TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/13 W164 2214607-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.2019
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Entscheidungsdatum

13.06.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W164 2180510-1/17E

W164 2180512-1/16E

W164 2180492-1/14E

W164 2180515-1/14E

W164 2214607-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von (1.) XXXX , geb. XXXX , (2.) XXXX , geb. XXXX , (3.) XXXX , geb. XXXX , und (4.) XXXX , geb. XXXX , alle STA Afghanistan, alle vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 18.11.2017, (1.) Zl. 1098974707 + 152001553, (2.) Zl. 1098974903 + 152001655, (3.) Zl. 1098975007 + 152001758 und (4.) Zl. 1098975105 + 152001855, sowie über die Beschwerde der (5.) XXXX geb. XXXX , STA Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 05.02.2019, (5.) Zl. 1210621002-181015175, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 16.04.2019 zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und (1.) XXXX , (2.) XXXX , geb.

(3.) XXXX und (4.) XXXX und (5) XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass (1.) XXXX ,

(2.) XXXX , geb. (3.) XXXX , (4.) XXXX und (5.) XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) haben in Afghanistan nach dem dort geltenden traditionellen Ritus geheiratet. Sie sind daher zufolge § 9 iVm § 16 IPRG (Bundesgesetz über das internationale Privatrecht) verheiratet und Eltern der minderjährigen Dritt-, Viert- und FünftbeschwerdeführerInnen (BF3, BF4, BF5).

Der BF1 und die BF2 stellten am 15.12.2015 nach illegaler Einreise für sich und die minderjährigen BF3 und BF4 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Zuge der Befragungen vor dem BFA gab der BF1 an, er sei am 11.07.1987 in Herat, Stadt XXXX , Dorf XXXX , Afghanistan, geboren, sei Sunnit und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Er habe sechs Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Metzger gearbeitet. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er eine Streitigkeit mit einem Mann aus der entfernten Nachbarschaft (der BF nannte seinen Namen) wegen der Bewässerung des Grundstückes seines Onkels gehabt habe. Dieser Mann habe ihn in der Folge mit dem Tod bedroht. Zu seiner Situation in Österreich gab der BF1 an, dass er an den Wochenenden einen alten Mann als Heimpfleger betreue. In seiner Freizeit gehe er in den Fitness-Club und besuche Deutschkurse. Er habe auch österreichische Freunde. Er würde gerne als Fleischer arbeiten und hoffe auf eine erfolgreiche Zukunft, da seine Kinder die Schule besuchen. Der BF1 legte eine Tazkira, mehrere Empfehlungsschreiben und Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen vor.

Die BF2 gab im Verfahren erster Instanz an, sie sei am 01.01.1993 in Herat, Stadt XXXX , Dorf XXXX , Afghanistan, geboren, sei Sunnitin und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Sie habe ca. fünf Jahre in einer Moschee lesen, schreiben und den Koran gelernt. Zuletzt sei sie Hausfrau gewesen. Zu ihrem Fluchtgrund bezog sie sich auf die Streitigkeit, die ihr Mann mit einem Mann aus der entfernten Nachbarschaft hatte. Dieser habe ihren Mann mit dem Tod bedroht. Außerdem sei die Sicherheitslage in Afghanistan sehr schlecht. Die Familie habe dort keine gute Zukunft für ihre Kinder gesehen. Zu ihrer Situation in Österreich gab die BF2 an, dass sie die Freizeit mit ihrer Familie verbringe. Sie gehe mit ihrem Mann spazieren und gehe mit den Kindern in den Park. Sie habe auch Freunde in Österreich. Ihre Kinder würden die Schule besuchen. In Afghanistan habe sie als Frau nicht draußen sein dürfen, daher sei sie die meiste Zeit zuhause gewesen. Frauen würden in Afghanistan auch nicht zur Schule gehen können, nicht ihr Leben leben und sich nicht so frei bewegen können wie ein Mann.

Mit vier Bescheiden des BFA vom 18.11.2017 (1.) Zl. 1098974707 + 152001553, (2.) Zl. 1098974903 + 152001655, (3.) Zl. 1098975007 + 152001758 und (4.) Zl. 1098975105 + 152001855, wurden die Anträge der BF1, BF2, BF3 und BF4 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt und es wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der BF1 in Afghanistan der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Sein Vorbringen betreffend seinen Fluchtgrund sei vage und unkonkret gewesen. Darüber hinaus bestünden Widersprüche zur Aussage der BF2. Zur Situation im Fall seiner Rückkehr wurde festgehalten, dass der BF1 ein volljähriger, arbeitsfähiger Mann sei und über soziale und familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge. Er könne seinen Lebensunterhalt mit Hilfe seiner eigenen Arbeitsleistung bestreiten. Herat verfüge über einen Flughafen. Außerdem könne er sich auch in Kabul niederlassen. Es hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhalts ergeben, welche zu subsidiärem Schutz führen würden. Nach Vornahme einer Interessensabwägung sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

Die Bescheide betreffend die BF2-BF4 verweisen auf die Begründung des Bescheides betreffend den BF1. Eigene Fluchtgründe seien nicht vorgebracht worden. Von einer "westlichen" Orientierung der BF2 sei nicht auszugehen: Ihren bisherigen Aktivitäten und ihrer Lebensweise seit der Einreise sei nicht zu entnehmen, dass die BF2 einen "westlichen", also selbstbestimmten Lebensstil anstrebe. Vielmehr verbringe die BF ihre Zeit in erster Linie mit ihrem Mann und ihren Kindern. Sie erledige alles mit ihrem Mann gemeinsam. Daraus sei zu erkennen, dass ihr die Meinung ihres Mannes sehr wichtig sei. Dieser würde ihr auch im Fall der Rückkehr zur Seite stehen und könne sie unterstützen. Zwar habe die BF2 bei ihrer Einvernahme kein Kopftuch getragen. Daraus allein könne aber noch nicht darauf geschlossen werden, dass sie eine "westliche" Lebensweise anstrebe. Die BF2 habe nicht glaubhaft vermitteln können, dass sie ein freibestimmtes Leben nach westlichen Normen führe und dass dieses Leben ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden wäre, die sie im Fall ihrer Rückkehr unterdrücken müsste, bzw. dass eine Beibehaltung ihrer Einstellung Verfolgung iSd GFK bedeuten würde. Aus den herkunftsstaatsbezogen Erkenntnisquellen hätten sich keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß aufgrund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe ausgesetzt zu sein.

Mit Verfahrensanordnung vom 22.11.2017 wurde den BF1-4 amtswegig ein Rechtsberater zur Verfügung gestellt.

Gegen diese Bescheide erhoben die BF1-4 fristgerecht Beschwerde. Darin wird ausgeführt, die den BF1 betreffende Bedrohungssituation bilde eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK. Die BF2 sei westlich orientiert. Dies werde als Nachfluchtgrund geltend gemacht. Die BF2 erledige Alltagsangelegenheiten selbstständig, gehe alleine einkaufen, wolle berufstätig sein, spiele Fußball und wolle auch ihre Kinder westlich erziehen. Ihr sei daher Asyl zu gewähren. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei prekär und verschlechtere sich stetig. Die Situation von Rückkehreden sei so schlecht, dass angenommen werden müsse, dass die BF 1-4 im Fall ihrer Rückkehr nach Afghanistan in eine die menschliche Existenz bedrohende Lebenssituation kommen würden. Es sei somit jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren. Die BF1-3 beantragten, die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass ihnen der Status von Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu ihnen der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, in eventu die Rückkehrentscheidung für dauernd unzulässig zu erklären, in eventu ihnen einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, in eventu die angefochtenen Bescheide aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückzuverweisen. Es wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt

Mit Eingabe vom 03.04.2018 erfolgte eine Vollmachtsbekanntgabe für die nunmehrige Rechtsvertretung der BF1-BF4.

Am 16.10.2018 wurde in Österreich die BF5 geboren. Für sie beantragte die BF2 internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2019, GZ 1210621002-181015175, hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt und es wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF2 als gesetzliche Vertreterin der BF5 durch die bevollmächtigte Rechtsvertretung Beschwerde und brachte vor, sie beziehe sich auf die Fluchtgründe der Eltern. Es werde auf die Beschwerde vom 15.12.2017 verwiesen. Die BF5 beantragte, dass ihr der Status von Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu ihr der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, in eventu dass die Rückkehrentscheidung für dauernd unzulässig erklärt werde.

Am 16.04.2019 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, an der die BF1-5 im Beisein ihrer Rechtsvertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen.

Die BF2 legte ein Zertifikat des ÖSD über die mit der Note "gut" bestandene Prüfung aus Deutsch A2 nach dem gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen, GER, vor, weiters eine Bestätigung über die Teilnahme am Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds, weiters eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses B1 nach dem gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen, GER, mit dem gewählten Spezialisierungsmodul Handwerk und Technik, sowie ein Empfehlungsschreiben der Austrak Flüchtlingshilfe e.V., mit dem bestätigt wird, dass die BF2 von Beginn an laufend Schritte gesetzt hat, um sich und ihre Kinder in Österreich gut zu integrieren, gemeinsam mit ihrem Mann in der Flüchtlingsunterkunft ehrenamtlich tätig war und auf einem guten Weg sei, mit ihrer Familie ein eigenständiges Leben in Österreich aufzubauen.

Die BF2 machte folgende Angaben: Sie habe in Afghanistan in einem Vorort der Stadt XXXX , Provinz Herat, gelebt. Das sei ein Dorf gewesen. Dort habe sie das Haus nicht allein verlassen können. In Österreich habe Sie Deutschkurse in einer Schule besucht. Für die Deutschprüfung A1 habe sie drei Monate die Schule besucht, für die Deutschprüfung A2 sieben Monate. Sie sei von Montag bis Freitag drei Stunden in die Schule gegangen. Den Alltag mit ihren Kindern organisiere sie wie folgt: In der Früh - die BF2 stehe um 6 Uhr auf - bereite sie die Kinder vor, bringe sie zur Schule und gehe dann zum Deutschkurs. Der Ehemann kümmere sich einstweilen um die jüngste Tochter. Er selbst besuche am Nachmittag einen Deutschkurs. Die BF2 besuche nach dem Mittagessen ein "Sprachkaffee" zu dem sie die jüngste Tochter mitnehmen könne. Danach hole sie die größeren Kinder von der Schule ab. Der Mann helfe im Haushalt. BF2 gehe auch mit den Kindern zum Arzt und auch einkaufen, weiters auch zum Sprechtag für die älteste Tochter. Der BF1 gehe für den Sohn zum Sprechtag. In der Freizeit gehe die BF2 Schwimmen und Radfahren. Sie habe in Wien einen Schwimmkurs absolviert. Die BF2 verwalte das Geld der Familie. Die BF2 habe auch mit Österreicherinnen Kontakt geschlossen. Man koche gemeinsam oder gehe gemeinsam in die Stadt. Da seien auch männliche Freunde dabei, die die BF2 so begrüße, wie es in ihrem österreichischen Bekanntenkreis üblich sei. Die BF2 plane, berufstätig zu sein. Für ihre ältere Tochter wünsche sich die BF2, dass diese wie europäische Kinder aufwächst und eines Tages ihren Traumberuf, Ärztin, ergreifen und ein selbstbestimmtes Leben führen könne. Die Tochter werde in der Schule in Deutsch besonders gefördert. Die BF2 legte ein Schulzeugnis der BF3 vor, das (außer in Deutsch) sehr gute Noten ausweist. In Afghanistan habe die BF2 den Schleier tragen müssen. Sie habe aus einer streng religiösen Familie gestammt. Sie habe lediglich zu Hause arbeiten dürfen. Die BF2 kenne nicht einmal das Zentrum ihrer Heimatstadt. Sie habe nicht nach draußen gehen dürfen. Die BF2 sei der Meinung, dass auch Frauen in Kabul und Mazar e Sherif nicht mehr Freiheiten hätten, als sie selbst in Afghanistan hatte.

Der BF1 machte ergänzende Angaben zum Alltagsleben der Familie in Österreich.

Der Vertreter der belangten Behörde brachte vor, die zentrale Frage sei, ob eine westliche Orientierung der BF2 vorliege. Dabei sei maßbeglich ob es zu einem Bruch mit den heimatlichen Normen in Afghanistan gekommen sei und eine Rückkehr unzumutbar wäre. Die BF2 könne selbst über die urbanen Regionen in AFG keine Auskunft geben bzw. dazu keine auf Quellenbasis fundierte Meinung äußern. Laut Art 10 Abs. 1 der Statusrichtlinie gehe es bei der Zugehörigkeit einer sozialen Gruppe darum, dass aufgrund der Identität der BF2 diese von ihrem Umfeld als anderwärtig betrachtet werde. Der BehV könne nicht nachvollziehen, warum eine Rückkehr der BF2 nach Afghanistan aufgrund Ihres in Österreich vollzogenen Lebensstils unzumutbar wäre und diese mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung ausgesetzt wäre. Der BehV beziehe sich hierbei auf den Fact finding Report des BFA von 2018 und auf die aktuelle Staatendokumentation des BFA zur allgemeinen Situation in Afghanistan (Kapitel Frauen Seite 23-29) Danach würden Frauen z.B. in Mazar-e Sharif Sport betreiben können. Auch gebe es ein eigenes Fußballfeld für Frauen. Frauen als Ernährerinnen der Familie seien keine Seltenheit mehr. In urbanen Städten würden Frauen Alphabetisierungskurse in Anspruch nehmen können, dies auch in Großstädten wie Kabul. Frauen würden an Entscheidungsfindungsprozessen teilnehmen können; Frauen würden als Ingenieurinnen arbeiten oder als Unternehmerinnen tätig sein. Der Behördenvertreter verwies auf einen Artikel der Züricher Zeitung vom 02.03.2019, dem zufolge Mädchen in Mazar-e Sharif z.B. Skateboard fahren und Schülerinnen und Studentinnen würden längst wieder zum Straßenbild gehören würden. Auf den Märkten würden sich Hausfrauen drängeln. Freundinnen würden sich auf eine Wasserpfeife oder auf einen Bummel in den neuen Einkaufszentren treffen. In Popkonzerten und im Kino sei das Publikum bunt gemischt. Es gebe viele Ingenieurinnen, Anwältinnen und Ärztinnen. Der Behördenvertreter verwies weiters auf eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, aus der hervorgehe, dass Frauenbekleidung in Afghanistan ein breitgefächertes Spektrum abdecke, von moderner westlicher Kleidung über farbenreiche volkstümliche Tracht bis hin zur Burka und Vollverschleierung. Diese unterscheidet sich an der Bevölkerungsgruppe und den lokalen Begebenheiten, sprich ländlicher oder städtischer Region. Auf Basis der genannten Quellen sei nicht nachvollziehbar, warum der BF2 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus Gründer der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe drohen würde. Für die BF2 bestehe eine IFA-Region.

Die Vertreterin der BF1-5 hielt den Ausführungen entgegen, dass die in der genannten Anfragebeantwortung als modern bezeichnete Bekleidung (Mantau chalvar) aus einem langen Mantel bestehe, der über eine lange Hose getragen werde, dies immer zusammen mit einem Kopftuch, das fest unter dem Kinn zusammengebunden werde. Frauen in Afghanistan müssten sich auch in urbanen Zentren zu jeder Jahreszeit, also auch im Sommer so kleiden. Die BF2 sei keineswegs gewillt sich den Kleidervorschriften, die laut der genannten Anfragebeantwortung als modern gelten zu unterwerfen. Sohin würde die BF2 abgesehen von ihrer westlichen Einstellung nur aufgrund ihrer Kleidung sogar in Kabul einer Verfolgung ausgesetzt sein. Die BFV verwies auf ein Sachverständigengutachten von Frau Mag. Malyar, wo festgestellt wurde, dass afghanische Frauen in Provinzräten vertreten seien, sich aber an die Kleidervorschriften halten müssten um nicht religiöse Verfolgung ausgesetzt zu sein.

Der Behördenvertreter verwies daraufhin auf Bildquellen der Staatendokumentation, die Frauen ohne Kopftuch zeigen. Der Begriff "westliche Kleidung" sei dehnbar. Für diesen Begriff gebe es keine Deutungshoheit. Der Behördenvertreter verwies auf VwGH vom 06.07.2011 2008/19/0994 und 16.01.2008 2006/19/0182. Dieser Judikatur zufolge komme es aus asylrechtlicher Sicht nicht darauf an, ob sich eine Asylwerberin an die rechtlichen Normen anzupassen habe.

Die Vertreterin der BF1-5 brachte im Anschluss an die mündliche Verhandlung eine ergänzende schriftliche Stellungnahme ein, in der sie zusammengefasst auf die für Frauen - insbesondere für Frauen, die einer Berufstätigkeit nachgehen wollen - prekäre Lage verwies, die teilweise sogar aus den vom Behördenvertreter vorgelegten Quellen hervorgehe. Die Vertreterin der BF1-5 verwies weiters auf die schlechte Sicherheitslage in Kabul und auf die besondere Vulnerabilität der minderjährigen Kinder.

Die belangte Behörde erhielt dieses Stellungnahme im Sinne des Parteiengehörs zur Kenntnis. Eine Gegenstellungnahme erfolgte nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF2 führt den Namen XXXX . Sie wurde XXXX im Dorf XXXX , Stadt XXXX , Provinz Herat in eine streng religiöse Familie geboren. Sie ist Sunnitin und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Die BF2 hat etwa fünf Jahre eine Schule besucht und war dann Hausfrau. Die BF2 heiratete den BF1 in Afghanistan gemäß dem dort geltenden Ritus. Am XXXX kam die BF3 zur Welt, am XXXX kam der BF4 zur Welt. Am 15.12. 2015 reiste die Familie nach Österreich ein. In Österreich wurde am XXXX ein weiteres Kind, die BF5 geboren. Die BF2 hat sichin Österreich gut integriert. Sie lernt mit Erfolg Deutsch, engagiert sich in ihrem Wohnheim ehrenamtlich und ist darauf bedacht, dass ihre Kinder in Österreich eine gute Schulausbildung erhalten und den Weg in ein selbstbestimmtes Leben finden. Ihr Mann unterstützt sie im Haushalt und bei der Betreuung der Kinder. Den Deutschkurs besuchen BF2 und BF1 zu verschiedenen Tageszeiten, sodass die BF2 - obwohl sie im Herbst 2018 ein drittes Kind bekommen hat - weiterhin regelmäßig Deutschkurse besuchen kann. Die BF2 pflegt Freundschaften in Österreich. Sie plant in Österreich berufstätig zu sein. Die BF2 kleidet sich so, wie in ihrer österreichischen Wohnumgebung üblich.

Allgemeine Länderfeststellungen:

Quelle: UNHCR- Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30. August 2018, HCR/EG/AFG/18/02:

Afghanistan ist weiterhin von einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt betroffen, bei dem die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF), unterstützt von den internationalen Streitkräften, mehreren regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) gegenüberstehen.

Dem UN-Generalsekretär zufolge steht Afghanistan weiterhin vor immensen sicherheitsbezogenen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Sicherheitslage soll sich insgesamt weiter verschlechtert und zu einer sogenannten "erodierenden Pattsituation" geführt haben. Berichten zufolge haben sich die ANDSF grundsätzlich als fähig erwiesen, die Provinzhauptstädte und die wichtigsten städtischen Zentren zu verteidigen, im ländlichen Raum hingegen mussten sie beträchtliche Gebiete den Taliban überlasssen. Es heißt jedoch, dass die ANDSF mit unhaltbar hohen Ausfallraten und sinkender Moral zu kämpfen haben.

Es wird berichtet, dass die Taliban zum 31. Januar 2018, 43,7 Prozent aller Distrikte Afghanistans kontrolliert oder für sich beansprucht haben. Die Taliban haben ihre Angriffe in Kabul und anderen großen Ballungsräumen verstärkt, mit zunehmenden Fokus auf afghanische Sicherheitskräfte, die große Verluste zu beklagen haben. Das ganze Jahr 2017 hindurch führten die Taliban mehrere umfangreiche Offensiven mit dem Ziel durch, Verwaltungszentren von Distrikten zu erobern. Es gelang ihnen mehrere solcher Zentren unter ihre Kontrolle zu bringen und vorübergehend zu halten. Meldungen zufolge festigten die Taliban gleichzeitig ihre Kontrolle über größtenteils ländliche Gebiete, was ihnen ermöglichte, häufigere Angriffe - insbesondere im Norden Afghanistans - durchzuführen. Es wird berichtet, dass der Islamische Staat (ISIS)52 inzwischen trotz verstärkter internationaler und afghanischer Militäroperationen widerstandsfähig blieb. Sein kontinuierliches Engagement hinsichtlich Auseinandersetzungen sowohl mit der afghanischen Regierung als auch mit den Taliban scheint "anzudeuten, dass die Gruppe ihren geografischen Aktionsradius ausgeweitet und begonnen hat, ihre Präsenz auch über den Osten des Landes hinaus zu festigen". ISIS soll inländische und ausländische militärische Ziele und die Zivilbevölkerung angegriffen haben, wovon insbesondere religiöse Stätten, geistige Führer und Gläubige, Schiiten, Journalisten und Medienorganisationen betroffen waren, sowie Anschläge gegen Ziele verübt haben, die sich anscheinend gegen die internationale Gemeinschaft richteten. Es heißt, dass diese Angriffe konfessioneller Art "eine beängstigende Entwicklung im bewaffneten Konflikt Afghanistans" anzeigten.

Auch von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen wird berichtet, dass sie die Autorität der Regierung in ihrem Einflussbereich untergraben; sie werden auch mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor unbeständig und die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts. In den Jahren nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte 2014 waren eine fortgesetzte Verschlechterung der Sicherheitslage und eine Intensivierung des bewaffneten Konflikts in Afghanistan zu beobachten. Aus Berichten geht hervor, dass die Taliban ihre Offensive zur Ausweitung ihrer Kontrolle über weitere Distrikte fortsetzt, während der Islamische Staat angeblich immer nachdrücklicher seine Fähigkeit unter Beweis stellt, seine geografische Reichweite auszudehnen, was eine weitere Destabilisierung der Sicherheitslage zur Folge hat.

Von dem Konflikt sind weiterhin alle Landesteile betroffen. Seit dem Beschluss der Regierung, Bevölkerungszentren und strategische ländliche Gebiete zu verteidigen, haben sich die Kämpfe zwischen regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) und der afghanischen Regierung intensiviert. Es wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte immer öfter bewusst auf Zivilisten gerichtete Anschläge durchführen, vor allem durch Selbstmordanschläge mit improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und komplexe Angriffe. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) setzen ihre groß angelegten Angriffe in Kabul und anderen Städten fort und festigen ihre Kontrolle über ländliche Gebiete. Es wurden Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit und Effektivität der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) geäußert, die Sicherheit und Stabilität in ganz Afghanistan zu gewährleisten.

Trotz der ausdrücklichen Verpflichtung der afghanischen Regierung, ihre nationalen und internationalen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, ist der durch sie geleistete Schutz der Menschenrechte weiterhin inkonsistent. Große Teile der Bevölkerung einschließlich Frauen, Kindern, ethnische Minderheiten, Häftlinge und anderer Gruppen sind Berichten zufolge weiterhin zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch unterschiedliche Akteure ausgesetzt Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert.

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert. In von der Regierung kontrollierten Gebieten kommt es Berichten zufolge regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen durch den Staat und seine Vertreter. In Gebieten, die (teilweise) von regierungsnahen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden, begehen diese Berichten zufolge straflos Menschenrechtsverletzungen. Ähnlich sind in von regierungsfeindlichen Gruppen kontrollierten Gebieten Menschenrechtsverletzungen, darunter durch die Etablierung paralleler Justizstrukturen, weit verbreitet. Zusätzlich begehen sowohl staatliche wie auch nicht-staatliche Akteure Berichten zufolge außerhalb der von ihnen jeweils kontrollierten Gebiete Menschenrechtsverletzungen. Aus Berichten geht hervor, dass besonders schwere Menschenrechtsverletzungen insbesondere in umkämpften Gebieten weit verbreitet sind.

Berichten zufolge begehen regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) extralegale Hinrichtungen, Folter und Misshandlungen. Sie hinderten Zivilisten zudem an der Ausübung ihrer Rechte auf Bewegungsfreiheit, auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Religionsfreiheit, auf politische Teilhabe sowie auf Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung sowie zu ihrem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) nutzen das Fehlen staatlicher Justizmechanismen oder -dienste dazu aus, eigene, parallele "Justiz"-Strukturen - vor allem, wenn auch nicht ausschließlich - in Gebieten unter ihrer Kontrolle, durchzusetzen. UNAMA stellt fest, dass "alle von einer parallelen Justizstruktur durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen verhängten Strafen nach afghanischem Recht unrechtmäßig sind, eine rechtswidrige Handlung darstellen und als Kriegsverbrechen eingestuft werden können". Zu den durch parallele Justizstrukturen verhängten Strafen zählen öffentliche Hinrichtungen durch Steinigung und Erschießen, Schläge und Auspeitschung sowie Amputation. Berichten zufolge erheben regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) zudem in Gebieten, in denen sie die Einrichtung paralleler Regierungsstrukturen anstreben, illegale Steuern.

Im Juli 2018 äußerte UNAMA Besorgnis über den neuerdings zu beobachtenden Trend, dass regierungsfeindliche Kräfte auf Operationen regierungsnaher Kräfte mit Angriffen auf Schulen und Beamte im Bildungswesen reagieren. Schulen wurden Berichten zufolge außerdem besetzt und für militärische Zwecke benutzt, wodurch ihr geschützter Status nach dem humanitären Völkerrecht gefährdet und den Kindern der Zugang zu Bildung entzogen wurde. Außerdem bleiben Berichten zufolge viele Schulen in Afghanistan aufgrund der vor Ort herrschenden Sicherheitsverhältnisse geschlossen.

Ferner wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte den Zugang zu medizinischer Versorgung beschränken. 2017 dokumentierte UNAMA 75 gegen Krankenhäuser und medizinisches Personal gerichtete Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte mit 31 Toten und 34 Verletzten gegenüber 120 Zwischenfällen mit 10 Toten und 13 Verletzten im Jahr 2016. Außerdem heißt es, dass regierungsfeindliche Kräfte in einigen Teilen des Landes Polio-Impfkampagnen verbieten und wiederum andere Teile aufgrund der vorherrschenden Unsicherheit nicht von Impfhelfern erreicht werden können.

Sogar dort, wo der rechtliche Rahmen den Schutz der Menschenrechte vorsieht, bleibt die Umsetzung der nach nationalem und internationalem Recht bestehenden Verpflichtung Afghanistans diese Rechte zu fördern und zu schützen, in der Praxis oftmals eine Herausforderung. Die Regierungsführung Afghanistans und die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen.

Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, wird durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) untergraben. Ländliche und instabile Gebiete leiden Berichten zufolge unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte seien oftmals aufgrund der Unsicherheit nicht in der Lage, in diesen Gemeinden zu bleiben. Der UN-Ausschuss gegen Folter brachte seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass die Regierung keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten vor Repressalien für ihre Arbeit ergreift.

Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung. Wie oben angemerkt, begehen einige staatliche Akteure, die mit dem Schutz der Menschenrechte beauftragt sind, einschließlich der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei, Berichten zufolge in einigen Teilen des Landes selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Berichten zufolge betrifft Korruption viele Teile des Staatsapparats auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene. Es wird berichtet, dass afghanische Bürger Bestechungsgelder zahlen müssen, um öffentliche Dienstleistungen zu erhalten, etwa dem Büro des Provinzgouverneurs, dem Büro des Gemeindevorstehers und der Zollstelle. Innerhalb der Polizei, so heißt es, sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch. Das Justizsystem sei auf ähnliche Weise von weitverbreiteter Korruption betroffen.

Berichten zufolge wenden sich lokale Gemeinschaften in einigen Gebieten an parallele Justizstrukturen, etwa örtliche Räte oder Ältestenräte oder Gerichte der Taliban, um zivile Streitfälle zu regeln. UNAMA stellt allerdings fest, dass diese Strukturen den Gemeinschaften in der Regel aufgezwungen werden und dass die in diesem Rahmen verhängten Strafen wie Hinrichtungen und Amputationen nach afghanischem Recht kriminelle Handlungen darstellen.

In Gebieten, in denen die Taliban versuchen, die lokale Bevölkerung von sich zu überzeugen, nehmen sie Berichten zufolge eine mildere Haltung ein. Sobald sich jedoch die betreffenden Gebiete unter ihrer tatsächlichen Kontrolle befinden, setzen die Taliban ihre strenge Auslegung islamischer Prinzipien, Normen und Werte durch. Es liegen Berichte über Taliban vor, die für das "Ministerium der Taliban für die Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters" tätig sind, in den Straßen patrouillieren und Personen festnehmen, weil diese sich den Bart abrasiert haben oder Tabak konsumieren. Frauen ist es Berichten zufolge nur in Begleitung ihres Ehemanns oder männlicher Familienmitglieder gestattet, das Haus zu verlassen und ausschließlich zu einigen wenigen genehmigten Zwecken wie beispielsweise einen Arztbesuch. Frauen und Männer, die gegen diese Regeln verstoßen, wurden Berichten zufolge mit öffentlichen Auspeitschungen bestraft, ja sogar getötet. In Gebieten, die von mit dem Islamischen Staat verbundenen Gruppen kontrolliert werden, wird Berichten zufolge ein sittenstrenger Lebensstil durch strikte Vorschriften und Bestrafungen durchgesetzt. Es wird berichtet, dass Frauen strenge Regeln, einschließlich Kleidungsvorschriften, und eingeschränkte Bewegungsfreiheit auferlegt wurden.

Die Regierung hat seit 2001 eine Reihe von Schritten zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Verabschiedung von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe der Frauen und die Schaffung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten. Allerdings stieß die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung immer wieder auf Widerstände. Das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen wurde 2009 durch Präsidialerlass verabschiedet, doch lehnten es konservative Parlamentsabgeordnete und andere konservative Aktivisten weiterhin ab. Das überarbeitete Strafgesetzbuch Afghanistans, das am 4. März 2017 mit Präsidialerlass verabschiedet wurde, enthielt ursprünglich alle Bestimmungen des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und stärkte die Definition des Begriffs Vergewaltigung. Jedoch wies Präsident Ghani das Justizministerium im August 2017 angesichts der Ablehnung durch die Konservativen an, das diesem Gesetz gewidmete Kapitel aus dem neuen Strafgesetzbuch zu entfernen. Das neue Strafgesetzbuch trat im Februar 2018 in Kraft, während in einem Präsidialerlass klargestellt wurde, dass das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen von 2009 als eigenes Gesetz weiterhin Geltung hat.

Laut Berichten, halten sich die Verbesserungen in der Lage der Frauen und Mädchen insgesamt sehr in Grenzen. Laut der Asia Foundation erschweren "der begrenzte Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, ungerechte Bestrafungen für Verbrechen gegen die Sittlichkeit, ungleiche Teilhabe an der Regierung, Zwangsverheiratung und Gewalt" nach wie vor das Leben der Frauen und Mädchen in Afghanistan. Es wird berichtet, dass 80 Prozent der Selbstmorde in Afghanistan von Frauen begangen werden und sich manche von ihnen durch Selbstverbrennung das Leben nehmen.

Die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan (AIHRC) stellte fest, dass Gewalt gegen Frauen noch immer eine "weit verbreitete, allgemein übliche und unleugbare Realität" ist und dass Frauen in unsicheren Provinzen und im ländlichen Raum besonders gefährdet durch Gewalt und Missbrauch sind. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte sehr oft straflos bleiben. Sexuelle Belästigung und die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleiben, so die Berichte, endemisch.

Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen Berichten zufolge überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.

Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz der Frauenrechte weiterhin nur langsam umgesetzt werden, vor allem was das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen betrifft. Das Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge jedoch der Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend werde es nicht vollständig angewendet, insbesondere in ländlichen Gebieten. Frauen hätten nur in sehr geringem Maße Zugang zur Justiz. Die überwiegende Mehrheit der Fälle von gegen Frauen gerichteten Gewaltakten, einschließlich schwerer Verbrechen gegen Frauen, würden noch immer nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen geschlichtet, anstatt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt.

Das schiitische Personenstandsgesetz, das Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung und Erbrecht für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft regelt, enthält mehrere für Frauen diskriminierende Bestimmungen, insbesondere in Bezug auf Vormundschaft, Erbschaft, Ehen von Minderjährigen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit außerhalb des Hauses.

"Trotz der Forderungen nach Bildung für Mädchen wirken sich die vorherrschenden Geschlechternormen nachteilig auf Mädchen aus und verwehren ihnen den Zugang zu Bildung. Nachteilige Geschlechternormen sind auch der Grund dafür, dass die Barrieren, die den Mädchen den Zugang zu Bildung erschweren, unverhältnismäßige Auswirkungen auf die Mädchen haben." [Übersetzung druch UNHCR]. HRW, "I Won't Be A Doctor, and One Day You'll Be Sick": Girls' Access to Education in Afghanistan, 17. Oktober 2017, http://www.refworld.org/docid/59e5af3e4.html.

"Es sind insbesondere die schutzbedürftigsten Gruppen, wie Frauen und Mädchen, die eher an Mangelernährung leiden. Armut ist geschlechtsspezifisch und es besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, dass Frauen häufiger als Männer von Armut betroffen sind [...] Genauso wie Frauen aufgrund patriachalischer Normen und Strukturen nur einen beschränkten Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung haben, so ist auch deren Zugang zu Nahrung und Lebensmitteln beschränkt." [Übersetzung durch UNHCR]. Heinrich Böll Foundation, Food Discrimination Against Women in Afghanistan, 7. August 2017,

https://www.boell.de/en/2017/08/07/food-discrimination-against-women-afghanistan.

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Afghanistan ist nach wie vor weit verbreitet: Die Zahl der angezeigten Fälle nimmt zu, doch die Dunkelziffer dürfte weit höher sein als die angezeigten Fälle. Im März 2018 bezeichnete die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan Gewalt gegen Frauen als "eine der größten Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte in Afghanistan". Dazu gehören "Ehrenmorde", Entführungen, Vergewaltigungen, sexuelle Belästigung, erzwungene Schwangerschaftsabbrüche und häusliche Gewalt.

Der Zugang zur Justiz wird für Frauen, die Gewalttaten anzeigen möchten, zusätzlich durch die Tatsache erschwert, dass der Anteil der Frauen unter den Polizeikräften im Land nur bei etwas unter zwei Prozent liegt, da Polizistinnen weitgehend stigmatisiert werden. Berichten zufolge sind Polizistinnen selbst der Gefahr von sexueller Belästigung und von Übergriffen am Arbeitsplatz, unter anderem der Vergewaltigung durch männliche Kollegen, ausgesetzt. Sie seien außerdem durch gewalttätige Angriffe seitens regierungsfeindlicher Kräfte gefährdet.

Berichten zufolge besteht Straflosigkeit bei Handlungen von sexueller Gewalt auch deswegen weiter fort, weil es sich bei den mutmaßlichen Vergewaltigern in einigen Gebieten um mächtige Befehlshaber oder Mitglieder bewaffneter Truppen oder krimineller Banden handelt oder um Personen, die zu solchen Gruppen oder einflussreichen Personen Kontakt haben und von ihnen vor Inhaftierung und Strafverfolgung geschützt werden.

Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative:

Eine Bewertung der Möglichkeiten für eine Neuansiedlung setzt eine Beurteilung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative voraus. In Fällen, in denen eine begründete Furcht vor Verfolgung in einem bestimmten Gebiet des Herkunftslandes nachgewiesen wurde, erfordert die Feststellung, ob die vorgeschlagene interne Schutzalternative eine angemessene Alternative für die betreffende Person darstellt, eine Bewertung, die nicht nur die Umstände berücksichtigt, die Anlass zu der begründeten Furcht gaben und der Grund für die Flucht aus dem Herkunftsgebiet waren. Auch die Frage, ob das vorgeschlagene Gebiet eine langfristig sichere Alternative für die Zukunft darstellt, sowie die persönlichen Umstände des jeweiligen Antragstellers und die Bedingungen in dem Gebiet der Neuansiedlung müssen berücksichtigt werden. Wenn eine interne Schutzalternative im Zuge eines Asylverfahrens in Betracht gezogen wird, muss ein bestimmtes Gebiet für die Neuansiedlung vorgeschlagen werden und es müssen alle für die Relevanz und Zumutbarkeit des vorgeschlagenen Gebiets im Hinblick auf den jeweiligen Antragsteller maßgeblichen allgemeinen und persönlichen Umstände soweit wie möglich festgestellt und gebührend berücksichtigt werden. Dem Antragsteller muss eine angemessene Möglichkeit gegeben werden, sich zu der angenommenen Relevanz und Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative zu äußern. Eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben; sie ist ferner in den von aktiven Kampfhandlungen zwischen regierungsnahen und regierungsfeindlichen Kräften oder zwischen verschiedenen regierungsfeindlichen Kräften betroffenen Gebieten nicht gegeben.

Hat der/die Antragsteller/in begründete Furcht vor Verfolgung, die von Mitgliedern der Gesellschaft aufgrund schädlicher traditioneller Bräuche und religiöser Normen ausgeht, die Verfolgungscharakter aufweisen, so muss die Akzeptanz solcher Normen und Bräuche in weiten Teilen der Gesellschaft und die einflussreichen konservativen Elemente auf allen Ebenen der Regierung als ein Faktor in Betracht gezogen werden, der gegen die Relevanz der internen Schutzalternative spricht. UNHCR vertritt den Standpunkt, dass verbunden mit den Nachweisen in Abschnitt II.C. betreffend die eingeschränkte Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten, davon auszugehen ist, dass die Erwägung einer internen Schutzalternative in diesen Fällen nicht relevant ist.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, durch Einsichtnahme in die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokumente - diese werden in Punkt 1. "Verfahrensgang" im einzelnen genannt - durch Einsichtnahme in die zitierten allgemeinen Länderfeststellungen sowie durch Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2019. Die Identität der BF2 erscheint unbedenklich. Ihr gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern bestehender aktueller Wohnort ergibt sich aus dem zentralen Melderegister der Republik Österreich. Die strafrechtliche Unbescholtenheit der BF2 und des BF1 ergibt sich aus dem Strafregister der Republik Österreich.

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die Angaben des BF2 und die von ihr vorgelegten Ausbildungsnachweise. Die Angaben der BF2 bezüglich ihres Lebens in Afghanistan stehen auch mit den aktuell verfügbaren Länderberichten über die Situation in Afghanistan im Einklang. Die Aussagen des BF1 haben die Vorbringen der BF2 bezüglich ihres Lebensalltags in Österreich bestätigt.

Soweit der Vertreter der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2019 auf Quellen (wie oben näher dargelegt) verweist, die Beispiele von Frauen und Frauengruppen zeigen, welche Sport betreiben, als Studentinnen das Straßenbild prägen und verantwortungsvolle Positionen in der Berufswelt erlangen können, so zeigen diese Beiträge, dass hier das Straßenbild jeweils im Zentrum der Großstädte Kabul und Mazar e Sharif geschildert und Frauen aus finanziell privilegierten Bevölkerungsschichten herausgegriffen wurden, die im Übrigen bei ihren sportlichen Aktivitäten aufwändig geschützt werden müssen. Darauf deutet etwa der Hinweis hin, dass die städtischen Parks in Mazar-e-Sharif für die Öffentlichkeit gesperrt werden, bevor eine Gruppe von Frauen dort joggen gehen kann (S. 29 des Fact finding Mission Reports Afghanistan des BFA von April 2018). Für die BF2 ist aus diesen Quellen nichts Entscheidungswesentliches abzuleiten: Die BF2 hatte erstmals in Österreich die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Sie hat diese sich ihr bietenden Weiterbildungsmöglichkeiten von Beginn an konsequent ergriffen und ihre Chancen, in Österreich einen Beruf ergreifen zu können, bereits entscheidend verbessert. Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass sich die BF2 im Fall ihrer Rückkehr etwa nach Mazar e Sharif mit ihrem Mann und ihren drei minderjährigen Kindern im modernen Zentrum dieser Stadt niederlassen und dort einen Beruf ergreifen könnte. Was jene Bezirke dieser Stadt betrifft, wo im Allgemeinen Rückkehrer und Zuwanderer aus ländlichen Regionen Unterkunft finden werden, so können die vom Vertreter der belangten Behörde vorgelegten Beispiele einer liberal gesinnten Wohnumgebung nicht eins zu eins herangezogen werden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die BF2 dort ein ähnlich riskantes Leben hätte, wie das bezüglich ländlicher Regionen Afghanistans bekannt ist. Es war daher auf die UNHCR- Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30. August 2018, HCR/EG/AFG/18/0 zurückzugreifen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 3. AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen is

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

§ 11 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die "begründete Furcht vor Verfolgung".

Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 17.3.2009, 2007/19/0459 ausgesprochen hat, wird die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Der für die Annahme einer aktuellen Verfolgungsgefahr erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den behaupteten Misshandlungen und dem Verlassen des Landes besteht auch bei länger zurückliegenden Ereignissen dann, wenn sich der Asylwerber während seines bis zur Ausreise noch andauernden Aufenthaltes im Lande verstecken oder sonst durch Verschleierung seiner Identität der Verfolgung einstweilen entziehen konnte. Ab welcher Dauer eines derartigen Aufenthaltes Zweifel am Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung begründet erscheinen mögen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. VwGH 94/20/0793 vom 7.11.1995).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH 27.06.1995, 94/20/0836; VwGH 23.07.1999, 99/20/0208; VwGH 21.09.2000, 99/20/0373; VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; VwGH 12.09.2002, 99/20/0505 sowie VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177) liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates liegt nicht schon dann vor, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine BürgerInnen gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen (vgl. VwGH 2006/01/0191 vom 13.11.2008); Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates ist jedoch dann gegeben, wenn der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 22.03.2003, 99/01/0256). Für eine/n Verfolgte/n macht es nämlich keinen Unterschied, ob er/sie aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm/ihr dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm/ihr nicht möglich bzw im Hinblick auf seine/ihre wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen.

Die Voraussetzungen der GFK sind nur dann gegeben, wenn der Flüchtling im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet. (VwGH 8.10.1980, VwSlg. 10.255).

Verfolgungsgefahr muss nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem/der Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden. Vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der/die Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er/sie könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; 22.10.2001 2000/01/0322).

Rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhaltes:

Die BF2 befindet sich aus wohlbegründeter Furcht aus Gründen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten Frauen außerhalb Afghanistans. Die BF2 hätte im Fall ihrer Rückkehr nach Afghanistan eine sie in ihrer Gesamtheit bedrohende Situation von asylrechtlicher Relevanz zu erwarten. In ihrem Heimatland würde die BF2 infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt keinen ausreichenden Schutz vor konkretenr Verfolgung finden. Die von der BF2 dargelegte Furcht vor Verfolgung ist daher dem Staat Afghanistan zuzurechnen. Die von BF2 dargelegte Verfolgung hat ihre Ursache in einem Grund, welchen Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt. Sie ist Ursache dafür, dass sich die BF2 außerhalb ihres Heimatlandes befindet. Die von der BF2 erwartete Verfolgung ist als ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der BF2 anzusehen. Sie ist geeignet, die Unzumutbarkeit ihrer Rückke

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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