Entscheidungsdatum
19.06.2019Norm
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2Spruch
W182 1312662-2/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Spruchpunkt IV. - VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2018, Zl. 752130507 - 180691164 / BMI-BFA_SZB_RD, gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben, der Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte IV. - VI. aufgehoben und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I. Nr. 87/2012 idgF, für auf Dauer unzulässig erklärt und XXXX gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, ist Muslim, reiste Ende 2005 im Alter von 13 Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern illegal in das Bundesgebiet ein und wurde für ihn am 06.12.2005 einen Asylantrag gestellt.
Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 03.06.2008, Zl. 312662-1-XIX/61/2007, wurde festgestellt, dass gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Russische Föderation nicht zulässig ist, wobei ihm gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 leg.cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 03.06.2009 erteilt wurde. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem minderjährigen BF, für den keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden, aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens nach § 10 AsylG der gleiche Schutzumfang zu gewähren war.
2. Nach einer Einvernahme des BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 21.06.2018 wurde mit dem im Spruch genannten, teilweise angefochtenen Bescheid der dem BF mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 03.06.2008, Zl. 312662-1-XIX/61/2007, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, erlassen (spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Mit Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Zur Person des BF bzw. zu seinem Privat- und Familienleben und seinem Aufenthalt in Österreich wurde festgestellt:
"Sie reisten im Jahr 2005 nach Österreich ein. Ihre Eltern und Ihre vier Geschwister halten sich im Bundesgebiet auf. Sie leben von Transferleistungen. Sie sind arbeitlos. Sie sind gerichtlich unbescholten, wurden jedoch oftmals angezeigt. Sie sind ledig und leben nicht in einer Lebensgemeinschaft. Sie haben einen Sohn namens XXXX . Ein Familienleben liegt nicht vor. Sie sind nicht in die österreichische Gesellschaft integriert."
Dazu wurde in der Beweiswürdigung u.a. ausgeführt:
"Ihre Aufenthaltsdauer ergibt sich zweifelsfrei aus Ihrem Verwaltungsakt. Die Feststellungen zu Ihrer Abhängigkeit von Transferleistungen und Ihrer unregelmäßigen Erwerbstätigkeit ergeben sich aus Ihren Angaben sowie den vorgelegten Beweismitteln. Dass Sie mit Ihrem Kind sowie der Kindsmutter nicht gemeinsam Unterkunft bezogen haben, war Ihrem eigenen Vorbringen zu entnehmen und weisen Sie auch keine gemeinsame Anschrift laut ZMR auf. Dass keine Integration in die österreichische Gesellschaft vorliegt, schloss die erkennende Behörde aus Ihrem persönlichen Auftreten, konkret daraus, dass Sie als junger gesunder Mann die hiesigen Werte offenbar nicht angenommen haben, sondern den Eindruck erweckten, zutiefst in der tschetschenischen Kultur verhaftet zu sein, dem Umstand, dass Ihr Deutsch erheblich schlechter ist, als es Ihr Alter und Ihre Aufenthaltsdauer vermuten lassen, musste der Dolmetscher doch nahezu jede Frage des Leiters der Amtshandlung ins Russische übersetzen bevor Sie auf Deutsch und teilweise auf Russisch antworteten, zumal Ihre nur unbedeutend jüngeren Geschwister mit nahezu perfekten Deutschkenntnissen aufwarten konnten sowie der Tatsache, dass Sie nur sehr unregelmäßig bezahlten Erwerbstätigkeiten nachgehen, sondern meistens von Sozialleistungen abhängig sind. Dass Sie - wie Sie angaben - nunmehr bestrebt sind, einen Arbeitsplatz zu finden, ist angesichts Ihrer Vita nicht glaubhaft. Auch erweckten Sie auf den zur Entscheidung befugten Organwalter nicht den Eindruck, Sie würden hinsichtlich der Akquise eines Arbeitsplatzes eine nennenswerte Motivation an den Tag legen. Insbesondere gaben Sie an, sie seien über eine Leihfirma angemeldet gewesen, die Sie anrufen würde, wenn diese Sie als Arbeitskraft benötigen würde. Unverständlich ist, wieso Sie kein höheres Eigenengagement bei der Arbeitsplatzsuche an den Tag legen. Ihr geäußerter Wunsch, nach Vorarlberg zu ziehen, um dort als Security zu arbeiten, erscheint dem Bundesamt nicht nachvollziehbar und geht dieses davon aus, dass Sie sich dahingehend lediglich äußerten, um den zu diesem Zeitpunkt bereits entstandenen negativen Eindruck zu verbessern. Auch vermag das Bundesamt kein schützenswertes Familienleben hinsichtlich Ihres Kindes und dessen Mutter zu erkennen. Sie leben mit diesen Personen nicht in einem gemeinsamen Haushalt, leisten keinen Unterhalt für das Kind, kennen nicht einmal dessen Geburtsdatum und besuchen es nur unregelmäßig. Bei einem seinem Kind zugewandten Vater wäre jedenfalls zu erwarten, dass dieser weiß, wann das Kind geboren wurde und bemüht ist, durch Besuche und finanzielle Unterstützung am Leben des Kindes teilzuhaben. Sie hingegen wirkten jedoch tendenziell uninteressiert, als die Sprache auf Ihr Kind kam. Festzuhalten ist auch, dass Sie Ihre Mitwirkungspflicht dadurch verletzten, dass Sie entgegen der Verfahrensanordnung des Bundesamtes - nicht binnen 14 Tagen nach der Einvernahme die Geburtsurkunde Ihres Kindes übermittelten. Obgenannte Erwägungen lassen nur den Schluss zu, dass ein schützenswertes Familienleben im Inland nicht besteht. Dass Sie zwar unbescholten sind, jedoch oftmals angezeigt wurden, ergab sich aus einer Anfrage des Strafregisterauszuges sowie des KPA, wo folgende Anzeigen aufscheinen: [...]. Auch diese Anzeigen zeichnen ein negatives Bild von Ihrer sozialen Integration im Inland."
In einer Interessensabwägung ging das Bundesamt vom Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer Beendigung des Aufenthaltes des BF aus.
Mit Verfahrensanordnung vom 22.08.2018 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
3. Gegen die Spruchpunkte IV. - VI. des Bescheides wurde binnen offener Frist Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhoben.
Dazu wurde u.a. ausgeführt, dass die Erstbehörde dem BF das Bestehen eines Familienlebens abspreche, da er mit seiner Partnerin und dem Kind nicht in einem Haushalt zusammen wohne und er in der Einvernahme den Eindruck erwecke, ledig zu sein. Der BF habe mit seiner Partnerin und dem gemeinsamen Sohn seit seiner Verheiratung im XXXX 2016 keinen gemeinsamen Wohnsitz. Die Familie sei bei der Bewerbung von Wohnungen abgelehnt worden, da der BF keinen regelmäßigen Lohn nachweisen habe können und auch seine Partnerin nicht erwerbstätig sei. Dadurch seien sie gezwungen worden, abwechselnd für ein paar Tage bei den Eltern des BF und ein paar Tage bei den Eltern der Partnerin zu übernachten. Da die Wohnung der Eltern der Partnerin für vier Erwachsene und ein Kleinkind äußerst eng sei, sei es zu einem kleinen Streit mit den Eltern der Partnerin gekommen, weshalb der BF die Wohnung verlassen habe müssen. Die Partnerin und das Kind des BF seien in der Wohnung geblieben. Der BF habe daraufhin ohne regelmäßigen Verbleib bei Bekannten, Freunden und Familienmitgliedern gelebt. Seine Partnerin und den gemeinsamen Sohn habe er jedoch jeden Tag gesehen. Sie würden gemeinsam zu behördlichen Terminen gehen und verbringen äußerst viel Zeit zusammen. Die Eltern der Partnerin würden planen, in eine Gemeindewohnung zu ziehen und ihre derzeitige Wohnung der Tochter zu überschreiben, damit diese mit dem BF und dem gemeinsamen Sohn dort leben könne. Da die Einvernahme für den BF hinsichtlich der Beurteilung eines Familienlebens äußerst unglücklich verlaufen sei, werde beantragt, ihm zu einer mündlichen Verhandlung zu laden, ihm die nochmalige Chance einer Erklärung der Umstände zu geben. Auch werde beantragt, die Partnerin des BF als Zeugin zu laden, um sich vom gemeinsamen Familienleben überzeugen zu lassen. Da der BF mit 13 Jahren als Minderjähriger seinen Asylantrag gestellt habe, sei er von der österreichischen Gesellschaft "miterzogen" und diese gewöhnt. Seine engsten Angehörigen seien in Österreich aufenthaltsberechtigt. Hierbei handle es sich um seine Eltern, eine minderjährige Schwester und zwei minderjährige Brüder, die noch bei den Eltern leben, sowie eine volljährige Schwester. Aufgrund der langen Aufenthaltsdauer und des engen Familienverbands sei das Privatleben des BF in Österreich als äußerst schutzwürdig zu bezeichnen. Aufgrund seiner guten Kenntnisse der deutschen Sprache (A2-B1 Niveau) und Länge der Aufenthaltsdauer in Österreich habe der BF versucht, sich seinem eigenen Entwicklungsstand entsprechend gut zu integrieren. Er habe die Schule besucht und den Lehrabschluss als Tischler angestrebt, was durch seine damaligen schwachen Deutschkenntnisse nicht fortgesetzt werden habe können. Er sei hauptsächlich für kurze Zeiträume als Leiharbeitnehmer beschäftigt gewesen und habe arbeitsmäßig nie richtig Fuß fassen können. Seitens eines namentlich genannten Unternehmens werde er ab Oktober als Fahrer beschäftigt werden. Auch verfüge der BF über zahlreiche Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern, die er sich in den 13 Jahren seines Aufenthalts aufbauen habe können. Der BF habe im Alter von zwölf Jahren Tschetschenien verlassen. Zwar besitze er noch regelmäßigen Kontakt zu seinem Onkel, der aber aus rein familiären Gründen aufrechterhalten werde. Der BF kenne sich in Tschetschenien nicht aus und sei dort seit über 13 Jahren nicht mehr aufhältig gewesen. Da auch seine engsten Angehörigen in Österreich leben, können die Bindungen zum Heimatstaat als sehr schwach bezeichnet werden. Der BF sei zweimal angezeigt worden, wobei es diesbezüglich zu keinen weiteren strafrechtlichen Ermittlungen gekommen sei und er auch in keinster Weise eine Verurteilung erfahren habe, weshalb diese zur Beurteilung seiner Person nicht zu verwenden seien und er als strafrechtlich unbescholten zu gelten habe. Er habe sich vorbildlich verhalten und respektiere die öffentliche Ordnung Österreichs. Sein Familien- und Privatleben sei zu einem Zeitpunkt entstanden, wo alle Beteiligten einen legalen sicheren Aufenthaltsstatus innegehabt haben.
Der Beschwerde wurde u.a. eine AMS-Terminkarte, eine Geburtsurkunde hinsichtlich des Sohnes des BF, eine Einstellungszusage als Fahrer, Unterstützungsschreiben sowie Meldezettel beigefügt.
4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19.02.2019 beim Bundesverwaltungsgericht, zu der ein Vertreter des Bundesamtes entschuldigt nicht erschienen ist, wurden Beweise aufgenommen durch Einvernahme des BF und seiner Lebensgefährtin als Zeugin, weiters durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakte des Bundeamtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, wobei das Bundesamt lediglich schriftlich die Abweisung der Beschwerden beantragte.
Der BF konnte die Verhandlung auf Deutsch - ohne Zuhilfenahme einer Dolmetscherin für die russische Sprache - durchführen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig und Moslem. Er reiste Ende 2005 im Alter von 13 Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern illegal in das Bundesgebiet ein.
Dem BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.08.2018 der ihm mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 03.06.2008 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und die ihm erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen. Die Entscheidung wurde in diesem Umfang mangels entsprechender Beschwerdeerhebung im September 2018 rechtskräftig.
Der BF hat sich in Österreich seit Juni 2008 bis zur Rechtskraft der Aberkennungsentscheidung aufgrund eines Aufenthaltstitels als subsidiär Schutzberechtigter und davor seit Dezember 2005 als Asylwerber rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.
Der BF ist seit XXXX 2016 nach muslimischen Ritus mit einer russischen Staatsangehörigen verheiratet, der in Österreich seit 2008 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zukommt. Im XXXX 2017 wurde im Bundesgebiet ein gemeinsamer Sohn geboren.
Weiters halten sich in Österreich die Eltern, zwei minderjährige Brüder sowie eine minderjährige und eine volljährige Schwester auf.
Ein gemeinsamer Haushalt zwischen dem BF, seiner Lebensgefährtin und seinem Kind besteht aufgrund mangelnden Wohnraums nicht. Es bestehen jedoch intensive Kontakte. Der BF lebt wechselweise bei der Familie seiner Lebensgefährtin, bei seinen Eltern und bei einem Freund. Er ist an der Adresse der Eltern seiner Lebensgefährtin gemeldet. Der BF, seine Lebensgefährtin und sein Kind sehen sich nahezu täglich.
Der BF spricht Tschetschenischen, Deutsch und Russisch. Seine Deutschkenntnisse sind insofern als gut zu bezeichnen, als die Beschwerdeverhandlung ohne Hilfestellung einer Dolmetscherin ausschließlich auf Deutsch geführt werden konnte. Der BF verfügt jedoch über kein entsprechendes ÖSD-Zertifikat.
Der BF hat im Herkunftsland einige Jahre die Volksschule besucht, wobei aufgrund der damaligen Kriegsumstände in Tschetschenien eine weitere Schulbildung ausgeblieben ist.
Der BF hat in Österreich die Polytechnische Schule/allgemeine Sonderschule besucht, konnte aber die neunte Schulstufe nicht erfolgreich abschließen. Aufgrund des festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfes wurde der BF nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule, 8. und 9. Stufe unterrichtet. Er verfügt über keine Berufsausbildung.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er war von 2008 bis zuletzt November 2017 sporadisch als Arbeiter bzw. geringfügig beschäftigter Arbeiter erwerbstätig, wobei er über geringe Beitragsgrundlagen verfügt. Zurzeit bezieht er staatliche Leistungen. Er konnte eine Einstellungszusage vorlegen.
Der BF verfügt in Österreich über einen entsprechend großen Freundes- und Bekanntenkreis.
Im Herkunftsland halten sich zumindest Geschwister des Vaters des BF auf, wobei zu einem Onkel väterlicherseits gelegentlicher Kontakt besteht.
Im Kriminalpolizeilichen Aktenindex scheinen drei Eintragungen mit Tatzeiten August 2008, August 2009 und Februar 2014 auf. Der BF ist unbescholten.
Im Übrigen wird der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang der Entscheidung zugrundgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des BF, seinen persönlichen und familiären Verhältnissen im Inland und Herkunftsstaat und seinen integrativen Leistungen ergeben sich zweifelsfrei auf Grundlage des Inhaltes des zur Beschwerde vorgelegten Aktes des Bundesamtes zur im Spruch genannten Zahl, den grundsätzlich glaubwürdigen Angaben des BF und seiner Lebensgefährtin als Zeugin in der Beschwerdeverhandlung, sowie der vorgelegten Dokumente wie insbesondere der Geburtsurkunde des Kindes des BF, des Jahreszeugnisses 2007/2008 einer Polytechnischen Schule und der bereits vom Bundesamt ins erstinstanzliche Verfahren eingeführten Sozialversicherungsauskünfte.
Die Feststellungen zum Asylverfahren des BF ergeben sich aus dem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 03.06.2008, Zl. 312662-1-XIX/61/2007.
Die Feststellungen zur Unbescholtenheit des BF ergeben sich aus einer zum Stichtag eingeholten Strafregisterauskunft. Die Feststellungen zur Meldeadresse des BF ergeben sich aus einer zum Stichtag eingeholten Anfrage beim Zentralen Melderegister.
Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.
3. Rechtliche Beurteilung:
1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."
Zu Spruchteil A):
2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der BF ist als Staatsangehöriger der Russischen Föderation kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07-9; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423).
2.2. Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.01.2006, 2002/20/0423, vom 08.06.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt). Bei einem verheirateten Paar mit oder ohne Kinder ist grundsätzlich von einer familiären Beziehung im i.S.d. Art. 8 MRK auszugehen, selbst wenn ein Familienleben zwischen den Ehepartnern noch nicht ausreichend etabliert ist (vgl. EGMR 22.06.2004, Pini v. Romania, Nr. 78028/01 u. 78030/01). Andererseits hängt die Beantwortung der Frage, ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung ("the real existence in practice of close personal ties") gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind (Vgl. dazu auch VwGH 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423). So können auch besondere Umstände", wie etwa eine psychische Abhängigkeit, sich aus einer neuerlichen Trennung für den betroffenen Angehörigen ergebende gesundheitliche Folgen oder die benötigte Unterstützung durch den Angehörigen bei der Pflege und Erziehung minderjähriger Kinder, für ein Familienleben unter Erwachsenen sprechen (Vgl. dazu etwa VwGH 21.04.2011, Zl. 2011/01/0093).
Das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben ist nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Beziehungen beschränkt, sondern erfasst auch faktische Familienbindungen, bei welchen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben. Auch eine aufrechte Lebensgemeinschaft fällt unter das von Art. 8 EMRK geschützte Familienleben (VwGH 09.09.2013, Zl. 2013/22/0220 mit Hinweis auf E vom 19.03.2013, Zl. 2012/21/0178, E vom 30.08.2011, Zl. 2009/21/0197, und E vom 21.04.2011, Zl. 2011/01/0131).
In einem Fall, der sowohl Familienleben als auch Einwanderung betrifft, hängt die Reichweite der Verpflichtungen eines Staates, Angehörige von dort lebenden Personen auf seinem Gebiet aufzunehmen, von den Umständen der betroffenen Personen und dem allgemeinen Interesse ab. Dabei zu berücksichtigende Faktoren sind das Ausmaß, in dem Familienleben tatsächlich unterbrochen würde, das Ausmaß der Bindungen im Konventionsstaat, das Bestehen unüberwindbarer Hindernisse für ein Leben der Familie im Herkunftsland des betroffenen Fremden und ob Faktoren der Einwanderungskontrolle (beispielsweise vorangegangene Verstöße gegen Einwanderungsgesetze) oder Überlegungen der öffentlichen Ordnung für den Ausschluss sprechen. Eine weitere wichtige Überlegung ist, ob das Familienleben zu einer Zeit geschaffen wurde, zu der den beteiligten Personen bekannt war, dass das Fortbestehen von Familienleben im Gaststaat wegen des Einwanderungsstatus einer von ihnen von Beginn an unsicher war. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., 26940/10). Wenn dies der Fall ist, wird nach ständiger Rechtsprechung des EGMR die Ausweisung jenes Familienmitglieds, das nicht die Staatsbürgerschaft besitzt, nur unter außergewöhnlichen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK begründen. Solche außergewöhnlichen Umstände können sich insbesondere aus einer sehr langen Aufenthaltsdauer und den Auswirkungen der Ausweisung auf die dadurch betroffenen Kinder ergeben. Wo Kinder betroffen sind, muss ihr Wohl vorrangig berücksichtigt werden. Die Behörden müssen die Auswirkungen ihrer Entscheidung auf das Wohl der betroffenen Kinder prüfen. Wie der EGMR bereits festgestellt hat, haben Personen in einer solchen Situation kein Recht zu erwarten, dass ihnen ein Aufenthaltsrecht eingeräumt wird (vgl. etwa EGMR 03.10.2014, Jeunesse, Nr. 12.738/10; EGMR, 28.06.2011, Nunez, Nr. 55597/09; EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Nr. 265/07). Nach den Vorgaben der Judikatur des EGMR, vor allem nach den in der Rechtssache Boultif formulierten Kriterien, ist in diesem Zusammenhang u. a. zu ermitteln: die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die Staatsangehörigkeit der einzelnen Betroffenen; die familiäre Situation des Beschwerdeführers und insbesondere gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe und andere Faktoren, welche die Effektivität eines Familienlebens bei einem Paar belegen; die Frage, ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und wenn ja, welches Alter sie haben, und das Maß an Schwierigkeiten, denen der Ehegatte in dem Land unter Umständen begegnet, in das der Beschwerdeführer auszuweisen ist (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00, VfGH 01.07.2009, Zl. U992/08).
Im Übrigen sind aber nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, dann jedenfalls unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (vgl. dazu EGMR 09.10.2003, Slivenko gegen Lettland, Nr. 48321/99, Rz. 97; EGMR 15.06.2006, Shevanova gegen Lettland, Nr. 58822/00, Rz. 67, EGMR 22.06.2006, Kaftailova gegen Lettland, Nr. 59643/00, Rz. 63, EGMR 12.06.2010, A. W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 47486/06, Rz. 31 ff) und im Rahmen einer Interessensabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gleichfalls zu berücksichtigen (vgl. VwGH 21.04.2011, Zl. 2011/01/0093).
Bei der Beurteilung des Grades der Integration des Fremden ist insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen (vgl. dazu etwa VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/22/0023).
Für den Aspekt des Privatlebens spielt auch die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852ff.). Bei einem über zehnjährigen inländischen Aufenthalt des Fremden ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (VwGH 10.11.2015, Zl. 2015/19/0001; VwGH 26.03.2015, Zl. 2013/22/0303; VwGH 16.12.2014, Zl. 2012/22/0169; VwGH 19.11.2014, Zl. 2013/22/0270; VwGH 10.12.2013, Zl. 2013/22/0242).
2.3. Der BF hält sich seit Dezember 2005, sohin seit bald 14 Jahren im Bundesgebiet auf. Sein Aufenthalt war bis zur Aberkennung seines Status als subsidiär Schutzberechtigter, der ihm im Juni 2008 zuerkannt wurde, rechtmäßig.
Der BF konnte im Gegensatz zu den Ausführungen im bekämpften Bescheid insofern durchaus gute Deutschkenntnisse nachweisen, als er sich jedenfalls in der Lage zeigte, der Beschwerdeverhandlung problemlos ohne Beistand der Dolmetscherin auf Deutsch zu folgen und zu antworten.
Es ist ihm bislang - ohne Schulabschluss und Berufsausbildung - offenbar nicht gelungen, sich am Arbeitsmarkt zu etablieren, wenngleich er auch schon legalen Erwerbstätigkeiten nachgegangen ist. Seine Beitragszeiten erweisen sich in diesem Zusammenhang gemessen an der Aufenthaltsdauer als dürftig. Der BF konnte eine Einstellungszusage vorlegen. Seine Begründung, warum er noch keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, nämlich dass potentielle Arbeitgeber die Klärung seines derzeit unsicheren Aufenthaltsstatus verlangen würden, erscheint nicht völlig unplausibel, umso mehr, als sein Aufenthaltsstatus als subsidiär Schutzberechtigter mit Rechtskraft der diesbezüglich unbekämpft gebliebenen Entscheidung des Bundesamtes weggefallen ist.
Zudem wird zumindest angesichts der Bindung des BF zu seinem Kind diesbezüglich von einem bestehenden Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK in Österreich auszugehen sein. Aber selbst bei abweichender Würdigung, würde die genannte Beziehung jedenfalls sein Privatleben deutlich verstärken. Einer Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsland dürften angesichts der russischen Staatsbürgerschaft aller Beteiligten grundsätzlich keine unüberwindbaren Hindernisse entgegenstehen, gleichzeitig ist aber einzuräumen, dass dies mit großen Härten zumindest für die Kindesmutter verbunden wäre. Zu Gunsten des BF ist zudem zu berücksichtigen, dass dieser sein Familien- bzw.- Privatleben zu einem Zeitpunkt begründet hat, zu dem er von einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ausgehen konnte. Hinzu kommt, dass sich die gesamte Kernfamilie des BF (Eltern und vier Geschwister) in Österreich aufhalten.
Was die Bindung des BF zum Herkunftsstaat betrifft, ist festzustellen, dass er diesen als Kind im Alter von 13 Jahren verlassen hat. Im Hinblick auf seine Aufenthaltsdauer, seine Familie, seinen Freundes- und Bekanntenkreis, seine Sozialisierung und seine Lebensrealität ist der BF letztlich inzwischen deutlich stärker in Österreich verwurzelt. Andererseits ist aber auch nicht davon auszugehen, dass der BF deswegen die sprachliche und kulturelle Bindung zur früheren Heimat verloren hätte, wobei er dort auch über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte (zumindest ein Onkel väterlicherseits) verfügt.
Der BF ist unbescholten. Hinsichtlich der im bekämpften Bescheid angeführten drei Eintragungen im Kriminalpolizeilichen Aktenindex ist festzustellen, dass vom Bundesamt nicht dargetan wurde, dass eine entsprechende Verdachtslage verifiziert werden konnte. Unabhängig davon liegt die letzte, sohin aktuellste Eintragung bereits deutlich über 5 Jahre zurück.
Unter Abwägung aller angeführten Umstände und der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. dazu etwa VwGH 26.03.2015, Zl. 2013/22/0303; VwGH 14.04.2016, Zl. Ra 2016/21/0029) war im Hinblick auf die Kriterien nach § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere unter Zugrundelegung des Faktums, dass der BF bereits als Kind nach Österreich gekommen ist, seiner über 13-jährigen rechtmäßigen Aufenthaltsdauer, seiner starken familiären Bindung (Kind, Lebensgefährtin, Eltern sowie sämtliche Geschwister) und des Umstandes, dass er bislang unbescholten ist, im Ergebnis in der vorliegenden Konstellation noch vom Überwiegen der privaten bzw. familiären Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung auszugehen.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung im konkreten Einzelfall zum Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den BF zum Entscheidungszeitpunkt unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Familien- und Privatlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den BF auf Dauer unzulässig ist.
Angesichts dieses Verfahrensergebnisses liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 AsylG 2005, § 52 FPG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ebenso nicht vor, wie die Zulässigkeit der Abschiebung des BF und eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG; der angefochtene Bescheid war daher auch in diesem Umfang zu beheben.
2.4. Da die Rückkehrentscheidung des BF gemäß § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist, ist dem BF gemäß § 58 Abs. 3 BFA-VG ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wurde.
Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 IntG idgF ist u.a. erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige (Z 1) einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt, (Z 2) einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt, (Z 3) über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht, (Z 4) einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder (Z 5) als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen. Laut § 9 Abs. 4 letzter Satz IntG beinhaltet die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) das Modul 1.
Da der BF weder das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt noch zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, war ihm eine "Aufenthaltsberechtigung" gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 zu erteilen.
Das Bundesamt hat dem BF den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen, der BF hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben (vgl. dazu insbesondere die unter den Punkten II.3.2.2. f. zitierte Judikatur).
Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung, Interessenabwägung, private Interessen,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W182.1312662.2.00Zuletzt aktualisiert am
16.08.2019