TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/4 W159 2155780-1

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Veröffentlicht am 04.06.2019
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Entscheidungsdatum

04.06.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W159 2155780-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.05.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm 34 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der "Sayed (Said, Seyyed, Saddat)" schiitischen moslemischen Glaubens und verheiratet, gelangte mit seiner Ehefrau und einem Sohn sowie einer Tochter (spätestens) am 08.09.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Am nächsten Tag erfolgte die Erstbefragung durch die XXXX . Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, er hätte den Iran verlassen, weil im Iran Afghanen schlecht behandelt werden würden.

In der Niederschrift am 10.10.2016 vor der belangten Behörde brachte der Beschwerdeführer diverse gerichtliche Bestätigungen aus Afghanistan und Kursbesuchsbestätigungen der XXXX (Deutsch Integrationskurs) in Vorlage. Er gab an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Seyyed an, sei schiitischen Glaubens und verheiratet. Er hätte eine Tochter und einen Sohn, die hier in Österreich im Familienverband leben würden.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass seine Eltern, als er drei Jahre alt gewesen sei, bei einem Autounfall verstorben seien. Er sei dann bei einem Onkel in XXXX aufgewachsen und mit diesen in den Iran geflüchtet. Ab den 16. Lebensjahr sei er auf sich alleine gestellt gewesen, denn der Onkel sei verstorben. Mit 22 Jahren hätte er geheiratet. Er hatte XXXX ohne Erlaubnis verlassen müssen, weil sie zum Begräbnis der Großmutter seiner Frau gefahren seien. Bei der Rückkehr seien sie aufgehalten worden und trotz wahrheitsgemäßer Erklärung hätte er keine Aufenthaltsberechtigung mehr erhalten. Man hätte ihm vorgeschlagen, er solle sechs Monate nach Syrien kämpfen gehen, um eine neue Aufenthaltsberechtigung zu erhalten. Er hätte auch nicht nach Afghanistan zurückgehen können, da er dort von seinem Ex-Schwager (Ehemann der Schwester der Ehefrau) bedroht worden wäre. Dieser hätte seine Frau oft und brutal geschlagen, sodass sie auch mehrmals im Krankenhaus gewesen sei. Da er Zeuge der Scheidung gewesen sei, hätte der Ex-Schwager dem Beschwerdeführer gedroht ihn zu töten. Das letzte Jahr hätte der Beschwerdeführer sich illegal im Iran aufgehalten. Seine Kinder hätten nicht mehr zur Schule gehen dürfen.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 29.03.2017, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 abgewiesen, und des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 zuerkannt. Es wurde eine befristete Aufenthalts-berechtigung erteilt.

Die belangte Behörde führte zu den Fluchtgründen aus, dass keine asylrelevante Verfolgung vorliegen würde. Die belangte Behörde ist jedoch davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer bei der Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 12 zur Konvention bestehen würde oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Der Beschwerdeführer bevollmächtigte am 25.04.2017 die XXXX zur rechtlichen Vertretung in Asylangelegenheiten. Am 28.04.2017 langte die fristgerechte erbrachte Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtwidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung, gegen Spruchpunkt I. ein. Das Fluchtvorbringen wurde neuerlich vorgebracht. Die getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig und teilweise unrichtig. Die belangte Behörde würde nur mangelhaft auf die Situation der Frauen sowie der Rückkehrerinnen aus dem Iran oder Europa und deren Wertehaltung eingehen. Zudem werde nicht auf Schutz vor Verfolgung durch Familienangehörige bzw. auf Blutrache in Afghanistan eingegangen.

Am 03.05.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, seine Ehefrau, sein Sohn und seine minderjährige Tochter, der Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete mit der Beschwerdevorlage vom 02.05.2017 auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung.

Der Beschwerdeführer (BF1) brachte folgende Dokumente zur Vorlage:

-

Lohn- und Gehaltsabrechnung der Firma xxx samt Arbeitsvertrag

-

Zertifikat über Arbeitstraining der XXXX samt AMS Bestätigung

-

Sprachkurs und Kompetenzcheck

-

Deutschzertifikat A1

-

Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs

Befragung des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer brachte vor er halte sein Vorbringen und die Beschwerde aufrecht. Er sei, sowie seine Eltern afghanischer Staatsbürger. Er sei in XXXX in Afghanistan geboren worden. Er sei ohne Eltern aufgewachsen, da sie bei einem Unfall verstorben seien, als er drei Jahre alt gewesen sei. Sein Bruder hätte ihm sein Geburtsdatum mitgeteilt. Er sei ein Angehöriger der Volksgruppe der Seyyed und schiitischer Moslem. Ab seinem elften Lebensjahr hätte er im Iran, in XXXX gelebt, weil sein Onkel hätte sich entschieden hätte, wegen seiner Probleme in den Iran zu gehen. Der Beschwerdeführer gab an, er hätte für XXXX eine Aufenthaltsberechtigung gehabt, die er jährlich verlängern lassen hätte müssen. Er sei grundsätzlich Analphabet, würde sich jedoch in Österreich bemühen lesen und schreiben zu lernen. Im Iran hätte er in einer Aluminiumfabrik gearbeitet und keine wirtschaftlichen Probleme gehabt. Seine Geschwister würden auch im Iran leben. Er sei mit seinem Leben vor dem Vorfall zufrieden gewesen. Er hätte zu niemanden in Afghanistan Kontakt, weil niemand mehr dort wohnen würde, den er kennen würde.

Der Richter befragte den Beschwerdeführer zu dem Vorfall und wann

dieser stattgefunden hätte. Der Beschwerdeführer erzählte: "Das

genaue Datum weiß ich nicht mehr. Ich möchte auch nicht irgendein

Datum sagen. Es war ca. ein Jahr vor meiner Ausreise. Die Großmutter

meiner Frau ist verstorben in XXXX . Die Eltern meiner Frau leben in

XXXX . Wir haben in Eile ohne Ansuchen eine "Reisebewilligung" das

Begräbnis in XXXX gesucht und gingen dorthin. Es wäre so gewesen,

dass wir beim Amt um die Ausreise aus der Stadt XXXX ansuchen

müssten, das machten wir nicht. ... Auf der Rückreise zu unserem

Haus haben uns Polizisten aufgehalten. Sie haben uns unsere

Dokumente weggenommen und sie fragten uns, warum wir ohne Erlaubnis

nach XXXX fuhren und die Stadt XXXX verlassen haben, wir erklärten

ihnen was passierte, aber sie haben uns die Dokumente nicht mehr

zurückgegeben." In der Folge hätte er sich mit seiner Familie

illegal im Iran aufgehalten. Der Richter hielt dem Beschwerdeführer

vor, dass seine Frau angegeben hätte, dass er aufgefordert worden

sei, nach Syrien zu gehen, um zu kämpfen und wieder Dokumente

bekommen hätten. Die Aussage der Ehefrau wurde von ihm bestätigt. Er

hätte keine Probleme mit afghanischen Behördenorganen oder

bewaffneten Gruppierungen wie den Taliban gehabt, denn er hätte

Afghanistan schon als Kind verlassen. Er hätte Probleme mit seinem

Schwager gehabt. Nachgefragt erzählter er: "Persönlich hatten wir

von Gesicht zu Gesicht keine Probleme, bis ich als Zeuge wegen der

Scheidung seiner Frau mich zur Verfügung stellte und auf die

afghanische Botschaft ging und dort eine Zeugenaussage gemacht habe,

weil ich gesehen habe, wie er seine Frau schlug, deshalb musste ich

eine Zeugenaussage machen. .... Nachdem ich die Zeugenaussage

getätigt hatte und der Anwalt diese dem Gericht in Afghanistan

vorgelegt hat, haben wir immer wieder Anrufe bekommen und wurden

bedroht. .... Mein Ex-Schwager konnte nicht mehr in den Iran

zurückkehren und die Eltern meiner Frau setzten die Scheidung meiner Schwägerin durch. Dann hat er behauptet, dass ich sein Leben ruiniert habe und wenn ich nach Afghanistan zurückkehre, werde ich sehen, was dann passiert."

Auf die Frage des Richters, warum er den Iran verlassen hätte, antwortete er, er hätte keinen anderen Ausweg gehabt, er hätte in Syrien kämpfen oder nach Afghanistan zurückkehren müssen. Beides hätte er nicht gekonnt. So sei er mit der Hilfe eines Schleppers 2015 ausgereist. Sein Fluchtweg hätte ihn und seine Familie aus dem Iran in die Türkei, dann nach Griechenland, weiter nach Mazedonien, Serbien und weiter nach Österreich geführt. Zurzeit würde er in Österreich Teilzeit in einer Leihfirma arbeiten. Er würde als Hilfskraft vier Stunden täglich in Großküchen arbeiten und das fertige Essen oder andere Lebensmittel verpacken. Er hätte die A1 Prüfung schon bestanden, A2 jedoch noch nicht. Er hätte ein Jahr lang in einem Altersheim mit der Unterstützung des AMS gearbeitet. Als er wieder zum AMS gegangen sei, um einen weiteren Deutschkurs zu besuchen, sei ihm mitgeteilt worden, dass seine Deutschkenntnisse schon ausreichen würden, um eine Arbeit anzunehmen, und er hätte bei der Leihfirma begonnen zu arbeiten.

Er habe österreichische Freunde und freue sich über die Veränderungen im Leben seiner Frau und seiner Tochter. Seine Tochter solle über ihr zukünftiges Leben entscheiden, ob sie Hausfrau oder berufstätig sein wolle. Er würde es bevorzugen, wenn seine Tochter weiter eine Schule besuche und eine Berufsausbildung mache. Seine Tochter solle sich auch ihren Partner aussuchen können. Wenn er nach Afghanistan zurückkehren müsse, hätte er dort Probleme mit dem Schwager und seine Tochter und seine Frau hätten keine Freiheiten mehr.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers (BF2) brachte zur Vorlage:

-

Deutschzertifikat A1 und B1

-

Bestätigung über Deutsch- und Alphabetisierungskurse

-

Kontrolltermin Bestätigung des AMS

-

Ersatzbestätigung des Bildungsministeriums

-

Teilnahmebestätigung am Kompetenzcheck berufliche Integration

-

Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs

Befragung der Ehefrau des Beschwerdeführers:

Die Ehefrau des Beschwerdeführers erschien mit einem locker gebundenen Kopftuch, nicht mit einem Hijab. Sie hielt ihr Vorbringen einschließlich der Beschwerde aufrecht. Sie sei afghanische Staatsangehörige, gehöre der Volksgruppe der Seyyed an und sei schiitische Moslemin. Nach Rückfrage bei ihrer Mutter wisse sie, dass sie in der Maidan Wardak geboren worden sei, wo sie drei Jahre lang gelebt habe. Sie sei mit ihren Eltern in den Iran ( XXXX ) übersiedelt und habe nach ihrer Hochzeit bis zu ihrer Ausreise in XXXX gelebt. Sie hätte insgesamt zehn Jahre die Schule besucht. Sie hätte am 23.03.2000 einen Mann geheiratet, welcher von ihren Eltern ausgesucht worden sei und habe zwei Kinder, welche heute bei der Verhandlung anwesend seien.

Nachgefragt gab die Ehefrau des Beschwerdeführers an, sie habe im Iran als afghanischen Frau nicht arbeiten dürfen, sie hätte keine Arbeitserlaubnis gehabt. Ihr Mann sei arbeiten gegangen. Sie hätte zu Hause Näh- und Stickereiarbeiten gemacht und Kosmetikerin gelernt, welches sie noch heute ausübe. Sie hätten im Iran keine wirtschaftlichen Probleme gehabt. Ihre Familie hätte auch keine Probleme mit den afghanischen Behördenorganen, bewaffneten Gruppierungen z.B. den Taliban oder Privatpersonen gehabt. Ihre Schwester sei von ihrem Ehemann (der Schwester) viel geschlagen worden. Die Familie hätte die Anwaltskosten übernommen, der Ehmann der Beschwerdeführerin sei als Zeuge bei Gericht gewesen und die Scheidung sei durchgesetzt worden. Die Zeugenaussage sei auf der afghanischen Botschaft gemacht worden. Dieser Ex-Schwager bedrohe nunmehr die Familie und hätte sie wissen lassen, dass sollten sie nach Afghanistan gehen, ihr Leben nicht in Sicherheit wäre, da sie sein Leben ruiniert hätten. Ihr Ehemann (der Beschwerdeführerin), ihre minderjährigen Kinder und die Beschwerdeführerin hätten eine Aufenthaltsgenehmigung nur für XXXX und die Stadt XXXX gehabt. Für das Begräbnis der Großmutter der Beschwerdeführerin seinen ihr Mann und sie zu ihren Eltern nach XXXX gefahren. Bei der Rückreise sei das Ehepaar aufgehalten worden, es sei ihrem Mann die Genehmigungskarte entzogen worden, mit der Begründung, dass sie ohne Erlaubnis nach XXXX gefahren seien. Ihnen sei mitgeteilt worden, dass sie wieder eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen würden, wenn ihr Mann (der Beschwerdeführer) für einige Zeit in Syrien kämpfen würde. Da sie dies ablehnten, seien sie ab diesen Zeitpunkt illegal im Iran aufhältig gewesen. Ihre Familie sei dann am 27.07.2015 ausgereist.

Auf die Frage des Richters, ob die die Ehefrau des Beschwerdeführers aktuelle gesundheitliche oder psychische Probleme habe, antwortete sie, sie hätte Herz- und Magenprobleme. Bei Durchsicht der mitgebrachten Befunde ist festzustellen, dass diese alle aus dem Jahre 2017 stammten. Die Ehefrau des Beschwerdeführers erklärte, es sollten die Befunde bis 2018 vorliegen, sie hätte einen Termin beim Arzt verpasst, weil sie einen Vorbereitungskurs für B1 besucht hätte.

Zurzeit würde sie aktiv über das AMS nach einer Arbeit suchen, zuhause die deutsche Sprache üben und für den Führerschein für PKW lernen. Sie hätte den Kompetenzcheck, Deutschkurse bis B1mit erfolgreicher Prüfung sowie den Werte- und Orientierungskurs absolviert. Sie habe nicht ehrenamtlich gearbeitet oder ein Praktikum bekommen. Auf die Frage des Richters, wie sich ihr Leben durch ihren Aufenthalt in Österreich geändert habe, antwortete sie:

"Mein Leben hat sich in dieser Zeit sehr viel verändert. Ich habe endlich die Freiheit und ich bin stolz eine Frau zu sein. Ich danke dem österreichischen Staat, dass er mir diese Freiheit ermöglich, die mir mein Heimatstaat weggenommen hat und, dass ich stolz sein

kann eine Frau zu sein. ... Sogar im Iran hat mich mein Mann nicht

begleitet, hier gehe ich immer alleine. Zum Arzt nehme ich auch keinen Dolmetscher mit, weil ich selber alles erledigen möchte." Die rechtliche Vertreterin ergänzte, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers durch ihre Schulausbildung bereits im Iran die finanziellen und administrativen Angelegenheiten der Familie besorgt habe, zumal der Beschwerdeführer keine Schule hätte besuchen können.

Die Familie hätte Kontakt zu ÖsterreicherInnen geknüpft. Ein befreundetes Ehepaar sei zurzeit in Italien, um die Hochzeit des Sohnes zu organisieren. Mit einen anderen Freund würden sie öfters Essen gehen. Anfangs sei die Verständigung sehr schwer gewesen, jetzt könnten sie schon ein Gespräch, wenn auch mit vielen Fehlern, führen.

Auf die Frage ob die Ehefrau des Beschwerdeführers irgendeinen Sport führen würde, antwortete sie, sie gehe in den Park spazieren. Mit der Frau des befreundeten österreichischen Ehepaares, würden sie in die Berge wandern gehen. Sie persönlich hätte Angst vorm Wasser, die Tochter gehe aber schwimmen. Radfahren könne sie nicht fahren. Auf die Frage des Richters, ob sie ihm auf Deutsch einen normalen Tagesablauf beschreiben könne erzählte die Ehefrau des Beschwerdeführers auf Deutsch: "Ich stehe jeden Tag um 6 Uhr auf. Ich wecke meine Kinder auf. Ich bereite das Frühstück vor. Nachdem meine Kinder in die Schule gehen, mache ich die Wohnung sauber und räume auf. Manchmal gehe ich auch in den Supermarkt einkaufen, manchmal treffe ich auch meine Freundin. Nachmittags gehe ich dann mit meinem Mann spazieren oder treffe auch Freunde. Manchmal gehen wir auch Eis essen. Am Abend koche ich dann für die Familie. Ich lese auch gerne Romane, manchmal auf Deutsch und manchmal auf Persisch. Ich sehe auch manchmal mit dem Laptop Filme auf Deutsch, da lerne ich auch besser Deutsch." Die Ehefrau des Beschwerdeführers führte angesprochen auf ihr Leben im Iran bzw. jetzt in Österreich aus, dass ihre persönliche Freiheit hier in Österreich sehr viel Wert sei. Im Iran sei ihr immer vorgehalten worden, sie seien Afghanen. Hier hätte sie ihre Freiheit. Sie hätte ihrer Tochter nicht vorgeschrieben ein Kopftuch zu tragen, sie habe es selbst entschieden, solange sie eines tragen wolle, solle sie es tun. Wenn sie keines tragen wolle, habe die Beschwerdeführerin auch kein Problem. Die Tochter würde auch am gemischter Turnunterricht mit Burschen und Mädchen teilnehmen. In ihrer Schule würde ein keinen Schwimmunterricht geben, sie gehe freiwillig privat schwimmen im Sommer, jedoch wegen des Wetters nicht im Winter. Sie würde einen normalen Badeanzug mit kurzen Beinen tragen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers hätte sich auch einen normalen Badeanzug gekauft, sie habe jedoch Angst vor Wasser. Sie wolle nicht, dass die Tochter so früh heirate, wie sie es getan hätte. Sie solle zuerst lernen und eine Ausbildung fertigmachen und "auf sicheren Beinen stehen", dann könne sie heiraten. Da die Ehefrau des Beschwerdeführers sich ihren Ehemann nicht selbst aussuchen habe können, sei es einer ihrer Träume, dass sich die Tochter den Partner selbst aussuchen könne. Sie hätte auch gewollt, dass eines ihrer Kinder Arzt werde, die Tochter habe sich aber für den Besuch einer HTL entschieden. Die Frage, ob sie sich selbst religiös sehe, verneint die Ehefrau des Beschwerdeführers, sie sei nicht der Meinung, dass die Sharia über allen staatlichen Gesetzen stehe. Sie sehe auch persönlich keinen Unterschied zwischen Mann und Frau, im Islam würde sie auch keinen Unterschied bemerken. Sie mache auch in der Erziehung zwischen ihrer Tochter und ihrem Sohn keinen Unterschied. Auf die Frage des Richters was ihr Mann, der Beschwerdeführer zu den Veränderungen in ihrem Leben seit dem Aufenthalt in Österreich halte, antwortet die Ehefrau des Beschwerdeführers, seine und ihre Meinung seien die gleiche. Der Richter erkundigte sich, welche Pläne die Ehefrau des Beschwerdeführers für ihre Zukunft habe. Sie antwortete: "Wenn ich hier die Aufenthaltsgenehmigung bekomme, bedanke ich mich beim österreichischen Staat. Ich will aus eigener Arbeit leben. Ich versuchte im Iran auch immer eigenes Geld mit der Hausarbeit zu verdienen. Ich möchte einer Arbeit nachgehen und mein eigenes Geld verdienen und nicht von meinem Mann finanziell abhängig sein. Ich habe zwei Richtung, die mich interessieren würden, ich würde gerne in einer Küche arbeiten, ich koche gerne oder mich mit der Kinderbetreuung beschäftigen, z.B. in einem Kindergarten oder in

einer Kinderkrippe. .... Wenn ich nach Afghanistan zurückkehren

würde, haben weder meine Tochter noch ich eine Zukunft. Wenn mein Mann mir erlauben würde, die Freiheiten, die ich hier genieße dort auch auszuleben, würde es die gesamte Bevölkerung besonders die Sippe es nicht erlauben. Es ist nicht so, dass es der Mann alleine entscheiden kann. In Afghanistan ist es so, wenn eine Ehefrau arbeiten gehen würde, dann würde der Ehemann viele Schikanen erleiden, dass er keinen Stolz hat, dass seien Frau arbeitet etc. Es kann sein, dass einige Männer in Afghanistan bereit sind, dass ihre Frauen arbeiten, aber durch die Unterdrückung der Umgebung und wegen den Erniedrigungen würden sie es dann letztlich auch nicht mehr zulassen."

In einer Stellungnahme zur Verfolgung westlich-orientierter Frauen in Afghanistan, eingelangt am 17.05.2019 beim Bundesverwaltungsgericht führte der Rechtsvertreter aus, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers und seine Tochter in Österreich einen westlichen Lebensstil angenommen hätten und sie deswegen bei einer Rückkehr nach Afghanistan asylrelevant verfolgt werden würden. Bei der Prüfung der Asylrelevanz eines westlich orientierten Lebensstils käme es darauf an, dass der angenommene Lebensstil mit den herrschenden politischen und/oder religiösen Normen im Herkunftsstaat bzw. in der Herkunftsregion im Widerspruch steht und entsprechend gravierende, die Schwere von Verfolgung erreichende, Reaktion auslöse. Deswegen würde es einer Prüfung bedürfen, ob die Lebensweise der asylsuchenden Person die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung der Grundrechte zum Ausdruck komme. (VwGH 22.03.2017, Ra 2016/18/0388, Rz 8). Der Rechtsvertreter verwies hier auf den Antrieb, mit welchen die Ehefrau des Beschwerdeführers ihre Ziele verfolge, die ausgezeichneten Deutschkenntnisse (B1) und die ernsthaften Bemühungen eine Anstellung zu finden. Sie habe glaubhaft vorgebracht, dass sie ihrer Tochter alle Möglichkeiten gäbe, sich persönlich zu entfalten. Die Tochter des Beschwerdeführers nütze ihre Freiheiten um sich zu einer jungen emanzipierten Frau zu entwickeln und zeige dies u.a. durch ihre Schulwahl. Sie werde voraussichtlich im nächsten Schuljahr die XXXX besuchen und dort mehrheitlich mit jungen Männern die Schulbank drücken sowie einen männlichen Beruf - Informatik - erlernen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, der Volksgruppe der Seyyed zugehörig und schiitischen Glaubens. Er ist am 08.09.2015 in das Bundesgebiet eingereist und hat gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im Bundesgebiet hält er sich mit seiner Ehefrau und seinem Sohn und seiner Tochter auf. Diese sind ebenso Staatsbürger von Afghanistan.

Glaubhaft ist, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers eine westlich orientiere Frau ist, die sich seit ihrer Ankunft ein freies und selbstbestimmtes Leben lebt. Sie und der Beschwerdeführer haben sich in Österreich integriert.

Der Ehefrau des Beschwerdeführers wurde mit einem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag der Status von Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Beweis wurde erhoben durch Einvernahmen des Beschwerdeführers

-

durch Beamte der XXXX am 09.09.2015 sowie

-

durch das BFA, Regionaldirektion Wien am 10.10.2016,

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durch Befragung des Beschwerdeführers, sowie der Ehefrau, der Tochter und des Sohnes des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.05.2019 sowie durch Vorhalt der oben näher bezeichneten länderkundlichen Dokumente durch das Bundesverwaltungsgericht.

2. Beweiswürdigung:

Obige Feststellungen ergeben sich aus den glaubwürdigen Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau sowie dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idF BGBl. I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 Nr. L 304/12 [Statusrichtlinie] verweist). Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.03.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10)

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011; 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771; 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Im Fall des Beschwerdeführers liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl im Familienverfahren vor, weil seine Ehefrau asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft dargelegt hat, weil es sich bei dieser um eine Angehörige der besonders vulnerablen Gruppe der Frauen mit "westlichen Gesinnung" handelt.

Der Beschwerdeführer selbst hat keine Verfolgung in Afghanistan aus einem in der GFK genannten Grund glaubhaft machen können.

§ 34 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes."

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).

Nach dem oben zitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jene zu den Kindern durch Art. 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtsprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

Die Unmöglichkeit der Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat wird in der Regel dann gegeben sein, wenn kein anderer Staat ersichtlich ist, der dem Asylberechtigten und seinem Angehörigen Asyl oder eine dem Asylrecht entsprechende dauernde Aufenthaltsberechtigung gewährt.

Ehegatten führen ebenso wie Kinder mit ihren Eltern ipso iure ein Familienleben.

Mit seiner Ehefrau führt der Beschwerdeführer ein Familienleben. Er und seine Ehefrau sind Familienangehörige gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005.

Seiner Ehefrau wurde der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, wonach dem Beschwerdeführer ein Familienleben getrennt von seiner Ehefrau in einem anderen Staat zumutbar ist oder möglich wäre, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl im Zuge eines Familienverfahrens gegeben sind.

Dem Beschwerdeführer war daher Asyl zu gewähren.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 08.09.2015 - und somit vor dem 15.11.2015 - gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wie unzweifelhaft der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf den gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.

Vielmehr wurden die in dem vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen auf Basis der bisherigen Judikatur der Höchstgerichte entschieden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W159.2155780.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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