TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/19 W165 2206407-1

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Veröffentlicht am 19.06.2019
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Entscheidungsdatum

19.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W165 2206407-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.09.2018, Zl. 1201825902-180740190/BMI-EAST_WEST, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 4a, § 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige Somalias, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo diese am 05.08.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Zur Person der BF liegt eine EURODAC- Treffermeldung der Kategorie "1" zu Italien vom 04.09.2016 vor.

In ihrer polizeilichen Erstbefragung am 06.08.2018 brachte die BF vor, dass sich ihre (erwachsene) Tante und ihre (erwachsene) Cousine in Österreich aufhalten würden. Die Mutter der BF und die sechs minderjährigen Kinder der BF würden sich im Herkunftsstaat befinden. Die BF leide an keinen Beschwerden oder Krankheiten, die sie an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Sie sei im Juni 2015 mit dem Auto von Somalia über Kenia, Uganda und den Südsudan gereist und habe sich in weiterer Folge über Libyen nach Italien in das Gebiet der Mitgliedstaaten begeben, wo sie am 04.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Sie habe sehr lange gewartet, dann habe man ihr gesagt, dass sie das Land verlassen müsse. Das Leben in Italien sei sehr schwierig, sie habe am Bahnhof schlafen müssen. Im Fall einer Rückkehr nach Italien würde man keine Unterkunft oder Nahrung erhalten. Sie habe in keinem Land ein Visum oder einen Aufenthaltstitel erhalten.

Am 07.08.2018 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Im Folgenden: BFA) ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO an Italien.

Mit Schreiben an das BFA vom 20.08.2018 gab die italienische Dublin-Behörde bekannt, dass der BF in Italien subsidiärer Schutz (gültig bis 19.09.2022) zuerkannt worden sei.

Am 03.09.2018 erfolgte eine Einvernahme der BF vor dem BFA. Die BF gab an, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die Einvernahme durchzuführen. Sie habe im Rahmen ihrer Erstbefragung die Wahrheit angegeben und in Österreich keine Verwandten, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestünde. In Italien sei sie insgesamt nicht ganz zwei Jahre aufhältig gewesen. Sie habe Hautjuckreiz und Ausschläge gehabt, jedoch keine Hilfe erhalten. Sie wisse nicht, ob es eine Hilfsorganisation gegeben habe, sie sei in Italien jedenfalls auf der Straße gewesen und habe keinen Schlafplatz gehabt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sie sich nach Italien zurückzubegeben habe (Spruchpunkt I). Gleichzeitig wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt II) und die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Italien wurden in dem angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

Anerkannte Flüchtlinge / subsidiär Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten Aufenthaltsberechtigungen für jeweils 5 Jahre. Bei humanitärem Aufenthalt gelten diese 2 Jahre. Um diese zu erhalten brauchen die Schutzberechtigten eine Meldeadresse, was manchmal ein Problem sein kann, vor allem bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung, welche postalisch beantragt werden muss. Laut Gesetz haben in SPRAR-Strukturen untergebrachte Schutzberechtigte ein Recht darauf für 6 weitere Monate untergebracht zu bleiben; in besonderen Fällen auch für 12 oder mehr Monate. Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge, die im SPRAR-System untergebracht sind, werden in der Regel in ihrem Integrationsprozess durch individualisierte Projekte mit Berufsausbildung und Praktika unterstützt. Das Angebot ist aber von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Die Kapazität des SPRAR-Systems ist aber begrenzt. Bei Unterbringung in anderen Strukturen, ist die Praxis nicht einheitlich. In vielen temporären Aufnahmezentren (CAS), ist ein Verbleib Schutzberechtigter entweder nicht vorgesehen, oder auf wenige Tage beschränkt. Unbegleitete Minderjährige, welche die Volljährigkeit erreichen, dürfen für 6 weitere Monate in der Unterbringung bleiben. Rechtlich haben anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte Zugang zu Sozialwohnungen wie italienische Staatsbürger. Die Aufenthaltsberechtigung in Italien berechtigt die Inhaber eines Schutzstatus auch zu Zugang zum Arbeitsmarkt im selben Ausmaß wie italienische Staatsbürger. Mittel für die Berufsausbildung oder andere Integrationsprogramme für Asylwerber und Schutzberechtigte können durch nationale öffentliche Mittel (8xmille) oder den EU-Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) bereitgestellt werden. Die im Rahmen des AMIF finanzierten Projekte sind jedoch in Bezug auf die Tätigkeit und die Anzahl der Begünstigten sehr begrenzt. Auch Gemeinden können berufliche Schulungen, Praktika und spezifische Beschäftigungsstipendien finanzieren ("borse lavoro"), die für Italiener sowie Ausländer (auch Asylbewerber und Schutzberechtigte) zugänglich sind. Wie Asylwerber, müssen sich Personen mit einem Schutzstatus in Italien beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Die Registrierung gilt für die Dauer der Aufenthaltserlaubnis und erlischt auch nicht während einer etwaigen Verlängerungsphase. Probleme beim Zugang zu medizinischer Versorgung für Schutzberechtigte können durch das Fehlen einer Meldeadresse entstehen. In einigen Regionen Italiens sind Schutzberechtigte nicht mehr von der Praxisgebühr ("Ticket") ausgenommen. In manchen Regionen gilt die Befreiung weiter, bis die Schutzberechtigten einen Arbeitsplatz finden (AIDA 2.2017).

Die formellen Bemühungen, Flüchtlinge in die italienische Gesellschaft zu integrieren, sind begrenzt. Darüber hinaus schränkt die hohe Arbeitslosigkeit die Möglichkeit einer legalen Beschäftigung für viele Flüchtlinge ein. Nicht-Italiener werden auf dem Arbeitsmarkt weiterhin diskriminiert und die entsprechenden rechtlichen Schutzbestimmungen werden nicht effizient genug umgesetzt. (USDOS 3.3.2017).

Die sozioökonomische Integration von Schutzberechtigten ist de facto an die Regionen delegiert. Die Regionen haben dabei weitreichende Kompetenzen zur Regelung sozialer Belange. Insgesamt ist das Niveau der Integration von Flüchtlingen zwischen einzelnen Regionen und Gemeinden sehr unterschiedlich und unklare Kompetenzverteilungen verkomplizieren die Abläufe. Aufgrund der Wirtschaftskrise gab es budgetäre Kürzungen mit unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die Unterstützung Schutzberechtigter. Die Integrationsaussichten Schutzberechtigter in Italien sind damit begrenzt. Die Ausübung bestimmter Rechte bedingt angeblich das Vorhandensein von Dokumenten, welche viele Schutzberechtigte nicht haben und aus ihren Herkunftsstaaten auch nicht erhalten können (UNHCR 3.2015).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 11.5.2017

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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (3.2015): Submission by the United Nations High Commissioner for Refugees For the Office of the High Commissioner for Human Rights' Compilation Report - Universal Periodic Review: Italy, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1430987595_5541e115d.pdf, Zugriff 11.5.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Italy,

https://www.ecoi.net/local_link/337159/466919_en.html, Zugriff 11.5.2017

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann in Bezug auf medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger. Das Recht auf medizinische Versorgung erfolgt im Moment der Registrierung eines Asylantrags, der wiederum von der Zuweisung eines "codice fiscale" (Steuer-Codes) abhängt, der von den Quästuren im Zuge der Formalisierung des Asylantrags vergeben wird. Das kann Wochen oder sogar Monate dauern, zumal 2016 ein eigenes Steuercode-System für Asylwerber eingeführt wurde. Bis dahin haben Asylsuchende nur Zugang zu medizinischen Basisleistungen wie etwa einer Notfallversorgung, wie sie gemäß Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes (TUI) auch illegalen Migranten zusteht. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen:

freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung; kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern (AIDA 2.2017).

Asylwerber und Schutzberechtigte können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei der ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr ("Ticket") bezahlen. Die Praxis ist aber nicht im ganzen Land einheitlich. Auch bezüglich der Verlängerung der Befreiung gibt es regional unterschiedliche Regelungen. Die Sprachbarriere ist das größte Zugangshindernis zu medizinischer Versorgung. Asylwerber und Schutzberechtigte mit psychischen Problemen (z.B. Folteropfer) haben das Recht auf dieselbe Behandlung wie italienische Staatsbürger. Seit April 2016 existiert in Rom ein NGO-Projekt zur Indentifizierung und Rehabilitation von Folteropfern (AIDA 2.2017).

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung wird in der Praxis dadurch beeinträchtigt, dass viele Asylwerber und Schutzberechtigte nicht über ihre Rechte und das administrative Verfahren zum Erhalt einer Gesundheitskarte informiert sind. Dies gilt insbesondere, wenn sie sich in einer prekären Wohnsituation befinden (SFH 8.2016).

Auch illegal aufhältige Personen können von medizinischen Notdiensten usw. Gebrauch machen. Die Gesetze verbieten es dem medizinischen und Verwaltungspersonal, die Polizei bezüglich illegaler Migranten zu informieren (UNHRC 21.7.2014).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017

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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):

Auskunft MedCOI, per E-Mail

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SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.2016): Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1472034789_160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf, Zugriff 11.4.2017

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UNHRC - United Nations Human Rights Council (21.7.2014): National report submitted by the Government of Italy, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1414580593_g1408921.pdf, Zugriff 27.4.2016

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die Identität der BF in Ermangelung geeigneter heimatstaatlicher, identitätsbezeugender Dokumente nicht feststehe. Die BF leide an Juckreiz und Hautausschlag. Dass sie an schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten leide, habe die BF weder behauptet noch sei dies aus der Aktenlage ersichtlich. Aufgrund des Schreibens der italienischen Behörden vom 20.08.2018 stehe fest, dass die BF in Italien den Status einer subsidiär Schutzberechtigten erlangt habe. Sie habe eine Tante und eine Cousine in Österreich, sie habe in Österreich jedoch keine Angehörigen oder sonstige Verwandten, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestünde. Die Länderfeststellungen würden sich aus den zitierten unbedenklichen Quellen ergeben. Bezüglich der von der erkennenden Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation im Mitgliedstaat sei festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen seien. Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen worden seien, werde angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums beziehe, aufgrund der nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell zu bezeichnen seien. Im gegenständlichen Fall sei die BF erst 2018 in Österreich eingereist, womit ihr Aufenthalt im Bundesgebiet jedenfalls weniger als die in § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG normierte Dauer betrage. Die BF habe keinen zu berücksichtigenden Bezug zu Österreich und führe auch an, erstmals in Österreich zu sein. Da ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 und gemäß § 9 BFA-VG keine Verletzung von Art. 8 EMRK ersichtlich sei, sei diese Entscheidung mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden.

Gegen den Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen geltend gemacht, dass in Österreich die Tante und die Cousine mütterlicherseits leben würden, zu welchen die BF Kontakt halte. Die BF fühle sich in Österreich wohl und sehr gut versorgt. Die BF habe längere Zeit an einem allergischen Ausschlag gelitten, welcher in Österreich erfolgreich behandelt worden sei, worüber die BF sehr erleichtert sei. Den Ausschlag habe sich die BF zugezogen, weil sie in Italien unter schlechten hygienischen Bedingungen leben habe müssen. Auch im Asylverfahren würden die Prinzipien des Grundsatzes der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes und der Wahrung des Parteiengehörs gelten. Diesen Anforderungen habe die belangte Behörde nicht genügt und das Verfahren dadurch mit Mangelhaftigkeit belastet. Der belangten Behörde sei im konkreten Fall ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen. Nach der Judikatur des VfGH wäre daher im konkreten Fall eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob der BF in Italien eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, erforderlich gewesen. Eine derartige Einzelfallprüfung sei von der belangten Behörde nicht durchgeführt worden. Die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen zur Situation in Italien würden die Aussagen der BF untermauen, wonach die Unterbringung und Versorgung mit Nahrungsmitteln nur unzureichend sichergestellt sei. Die von der belangten Behörde durchgeführte Beweiswürdigung entspreche nicht den Erfordernissen einer schlüssigen Beweiswürdigung im Sinne der ständigen Judikatur des VwGH. Aufgrund der unzureichenden Ermittlungen über die tatsächliche Situation in Italien seien sowohl die Beweiswürdigung als auch die daraus folgende rechtliche Beurteilung unrichtig. Vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte hätte die belangte Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass es wahrscheinlich sei, dass die BF im Falle der Überstellung nach Italien weder über eine Unterkunft noch über eine angemessene Versorgung verfügen werde. Die BF habe auch nach Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten unter katastrophalen Bedingungen gelebt und sei ohne die Angabe nachvollziehbarer Gründe von ihrem Unterkunftgeber auf die Straße gesetzt worden und habe keine Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeit gehabt. Es wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Am 28.10.2018 wurde die BF auf dem Luftweg nach Italien überstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF, eine Staatsangehörige Somalias, stellte erstmals am 04.09.2016 in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz (EURODAC-Treffermeldung der Kategorie "1"zu Italien vom 04.09.2016). In der Folge wurde der BF in Italien der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (aktuell aufrecht bis 19.09.2022). Die BF begab sich illegal in das österreichische Bundesgebiet, wo diese am 05.08.2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz einbrachte.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Italien an.

Insoweit seit den der Entscheidung zu Grunde gelegten Länderberichten Änderungen eingetreten sind, ist davon auszugehen, dass diese zu keiner maßgeblichen Verschlechterung der Bedingungen von Asylwerbern und Flüchtlingen geführt haben. Aufgrund des "Salvini-Dekrets" vom 28.11.2018 soll das SPRAR-System zwar nunmehr nur mehr unbegleiteten minderjährigen Asylwerbern und anerkannten Schutzberechtigten zugänglich sein. Andere Asylwerber inkl. Dublin-Rückkehrer sollen bis zum Abschluss ihres Verfahrens in den CAS/CARA verbleiben. Laut italienischem Innenministerium kann jedoch eine adäquate Versorgung sichergestellt werden (VB 17.12.2018). Bei den Kernleistungen (Sozialbetreuung, Information, soziokulturelle Mediation, sanitäre Einrichtungen sowie Startpaket, Taschengeld und Telefonkarte) soll es zu keiner Kürzung oder Streichung kommen. Lediglich Integrationsmaßnahmen seien in der neuen Systematik Personen mit internationalem Schutz vorbehalten (VB 17.12.2018).

Konkrete, in der Person der BF gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im Zielstaat sprechen würden, liegen nicht vor.

Die BF leidet laut eigenen unbelegt gebliebenen Angaben an Hautjuckreiz und einem allergischen Hautausschlag, der mittlerweile erfolgreich behandelt wurde. Die angegebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind nicht als lebensbedrohlich einzustufen.

In Österreich leben eine erwachsene Tante und eine erwachsene Cousine der BF. Zwischen der BF und den genannten Verwandten bestehen laut eigener Angabe der BF weder finanzielle noch sonstige Abhängigkeiten.

Die Mutter der BF und die sechs minderjährigen Kinder der BF leben im Herkunftsstaat.

Hinweise auf das Vorliegen von Umständen, die für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen in Betracht kommen könnten, bestehen nicht.

Am 28.10.2018 wurde die BF auf dem Luftweg nach Italien überstellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Asylantragstellung der BF in Italien am 04.09.2016 und die Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien, aktuell bis zum 19.09.2022, ergeben sich aus der diesbezüglichen EURODAC-Treffermeldung im Zusammenhalt mit dem Vorbringen der BF und den mit Italien geführten Konsultationen, welche aktenkundig sind.

Die Gesamtsituation von Schutzberechtigten in Italien resultiert aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF und zu den privaten und familiären Verhältnissen der BF ergeben sich aus ihren Angaben im Verfahren sowie der Aktenlage.

Die am 28.10.2018 erfolgte Überstellung der BF auf dem Luftweg nach Italien folgt aus dem diesbezüglichen Bericht der LPD Niederösterreich vom 28.10.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

§ 4a Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs. 5 gilt sinngemäß.

...

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

...

§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

...

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idgF lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 21 Abs. 5 BFA-VG idgF lautet:

§ 21 (5) Wird gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme Beschwerde

beim Bundesverwaltungsgericht erhoben und hält sich der Fremde zum Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet auf, so hat das Bundesverwaltungsgericht festzustellen, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war. War die aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht rechtmäßig, ist die Wiedereinreise unter einem zu gestatten.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine

Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen, wonach der BF in Italien aufgrund einer dort erfolgten Asylantragsstellung bereits der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und diese somit in Italien Schutz vor Verfolgung gefunden hat, ging das BFA zutreffend davon aus, dass sich ihr nunmehr in Österreich gestellter Antrag auf internationalen Schutz im Lichte des § 3 AsylG 2005 wegen Unzuständigkeit Österreichs als unzulässig erweist.

Die Wahrnehmung dieser Unzuständigkeit Österreichs wäre lediglich dann als unzulässig anzusehen, wenn die BF dadurch in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt würde. Dies trifft allerdings aufgrund der vorzunehmenden Interessensabwägung, wie im Folgenden dargelegt wird, im vorliegenden Fall nicht zu:

Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat kann jedoch ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr, im Zielstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden, rechnen muss. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben.

Es entspricht ebenfalls ständiger Judikatur des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ. Es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, wofür die Behörden verantwortlich gemacht werden können (EGMR 27.05.2008 (GK), 26565/05, N./Vereinigtes Königreich Rz 29; 28.02.2008 (GK), 37201/06, Saadi/Italien Rz 134).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt zwar nicht, dass der italienische Staat Probleme bei der lückenlosen Versorgung von Asylwerbern hat. Jedoch ist zum heutigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass Überstellungen nach Italien allgemein die EMRK oder GRC verletzen (siehe dazu die Entscheidungen des EGMR vom 02.04.2013, Rs 27725/10 Mohammed Hussein/Niederlande und Italien; vom 18.06.2013, Rs 73874/11 Abubeker/Österreich und Italien; vom 18.06.2013, Rs 53852/11 Halimi/Österreich und Italien; vom 04.11.2014, Rs 29217/12 Tarakhel/Schweiz).

Der EGMR kam mehrfach zu der Beurteilung, dass in Italien eine Situation systemischer Mängel wie in Griechenland nicht vorliegt (z. B. EGMR 02.04.2013, 27725/10, Mohammed Hussein u. a.). Es sprach der EGMR in seinem Urteil vom 04.11.2014, Große Kammer, 29217/12, Tarakhel, Rn. 114, ausdrücklich aus, dass die Lage in Italien in keiner Weise mit der in Griechenland zum Zeitpunkt des Urteils M.S.S. verglichen werden kann, als es weniger als 1.000 Unterbringungsplätze für zehntausende Asylwerber gab und in großem Umfang Bedingungen äußerster Armut bestanden. Zuletzt hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 05.02.2015, A.M.E./Niederlande, wiederholt, dass die gegenwärtige Situation in Italien nicht mit der Situation in Griechenland zur Zeit der Entscheidung M.M.S./Belgien vergleichbar ist und dass die generelle Aufnahmesituation nicht ein Hindernis für die Überstellung von allen Asylwerbern bilde.

Wie im angefochtenen Bescheid dargelegt wurde, gewährleistet Italien grundsätzlich ausreichend Schutz für Flüchtlinge und ist somit nicht zu erkennen, dass die BF im Falle einer Überstellung nach Italien Gefahr liefe, in ihren von Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden. So haben Personen mit Schutzstatus dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf die medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Schutzberechtigte haben weiters Zugang zu Unterbringung in den SPRAR-Projekten der Gemeinden. Dass in diesem Land möglicherweise geringere Integrationsmöglichkeiten bestehen, als in anderen europäischen Ländern, verletzt die BF nicht in ihren Grundrechten. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die BF in Italien keinerlei Existenzgrundlage vorfände. So ist zu bedenken, dass grundsätzlich anerkannte Flüchtlinge bzw. Personen mit einem Aufenthaltsrecht nach einer Übergangsphase der Unterstützung gehalten sind, ihre Existenz - so wie auch alle Staatsbürger eines Landes - selbst zu erwirtschaften, wobei nach den Länderfeststellungen auch der Zugang zu Jobtrainings und Praktika - wie für italienische Staatsbürger - gegeben ist. Im Hinblick darauf, dass die BF jung und arbeitsfähig ist und an keinen schweren Erkrankungen leidet, ist es dieser unter Anspannung ihrer Kräfte möglich und zumutbar, sich um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen. Da auch die eigenen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates mitunter mit minder günstigen Lebensbedingungen wie einer widrigen Arbeits- und Wohnungsmarktsituation konfrontiert sind und sich dieser stellen müssen, kann nicht erkannt werden, dass die BF durch eine Rückstellung nach Italien in eine existenzbedrohende Situation geraten würde.

Die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 ist bezüglich Italien als unverändert aufrecht anzusehen. So hat der VwGH jüngst in seinem Erkenntnis vom 20.06.2017, Ra 2016/01/0153-16, RZ 33,35, ausgesprochen, dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 dann als erschüttert zu erachten wäre, wenn sich die Lage im Mitgliedstaat durch den in jüngster Zeit erfolgten massiven Zustrom von Asylwerbern ändern würde und infolgedessen für den betroffenen Fremden ein "real risk" einer dem Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC widersprechenden Behandlung in diesem Mitgliedstaat bestünde, wofür es jedoch über den - als notorisch anzusehenden - erhöhten Zustrom von Asylwerbern hinaus konkreter Hinweise bedarf. Solches wurde weder vorgebracht noch liegen dem Bundesverwaltungsgericht entsprechende Hinweise vor.

Die BF gehört keiner vulnerablen Personengruppe an, sodass eine Einzelfallzusicherung Italiens im Sinne der Tarakhel-Entscheidung des EGMR, dem ein Fall einer Familie mit mehreren minderjährigen Kindern zugrunde gelegen ist, deren gemeinsame und kindgerechte Unterbringung sicherzustellen war, nicht erforderlich war.

Medizinische Krankheitszustände, Behandlung in Italien:

Wie festgestellt, leidet die BF an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die BF hat (unbelegt) Juckreiz und einen Hautausschlag vorgebracht, der jedoch laut Beschwerdevorbringen mittlerweile erfolgreich behandelt wurde.

Für den Fall, dass die BF eine ärztliche Behandlung benötigen sollte, ist der Zugang zu einer solchen nach den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides im zuständigen Mitgliedstaat jedenfalls gewährleistet. Asylwerber und Personen mit Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren lassen und haben damit dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Dies gilt nach den Länderfeststellungen sowohl für untergebrachte als auch für nicht untergebrachte Asylwerber und auch für solche Personen, die kein Recht mehr auf Unterbringung haben.

Im Übrigen hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Vgl. VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9 und die darin behandelte relevante Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK, EGMR im Fall D./Vereinigtes Königreich vom 02.05.1997 zu 30240/96).

Auch aus der rezenten Rechtsprechung des VwGH vom 28.04.2015, Ra 2014/19/0172-8, ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Italien nicht gegeben wäre.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Auch im Übrigen konnte die BF keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, welche für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, glaubhaft machen, weshalb die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Schließlich hätte die BF die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen ihrer Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Italien und letztlich beim EGMR geltend zu machen.

Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Verfassungsgerichtshofes nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 12.01.2010, 47486/06, A. W. Khan, RN 32; VfGH 09.06.2006, B 1277/04; VwGH 25.04.2008, 2007/20/0720 bis 0723).

Im gegenständlichen Fall leben eine erwachsene Tante und eine erwachsene Cousine der BF in Österreich. Wechselseitige Abhängigkeitsverhältnisse zu diesen Verwandten im Sinne der vorab dargestellten Rechtsprechung sind jedoch nicht vorhanden. So bestehen laut eigener Aussage der BF weder eine finanzielle Abhängigkeit noch eine besonders enge Beziehung zu diesen Verwandten. Zu diesen Verwandten wird lediglich Kontakt gehalten. Die Mutter der BF und die sechs minderjährigen Kinder der BF leben im Herkunftsstaat.

Der durch die Anordnung der Außerlandesbringung der BF aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in ihr Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu deren Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt.

Der Aufenthaltszeitraum der BF im Bundesgebiet ist, gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes, als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen (dort: vorläufig berechtigten) Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).

Die privaten und familiären Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund. Folglich würde eine Überstellung nach Italien keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleistete Recht darstellen.

Im gegenständlichen Fall fällt die Missachtung der österreichischen Einreise- und Einwanderungsvorschriften durch die BF schwer ins Gewicht. Gemäß Art. 3 Abs. 1 letzter Satz Dublin III-VO wird jeder Antrag auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedsstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird. Daher stellt die rechtswidrige Weiterreise der BF innerhalb der Union zwecks Einbringung eines weiteren Antrages auf internationalen Schutz gerade jenes Verhalten dar, welches durch die Rechtsvorschriften des gemeinsamen europäischen Asylsystems verhindert werden soll. Da die BF zudem bereits in einem Mitgliedstaat der Union einen internationalen Schutzstatus besitzt, stellt sich die fortgesetzte Befassung der Asylbehörden in einem weiteren Mitgliedstaat mit einem neuerlichen Asylantrag als in besonderem Maße rechtsmissbräuchlich dar.

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen, etwa auch zwecks Familienzusammenführung. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Hingegen kann nach der maßgeblichen Rechtsprechung ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen und ist abzulehnen (EGMR 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.06.2010, U 613/10).

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall bei Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Die Behörde hat im Hinblick darauf, dass der BF bereits in Italien der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist und sie - vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zur aktuellen Lage für Schutzberechtigte in diesem Staat und unter Berücksichtigung der individuellen konkreten Situation der BF - sohin in Italien Schutz vor Verfolgung gefunden hat, den nunmehr in Österreich gestellten weiteren Antrag auf internationalen Schutz zu Recht gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass sich die BF nach Italien zurückzubegeben hat.

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet im Ausmaß von einigen Monaten ist nicht geduldet. Die BF ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei Gegenteiliges weder im Verwaltungs- noch im Beschwerdeverfahren behauptet wurde.

Im vorliegenden Verfahren ist es nicht zur Anwendung von § 8 Abs. 3a AsylG 2005 gekommen und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 61 Abs. 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 4a zurückgewiesen wird. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.

Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.

Da die BF zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt bereits nach Italien überstellt war, war gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG festzustellen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar.

Schlagworte

Außerlandesbringung rechtmäßig, Mitgliedstaat, subsidiärer Schutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W165.2206407.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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