Entscheidungsdatum
04.06.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W261 2174636-1/25E
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 04.08.2015 als Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling in die Republik Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung am 04.08.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi an, dass er Afghanistan verlassen habe, weil die Sicherheitslage schlecht gewesen sei, außerdem sei seine finanzielle Lage auch schlecht gewesen. Durch die Arbeit hätte er 200 Rupien täglich verdient, das sei zu wenig gewesen, um die Familie zu ernähren. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat würde er nichts befürchten.
Aufgrund von Zweifeln an seinem Alter veranlasste das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge belangte Behörde) eine medizinische Altersfeststellung. Aus dem Ergebnis des Handwurzelröntgens ist ersichtlich, dass der BF zum Zeitpunkt seiner Einreise minderjährig war.
Mit Eingabe vom 27.09.2016 stellte der BF, vertreten durch seine bevollmächtigte Vertreterin vom Verein menschen.leben einen Antrag auf Richtigstellung des Geburtsdatums auf 24.10.2000, da dies aus seiner Tazkira entsprechend hervorgehe. Der BF legte dazu auch mit Schriftsatz vom 17.10.2016 eine Kopie seiner Tazkira vor.
Mit Schreiben vom 29.05.2017 forderte die belangte Behörde den BF, zu seinem Asylantrag entsprechende Beweismittel vorzulegen. Der BF legte dazu eine Reihe von Integrationsunterlagen vor
Am 22.08.2017 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor der belangten Behörde im Beisein einer Vertrauensperson sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Er gab an, er sei in der Provinz Baghlan geboren, sein Vater sei vor ca. drei Jahren eines natürlichen Todes gestorben, seine Mutter lebe bei seinem Schwager, dem Mann seiner Schwester. Eine weitere Schwester des BF sei vor ca. drei Monaten umgebracht worden. Die Familie des BF lebe jetzt im Iran. Er habe ca. sechs bis sieben Monate als Gemüseverkäufer gearbeitet. Er habe Afghanistan wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen. Er sei nach dem Tod des Vaters als einziger Sohn von den Nachbarn beleidigt und bedroht worden. Sie hätten ihm Schläge angedroht, sofern er sich in der Umgebung sehen lasse. Er habe nur seine Mutter und seine Schwester gehabt, die Polizei hätte ihm auch nicht helfen können. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor dem Kommandanten, der auch seine Schwester umgebracht habe.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der BF in seinem Herkunftsstaat einer staatlichen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Die vom BF vorgebrachten Fluchtgründe hätten keine Asylrelevanz. Der BF könne zwar nicht in seine relativ volatile Herkunftsprovinz Baghlan zurückkehren, jedoch stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul oder Mazar-e Sharif zur Verfügung. Die innerstaatliche Fluchtalternative sei dem BF subjektiv zumutbar. Er liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine aussichtlose Lage zu geraten. Daher würden die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nicht vorliegen. Er habe in Österreich kein schützenswertes Privat- und Familienleben, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu treffen gewesen sei.
Der BF erhob mit Eingabe vom 17.10.2017, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass er in Afghanistan ständig Jeans getragen habe, weswegen er aufgrund seines westlichen Lebensstils in Afghanistan Probleme gehabt habe. Die belangte Behörde habe in der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt, dass der BF seine Angaben seinem Alter entsprechend gemacht habe, weswegen er unvollständige Angaben zu seiner Flucht gemacht habe. Bei seiner Erstbefragung, als tausende Asylwerber nach Österreich gekommen seien, sei nicht ausreichend Zeit gewesen, im Detail das Vorbringen des BF aufzunehmen. Im Falle einer Rückkehr sei der BF nun im wehrfähigen Alter und habe eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu befürchten, wie dies auch aus der UNCHR Richtlinie zu ersehen sei, die ein eigenes Risikoprofil für diese Asylsuchenden definiert habe. Es werde zudem moniert, dass die belangte Behörde nicht ausreichend geprüft habe, ob der Beschwerdeführer eine westliche Gesinnung pflege und sich am westlichen Lebensstil orientiere. Der Bescheid leide daher an einem schweren Verfahrensmangel. Falls seinem Vorbringen keine Asylrelevanz zugebilligt werde, so würden beim BF jedenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen. Es drohe ihm eine reale Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK, die für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringe. Im Falle einer Rückkehr würde der BF im Klima ständiger Bedrohung struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Der BF habe in Afghanistan keine Familienangehörigen, auch keine Freunde, die ihn unterstützen könnten. Der BF bemühe sich in Österreich um Integration, weswegen zumindest die im Spruchpunkt III. erlassene Rückkehrentscheidung aufzuheben sei. Der BF beantragte, seiner Beschwerde stattzugeben.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 25.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.
Das BVwG führte am 22.03.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters vom MigrantInnenverein St. Marx und eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen. Dabei gab der BF an, dass bewaffnete Männer gewollt hätten, dass er als Tanzjunge mit ihnen zu einer Hochzeit komme, was der BF erfolgreich abgewehrt habe. Er habe Afghanistan verlassen, weil ein Kommandant seine Schwester habe heiraten wollen, womit der BF nicht einverstanden gewesen sei. Daher habe der Kommandant seine Schwester getötet, und er würde nun den BF mit dem Tod bedrohen. Er könne auch aus dem Grund nicht nach Afghanistan zurück, weil er sich westlich kleiden wolle, und dies in Afghanistan nicht geduldet werde.
Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 30.01.2018, und einen Auszug aus UNHCR Richtlinie vom 16.04.2016 vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Mit Eingabe vom 23.03.2018 informierte der Verein Menschenrechte Österreich das BVwG über die Niederlegung der Vollmacht.
Der BF, bevollmächtigt vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx führte in seiner Stellungnahme vom 12.04.2018 im Wesentlichen aus, dass beim Vorbringen des BF in mehrfacher Hinsicht Asylrelevanz vorliegen würde. Einerseits in der Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. aus politischen Gründen aufgrund der Verfolgung durch den Milizkommandanten und die Blutfehde, in die der BF verwickelt gewesen sei, von der zu beschützen ihn die afghanischen Behörden nicht in der Lage seien. Zudem bestehe eine Verfolgung des BF aus religiösen Gründen aufgrund seiner westlichen Lebensausrichtung, die der konservativ- afghanischen Gesellschaftsordnung in Afghanistan widerspreche. Der BF zitierte die in der UNHCR Richtlinie genannten potentiellen Risikoprofile afghanischer Asylsuchender. Dadurch werde bestätigt, dass die Erklärungen des BF zu seinem Fluchtvorbringen glaubwürdig seien. Der BF sei einer konkreten Verfolgung ausgesetzt, und der afghanische Staat sei nicht in der Lage, ihn davor zu schützen. Zudem verfüge der BF über keinerlei soziales Netzwerk in Afghanistan und die prekäre Sicherheitslage, die sich im Laufe des letzten Jahres nach namentlich zitierten Länderinformationen noch verschlechtert habe, würde eine Rückkehr nicht möglich machen. Es seien zahlreiche Binnenflüchtlinge zu versorgen, was ebenfalls zu einer Verschlechterung der allgemeinen Situation in Afghanistan beigetragen habe. Im Falle einer Rückkehr würde der BF in eine ausweglose Situation geraten. Der französische Asylgerichtshof habe erst jüngst erkannt, dass es selbst für junge, männliche afghanische Asylwerber nicht zumutbar sei, nach Kabul zurückzukehren. Es in diesem Zusammenhang auf darauf hinzuweisen, dass der BF in der Zeit, in der er in Österreich lebte, große Anstrengungen unternommen habe, sich zu integrieren. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
Mit Schreiben vom 12.09.2018 teilte die belangte Behörde dem BVwG mit, dass der BF mit 31.08.2018 aus der Grundversorgung entlassen worden sei, weil er eine Beschäftigungsbewilligung erhalten habe und seit 16.07.2018 eine Lehre absolviere.
Mit Eingabe vom 16.11.2018 übermittelte der BF durch seinen bevollmächtigten Vertreter seine Lehrverträge, wonach er eine Lehre als Koch beginne. Mit Schreiben vom 25.02.2019 übermittelte der BF eine Bestätigung über ein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis.
Das BVwG übermittelte mit Schreiben vom 17.04.2019 ergänzend das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 26.03.2019, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018 und Auszüge aus den aktuellen EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 und räumte den Parteien die Möglichkeit ein hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Die belangte Behörde führte in ihrer Stellungnahme vom 25.04.2019 im nach einer ausführlichen Gegenüberstellung der Ausführungen in der UNHCR Richtlinie und den EASO Leitlinien Wesentlichen aus, dass nach deren Ansicht eine innerstaatliche Fluchtlaternative in Kabul nach wie vor möglich sei, zumal es im gegenständlichen Fall ausreichend Anknüpfungspunkte zu der Stadt gebe, da der BF einige Jahre dort gelebt habe.
Der BF führte durch seine bevollmächtige Vertretung in seiner Stellungnahme vom 07.05.2019 im Wesentlichen neuerlich aus, dass die aktuelle UNCHR Richtlinie Risikoprofile für Asylsuchende aus Afghanistan definiere und listete diese neuerlich auf. Die UNHCR Richtlinie und EASO würden im Zusammenhang mit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auf einer strengen Einzelfallprüfung nach den dort näher definierten Kritierien bestehen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul stehe laut UNHCR nicht zur Verfügung. Auch in Herat und in Mazar-e Sharif sei es aktuell wegen der Dürre und der dort herrschenden Lebensmittelknappheit nicht zumutbar, sich dort neu anzusiedeln. Die Arbeitsmarktlage sei schlecht, es sei auch schwer, eine geeignete Untrerkunft zu finden. Insgesamt sei feststzustellen, dass ein wirtschaftliches Überleben in diesen Städten derzeit nicht möglich sei. Für den BF bestehe im Falle einer Rückkher daher intensiv und realistisch die Gefahr, dass er in eine asuweglose Lage geraten und damit eine vereltzung der durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte vorliegen würde. Zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung werde neuerlich auf die Integrationsbestrebungen des BF verwiesen.
Das BVwG übermittelte beiden Parteien jeweils die Stellungnahmen zur Information. Die belangte Behörde gab am 10.05.2019 neuerlich eine Stellungnahme ab, dass die maßgeblichen Fragen der Zumutbarkeit entgegen den Ausführungen des BF, nicht die Lage in den Städten sei, sondern die persönlichen Faktoren des BF, wie Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, etc. Ein bloßes Absinken des Lebensstandards bei Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative sei nach der zitierten Judikatur des VwGH bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen. Der BF habe seine behauptete Bedrohung glaubhaft zu machen, die bloße Möglichkeit einer Bedrohung, wie sie der BF durch die Zitierung der Risikoprofile der UNHCR Richtlinie anführe, reiche dazu nicht aus. Hinsichtlich des vom BF gepflogenen westlichen Lebensstils sei es lediglich bei Beleidigungen geblieben, die der BF in Kauf zu nehmen habe. Der BF sei arbeitsfähig und arbeitswillig, daher habe er aus Sicht der belangten Behörde keinen Nachteil im Vergleich zur übrigen dort lebenden Bevölkerung im Falle einer Rückkehr zu befürchten. Er könne im Falle einer freiwilligen Rückkehr mit einer Rückkehr- und Starthilfe rechnen. Das BVwG übermittelte diese Stellungnahme dem BF mit Schreiben vom 13.05.2019 zur Kenntnis.
Das BVwG führte am 29.05.2019 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF vom 06.08.2015 bis 31.08.2018 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezog. Eine Einsicht im AJ-Web Auskunftsverfahren am 29.05.2019 ergab, dass der BF in der Zeit vom 16.07.2018 bis 17.04.2019 als Arbeiterlehrling beschäftigt war und seit 18.04.2019 Arbeitslosengeld bezieht. Aus dem vom BvWG am 03.06.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , im Dorf XXXX , im Distrikt Polekhomry, in der Provinz Bgahlan, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, ist sunnitischer Moslem, gesund und ledig. Die Muttersprache des BF ist Dari. Der BF wuchs in seinem Heimatdorf auf.
Der Vater des BF hieß XXXX , er verstarb im Jahr 2014 noch vor der Ausreise des BF aus Afghanistan eines natürlichen Todes. Seine Mutter heißt XXXX . Der BF hatte zwei Schwestern. Eine Schwester, XXXX , verstarb im Jahr 2017, die zweite Schwester, XXXX ist verheiratet. Die Familie des BF lebt jetzt im Iran.
Die Familie des BF war Eigentümerin eines Hauses im Heimatdorf des BF.
Der BF besuchte acht Jahre lang die Schule. Der BF war in Afghanistan als Gemüseverkäufer und Schweißer Lehrling beruflich tätig und kam nach dem Tod des Vaters für den Familienunterhalt auf. Der BF ist Zivilist. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF reiste im Jahr 2014 als Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling aus Afghanistan aus und gelangte über den Pakistan, den Iran, die Türkei über Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er am 04.08.2015 illegal einreiste und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die Gefahr, von einem Kommandanten, der seine Schwester gegen den Willen des BF heiraten habe wollen, getötet zu werden, ist nicht glaubhaft.
Der BF war in seinem Heimatland Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.
Der BF wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.
Es ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass konkret der BF auf Grund der Tatsache, dass er sich seit ca. vier Jahren in Europa aufhält bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre. Ebenso wenig kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner "westlichen Wertehaltung" psychische und/oder physische Gewalt drohen würde.
Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.
1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im August 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezog seit seiner Einreise bis 31.08.2018 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung. Er war in der Zeit vom 16.07.2018 bis 17.04.2019 als Arbeiterlehrling beschäftigt. Der BF bezieht seit 18.04.2019 Arbeitslosengeld.
Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A1, und verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache. In seiner Freizeit geht der BF laufen und schwimmen. Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Baghlan aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Dem BF steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF droht bei seiner Rückkehr in diese Stadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.
Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat eine achtjährige Schulausbildung, weiters hat er bereits Berufserfahrung als Gemüsehändler und Schweißer Lehrling und in Österreich in der Gastronomie gesammelt, die er auch in Mazar-e Sharif wird nutzen können.
Der BF ist gesund. Der BF läuft im Falle der Rückkehr in eine nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 26.03.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:
1.5.1 Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.
1.5.1.1 Herkunftsprovinz Baghlan
Baghlan, die Herkunftsprovinz des BF, liegt in Nordostafghanistan und gilt als eine der industriellen Provinzen Afghanistans. Sie befindet sich auf der Route der Autobahn Kabul-Nord, welche neun Provinzen miteinander verbindet. Ihre Hauptstadt heißt Pul-i-Khumri und ist als Wirtschaftszentrum bekannt. Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Andarab, Baghlan-e-Jadid/Baghlan-e Markazi, Burka, Dahana-e-Ghori, Dehsalah/Banu, Doshi, Fereng Wa Gharu, Guzargah-e-Nur, Khenjan, Khost Wa Fereng, Nahrin, Pul-e-Hasar, Pul-e-Khumri, Tala Wa Barfak/Barfak, Jalga/Khwajahejran. Im Nordosten grenzt Baghlan an die Provinzen Panjsher, Takhar und Kunduz, im Westen an Samangan und Bamyan, im Süden grenzt sie an die Provinz Parwan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 943.394 geschätzt.
Im Februar 2017 galt Baghlan als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes. Die Sicherheitslage hatte sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban anfingen, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen. Dies führte zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften. Quellen zufolge versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen ihre Aktivitäten in einigen Schlüsselprovinzen des Nordens und Nordostens zu verstärken. Nichtsdestotrotz gehen die afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte mit Anti-Terrorismus-Operationen gegen diesen Gruppierungen vor. Als einer der Gründe für die sich verschlechternde Sicherheitslage wird vom Gouverneur der Provinz die Korruption angegeben, die er gleichzeitig zu bekämpfen versprach. Baghlan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam. Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 102 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden von UNAMA 222 zivile Opfer (66 getötete Zivilisten und 156 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von Blindgängern/Landminen und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 38% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.
In Baghlan werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden der Provinz von Aufständischen zu befreien. Bei diesen Militäroperationen werden Aufständische und in manchen Fällen auch ihre Anführer getötet. Berichten zufolge waren im August 2017 die Taliban im Nordwesten der Provinz aktiv.
Bei der Provinz Baghlan handelt es laut den EASO Richtlinien vom Juni 2018 um einen Landesteil Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.
1.5.1.2 Provinz Balkh
Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.
1.5.2 Sichere Einreise
Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.
1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.
1.5.3.1 Wirtschafts- und Versorgungslage der Provinz Baghlan
In Baghlan stellen Kohlenbergwerke, nach der Drogenproduktion, eine der Haupteinnahmequellen der Taliban dar, nachdem im Jahr 2017 einige Bergwerke der Provinz unter Kontrolle aufständischer Gruppierungen gekommen war. Berichtet wurde von Vorfällen, in denen die Gruppierung Check-Points errichtete, um Geld von Kohle-transportierenden Fahrzeugen.
1.5.3.2 Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif
Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar-e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar-e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.
1.5.4 Medizinische Versorgung
Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.
1.5.5 Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.
Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte; und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten:
In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.
1.5.6 Religion
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der BF ist.
1.5.7 Rückkehrer
In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.
Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.
Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (in der Folge: AsylG 2005) liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd § 274 ZPO zu verstehen. Ausgehend von § 274 Abs. 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (VwGH 27.05.2014, 2014/16/0003 mwN), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung abweicht.
Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist, oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des BF betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr als nicht ausreichend, um Verfolgungshandlungen in einer solchen Intensität glaubhaft zu machen, dass dem BF die Ausreise aus seinem Herkunftsstaat als einzig probates Mittel übriggeblieben ist. In Gesamtschau ergab sich bereits für die belangte Behörde das Bild, dass der BF Afghanistan einzig und allein aus dem Grund verlassen hat, um sich in Österreich ein besseres Leben aufzubauen. Dieser Gesamtschau schließt sich auch das BVwG nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens und einer neuerlichen Einvernahme des BF bei einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aus folgenden Gründen an:
Bereits bei der Erstbefragung gab der damals noch minderjährige BF, was er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hat an: "Ich befürchte nichts" (vgl. AS 11). Diese Aussage des BF ist glaubhaft. Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen. Es wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des BF nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog, und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden, und dass der BF zum Zeitpunkt seiner Befragung noch minderjährig war. Jedoch gibt er auch befragt zu seinen Fluchtgründen im Zuge der Erstbefragung glaubhaft an, dass die Sicherheitslage in Afghanistan schlecht ist, was sich auch mit den zitierten Länderinformationen deckt. Weiters führt er aus, dass auch seine finanzielle Lage schlecht war, dass er durch seine tägliche Arbeit zu wenig Geld verdiente, um seine Familie zu ernähren (vgl. AS 11). Im Lichte des Umstandes, dass der BF der älteste Sohn seiner Kernfamilie ist, und der Vater einige Monate vor seiner Ausreise eines natürlichen Todes verstarb (vgl. AS 242, 243 und 246), und der BF damit für den Familienunterhalt für sich, seine Mutter und seine Schwester aufkommen musste, was ihm nicht gelang, ist es durchaus nachvollziehbar, dass er Afghanistan im Zuge der großen Flüchtlingsbewegung verließ, um im Westen Geld für seine Familie zu verdienen.
Erstmals führt der BF dann bei seiner Ersteinvernahme aus, dass er von Nachbarn bedroht, geschlagen und beleidigt worden sei, weswegen er Angst gehabt und auch die Schule nicht mehr besucht habe. Die Behörden hätten ihm nicht helfen können (vgl. AS 246). Selbst wenn diese Vorfälle tatsächlich stattgefunden haben, so handelt es sich dabei um keine Verfolgungshandlungen, die es rechtfertigen würden, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, und sich unter den Schutz eines anderen Staates zu stellen.
Schließlich gibt der BF bei seiner Ersteinvernahme am 22.08.2017 an, dass er im Falle einer Rückkehr Angst vor einem Kommandanten habe, der seine Schwester getötet habe (vgl. AS 247). Es handelt sich dabei um seine Schwester XXXX , welche ca. im Mai 2017 getötet worden sein soll (vgl. AS 242, " XXXX wurde vor ca. 3 Monaten umgebracht..."). Näheres dazu gab der BF bei seiner Ersteinvernahme nicht an, insbesondere legte er in keiner Weise dar, wie diese Bedrohungshandlungen ausgesehen hätten. Er führte jedoch über Befragen durch die belangte Behörde aus, dass er persönlich nie in Afghanistan bedroht wurde (vgl. AS 245), was dafürspricht, dass es keine Bedrohung durch den Kommandanten gab.
Bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG übersteigerte der BF dieses Fluchtvorbringen neuerlich, indem er zu seinen Fluchtgründen befragt angab: "Der Kommandant, der meine Schwester tötete, hat meiner Mutter gesagt, dass egal, wo in Afghanistan, wenn er ihren Sohn erwische, werde ich ihn töten" (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Dies sei deshalb der Fall gewesen, weil der BF nicht erlaubt habe, dass seine Schwester diesen Kommandanten heirate (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Erstmals führt er auch aus, dass der Kommandant ihn massiv bedroht habe (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Allein diese Aussage steht im Widerspruch zu seinen oben bereits genannten Ausführungen vor der belangten Behörde bei seiner Ersteinvernahme, wo der BF befragt dazu, ob er in Afghanistan jemals konkret bedroht wurde, mit "Nein", antwortete (vgl. AS 245). Hinzu kommt, dass die Schwester des BF ca. zweieinhalb bis drei Jahre nach der Ausreise des BF ca. im Mai 2017 getötet worden sein soll, wie der BF bei seiner Ersteinvernahme selbst angab (vgl. AS 242). So gesehen ist es auch nicht glaubhaft, dass der BF noch während seiner Zeit in Afghanistan von dem Kommandanten bedroht worden sein will, und die Schwester dann so viel später getötet worden sein soll. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei diesem Vorbringen um ein Konstrukt handelt, um eine Bedrohung des BF zu konstruieren. Daran vermögen auch seine Versuche zu erläutern, weswegen der Kommandant nun nach ihm suche, nichts zu ändern (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung), insbesondere vermochte der BF nicht darzulegen, weswegen die Schwester des BF getötet worden sein soll, zumal es in Afghanistan unüblich ist, dass in diesen Fällen Frauen getötet werden. Hinweise darauf, dass der BF aus diesem Grund in eine Blutfehde verwickelt sei, wie dies der BF in seiner Stellungnahme vom 12.04.2018 ausführte, sind im gesamten Asylverfahren nicht hervorgekommen, bzw. hat nicht einmal der BF selbst dazu eine Aussage getroffen, weswegen auf diesen Fluchtgrund auch nicht näher einzugehen war.
Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist daher nicht davon auszugehen, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe durch diesen Kommandanten drohen würden.
Als weiteren Grund für seine Flucht führte der BF bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung aus, dass er in Afghanistan Jeans getragen und sich stylisch gekleidet habe. Er sei auch aus diesem Grund Ziel von Anfeindungen gewesen (vgl. S 7 und 13 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Auf Grundlage dieses Vorbringens führt der BF ins einen Stellungnahmen vom 12.04.2018 und vom 07.05.2019 aus, dass dem BF als "verwestlicht" wahrgenommene Person anzusehen sei, welche nach den UNHCR-Richtlinien ein sogenanntes potentielles Risikoprofil haben würden, und er deshalb von regierungsfeindlichen Kräften angegriffen werden würde. Dazu ist festzuhalten, dass sich der BF erst seit ca. vier Jahren in Österreich aufhält und aufgrund der Kürze dieses Aufenthalts in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nicht davon ausgegangen wird, dass der BF eine "westliche Lebenseinstellung" in einer solchen Weise übernommen hätte, dass er alleine deshalb bei einer Rückkehr einer Verfolgungsgefährdung ausgesetzt wäre. Aus den Länderberichten zu Afghanistan lässt sich nicht entnehmen, dass per se jeder Rückkehrer aus Europa, aus diesem Grund einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Der BF selbst brachte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG auch nichts Diesbezügliches vor, und ist es auch seiner Rechtsvertretung weder in der Beschwerde noch in deren Stellungnahmen gelungen, eine derartige Verfolgung im Einzelfall glaubhaft zu machen, weswegen die entsprechende Feststellung zu treffen war.
Erstmals in seiner Beschwerde führte der BF, trotz Kenntnis des Neuerungsverbotes, aus, dass er auch von Zwangsrekrutierung bedroht sei, dies obwohl er dazu weder bei seiner Erstbefragung, noch bei seiner Ersteinvernahme oder bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung selbst äußerte. Demgemäß wird dieses Vorbringen als reine Schutzbehauptung gewertet, um eine asylrelevante Verfolgung zu konstruieren. Hinweise darauf, dass der BF einer derartigen Bedrohung tatsächlich ausgesetzt sein könnte, sind im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bereits richtig anführte, gibt es beim BF abseits dieser oben genannten Fluchtgründe keine besonderen Vulnerabilitäten des BF, die eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan wahrscheinlich erscheinen lassen.
2.3 Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des BF in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt. Die Feststellung zur Dauer seiner Berufstätigkeit als Arbeiterlehrling in Österreich und hinsichtlich des aktuellen Bezuges von Arbeitslosengeld beruht auf eine Einsicht in das AJ- WEB am 29.05.2019.
Die Feststellung der Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
2.4 Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Rückkehr des BF nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom BF in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom BF glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.
Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt die erkennende Richterin unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, wonach die Provinz Baghlan zu den relativ instabilen Provinzen im Nordosten Afghanistans zählt, die in den letzten Jahren eine Zunahme der durch Taliban verursachten Gewalt erlebt hat, zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr in diese Provinz allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist.
Entgegen den Ausführungen des BF in seinen Stellungnahmen ist es ihm hingegen möglich, in die Stadt Mazar-e Sharif als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative zurückzukehren. Mazar-e Sharif ist, wie aus den zitierten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, für Zivilisten, wie es der BF ist, weitgehen sicher, sodass der BF bei einer Rückkehr in diese Stadt mit keinen Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit zu rechnen hat. Sein Fluchtvorbringen wird, wie schon oben ausgeführt, als nicht glaubhaft erachtet, woraus sich ergibt, dass der BF im Falle einer Rückkehr nicht Gefahr laufen wird, aus einer individuellen Bedrohung ernsthaft Schaden zu nehmen. Eine Reise nach Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher und legal möglich, die Kosten für die Anreise werden ihm im Rahmen der Rückkehrhilfe grundsätzlich ersetzt.
Die Feststellungen, dass der BF in der Lage sein wird, in Mazar-e Sharif für seine grundlegendsten Bedürfnisse selbst aufzukommen, obwohl er keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in dieser Stadt hat, ergeben sich aus seinen eigenen Angaben im gegenständlichen Asylverfahren unter Berücksichtigung der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen. Laut den zitierten EASO Leitlinien vom Juni 2018 ist in der Stadt Mazar-e Sharif die Lebensmittelsicherheit gewährleistet und die unter Punkt
1.5.3.2 genannte Basisinfrastruktur steht dem BF zur Verfügung. Derzeit liegen nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Mazar-e Sharif keine exzeptionellen Umstände vor, die annehmen lassen würden, dass der BF dort keine Lebensgrundlage vorfindet, und von ihm die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.
Aufgrund seiner schulischen und beruflichen Kenntnisse sind die Lebensgrundlage und die Existenz des BF im Falle seiner Rückkehr bei Inanspruchnahme der angebotenen Rückkehrhilfe auch ohne soziales Netz und finanzielle Unterstützung durch seine Familie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausreichend gesichert. Die diesbezüglichen Feststellungen decken sich auch mit den diesem Verfahren zugrundliegenden UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, wonach UNHCR der Auffassung ist, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist zwar der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich