da er und seine Eltern sich dort illegal aufgehalten hätten. Er habe nicht in die Schule gehen können und habe ständig Angst gehabt, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Auslöser für seine Ausreise aus dem Iran sei gewesen, dass er wegen seiner Tätowierung geschlagen worden sei. Ein Unbekannter habe ihn mit einem Ziegel auf dem Hinterkopf geschlagen. Ein bis zwei Monate später sei er dann mit seiner Familie aus Iran geflüchtet. Er habe sich nichts dabei gedacht, als er sich ein Kreuz tätowieren habe lassen. Es habe ihm nur gefallen.
Zu Kontakten in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe zweimal in der Woche Kontakt mit seiner Patin und stehe auch mit seinen Mitschülern in Kontakt. In Afghanistan würde er aufgrund seiner Tätowierung als ungläubig bezeichnet und umgebracht. Befragt, ob er schon Probleme mit der Polizei gehabt habe, gab er an, er werde nie wieder so viel trinken.
3. Mit Schriftsatz vom 24.03.2018 verwies der Beschwerdeführer bezüglich seiner Tätowierung ua. auf eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom Juni 2014, wonach Afghanen aus unterschiedlichen Gründen Tätowierung hätten und etwa ein Kreuz kein Zeichen des Christentums darstelle. Dies sei normalerweise eine persönliche Entscheidung und nur die betreffende Person kenne gewöhnlich die Bedeutung des Motivs. Es könne aber zu einem Problem werden, sollten ihn konservativ eingestellte Personen nach der Bedeutung des Tattoos fragen. Weiters wird auf einen Artikel der Nachrichtenagentur Agence France Press vom Dezember 2014 hingewiesen, wonach Tätowierungen seit dem Fall des Taliban-Regimes in Afghanistan Beliebtheit erlangt hätten. Viele Muslime würden allerdings Tätowierungen als etwas nach islamischem Recht Verbotenes ansehen. Menschen mit Tätowierungen auf dem Arm würden diese verbergen. Ein Befragter mit Tattoo habe gemeint, er würde draußen stets langärmeliges Gewand tragen und habe Angst, dass die Aufständischen seinen Arm wegen der Tätowierungen abhacken würden.
4. Mit Bescheid vom 09.05.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erteilte gemäß § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen den Beschwerdeführer (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keiner gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und dies auch bei einer Rückkehr nicht wäre. Darüber hinaus bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative, da er sich in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat niederlassen könne.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er asylrelevante religiöse und politische Verfolgung aufgrund unterstellter politischer und religiöser Gesinnung, Verfolgung aufgrund Zugehörigkeit zur ethno-religiösen Gruppe der schiitischen Hazara sowie aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der alleinstehenden Minderjährigen befürchte. Die belangte Behörde habe es gänzlich unterlassen, sich ausreichend mit der sozialen Gruppe von alleinstehenden Minderjährigen und mit der Lage von schiitischen Hazara auseinanderzusetzen. Es würden sich auch keine Berichte zur tatsächlichen Lage von Personen, die nach einem lebenslangen Aufenthalt im Iran und im westlichen Ausland nach Afghanistan zurückkehren, finden, obwohl der Beschwerdeführer im Iran aufgewachsen sei.
6. Mit Schreiben vom 15.06.2018, eingelangt am 20.06.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verfahrensunterlagen - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
7. Mit einem am 13.03.2019 eingelangten Schriftsatz ergänzte der Beschwerdeführer seine Beschwerde dahingehend, dass er am 27.01.2019 getauft worden sei, und legte den Taufschein, mehrere Fotos, ein Zertifikat über Deutschkenntnisse auf A2-Niveau vom 06.09.2018 sowie eine Bestätigung darüber vor, dass er die "Übergangsstufe an BMHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch" an der HAK/HAS XXXX abgeschlossen habe. Vorgebracht wurde, dem Beschwerdeführer drohe aufgrund seiner Konversion und Apostasie im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zusätzlich zu den bereits in der Beschwerde erläuterten Gründen auch Verfolgung aufgrund seiner Religion sowie aufgrund einer ihm zumindest unterstellten "verwestlichten" und oppositionellen Gesinnung und aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Personen, die gegen die vorherrschenden sozialen und religiösen Normen in Afghanistan verstoßen. Die Einvernahme zweier Zeuginnen wurde beantragt. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass sich die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan in den letzten Monaten abermals massiv verschlechtert habe.
8. Am 02.05.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche Beschwerdeverhandlung statt, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm.
Bei seiner Vernehmung gab der Beschwerdeführer - zusammengefasst - Folgendes an: Er sei Christ und Hazara und stamme aus Samangan, er würde sich dort nicht genau auskennen. Er wisse nicht, wovon seine Familie vor dem Verlassen Afghanistans gelebt habe, er sei damals vier Jahre alt gewesen. Er wisse nicht, aus welchem Grund seine Eltern Afghanistan verlassen hätten. Er selbst sei 13 oder 14 Jahre alt gewesen, als er den Iran verlassen habe. Im Iran habe sein Vater jeden Job gemacht, den er angeboten bekommen habe, wie Steine verladen. Der Beschwerdeführer selbst habe etwa neun bis zehn Jahre im Iran gelebt. Die Schule habe er nicht besucht, nur etwa ein Jahr lang einen Art Kurs, wo man Farsi Schreiben gelernt habe. Parallel habe er auch gearbeitet, etwa Obst gepflückt oder seinem Vater bei seinen Tätigkeiten geholfen. Er könne nicht so richtig, jedoch halbwegs Farsi schreiben, Farsi lesen könne er.
Seine Eltern würden sich wieder im Iran aufhalten, in der Türkei hätten der Beschwerdeführer und seine Familie einander verloren, nach einer Zeit habe er sie angerufen und erreicht. Das letzte Mal habe er sie an der Grenze gesehen, im Jahr 2015. Derzeit würden seine Eltern und er einmal die Woche oder dreimal im Monat telefonieren. Er habe einen Onkel und eine Tante väterlicherseits, die sich auch im Iran aufhielten. Onkel oder Tanten mütterlicherseits habe er nicht.
Der Beschwerdeführer habe den Iran verlassen, da er wegen eines Tattoos in Form eines Kreuzes am Rücken als Ungläubiger beschimpft und am Hinterkopf geschlagen worden sei. Als Grund, sich ein Kreuz tätowieren zu lassen, gab der Beschwerdeführer an, er habe es auf einem Foto gesehen und es habe ihm gefallen, deshalb habe er das auch gewollt. Ein Freund hätte ihn tätowiert. Seine Eltern hätten danach gesagt, dass er das nicht mehr machen solle.
In der Verhandlung wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer auch auf seiner linken Hand ein Kreuz tätowiert habe, näher dazu befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe sich das letztes Jahr (2018) vor Weihnachten tätowieren lassen, weil es ihm gefallen habe.
Der Beschwerdeführer befürchte, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan als Ungläubiger gesteinigt zu werden.
Näher zu seinem Glauben befragt, gab der Beschwerdeführer an, im Iran habe er ein Muslim sein müssen. Als er nach Österreich gekommen sej, habe er weder gefastet noch gebetet. Er habe zuerst keine Religion gehabt, danach sei er Christ geworden. Es habe keine Zeit gegeben, wo er den Islam aus Überzeugung praktiziert habe. Nun als Christ sei ihm Religion wichtig. Als Muslim sei ihm Religion nicht wichtig gewesen, er sei dazu gezwungen worden. Nachdem er nach Österreich gekommen sei, habe ihn seine Patin in eine Kirche mitgenommen, wo er den Gottesdienst besucht habe. Er habe gesehen, wie friedlich die Menschen dort seien und sei begeistert davon gewesen. Ab glaublich September 2018 habe er einen Bibelkurs besucht und danach beschlossen, selbst Christ zu werden. Er habe sehr oft den Bibelkurs besucht, genauer dreizehn Mal. Etwa drei bis vier Mal im Monat würde er in die Kirche gehen. Glaublich zu Anfang des Frühlings 2018 sei er das erste Mal in die Kirche gegangen. Auf Vorhalt, wieso er bei der Einvernahme vor der belangten Behörde verneint habe, am christlichen Glauben interessiert zu sein, gab der Beschwerdeführer an, am Anfang keine Informationen darüber gehabt zu haben.
Letztes Jahr sei er einmal mit ein paar Freunden zusammengesessen und sie hätten über Religion gesprochen und ihn eingeladen, einmal den Bibelkurs zu besuchen, um zu schauen, ob es ihm gefalle.
Im Islam habe ihm das Fasten und das Beten missfallen, er habe keine Lust gehabt, sechs oder sieben Mal am Tag zu beten. Er sei Schiit gewesen und habe auch den Jihad nicht gemocht.
Der Beschwerdeführer gab an, er habe sich auf Farsi mit dem Christentum befasst, es habe eine spezielle Gruppe für Farsi-Sprechende gegeben. Der Bibelkurs sei in einer anderen Kirche gewesen als der, wo er getauft worden sei. Im Bibelkurs seien Unterlagen mit Fragen ausgeteilt worden, die Antworten darauf seien im Unterricht besprochen worden. Er besitze auch eine Bibel auf Farsi.
Zur religiösen Bedeutung der Taufe und der dabei vorgenommenen Handlungen befragt, gab der Beschwerdeführer an, wenn man an Jesus Christus glaube, dann komme man Gott und dem Heiligen Geist näher, man habe eine enge Beziehung zu Gott. Der Pfarrer habe Wasser in die Hand genommen und dreimal auf ihn geschüttet. Man werde neu geboren und alle Sünden vergeben. Seiner Familie habe er nicht in die Entscheidung, Christ zu werden, miteinbezogen.
Der Beschwerdeführer gehöre der Evangelischen Kirche an, weil seine Patin auch dort gewesen sei und er deswegen auch dorthin gegangen sei. Nachgefragt, ob er der Ausrichtung der Evangelischen Kirche angehöre, in der Martin Luther eine besondere Rolle spiele oder in der Ausrichtung, in der Calvin eine besondere Rolle spiele, gab der Beschwerdeführer an, er glaube, Martin Luther sei Katholik. Nachgefragt, weshalb er sich gerade dafür entschieden habe, in der Evangelischen Kirche Christ zu werden, gab der Beschwerdeführer an, Kirche sei Kirche, das mache für ihn keinen Unterschied. Hinsichtlich der Unterschiede in den Glaubenshinhalten zwischen evangelischen und katholischen Christen befragt wisse er nur, dass bei den Katholiken der Pastor nicht heiraten dürfe und bei den Evangelischen schon.
Der Hauptunterschied in den Glaubensinhalten zwischen dem Christentum und dem Islam sei, dass im Islam alles ein Muss und ein Zwang sei, aber im Christentum sei das nicht so. Da sei eine Vater-Sohn-Beziehung, und es sei vergebend. Der Unterschied in der Stellung, die Jesus im Christentum zukomme, im Vergleich zu der, die Mohammed im Islam zukomme, sei, dass Jesus Christus sich wegen unserer Sünden geopfert habe. Er sei gekreuzigt worden und nach dem dritten Tag wieder auferstanden, von Mohammed wisse er es nicht. Die Frage, ob es zutreffe, dass sowohl Mohammed nach islamischer Auffassung als auch Jesus nach christlicher Auffassung Propheten seien, bejahte der Beschwerdeführer. Wichtige Ereignisse in der Bibel seien Ostern und die Geburt von Jesus, die zu Weihnachten gefeiert werde. In der Kirche seien wichtig Jesus Christus, der Glaube, das Wort Gottes, viele Sachen; auch das Abendmahl und die Taufe. Weiters sprach der Beschwerdeführer das Vaterunser auf Farsi,.
Nachgefragt, welche Auswirkungen der Umstand, dass er nun Christ sei, für das tägliche Leben des Beschwerdeführers habe, gab dieser an, er habe ein neues Leben begonnen und alles habe sich zum Besseren gewendet. Das zeige sich darin, dass er davor nicht so ein Mensch gewesen sei, wie er es jetzt sei. Er sei davor sehr selbstsüchtig gewesen und habe nicht auf andere geachtet. Jetzt nehme er an allen Aktivitäten seiner Kirchengemeinde teil, etwa an den Gottesdiensten am Sonntag. Nach dem Gottesdienst gebe es ein Abendmahl und zu den Festen. Auf Vorhalt, in der Evangelischen Kirche das Abendmahl Teil des Gottesdienstes sei, gab der Beschwerdeführer an, ja, es sei Teil davon, es sei in der Mitte des Gottesdienstes und es werde Brot und Wein verteilt. Die Gottesdienste, an denen er teilnehme, würden auf Deutsch abgehalten. Nach seiner Funktion oder besonderen Aufgabe in der Kirchengemeinde befragt, gab der Beschwerdeführer an, bei den Veranstaltungen helfe er mit den Stühlen. Einmal habe er Tee ausgeschenkt. Nach Namen von Pastoren oder sonst in der Kirchengemeinde tätigen Personen befragt, nannte der Beschwerdeführerin die als Zeugin geladene Presbyterin, den aktuellen Pfarrer, einen mittlerweile verstorbenen Pfarrer und ein weiteres Kirchenmitglied.
Sein Tagesablauf habe sich insofern geändert, seit er Christ sei, dass es besser geworden sei. Er sei zufrieden und habe keine Sorgen mehr. Er besuche die Schule.
Auf Nachfrage seiner Rechtsvertretung gab der Beschwerdeführer an, er habe einmal einen Freund missioniert, indem er ihm vorgeschlagen habe, die Bibel zu lesen und in die Kirche zu gehen.
Sodann wurde die genannte Presbyterin der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX als Zeugin (in der Niederschrift als Z2 bezeichnet) einvernommen, wobei sei im Wesentlichen Folgendes angab:
Sie habe den Beschwerdeführer bei verschiedensten Veranstaltungen in der Kirche kennen gelernt, glaublich beim Erntedankfest 2018. Etwa im März/April 2018 habe der Beschwerdeführer begonnen, sich mit anderen Personen gemeinsam um ein Gartenbeet im von der Pfarrgemeinde betriebenen Gemeinschaftsgarten (" XXXX ") zu kümmern. Über diesen Garten habe er Interesse für die Kirche entwickelt. Der Bibelkurs habe nichts mit der Pfarrgemeinde oder der Taufvorbereitung zu tun. Der Bibelkurs vermittle Wissen über die Bibel und aus diesem Wissen heraus könne der Wunsch nach der Taufe und die Entscheidung für eine bestimmte Kirche entstehen. Die Taufvorbereitung habe der Pfarrer gemacht, der sei jedoch leider mittlerweile verstorben. An kirchlichen Aktivitäten nehme der Beschwerdeführer teil, indem er sie einmal beim Kirchen-Café vertreten habe, mitgeholfen habe, Sessel zu tragen und Tische abzuwaschen, er setzte sich auch im Pfarrgarten ein und habe einer anderen Gärtnerin dabei geholfen, Pferdemist einzuschaufeln. Er sei öfter im Gemeindegottesdienst als sie selbst, nämlich sicher zweimal im Monat.
Auf Vorhalt, dass der Theologische Ausschuss der Generalsynode für den Taufunterricht eine Dauer von einem Jahr empfehle, und diese Dauer betreffend den Beschwerdeführer mit Bibelkurs im September 2018 und der Taufe im Jänner 2019 erheblich unterschritten worden sei, gab die Z2 an, der Bibelkurs und all das zähle natürlich dazu, und der Beschwerdeführer habe zusätzlich Unterricht erhalten, wo es um Kirchenjahr, Feste und die evangelischen Spezifika wie etwa Martin Luther gegangen sei.
Auf Nachfrage der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers gab die Z2 an, sie sei davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer auch weiterhin den christlichen Glauben ausüben werde, und werde ihn dabei begleiten.
In der Verhandlung zu seinen Deutschkenntnissen befragt, gab der Beschwerdeführer an, in Österreich Deutschprüfungen auf A1- und A2-Niveau absolviert zu haben.
Nach seinem Tagesablauf befragt, gab der Beschwerdeführer an, wenn er keine Schule habe, mache er mit seiner Patin Ausflüge oder sie würden ins Kino gehen. Ansonsten lerne er, sie hätte auch ein Grundstück gemietet und würden dort etwas einpflanzen. Er machen aktuell den Pflichtschulabschluss und gehe in die Abendschule an der Volkshochschule. Derzeit lebe er von der Grundversorgung. Einmal habe er ein dreitägiges Praktikum als Maler bei der Diakonie gemacht. Nach seinem Freundeskreis in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, er kenne von der Kirche die bereits genannten (den aktuellen Pastor, die Z2, ein näher genanntes Kirchenmitglied) und es gebe noch ein weiteres näher genanntes Kirchenmitglied. Seine Freunde, die er von der Schule kenne, seien alle Afghanen und Araber, es gebe dort keine Österreicher. Er kenne auch noch ein paar Afghanen aus Wien, die er in Traiskirchen kennen gelernt habe. Näher zu seinen afghanischen Freunden aus der Schule befragt, gab er an, dass drei von fünf namentlich genannten nichts von seiner Konversion wissen würden, er habe es ihnen nicht erzählt, weil er ihnen nicht vertraue.
Zu einem bestimmten aktenkundigen Raufhandel befragt, gab der Beschwerdeführer an, die anderen seien schuld gewesen. Er habe sich nur verteidigt; auch sei er betrunken gewesen. Jetzt würde er das auf keinen Fall mehr machen.
In ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme gab die zuvor als Patin des Beschwerdeführers bezeichnete Frau (in der Verhandlungsschrift als Z1 angeführt) zusammengefasst Folgendes an: Sie kenne den Beschwerdeführer seit September 2017; damals habe sie für ihn die Patenschaft übernommen. Dabei gehe es darum, junge Menschen bei der Integration und nach Bedarf zu unterstützen. Sie hätten sehr viel gemeinsam gelernt, sie habe ihn aus seinem Alltag heraus und in ihre Familie hineingenommen und gemeinsame Ausflüge gemacht oder auch zum Arzt begleitet. Sie selbst sei seit 2013/14 im Gemeinschaftsgarten der Kirche tätig und habe seit 2018 gemeinsam mit dem Beschwerdeführer dort ein Beet bewirtschaftet. Zu Beginn der Saison 2018, etwa im März/April, habe sie begonnen, den Beschwerdeführer in Gottesdienste mitzunehmen. Etwa zum Pflanzgottesdienst mit Pflanzenmarkt oder zu einer Singveranstaltung. Vor der Taufe habe es immer wieder Gespräche zwischen dem Beschwerdeführer und dem mittlerweile verstorbenen Pfarrer gegeben sowie zwei ganz offizielle Vorgespräche für die Taufe, da sei sie immer mit dabei gewesen. Die Z1 legte auch eine Liste mit Terminen vor. Sie sei ja quasi auch das Taxi, der Fahrdienst gewesen, weil die Einrichtungen sehr weit weg seien und schlecht öffentlich angebunden.
Konkret zur Taufvorbereitung in der Pfarrgemeinde selbst befragt und wann diese angefangen habe, gab die Z1 an, es habe zwei intensivere Gespräche mit dem Pfarrer gegeben, glaublich im November 2018 und im Januar 2019, in denen der Pfarrer den Wechsel vom Islam zur christlichen Kirche intensiv hinterfragt habe. Der Beschwerdeführer habe angegeben, der islamische Glaube sei in Iran sehr strikt gelebt worden, er habe keine freie Wahl gehabt, es sei sehr unterdrückend gewesen. Hinsichtlich der Gefahr, in Afghanistan als Christ zu leben, habe der Beschwerdeführer gesagt, es sei ihm bewusst, was dort passieren könne, aber das werde seine Entscheidung, sich taufen zu lassen, nicht ändern. Beim Taufgespräch selbst sei ein Dolmetscher dabei gewesen.
Von der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers befragt, gab die Z1 an, sie gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer nach wie vor seinen christlichen Glauben praktizieren werde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige, nunmehr volljährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an. Er stammt ursprünglich aus der Provinz Samangan und wurde am XXXX geboren. Der Beschwerdeführer hat im Alter von vier Jahren aus ihm unbekannten Gründen mit seinen Eltern Afghanistan verlassen und seitdem, bis zu seiner Flucht, in Iran gelebt. Der Beschwerdeführer spricht Dari, Farsi, kann auf Farsi einigermaßen schreiben und besser lesen.
Der Beschwerdeführer hat keine Angehörigen in Afghanistan, seine Familie (Eltern, Bruder, Onkel und Tante väterlicherseits) lebt im Iran. Zu seinen Eltern hat er regelmäßigen telefonischen Kontakt.
Der Beschwerdeführer ist jung, arbeitsfähig und grundsätzlich gesund. Er ist ledig und hat keine Kinder. Er hat in Afghanistan oder im Iran keine Schule, jedoch einen Alphabetisierungskurs auf Farsi besucht und nebenbei als Hilfsarbeiter (für Tätigkeiten in der Landwirtschaft und am Bau wie Obst pflücken und Ziegel verladen) gearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist mit den kulturellen Gegebenheiten in Afghanistan vertraut und der Landessprache Dari mächtig.
Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert, war kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, hat sich nicht politisch betätigt und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Heimatland.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Am 27.01.2019 wurde er in der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX getauft und gibt an, zum Christentum konvertiert zu sein. Zuvor hatte er auch einen Bibelkurs besucht. Seiner Familie hat der Beschwerdeführer nicht von seiner Taufe erzählt. Der Beschwerdeführer zeigt zwar Interesse am Christentum, besucht etwa zwei bis vier Mal im Monat die Kirche für Gottesdienste oder andere Veranstaltungen und hat in der örtlichen Pfarrgemeinde einige soziale Kontakte geknüpft. Insbesondere betätigt er sich im Gemeinschaftsgarten der Pfarrgemeinde. Es ist jedoch nicht glaubhaft, dass der christliche Glaube ein wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden ist. Es wird daher festgestellt, dass der Beschwerdeführer keinen inneren Entschluss gefasst hat, auch im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan nach dem christlichen Glauben zu leben.
Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan und Iran als Schiit gelebt, ist gegenwärtig jedoch nicht religiös am Islam interessiert. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sich aus tiefer innerer Überzeugung vom Islam abgewendet hat.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus Gründen der Religion Verfolgung zu befürchten hätte.
Der Beschwerdeführer ist nach einer Ansiedlung in einer größeren Stadt, die nicht von den Taliban kontrolliert wird, zB in Mazar-e Sharif, nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gefährdet, in Hinblick auf seine Tattoos Übergriffen von hier interessierender Intensität zu werden.
Dem Beschwerdeführer droht auf Grund seiner Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Hazara in Afghanistan keine konkret gegen ihn gerichtete psychische oder physische Gewalt. Auch ist nicht jeder Angehörige der Hazara in Afghanistan physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit Verfolgung zu befürchten hätte.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan auch aus anderen Gründen nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte, so war er vor seiner Flucht auch keiner konkreten individuellen Verfolgung durch Taliban, den IS oder sonstige kriminelle Personen ausgesetzt und haben sich keine Anhaltspunkte für eine Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung ergeben.
1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan:
Im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, der Provinz Samangan, gab es einerseits regierungsinterne politische Konflikte und versuchten andererseits Aufständische in den letzten Jahren ihre Aktivitäten destabilisierend auszuweiten, wodurch sich die Sicherheitslage in der Provinz verschlechterte und die Gewalt anstieg. In Samangan sind Mitglieder der Taliban, des IS und der Islamischen Bewegung Usbekistan aktiv.
Im Falle seiner Rückkehr in Städte außerhalb seiner Heimatprovinz, etwa nach Mazar-e Sharif, würde dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen oder er der Gefahr ausgesetzt sein, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Als leistungsfähiger junger, grundsätzlich gesunder Mann im erwerbsfähigen Alter ohne besonderen Schutzbedarf und mit Berufserfahrung in der Landwirtschaft und am Bau wäre er auch im Stande, für ein ausreichendes Auskommen im Sinne der Sicherung seiner Grundbedürfnisse zu sorgen. Er könnte seine Existenz zumindest mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern und eine einfache Unterkunft finden. Es ist dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, sich in Mazar-e Sharif anzusiedeln und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Von Österreich aus mit dem Flugzeug ist Mazar-e Sharif sicher über Kabul oder auch über Istanbul zu erreichen.
1.4. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer ist rechtswidrig nach Österreich eingereist und stellte am 06.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er hat - von seinem asylrechtlichen Status abgesehen - kein Aufenthaltsrecht in Österreich.
Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Deutschkenntnisse auf A2-Niveau. Er besucht derzeit die Abendschule, um den Pflichtschulabschluss nachzuholen. Er hat seit 2018 ehrenamtliche Tätigkeiten in der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX verrichtet, insbesondere bei Veranstaltungen Sessel aufzustellen, Tische abzuwaschen sowie im Gemeinschaftsgarten ein Beet zu pflegen. Er hat vor allem mit seiner Patin sozialen Kontakt, die ihn auch zu Kirchenveranstaltungen führt, sowie mit einigen wenigen anderen Kirchenmitgliedern. Aus der Schule hat er einige afghanische und arabische Bekannte. Er ist mit zumindest drei afghanischen Männern befreundet. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen und lebt von der Grundversorgung.
1.5. Zur hier relevanten Situation in Afghanistan:
1.5.1. Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Stand 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019):
Den zuletzt eingefügten Kurzinformationen vom 01.03.2019 und 26.03.2019 ist zu entnehmen, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor labil bleibt und sich insbesondere auch in Kabul-Stadt verschlechtert. Die meisten regierungsfeindlichen Angriffe fanden in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandarhar, Uruzgan und Herat statt. Zivile Opfer durch Kämpfe und Anschläge gab es auch in den Provinzen Kunar, Nangarhar, Kunduz und Kabul sowie entlang verschiedener Hauptstraßen in diesen Provinzen. Alle Provinzzentren sind jedoch unter Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung.
Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. 84.000 Personen nach Herat-Stadt und
94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).
Ergänzend wird zur Sicherheitslage im Kapitel 3 im Wesentlichen ausgeführt: Die Sicherheitslage in Afghanistan ist sehr instabil. Es ist mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Die afghanische Regierung bzw. deren Sicherheitskräfte behalten auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen. Die Aufständischen üben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren aus. Sie greifen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige an; es gibt Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS. Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt. Es haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden. Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen. Die Taliban kontrollieren zwischen 10% und 14 % der afghanischen Distrikte Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).
Zur Heimatprovinz des Beschwerdeführers wird im LIB ausgeführt (Abschnitt 3.29. Samangan): Samangan verlor im Jahr 2017 ihren Opium-freien Status (UNODC 11.2017). Anfang 2018 musste Abdulkarim Khaddam wegen eines regierungsinternen politischen Konflikts seinen Posten als Provinzgouverneur Samangans aufgeben (TG 18.2.2018; vgl. TC 1.1.2018, Reuters 20.2.2018). Im Rahmen einer Destabilisierung des Nordens, versuchen Aufständische in den letzten Jahren in mehreren Distrikten der Provinz ihre Aktivitäten auszuweiten - dazu zählen sowohl die Taliban als auch Mitglieder anderer Gruppierungen (Khaama Press 14.5.2017; vgl. Khaama Press 6.4.2017). Im September 2017 begann sich die Sicherheitslage in der Provinz zu verschlechtern; Grund dafür war die steigende Gewalt in den nördlichen Provinzen des Landes (Khaama Press 21.9.2017). Hauptursache für zivile Opfer waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von Bodenoffensiven und IEDs. In Samangan werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden der Provinz von Aufständischen zu befreien. In der Provinz sind Talibankämpfer sowie Mitglieder des IS und der Islamischen Bewegung Usbekistan (IBU) in einigen Distrikten aktiv (Khaama Press 21.9.2017). Der Distrikt Chardarah in Kunduz ist für die Taliban von Bedeutung, weil sie durch diesen u.a. Zugang zur Provinz Samangan haben; Quellen zufolge würde die Bekämpfung der Taliban in Kunduz somit u.a. auch Auswirkungen auf die Provinz Samangan haben (Xinhua 5.9.2017).
Zur als innerstaatliche Fluchtalternative herangezogenen Stadt Mazar-e Sharif in der Provinz Balkh führt das LIB aus (3.5. Balkh):
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen. Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017). Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018). Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017). Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).
Im Rechts- und Justizwesen (detailliert ausgeführt in Punkt Kapitel 4) gibt es zwar Gesetze, es gilt allerdings der Vorrang der Scharia (islamisches Recht) und daneben existieren lokale Gepflogenheiten. Das Justizwesen wird von Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquater Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert. Letzteres gilt auch für die Sicherheitskräfte (Kapitel 5 des LIB). Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2017 von Transparency International, belegt Afghanistan von 180 Ländern den 177. Platz (TI 21.2.2018). Einer Umfrage zufolge betrachten 83,7% der Afghanen die Korruption als ein Hauptproblem des Landes. Die Provinzen mit der höchsten Korruptionswahrnehmung sind Kabul mit 89,6%, Uruzgan mit 87,9%, Nangarhar mit 87,8% und Helmand mit 86,9% (Kapitel 7).
Es kommt auch zu bedeutenden Menschenrechtsverletzungen, obwohl die Menschenrechte eine klare rechtliche Grundlage haben. Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen (u. a. von Frauen wegen "moralischer Straftaten") und sexueller Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind Gewalt gegenüber Journalisten, Verleumdungsklagen, durchdringende Korruption und fehlende Verantwortlichkeit und Untersuchung bei Fällen von Gewalt gegen Frauen. Diskriminierung von Behinderten, ethnischen Minderheiten sowie aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung, besteht weiterhin mit geringem Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Die weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, sind ernsthafte Probleme. Missbrauchsfälle durch Beamte, einschließlich der Sicherheitskräfte, werden von der Regierung nicht konsequent bzw. wirksam verfolgt. Bewaffnete aufständische Gruppierungen greifen mitunter Zivilisten, Ausländer und Angestellte von medizinischen und nicht-staatlichen Organisationen an und begehen gezielte Tötungen regierungsnaher Personen. Regierungsfreundlichen Kräfte verursachen eine geringere - dennoch erhebliche - Zahl an zivilen Opfern (vgl. zur Menschenrechtslage Kapitel 10).
Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen sind gesetzlich verboten; trotzdem werden beide Praktiken weiterhin betrieben. Diese stellen in den meisten Provinzen ein Problem dar. Beobachtern zufolge werden Personen gelegentlich von Polizei und Staatsanwälten auf Basis von Handlungen, die nach afghanischem Recht nicht strafbar sind, ohne Anklage inhaftiert. Teilweise auch deshalb, weil das Justizsystem nicht in der Lage ist, in angemessener Zeit einen Strafprozess abzuwickeln. Die UNAMA berichtete von Verhaftungen wegen Verstößen gegen die Moral, Vertragsbruch, Familiendisputen und zum Zwecke des Erhalts von Geständnissen.
Gem. Kapitel 14 droht die Todesstrafe nicht nur bei Delikten wie Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Angriff gegen den Staat, Mord und Zündung von Sprengladungen, Entführungen bzw. Straßenraub mit tödlicher Folge, Gruppenvergewaltigung von Frauen usw., sondern auch unter dem Einfluss der Scharia bei anderen Delikten (z.B. Blasphemie, Apostasie, Ehebruch).
Kapitel 15 hält zur Religionsfreiheit in Afghanistan das Folgende fest:
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018). Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017). Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018). Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017). Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017). Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017). Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).
Zu Christentum und Konversionen zum Christentum wird unter Abschnitt
15.2. näher ausgeführt: Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5.2018). Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5.2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9.2016). Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5.2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018). Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).
Zur ethnischen Gruppe der Hazara wird unter Abschnitt 16.2. angeführt: Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016). Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban- Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017). So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016). Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018). Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).
Laut Kapitel 19 (Bewegungsfreiheit) garantiert das Gesetz interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Gesellschaftliche Sitten schränken die Bewegungsfreiheit von Frauen ohne männliche Begleitung ein. Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Dennoch gibt es Mittel und Wege, um Familienmitglieder ausfindig zu machen. Das Dorf, aus dem jemand stammt, ist der naheliegende Ort, um eine Suche zu starten. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (BFA/EASO 1.2018; vgl. EASO 2.2018).
Zur Versorgungslage wird in Kapitel 21 und 22 ausgeführt:
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vgl. WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).
Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit:
Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).
Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).
Projekte der afghanischen Regierung
Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u.a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u. a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vgl. GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).
Das "Citizens' Charter National Priority Program" z. B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistu