Entscheidungsdatum
05.06.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W126 2155077-1/27E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sabine FILZWIESER-HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2017, Zl. 1032662605-140050283, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 08.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, afghanischer Staatsangehöriger zu sein und von 1997 bis 2013 in den Niederlanden gewesen und danach nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein, als er um die Staatsbürgerschaft angesucht habe. Zu seinem Fluchtgrund aus Afghanistan befragt an, dass er nach seiner Abschiebung aus den Niederlanden von Organisationen und der Regierung als Staatsfeind angesehen werde. Er sei nicht sicher gewesen und habe das Haus seines Freundes, in dem er gelebt habe, nicht verlassen können. Deswegen habe er fliehen müssen.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 23.06.2016 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, vor drei Monaten an der Prostata operiert und 2004 wegen eines Tumors unter der Zunge operiert worden zu sein. Wegen seiner Tumorerkrankung müsse er ständig zur Kontrolle, bisher sei aber nichts Auffälliges erkennbar gewesen. Abgesehen von seinem Prostataleiden sei er gesund. Er sei mit einer niederländischen Staatsbürgerin, die in Kabul geboren sei, verheiratet. Er habe drei Kinder, welche ebenfalls die niederländische Staatsbürgerschaft besitzen würden.
Er sei in Kabul geboren und habe nach dem Schulabschluss ein Jahr Naturwissenschaften studiert. Danach sei er nach Russland gegangen und habe dort von 1983 bis 1989 Pharmazie studiert. Nach seinem Abschluss sei er nach Afghanistan zurückgegangen und habe bis 1992 in einem Krankenhaus in Kabul gearbeitet. Als die Mudschaheddin nach Kabul gekommen seien, sei er Mitglied der volksdemokratische Partei Afghanistans (VDPA) gewesen, weshalb sein Leben in Gefahr gewesen sei. Danach habe er in Mazar-e Sharif gelebt und dort als Apotheker gearbeitet. 1997 sei auch diese Stadt von den Taliban erobert worden, weshalb der Beschwerdeführer in die Niederlande geflohen sei. In den Niederlanden habe er bis 2013 gelebt und sich integriert. Bereits 2006 sei ihm die bereits erhaltene unbefristete Aufenthaltsbewilligung entzogen worden. Er habe in den Niederlanden keinen Beruf ausgeübt. 2013 sei er nach Afghanistan abgeschoben worden. Dort habe sich sein Leben in Gefahr befunden, weil er aus dem Ausland gekommen sei. Es habe eine Mafia gegeben und der Beschwerdeführer hätte Opfer einer Entführung werden können, weil manche glauben würden, dass Rückkehrer bzw. deren Familien Geld haben. Der Beschwerdeführer habe bei Bekannten in Kabul gelebt und habe seine Lebenskosten durch diese und die Unterstützung seiner Familie in den Niederlanden bestritten. Im August 2014 sei er wieder aus Afghanistan geflohen.
Die Eltern des Beschwerdeführers seien verstorben, sein Bruder lebe in Pakistan und seine Schwester im Iran. Zu seinen Geschwistern habe er keinen Kontakt. Er habe keine Tanten und Onkel in Afghanistan. Die Bekannten und Freunde, bei denen er sich in Afghanistan aufgehalten habe, würden noch immer dort leben. Diese würden Häuser in Kabul besitzen und hätten keine finanziellen Schwierigkeiten. Er habe Kontakt zu seiner Familie in den Niederlanden. Diese hätten ihn auch in Österreich besucht, zuletzt im August 2015. In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Verwandten oder Bekannten.
Der Grund, weshalb er aus den Niederlanden abgeschoben worden sei, sei gewesen, dass er in einem Militärkrankenhaus gearbeitet habe, das Kriegsopfer betreut habe. Es sei ein Krankenhaus für Regierungsmitglieder und deren Verwandte gewesen.
In Österreich besuche der Beschwerdeführer einen Deutschkurs. Er habe ein paar Freunde gefunden und wolle gerne in einer Apotheke oder in einem Pflegeheim für ältere Menschen arbeiten. Er arbeite derzeit in einem Teehaus, das der Begegnung zwischen Einheimischen und Flüchtlingen diene und begleite afghanische Flüchtlinge zu Arztbesuchen und versuche auch bei anderen Dingen zu übersetzen.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 20.02.2017 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, einiges erlebt zu haben, was seine Psyche belaste. Bei einem Arzt sei er nicht gewesen, aber generell gehe es ihm schlecht. Seit 2013 sei er nicht mehr mit seiner Familie zusammen. In den Niederlanden sei er in ärztlicher Behandlung gewesen, in Österreich noch nicht. Wegen seiner Prostataerkrankung müsse er alle sechs Monate zur Kontrolle. In Afghanistan sei er weder wegen seiner Prostata noch wegen seiner Zunge in Behandlung gewesen sei, weil er dort versteckt leben habe müssen.
Der Beschwerdeführer wiederholte sein bisheriges Vorbringen und führte ergänzend an, dass sein Vater Mitglied in der volksdemokratischen Partei gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe 1989 begonnen im Krankenhaus des Geheimdienstes zu arbeiten. Er habe keine militärische Ausbildung und habe bei seiner Tätigkeit auch keine Uniform getragen. Als er angefangen habe, für den afghanischen Geheimdienst (KhAD) zu arbeiten, habe er nicht mitbekommen, dass Menschenrechte verletzt worden seien. Im Gegenteil habe der Machthaber versucht, mit den Gegnern zu reden. Dass Menschenrechtsverletzungen begangen worden seien, sei lediglich Propaganda gegen das Regime der Gegner gewesen. Von ehemaligen Gegnern des Regimes seien falsche Beweise vorgelegt worden und der Beschwerdeführer sei unschuldig bestraft worden, weil diese Anschuldigungen nicht stimmen würden. Von UNHCR sei ein offizieller Brief geschickt worden, dass die Anschuldigungen nicht richtig seien. In dem Bereich, in dem er gearbeitet habe, habe er sich um Menschen gekümmert. Sein letzter Rang sei "Major" gewesen. Er sei auch im Gefängnis Pul-e Charkhi (auch Pol-e Charkhi genannt) gewesen. Seine Aufgabe dort sei gewesen, die Medikamente, welche verschrieben worden seien, auszugeben. In Mazar-e Sharif habe er in einem Krankenhaus gearbeitet, das zum Verteidigungsministerium gehört habe. Er habe dort auch keine Probleme wegen seiner vorherigen Tätigkeit beim KhAD gehabt. Als die Taliban gekommen seien, hätten diese den Beschwerdeführer allerdings einige Zeit in Gefangenschaft gehalten. Er habe fliehen können und habe daraufhin das Land verlassen.
Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens legte der Beschwerdeführer diverse Unterlagen betreffend sein Asylverfahren in den Niederlanden sowie diverse Sprachzertifikate in Deutsch vor. Aus dem vorgelegten Arztbrief vom 31.03.2016 ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer am 22.03.2016 zur geplanten da Vinci assistierten radikalen Prostataektomie stationär aufgenommen wurde. Darin wurde ausgeführt, dass sich der postoperative Aufenthalt unauffällig gestalte, sodass der Beschwerdeführer am 01.04.2016 in gutem Allgemeinzustand aus der stationären Pflege entlassen werden könne.
2. Mit angefochtenem Bescheid vom 06.04.2017 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 (Spruchpunkt II.) ab und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 10.04.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater zur Seite gestellt.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsvertreter, fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang.
Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nach wie vor in Afghanistan in Lebensgefahr sei. Er habe das Land erstmals 1997 aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der volksdemokratischen Partei und der damit verbundenen Verfolgung verlassen und habe im Jahr 2013 wieder zurückkehren müssen. 2014 sei er erneut geflüchtet, nachdem er sich versteckt gehalten habe. Nach seinem langen Aufenthalt im europäischen Ausland würde er als Rückkehrer erkannt werden und stünde unter Bedrohung der Taliban bzw. dem IS und anderen Mafiagruppen in Afghanistan. Durch die in Europa verinnerlichte Lebensweise würde eine "Verwestlichung" des Beschwerdeführers vorliegen.
Zusätzlich sei er kein Moslem mehr und würde auch aus diesem Grund in Afghanistan verfolgt werden. Korrekt sei, dass der Beschwerdeführer ursprünglich sunnitischer Moslem gewesen sei. Während seines Aufenthalts in den Niederlanden habe er sich stark dem Christentum angenähert. Mittlerweile fühle er sich aber keiner Religion mehr zugehörig und sei daher ohne Bekenntnis. Es drohe dem Beschwerdeführer daher eine Verfolgung aus religiösen und politischen Gründen.
Der Beschwerdeführer sei an der Prostata operiert worden und es sei ihm ein Zungentumor entfernt worden, weshalb er regelmäßige Nachkontrollen wahrzunehmen habe.
Der Beschwerdeführer habe sich von Beginn seines Aufenthalts in Österreich um gute Integration bemüht. Er lerne die deutsche Sprache und zeige soziales Engagement. Im Übrigen würden sich seine Ehefrau und seine Kinder in Europa aufhalten und wäre eine Rückkehrentscheidung auch aus diesem Grund ein unzulässiger Eingriff in sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.
Der Beschwerde beigelegt wurden Deutschkursbestätigen, Empfehlungsschreiben, Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeiten sowie diverse Fotos des Beschwerdeführers, die ihn bei ehrenamtlichen Tätigkeiten zeigen.
4. Am 21.07.2017 langten beim Bundesverwaltungsgericht zwei Empfehlungsschreiben sowie zwei Deutschkursbestätigungen des Beschwerdeführers ein.
Am 09.11.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und sein Rechtsanwalt teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm (entschuldigt) nicht an der Verhandlung teil.
Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst an, dass er vor seiner neuerlichen Ausreise aus Afghanistan an verschiedenen Orten in Kabul gelebt habe. Er habe bei Bekannten gewohnt und sei von seiner Ehefrau und seinen Kindern unterstützt worden. Er habe Kontakt zu seiner Familie in den Niederlanden. In Afghanistan und in Österreich habe er keine Verwandten. Er habe das Sprachniveau B1 der deutschen Sprache erreicht und habe Prüfungen für A1 und A1 erfolgreich absolviert, derzeit mache er den zweiten Teil des B1-Kurses. In Österreich arbeite er freiwillig für den Verein " XXXX ", welcher Flüchtlinge unterstütze. Außerdem habe er in den ersten beiden Jahren in Österreich Flüchtlinge zu Arzt- und Krankenhausterminen als Dolmetscher begleitet. Er habe auch freiwillig für die Gemeinde bei Reinigungsarbeiten in der Ortschaft, in der er gelebt habe, mitgeholfen. Im Zuge seiner Tätigkeit für den Verein habe er einige Österreicher kennengelernt, mit denen er in Kontakt stehe.
In den Niederlanden habe sich der Beschwerdeführer für das Christentum interessiert, er sei auch zur Kirche gegangen, aber noch nicht getauft worden. Als er aber nach Afghanistan abgeschoben worden sei, habe er alle Dokumente vernichten müssen, weil er befürchtet habe, dass sich daraus schwerwiegende Probleme für ihn ergeben könnten. Seit er in Österreich sei, befolge er keine Religion. Er respektiere aber alle Religionen. Die Trennung zu seiner Familie habe zur Folge, dass es ihm gesundheitlich nicht gut gehe. Er sei sowohl körperlich als auch psychisch angeschlagen. Die vielen Schwierigkeiten hätten dazu geführt, dass er einen großen Abstand zu Religionen gewonnen habe. Er sei zwar in eine muslimische Familie geboren, habe den Glauben aber nicht praktiziert.
In den Niederlanden habe er aufgrund seiner Tätigkeit in der politischen Partei Asyl erhalten. Es seien sowohl die Schwierigkeiten seiner Ehefrau als Mitarbeiterin des Höchstgerichts als auch seine als Mitglied der volksdemokratischen Partei berücksichtigt worden. Sein Vater und sein Bruder seien ermordet worden, als die Mudschaheddin in Kabul die Macht übernommen hätten. Danach sei der Beschwerdeführer 1992 nach Mazar-e Sharif gesiedelt, bis die Taliban die Macht übernommen hätten. Er sei von den Taliban verhaftet worden. All diese Schwierigkeiten habe er im Rahmen seines Asylverfahrens in den Niederlanden ausgeführt, weshalb seine Familienangehörigen und er als Flüchtlinge anerkannt worden seien.
Bevor er abgeschoben worden sei, sei er von der niederländischen Polizei von zu Hause abgeholt und drei Monate in Schubhaft genommen worden. Er sei von drei Grenzpolizisten bis nach Kabul begleitet worden. Danach habe er sich auf die Suche nach seinen alten Bekannten gemacht, damit er bei ihnen unterkomme. Er habe sich in Afghanistan versteckt gehalten, bis er wieder ausgereist sei. Er habe 16 Jahre in den Niederlanden gelebt. Bereits dies sei ein Grund, sich in Afghanistan zu fürchten. Es gebe 41 aktive terroristische Gruppierungen. Daneben würden auch viele Mafia-Gruppierungen existieren, die Personen, welche aus dem Ausland nach Afghanistan kommen, entführen und als Geisel nehmen würden. Der Beschwerdeführer habe kein Geld und Angst davor, getötet zu werden. In Afghanistan habe er auch Angst, von der Regierung zu Tode verurteilt zu werden.
Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich in den letzten Jahren so sehr verschlechtert, dass er nicht mehr wisse, ob die Bekannten, die zuvor in Afghanistan gelebt hätten, immer noch dort aufhältig seien. Er habe keinen Kontakt und wisse nichts über deren Aufenthalt.
In Afghanistan habe er keine persönlichen Feindschaften. Sein Vater und sein Bruder seien aufgrund der Mitgliedschaft und Aktivität für die volksdemokratische Partei von den Mudschaheddin umgebracht worden. Die Partei sei später zu Hezb-e Watan umbenannt worden. Sein Vater habe für die Partei gearbeitet, indem er Leute, die angeworben worden seien, unterrichtet habe. Der Bruder des Beschwerdeführers habe mit dem Vater gemeinsam gearbeitet.
Ein Bruder des Beschwerdeführers lebe in Pakistan und die Schwester des Beschwerdeführers im Iran. Er habe keinen Kontakt zu seinen Geschwistern.
Der Beschwerdeführer habe das Pharmaziestudium in Russland abgeschlossen und sei anschließend nach Afghanistan zurückgekehrt. Zu dieser Zeit habe Krieg geherrscht. Er habe von 1989 bis 1992 im Krankenhaus des Ministeriums für die Sicherheit des Staates, welches dem Innenministerium untergeordnet gewesen sei, in Kabul in der Hausapotheke als Pharmazeut gearbeitet. Zwischen 1992 und 1997 habe er in Mazar-e Sharif gelebt und habe in dieser Zeit in einer Militärdivision, welche dem Verteidigungsministerium untergeordnet sei, in der Apotheke gearbeitet, bis die Taliban an die Macht gekommen seien.
Er sei bereits Mitglied der Jugendpartei in der Schule gewesen. Auch während der Schule habe er die Mitgliedschaft beibehalten. Als er nach dem Abschluss seines Studiums nach Afghanistan zurückgekehrt sei, habe Bedarf im Militärbereich bestanden, weshalb er in sich in diesem Bereich um eine Stelle beworben habe. Als Mitglied der Partei sei er aufgenommen worden, er sei während dieser Zeit auch dem KhAD beigetreten. Er habe aber keine anderen Tätigkeiten für den KhAD ausgeführt. Er habe lediglich für das Ministerium im Gesundheitsbereich gearbeitet. Der Geheimdienst habe andere Aufgaben gehabt. Gegen Ende des Regimes habe der Beschwerdeführer drei Monate im Gefängnis Pul-e Charkhi gearbeitet. Er sei dieser Arbeit damals zugeteilt worden. Es sei seine Aufgabe gewesen, die kranken Gefangenen zu betreuen. Er sei nie an Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen und respektiere die Rechte anderer Menschen. Zu der Zeit, als er im Gefängnis gearbeitet habe, habe auch der Staat die Grundrechte der Gefangenen gesichert, indem sie eine Behandlung auf Staatskosten erhalten hätten. Er wisse aber nicht, was in der Zeit davor oder danach passiert sei. Es seien damals auch internationale Organisationen, wie zB das Rote Kreuz, in Afghanistan aktiv gewesen und hätten Kontrollen in Krankenhäusern, aber auch im Gefängnis von Pul-e Charkhi, vorgenommen.
Der Grund für die Aberkennung seines Asylstaates in den Niederlanden sei gewesen, dass er für das Ministerium für Staatssicherheitsdienst gearbeitet habe. Es sei ihm vorgeworfen worden, dass er Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen habe. In den Niederlanden seien alle Personen, die für dieses Ministerium oder einen anderen Bereich des Staatssicherheitsdienstes gearbeitet hätten, einem Asylaberkennungsverfahren unterzogen worden. Es sei allgemein gesagt worden, dass diese Personen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätten.
In Österreich gehe er alle sechs Monate zur Kontrolle zu einem Urologen und einem Neurologen.
Am 01.12.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers ein, in dem ausgeführt wurde, dass mit dem niederländischen Rechtsanwalt des Beschwerdeführers Kontakt aufgenommen worden sei. Dieser habe ein Schreiben in englischer Sprache an das Bundesverwaltungsgericht verfasst, welches zusammengefasst beinhalte, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers zunächst abgewiesen worden sei, die Familie allerdings eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung erhalten habe. Da sich die Situation in Afghanistan nicht gebessert habe, habe die Familie am 01.04.2001 eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung auf Basis des Asylrechts erhalten. Am 28.05.2004 sei die Aufenthaltsberechtigung für den Beschwerdeführer aufgrund des Verstoßes gegen Art. 1 f der UN-Flüchtlingskonvention aufgehoben worden. Danach habe der Beschwerdeführer neuerlich in den Niederlanden um Asyl angesucht, der Antrag sei jedoch abgewiesen worden. Am 09.01.2017 habe er eine Aufenthaltsgenehmigung auf Basis der Familienzusammenführung zu seiner Frau beantragt, doch auch diese sei ihm nicht genehmigt worden. Verwiesen werde auf das Urteil des EGMR vom 10.01.2012.
Zum Grund der Asylaberkennung wurde ausgeführt, dass sich die niederländische Regierung auf einen Bericht hinsichtlich der Sicherheitslage in Afghanistan zwischen 1978 und 1992 berufe. Dieser Bericht stütze sich auf die Informationen der niederländischen Botschaft in Islamabad. Die Informationen habe die niederländische Regierung lediglich von früheren Gegnern des kommunistischen Regimes erhalten und es seien keine objektiven Erhebungen eingeholt worden. Im Bericht werde vermerkt, dass alle Offiziere und Mitarbeiter für die KhAD/WAD gearbeitet hätten und daher alle Offiziere persönlich bei den Verhaftungen, Folter oder auch Tötungen involviert gewesen seien. Es sei aber nicht individuell geprüft worden, ob der Beschwerdeführer tatsächlich an den Gewalttaten beteiligt gewesen sei. Außerdem werden die zur Verfügung gestellten Informationen bezweifelt. UNHCR habe den Bericht ebenfalls nicht bestätigen können und habe darauf hingewiesen, dass die Berichte von keiner sicheren Quelle stammen würden. Leider habe es auf europäischer Ebene kein Vorabentscheidungsverfahren hinsichtlich des niederländischen Berichts gegeben. Zu erwähnen sei auch, dass der niederländische Bericht in keinem anderen EU-Land für die Entscheidungen herangezogen werde. Die niederländischen Gerichte würden es leider ablehnen, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu stellen.
Insgesamt sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer rechtswidrig nach Afghanistan abgeschoben worden sei. Vor allem in Anbetracht seiner Erkrankungen und seines Familienlebens in den Niederlanden hätte eine Abschiebung nicht durchgeführt werden dürfen. Der Beschwerdeführer habe an keinen Völkermorden oder Folterungen teilgenommen. Er sei auch einverstanden, dass vor Ort Erhebungen betreffend seine Person durchgeführt werden.
Am 21.06.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein weiteres Unterstützungsschreiben betreffend den Beschwerdeführer ein.
Am 20.03.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine weitere mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm (entschuldigt) nicht an der Verhandlung teil.
Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen an, dass er besorgt sei, weil er von seiner Familie getrennt sei und alleine in Österreich lebe und er wegen dieser Trennung gleichzeitig psychisch angeschlagen und depressiv verstimmt sei. Aber gleichzeitig sei er dankbar für das Leben das er in Österreich führen dürfe. Er habe Kontakt zu seiner Familie in den Niederlanden. Seiner Familie gehe es gut. Seine Frau habe aber gesundheitliche Probleme. Er habe seine Frau das letzte Mal im Jahr 2018 bei einem Besuch in Österreich gesehen. Seine Kinder seien 26, 25 und 21 Jahre alt und würden in den Niederlanden arbeiten. Seine Tochter habe er ebenfalls 2018 gesehen und seine beiden Söhne habe er seit zwei Jahren nicht mehr gesehen, weil diese zu beschäftigt seien, ihn zu besuchen.
Der Rechtsvertreter gab im Rahmen der Verhandlung an, dass der Beschwerdeführer erzählt habe, dass niederländische Polizisten mit österreichischen Polizisten im November 2018 bei dem Beschwerdeführer gewesen seien und ihn hinsichtlich seines Studiums und seiner beruflichen Tätigkeit in Afghanistan befragt hätten.
Der Beschwerdeführer erklärte diesbezüglich, dass zunächst niederländische Polizisten bei seiner Familie gewesen seien und die Kontaktdaten des Beschwerdeführers von seiner Frau erhalten hätten. Der Beschwerdeführer habe sich mit einer Befragung im Beisein der österreichischen Behörden einverstanden erklärt. Er sei danach zwei Mal auf einer Polizeistation in Linz befragt worden. Die Polizisten hätten den Beschwerdeführer Fragen zu seiner Tätigkeit im Gefängnis Pul-e Charkhi gestellt. Sie hätten keinen bestimmten Grund für die Befragung genannt. Sie hätten allgemein behauptet, dass sie wegen irgendwelchen Ermittlungen diese Befragung durchführen müssten. In den Niederlanden würden keine offenen Verfahren seine Person betreffend laufend. Die Polizisten hätten angegeben, dass es sich lediglich um einen Informationsaustausch handeln würde und dass sie einen Fall prüfen würden. Die österreichische Polizei sei nicht involviert, sondern lediglich anwesend gewesen. Auf Nachfrage des Beschwerdeführers sei ihm gesagt worden, dass es sich um Polizisten handle, die über Kriegsverbrecher ermitteln.
Der Beschwerdeführer habe seit seiner Ausreise aus Afghanistan keinen Kontakt nach Afghanistan. Er habe keine Verwandten in Afghanistan und er wisse nicht, ob es seine Freunde in Afghanistan noch gebe oder nicht. Seit seiner Flucht stehe er mit niemanden in Kontakt und habe keine Telefonnummern mehr. Seine Freunde seien Freunde aus der Schulzeit. Er habe auch keine Besitztümer mehr in Afghanistan.
In Österreich lebe er von der Grundversorgung und habe ein Sprachniveau B1. Er bemühe sich täglich, mit Österreichern in Kontakt zu stehen, um die österreichische Kultur kennenzulernen und die Sprache zu üben. Bei Bedarf leiste er freiwillige Arbeiten in seiner Unterkunft und nütze die sonstige Zeit zum Erlernen der deutschen Sprache. Der Beschwerdeführer habe mehrere österreichische Freunde und unterstütze seine Freunde auch im Zuge der Vereinsarbeiten des Vereins " XXXX ."
Befragt zu seinen gesundheitlichen Problemen, gab der Beschwerdeführer an, bei einem Arzt im Gebiet der Psychologie gewesen zu sein. Dieser habe ihm keine Medikamente verschrieben, ihm aber Methoden gezeigt, wie er den Alltag mit seinen psychischen Problemen meistern könne. Er solle viel Zeit in der Natur verbringen, Sport machen und Kontakte mit Menschen suchen sowie mit jemandem, dem er vertrauen könne, über seine Probleme und Sorgen sprechen. Der Beschwerdeführer sei auch körperlich krank. Er habe einen Tumor gehabt, welcher operativ entfernt worden sei. Darüber hinaus habe er im Jahr 2016 Prostatakrebs gehabt und stehe seitdem in ernster medizinischer Behandlung. Er müsse alle sechs Monate zur Kontrolle. Der Beschwerdeführer nehme derzeit keine Medikamente ein.
Der Beschwerdeführer werde von seiner Familie finanziell unterstützt. Er könne keine konkrete Person angeben, welche man über den Beschwerdeführer befragen könne, allerdings habe er auch die holländische Behörde gebeten, in Afghanistan in jenem Krankenhaus, in dem er gearbeitet habe, Nachforschungen zu machen. Dies sei das Krankenhaus des Ministeriums für Staatssicherheit. Die Anschuldigungen der holländischen Behörden seien eine reine Lüge, die auf keine schriftlichen Beweismittel basiere. Der Beschwerdeführer sei als Pharmazeut tätig gewesen und habe es als Pflicht angesehen, Menschen zu dienen und zu helfen. Er sei überzeugt, dass jene Leute, welche Verbrechen begangen hätten, registriert seien.
Der Beschwerdeführer legte eine Kursbesuchsbestätigung eines B1 Deutschkurses sowie ein Zeugnis über die nicht bestandene B1-Prüfung vor.
In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 03.04.2019 - unter anderem zu den Länderberichten - wurde ausgeführt, dass die Ehefrau und Kinder des Beschwerdeführers in den Niederlanden leben würden und mittlerweile niederländische Staatsangehörige seien. Aufgrund des bestehenden Privat- und Familienlebens zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Familie liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf sein Privat- und Familienleben vor.
Zur Verfügbarkeit der notwendigen medizinischen Versorgung des Beschwerdeführers sowie der tatsächlichen Möglichkeit, die eventuell vorhandene medizinische Versorgung in Afghanistan in Anspruch nehmen zu können, werde auf das Gutachten von Friederike Stahlmann verwiesen. Zur Versorgungslage werde dazu ausgeführt, dass letzte Schätzungen ergeben hätten, dass etwa 10 Millionen Afghanen begrenzten oder keinen Zugang zu grundlegender medizinischer Versorgung hätten. Medizinische Versorgung sei auch durch finanzielle Barrieren eingeschränkt. Die notwendigen Zahlungen für private medizinische Versorgung könnten sich insbesondere jene nicht leisten, deren Einkommen schon nicht für überlebenswichtige Güter wie Trinkwasser, Nahrungsmittel und Heizmaterial reiche. Die medizinische Versorgung des Beschwerdeführers könne bei einer Rückkehr nach Afghanistan daher nicht mit Sicherheit als gewährleistet angesehen werden.
Zudem werde auf die aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 hingewiesen, in denen festgehalten werde, dass aufgrund der aktuellen Situation Kabul in keinem Fall eine interne Schutzalternative darstellen könne. Aus der aktuellen ACCORD-Anfragebeantwortung "Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif" vom 12.10.2018 gehe hervor, dass auch Mazar-e Sharif und Herat nicht als innerstaatliche Fluchtalternative in Frage kommen, da es in Herat an Trinkwasser, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung mangle. Auch die Provinz Balkh mit ihrer Hauptstadt Mazar-e Sharif werde in der ernährungssicherheitsbezogenen Klassifizierung der Integrated Food Security Phase Classification mit Stufe 3 - "Crisis" bewertet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der 58-jährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Er spricht die Sprachen Dari und Paschtu. Er ist verheiratet und hat drei volljährige Kinder.
Der Beschwerdeführer wurde in eine muslimische Familie geboren, praktizierte den islamischen Glauben aber bisher (auch in Afghanistan) nicht; er praktiziert auch keinen anderen Glauben und respektiert alle Religionen.
Der Beschwerdeführer stammt aus Kabul. Bis zu seinem ersten Studienjahr an der Universität in Kabul lebte der Beschwerdeführer in Kabul und studierte anschließend in der damaligen Sowjetunion Pharmazie. Im Jahr 1989 begann der Beschwerdeführer seine Tätigkeit als Pharmazeut in der Apotheke des Krankenhauses des afghanischen Geheimdienstes des Ministeriums für Staatssicherheit (ehemals KhAD), welches dem Innenministerium untergeordnet war, in Kabul. Gegen Ende des Nadschibullah-Regimes arbeitete der Beschwerdeführer für drei Monate im Gefängnis Pul-e Charkhi. Nach dem Sturz von Nadschibullah ging er im Jahr 1992 nach Mazar-e Sharif, wo er bis zur Eroberung der Stadt durch die Taliban 1997 lebte und in der Apotheke einer Militärdivision, welches zum Verteidigungsministerium gehörte, tätig war.
Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan erstmals im Jahr 1997 und wohnte anschließend gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in den Niederlanden. Im Jahr 2013 wurde er nach Afghanistan abgeschoben und lebte dort bis zu seiner erneuten Ausreise im August 2014.
Der Beschwerdeführer war Mitglied der volksdemokratischen Partei Afghanistans. Auch sein Vater und sein Bruder waren Mitglieder der volksdemokratischen Partei. Der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers wurden von den Mudschaheddin ermordet, als diese in Kabul an die Macht kamen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer während seiner Tätigkeit als Pharmazeut im Krankenhaus in Kabul, im Gefängnis Pul-e Charkhi oder in der Militärdivision Mazar-e Sharif für den afghanischen Geheimdienst an Menschenrechtsverletzungen beteiligt war.
1.1.2. Die Ehefrau und die volljährigen Kinder des Beschwerdeführers leben in den Niederlanden. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie. Der letzte Besuch seiner Ehefrau und Tochter in Österreich war im Jahr 2018, seine beiden Söhne hat er seit über zwei Jahren nicht gesehen. Der Beschwerdeführer wird von seiner Familie finanziell unterstützt, auch von seinen Kindern.
Die Eltern sowie ein Bruder des Beschwerdeführers sind verstorben. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in Pakistan und die Schwester des Beschwerdeführers lebt im Iran.
1.1.3. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren Krankheiten, welche einer Rückkehr nach Afghanistan entgegenstehen, und ist arbeitsfähig.
Dem Beschwerdeführer wurde 2004 in den Niederlanden ein Tumor an der Zunge entfernt. Wegen einer Prostataerkrankung befand er sich von 22.03.2016 bis 01.04.2016 in Österreich in stationärer Behandlung und wurde operiert. Derzeit leidet der Beschwerdeführer unter keinen damit zusammenhängenden Beschwerden und nimmt keine Medikamente ein.
1.2. Zur Rückkehrmöglichkeit nach Afghanistan:
Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer als Person weder Probleme mit den Taliban noch droht ihm sonst eine Verfolgung. Der Beschwerdeführer hat keine Feindschaften in Afghanistan.
Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul ist möglich und zumutbar, ebenso eine Ansiedlung in Mazar-e Sharif oder Herat. Er kann die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat von Österreich sicher mit dem Flugzeug erreichen.
Der Beschwerdeführer ist in Kabul geboren und aufgewachsen und hat bis zu seinem ersten Studienjahr und nach seinem Studium in der damaligen Sowjetunion in Kabul gelebt und dort für drei Jahre als Pharmazeut gearbeitet. Nach seiner Abschiebung aus den Niederlanden im Jahr 2013 lebte er erneut bis August 2014 in Kabul. Er hat kein familiäres Netzwerk in Kabul, es leben aber Freunde und Bekannte des Beschwerdeführers in Afghanistan, unter anderem in Kabul, bei denen er auch nach seiner Abschiebung aus den Niederlanden wohnen konnte, welche über Häuser und ausreichend finanzielle Mittel verfügen. Der Beschwerdeführer hat auch fünf Jahre in Mazar-e Sharif gelebt und gearbeitet.
Angesichts seiner Ausbildung, seiner langjährigen Berufserfahrung, seines Gesundheitszustandes, seiner Arbeitsfähigkeit und seiner sozialen Anknüpfungspunkte könnte sich der Beschwerdeführer in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat eine (einfache) Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer kann überdies mit finanzieller Hilfe seiner in den Niederlanden lebenden Familie rechnen, wie bereits während seines letzten Aufenthalts in Afghanistan und auch in Österreich. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.
1.3. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Asylantragstellung am 08.10.2014 in Österreich. Er hat keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Er hat einige österreichische Freunde, mit denen er in regelmäßigem Kontakt steht. Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt. Er besuchte mehrere Deutschkurse und hat die Prüfungen A1 und A2 erfolgreich absolviert und hat einen Sprachkurs auf dem Niveau B1 besucht. Er arbeitete ehrenamtlich für den Verein " XXXX " und begleitete in den ersten beiden Jahren seines Aufenthalts in Österreich Flüchtlinge als Dolmetscher zu Arzt- und Krankenhausterminen. Er engagierte sich ehrenamtlich in einer Gemeinde bei Reinigungsarbeiten. Er wurde in Österreich nicht strafgerichtlich verurteilt.
1.4. Zur im konkreten Fall maßgeblichen Lage in Afghanistan:
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).
Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).
Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;
1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).
Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).
Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).
Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).
Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).
Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage:
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul:
Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul:
Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).
Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).
Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).
Balkh
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).
Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:
Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).
Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage:
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Balkh:
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).
Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh:
Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).
Herat
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).