TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/21 W125 1266554-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.06.2019
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Entscheidungsdatum

21.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W125 1266554-2/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian FILZWIESER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 7.9.2018, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. wird gemäß § 7 Abs 1 Z 1 und Abs 4, § 8 Abs 1 Z 2, § 57, § 10 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs 2 und Abs 9, § 46 und § 55 Abs 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG auf drei Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 20.10.2005 gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern in das Bundesgebiet ein. Der Vater des Beschwerdeführers stellte am 20.10.2005 für sich selbst sowie im Asylerstreckungsverfahren unter anderem für den Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dem Beschwerdeführer wurde in der Folge mit Bescheid des seinerzeitigen Bundesasylamtes vom 12.12.2006 im Asylerstreckungsverfahren der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Weder aus dem diesbezüglichen Bescheid betreffend den Beschwerdeführer noch aus jenem betreffend den Vater des Beschwerdeführers sind ausdrücklich Gründe für die seinerzeitige Zuerkennung von Asyl ersichtlich. Der Niederschrift der Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers vom 15.11.2006 ist jedoch zu entnehmen, dass der Vater des Beschwerdeführers im Verfahren vorgebracht hat, ihm drohe in Tschetschenien aufgrund der Verweigerung der Zusammenarbeit mit Kadyrov der Tod; nach Kriegsausbruch 1999 sei er gegen Russland und somit gegen Kadyrov gestanden. Für den Beschwerdeführer wurden damals keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 22.10.2015, des Bezirksgerichtes XXXX vom 9.9.2016 und des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 11.1.2018 verurteilt, zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Seit 20.8.2018 befindet sich der Beschwerdeführer aufgrund des letztgenannten Urteiles des Landesgerichtes XXXX vom 11.1.2018 in Strafhaft.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 7.9.2018 wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom 12.12.2006 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetz nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von neun Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei und eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Er wäre imstande, seinen Lebensunterhalt in der Russischen Föderation zu sichern und sei nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation in eine Notlage entsprechend Art 2 oder Art 3 EMRK gelange. Er sei in der Russischen Föderation keiner Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt gewesen.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

In dieser wird zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer seit 2005 in Österreich lebe. In Österreich würden weiters seine nach traditionellem islamischen Ritus angetraute Ehefrau, mit welcher er ein gemeinsames Kind erwarte, sowie seine Eltern und vier Geschwister leben.

Am 18.4.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Lebensumständen, insbesondere auch in Österreich, sowie zu seinen Rückkehrbefürchtungen befragt wurde. An der Verhandlung nahmen zudem die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers (im Sinne des § 52 BFA-VG), ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, welche als Zeugin befragt wurde, teil.

Der Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl legte in der Verhandlung eine mit 17.4.2019 datierte Stellungnahme zur mündlichen Verhandlung vor. In dieser werden insbesondere Ausführungen zur Verhängung und Bemessung der Höhe des Einreiseverbotes sowie zum Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Verhältnis zu den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers getroffen.

Am 7.5.2019 brachte der Beschwerdeführer über seine Rechtsvertretung eine Stellungnahme ein. In dieser wird dargelegt, dass näher genannte Umstände gegen das Vorliegen eines besonders schweren Verbrechens iSd § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 sprechen würden. Damit erübrige sich auch der Hinweis, dass es dem angefochtenen Bescheid an einer nachvollziehbaren Zukunftsprognose mangle. In Bezug auf die Rückkehrentscheidung würden die privaten Interessen des Beschwerdeführers an seinem Verbleib in Österreich die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung jedenfalls überwiegen. Angeführt sind Ausführungen eines Organs der JA XXXX vom 20.4.2019, wonach der Beschwerdeführer in Haft tadelloses Verhalten zeige und im gelockerten Vollzug auch unbewachte Außenarbeit verrichte. Regelmäßig erfolgten zudem Ausgänge zu seiner Lebensgefährtin; eine bedingte Entlassung sei (zu einem späteren Zeitpunkt) anzunehmen.

Seitens des BFA wurde keine weitere Stellungnahme erstattet. Am 19.4.2019 hatte das BFA noch den Bescheid des Kindes des Beschwerdeführers übermittelt, mit dem diesem am 8.4.2019 Asyl im Familienverfahren gewährt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum bisherigen Verfahren und zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist russischer Staatsangehöriger und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig.

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 20.10.2005 gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern in das Bundesgebiet ein. Der Vater des Beschwerdeführers stellte am 20.10.2005 für sich selbst sowie im Asylerstreckungsverfahren unter anderem für den Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Dem Beschwerdeführer wurde in der Folge mit Bescheid des seinerzeitigen Bundesasylamtes vom 12.12.2006 im Asylerstreckungsverfahren der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge in Österreich dreimal strafrechtlich verurteilt:

* Landesgericht für Strafsachen XXXX vom 22.10.2015, XXXX wegen § 15 StGB §§ 127, 129 Z 1 StGB (versuchter Einbruchsdiebstahl in ein Gebäude zur Wegnahme von Mobiltelefonen; 6 Monate Freiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre; mildernd: bisheriger ordentlicher Lebenswandel, Tatbegehung nach Vollendung des 18., aber vor Vollendung des 21. Lebensjahres, Versuch).

* Bezirksgericht XXXX vom 9.9.2016, XXXX wegen § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (unbefugter Besitz eines Teleskopschlagstockes; 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre und Verlängerung der Probezeit zu XXXX auf 5 Jahre; mildernd: Geständnis, erschwerend: einschlägige Vorstrafe).

* Landesgericht für Strafsachen XXXX vom 11.1.2018, XXXX wegen §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 2. Fall StGB (Verbrechen des schweren Raubes; 4 Jahre Freiheitsstrafe, Verlängerung der Probezeit zu XXXX auf 5 Jahre; mildernd: zum Tatzeitpunkt erst 20 Jahre alt, erschwerend:

zwei einschlägige Vorstrafen).

Gemäß Punkt I. des Schuldspruches dieses Urteils ist der Beschwerdeführer schuldig, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe dem Opfer fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen zu haben, indem die beiden Mittäter des Beschwerdeführers das Opfer in einen PKW zerrten, wo dieses zwischen dem Beschwerdeführer und einem Mittäter Platz nehmen musste, der Beschwerdeführer ihm eine Pistole anhielt, sie mit ihm in ein Waldstück fuhren, wo ein Mittäter des Beschwerdeführers auf das Opfer einschlug und ihm ein Ladegerät, zwei Packungen Zigaretten, Bargeld iHv EUR 60,00 und eine Armbanduhr im Wert von rund EUR 70,00 wegnahm und sie im Anschluss mit dem Opfer zu verschiedenen Bankomaten fuhren, wo sie es zur Behebung von EUR 1.500,00 und Übergabe an sie nötigten.

Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 9.5.2018, XXXX zurückgewiesen. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom 3.7.2018 wurden diesbezüglich die Berufung des Beschwerdeführers wegen des Strafausspruches sowie die Beschwerde gegen den Beschluss gemäß § 494a StPO abgewiesen (Ergänzung der vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe um jenen der Tatbegehung in offener Probezeit).

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 20.8.2018 aufgrund des Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 11.1.2018 in Strafhaft; das urteilsmäßige Strafende ist der 20.8.2022. Der Beschwerdeführer hat bis dato keine umfassende Verantwortung für seine Taten übernommen; ein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein liegt bei ihm nicht vor.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 7.9.2018 wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom 12.12.2006 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt, eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation festgestellt sowie ein auf neun Jahre befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen.

Der Beschwerdeführer spricht Russisch, Tschetschenisch und Deutsch. Er besuchte in Österreich eine Volksschule und eine Neue Mittelschule. Der Beschwerdeführer absolvierte einige AMS-Kurse und Praktika und wurde im Zeitraum 1.2.2016 bis 27.9.2017 im Zuge der Teilqualifizierung als Automechaniker ausgebildet; er hat diese begonnene Lehre bis dato nicht beendet. Abgesehen von der begonnenen Lehre sowie der Absolvierung einiger AMS-Kurse und Praktika konnte der Beschwerdeführer keine längeren Zeiträume regelmäßiger Erwerbstätigkeit nachweisen; lediglich tageweise und sporadisch verrichtete er im Zeitraum ab 1.1.2015 an insgesamt vierunddreißig Tagen Arbeiten für vier verschiedene Dienstgeber.

Aufgrund seines seit Oktober 2005 andauernden Aufenthaltes in Österreich, seinem Schulbesuch und des eineinhalb Jahre dauernden Lehrverhältnisses verfügt der Beschwerdeführer naturgemäß über soziale Anknüpfungspunkte in Österreich in Form eines Freundeskreises, wobei das Bestehen enger Bindungen nicht hervorgekommen ist.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich eine Lebensgefährtin, welche er im August 2017 kennenlernte und am 21.10.2017 nach islamischem Ritus traditionell ehelichte. Nach der traditionellen Heirat wohnten der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin bei den Eltern des Beschwerdeführers sowie anschließend bis zur Inhaftierung des Beschwerdeführers im August 2018 für rund eineinhalb Monate in einer Gemeindewohnung in Wien, welche auf den Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin läuft. Am XXXX .2019 wurde die gemeinsame Tochter des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin geboren; der Beschwerdeführer hat die Vaterschaft anerkannt. Der Tochter des Beschwerdeführers kommt ebenso wie der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers der Status der Asylberechtigten zu. Die Lebensgefährtin und die Tochter des Beschwerdeführers wohnen gemeinsam mit einer Schwester des Beschwerdeführers und deren zwei Kindern in oben genannter Gemeindewohnung.

In Österreich leben weiters die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine vier Geschwister; allen genannten Familienangehörigen kommt der Status von Asylberechtigten zu. Der Beschwerdeführer hat zu seinen Familienangehörigen Kontakt. In Tschetschenien lebt eine Tante des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer hat seine Haftstrafe selbständig angetreten, wurde mit 2.1.2019 in den gelockerten Vollzug übernommen und verrichtet in diesem Rahmen unbewachte Arbeit. Er absolviert weiters regelmäßig Vollzugslockerung in Form von acht Ausgängen pro Quartal in der Dauer von je vierundzwanzig Stunden pro Ausgang; diese Zeit verbringt der Beschwerdeführer zumeist mit seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter sowie seinen Eltern und Geschwistern.

Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers wird durch die Familie des Beschwerdeführers sowie ihre eigenen Eltern finanziell unterstützt. Insbesondere die Mutter des Beschwerdeführers sowie die Schwester des Beschwerdeführers, welche im gemeinsamen Haushalt mit der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers lebt, unterstützen die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers auch im Alltag. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers besucht zudem ihre in XXXX lebenden Eltern und Geschwister jeden Monat für rund ein bis zwei Wochen.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Vaters des Beschwerdeführers, einer allfällig darauf beruhenden Gefährdung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation sowie einer möglichen Rückkehr in die Russische Föderation:

Dem Vater des Beschwerdeführers wurde Asyl zuerkannt, nachdem er im seinerzeitigen Asylverfahren vor dem Bundesasylamt vorgebracht hatte, ihm drohe in Tschetschenien aufgrund der Verweigerung der Zusammenarbeit mit Kadyrov der Tod; nach Kriegsausbruch 1999 sei er gegen Russland und somit gegen Kadyrov gestanden. Der Vater des Beschwerdeführers war demgemäß vor seiner Einreise nach Österreich Chef der Polizei im Bezirk XXXX in XXXX . Für den Beschwerdeführer wurden damals keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in die Russischen Föderation im Zusammenhang mit den ehemaligen Tätigkeiten seines Vaters in der Russischen Föderation keine Verfolgung.

Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe auf Grund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch sonst nicht hervorgekommen.

Der Beschwerdeführer liefe nicht konkret Gefahr, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und in der Lage, im Fall einer Rückkehr für seinen Lebensunterhalt aufzukommen und seine Existenz zu sichern.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation:

Allgemeines

Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Dem quasi-autoritären Präsidenten steht eine geschwächte aber nach wie vor oppositionelle Zivilgesellschaft gegenüber. Die Föderationssubjekte verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ, FH 2).

Im Bereich der Menschenrechte kam es in den letzten Jahren schrittweise zu Einschränkungen; so wurden sowohl im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit als auch der Pressefreiheit restriktive Gesetze verabschiedet. Öffentliche Kundgebungen bzw Proteste von oppositionellen Gruppen werden zum Teil verboten. Die Mehrheit der russischen Bevölkerung gehört der Russisch-Orthodoxen Kirche an; das Religionsgesetz von 1997 erkennt auch noch den historischen Status von Religionen wie dem Islam, Buddhismus und Judaismus an (ÖB). Religiöse Minderheiten werden von staatlichen Stellen zum Teil schikaniert (AI, USDOS RF).

Nordkaukasus

Im Nordkaukasus führten im Jahr 2017 Konflikte zwischen Regierungskräften, Aufständischen, islamistischen Kämpfern und Kriminellen zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, darunter Tötungen, Folter, Misshandlungen und politisch motivierte Entführungen (AI; USDOS HR). Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region des Nordkaukasus ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Insbesondere Tschetschenien und Dagestan verfolgen eine harte Politik der Repression extremistischer Elemente (ÖB; AA). Der Großteil der innerstaatlichen Terrorismusbekämpfung war gegen bewaffnete Gruppierungen am Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien und Dagestan, gerichtet (USDOS T). Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer nach Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den letzten zwei Jahren deutlich zurückgegangen ist (ÖB).

In seinem Urteil vom 30.11.2017, X gegen Deutschland, Nr 54646/17 kam der EGMR im Fall eines in Dagestan geborenen russischen Staatsangehörigen, der in Deutschland unter Terrorismusverdacht stand und aus Gründen der öffentlichen Sicherheit in die Russische Föderation abgeschoben werden sollte, zu dem Ergebnis, dass, da der Beschwerdeführer in keinerlei Verbindung zu den Konflikten am Nordkaukasus stünde, keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorliegen würden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung nach Moskau einem realen Risiko einer Behandlung entgegen Art 3 EMRK ausgesetzt wäre; Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer gegen seinen Willen nach Dagestan gebracht würde, lagen keine vor.

Tschetschenien

In Tschetschenien haben Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen in den letzten Jahren zugenommen (AA); 2017 kam es zur gezielten Verfolgung von Homosexuellen durch staatliche Sicherheitskräfte (AA; EASO 2018; Medienberichterstattung The Guardian). Die Rechtsstaatlichkeit in Tschetschenien wird durch Kadyrows willkürliche Herrschaft untergraben; Opfern von Menschenrechtsverletzungen von Seiten der staatlichen Behörden stehen kaum Rechtsmittel zur Verfügung (EASO 2017). Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkrieges jedoch deutlich verbessert; Grosny ist wiederaufgebaut. Problematisch sind weiterhin die Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Armut und Perspektivlosigkeit von Teilen der Bevölkerung (AA; SWP).

Dagestan

(...)

Inguschetien, Kabardino-Balkarien und Karatschai-Tscherkessien

(...)

Bewegungsfreiheit

Personen aus dem Nordkaukasus können grundsätzlich problemlos in andere Teile der Russischen Föderation reisen, sie treffen allerdings immer noch auf antikaukasische Stimmungen (AA). Die Verfolgung von gesuchten Personen durch die tschetschenischen Behörden kann jedoch in einigen Fällen vorkommen (EASO 2018). Die regionalen Strafverfolgungsbehörden können Menschen auf der Grundlage von in ihrer Herkunftsregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Bewaffnete Kräfte, die Kadyrow zuzurechnen sind, sind etwa auch in Moskau präsent (AA). Manche regionalen Behörden sehen Regeln für die Anmeldung vor, die das Rechts eines Staatsbürgers, seinen Wohnsitz zu wählen, beschränken; der Wohnsitz muss gemeldet werden, wofür die Vorlage eines Inlandspasses notwendig ist (FH 1; AA).

Grundversorgung und medizinische Versorgung

Die Grundversorgung ist in der Russischen Föderation im Allgemeinen gewährleistet; die Wirtschaftsbilanz der letzten Jahre ist gemischt (Medienberichterstattung, Spiegel).

Die soziale Lage in Russland ist weiterhin angespannt; mehr als 15 % der russischen Bevölkerung leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Das per Verordnung bestimmte monatliche Existenzminimum liegt mit 10.329 RUB (2. Quartal 2017) weit unter dem Wert, der faktisch zum Überleben notwendig ist. Der Mindestlohn unterschreitet mit 7.800 RUB sogar die Grenze des Existenzminimums. Dies kann nur teilweise durch die Systeme der sozialen Absicherung aufgefangen werden (AA).

Die medizinische Versorgung in Russland ist auf einfachem Niveau und nicht überall ausreichend. Russische Bürger haben ein Recht auf kostenfreie medizinische Grundversorgung (AA; EASO 2018; ÖB). Die Versorgung mit Medikamenten ist zumindest in den Großstädten gewährleistet. Ein ernstes Problem bleibt dabei die Bekämpfung von HIV/AIDS; zwischen 1 und 1,5 % der Bevölkerung sind HIV infiziert. Es werden kaum wirksame Maßnahmen für die Hauptinfektionsgruppen (Drogenabhängige und Heterosexuelle mit wechselnden Sexualpartnern - insgesamt 98 % der Neuinfizierten) durchgeführt. Die medikamentöse Versorgung ist auf dem Niveau der 90er Jahre (AA). Obwohl die Behandlung von HIV infizierten Personen gesetzlich vorgesehen ist, führen ein Mangel an Medikamenten und fehlende Geldmittel zu Versorgungslücken (USDOS 2018).

Dokumente

Es ist in der Russischen Föderation möglich, Personenstands- und andere Urkunden zu kaufen, wie zB Staatsangehörigkeitsausweise, Geburts- und Heiratsurkunden, Haftbefehle, Gerichtsurteile. Häufig sind Fälschungen leicht zu identifizieren; es gibt aber auch Fälschungen, die auf Originalvordrucken professionell hergestellt wurden und nur mit speziellen Untersuchungen erkennbar sind (AA).

Asylverfahren in Europa/Österreich

Die Anerkennungsquote bei Anträgen auf internationalen Schutz bei russischen Staatsangehörigen betrug zuletzt zwischen 15 und 20% (statistische Informationen von EASO). Zwangsfreie Rückführungen aus Österreich in die Russische Föderation sind regelmäßig möglich. In den Jahren 2015/2016 wurden mittels IOM erfolgreiche Projekte freiwilliger Rückkehr durchgeführt (EASO, IOM).

2. Beweiswürdigung:

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt des Beschwerdeführers sowie in die beigeschafften Verwaltungsakte der Familienangehörigen und der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, einschließlich ständiger Beobachtung der aktuellen Berichterstattung zum Herkunftsstaat Russische Föderation, Beweis erhoben. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung trifft der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes über die Beschwerde nach Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 18.4.2019 die folgenden Erwägungen:

2.1. Zu den Feststellungen zum bisherigen Verfahren und zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zum Namen, zum Geburtsdatum und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus der im Verwaltungsakt befindlichen Kopie der beglaubigten Übersetzung der Geburtsurkunde des Beschwerdeführers (AS 121) sowie der ebenfalls im Verwaltungsakt befindlichen Kopie des abgelaufenen Konventionsreisepasses des Beschwerdeführers (AS 161) in Verbindung mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.12.2018, mit welchem die Justizanstalt XXXX ersucht wurde, den gültigen Konventionsreisepass des Beschwerdeführers einzuziehen; bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging im angefochtenen Bescheid vom Feststehen der Identität des Beschwerdeführers aus. Die Feststellung zur Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers gründet sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zur Einreise, der Antragstellung und Asylgewährung sowie der Aberkennung des Status des Asylberechtigten ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister. Die näheren Umstände der Verurteilungen, insbesondere die Modalitäten der Tatbegehung, Erschwerungs- und Milderungsgründe sowie Zurückweisung der erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde und Abweisung der erhobenen Berufung ergeben sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden Urteilsausfertigungen (AS 145ff und 177ff) sowie einer Einsichtnahme in die beigeschafften Strafrechtsakte, seitens des erkennenden Gerichts.

Dass der Beschwerdeführer sich seit 20.8.2018 (urteilsmäßiges Strafende 20.8.2022) aufgrund des Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 11.1.2018 in Strafhaft befindet, welche er selbständig angetreten hat, ist aus einer im Verwaltungsakt einliegenden Vollzugsinformation ersichtlich (AS 275).

2.1.1. Dass der Beschwerdeführer bis dato keine umfassende Verantwortung für seine Taten übernommen hat und bei ihm kein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein vorliegt, ist aus nachfolgenden Gründen zu schließen:

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Vertreters des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie auf Nachfrage der Beschwerdeführervertreterin, ob er bisher noch vor keinem Gericht ausgesagt habe, seine Taten zu bereuen, angab, vor der Polizei gesagt zu haben, dass "es ein Fehler und eine Dummheit" war; ansonsten sei er immer bei seinen Aussagen geblieben (Seite 12 der Niederschrift der Verhandlung). Aus dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 11.1.2018 ergibt sich jedoch, dass der Beschwerdeführer vor Gericht die Aussage verweigert hat (AS 197) und wird in diesem in weiterer Folge ausgeführt, dass der Beschwerdeführer und seine beiden Mittäter "unglaubwürdige, im Detail widersprüchliche Schutzbehauptungen" erstattet hätten (AS 197). In Zusammenschau dieser Umstände ist es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer jemals, etwa wie von ihm behauptet vor der Polizei, seine Taten als Fehler oder Dummheit bezeichnet hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer zwar auf Vorhalt seiner in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 3.9.2018 getätigten Aussage, was er gemacht habe, sei keine große Sache (AS 290), an, dass es sich dabei um eine falsche Protokollierung handle. Tatsächlich hätte er gesagt, es sei eine große Sache (Seite 6 der Niederschrift der Verhandlung). Dieses Vorbringen ist jedoch nicht glaubhaft: Hätte der Beschwerdeführer, wie von ihm behauptet, ausgesagt, seine Tat sei keine große Sache gewesen, so stünde sein Nachsatz, dass niemand geschlagen worden sei (AS 290), dazu in keinerlei Zusammenhang. Diesem Satz ist sinngemäß zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einvernahme tatsächlich der Meinung war, seine Tat wäre aufgrund der Tatsache, dass niemand geschlagen worden sei, keine große Sache (wie dem entsprechenden Urteil vom 11.1.2018 zu entnehmen, hielt der Beschwerdeführer dem Opfer eine Pistole an; geschlagen wurde das Opfer anschließend von einem Mittäter). Zwar erklärte der Beschwerdeführer in dieser Einvernahme weiter, dass er die Haft selbst angetreten habe, weil er wisse, schuldig zu sein; er führte jedoch auch aus, dass es in zwei bis drei Monaten und wenn es wieder keine Zeugen gebe, hoffentlich besser werde. Auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer geglaubt hat, in seinem Verfahren würde nichts mehr passieren und er, wie seinen Angaben zu entnehmen, nicht davon ausgegangen ist, eine (Freiheits-)Strafe zu erhalten (Seite 12 der Niederschrift der Verhandlung), spricht gegen das Vorliegen eines Unrechtsbewusstseins beim Beschwerdeführer. Schließlich wird dieser Eindruck auch durch die Angaben der als Zeugin vernommenen Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung bestätigt, wonach der Beschwerdeführer sich sicher gewesen sei, nicht ins Gefängnis zu müssen und selbst sage, dass die "Geschichte" nicht genau so gewesen sei, wie sie "geschrieben" stehe (Seite 27 der Niederschrift der Verhandlung). Zuletzt begründete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch nicht nachvollziehbar, weshalb er sich gegen das Urteil vom 11.1.2018 beschwert habe, sondern nahm lediglich Bezug auf seine ersten beiden Verurteilungen (Seiten 5f der Niederschrift der Verhandlung). Der Beschwerdeführer erklärte zwar nunmehr in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, seine Taten zu bereuen; er hätte im Gefängnis viel Zeit zum Nachdenken gehabt und habe aus seinen Fehlern gelernt (Seite 6 der Niederschrift der Verhandlung). Was genau er bereue, legte der Beschwerdeführer allerdings nicht konkret dar (Seite 12 der Niederschrift der Verhandlung). Insgesamt zeigte sich der Beschwerdeführer zuletzt nur insofern teilweise reuig (insbesondere Seite 6 der Niederschrift der Verhandlung) - im Hinblick darauf, dass seine Frau sich nun alleine um das gemeinsame Kind kümmern müsse und nach wie vor nicht im Zusammenhang mit einer Änderung seiner Einstellung zu den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung. Aus obigen Erwägungen ist daher zu schließen, dass der Beschwerdeführer zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt keine umfassende Verantwortung für seine Taten übernommen hat und bei ihm kein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein vorliegt.

2.1.2. Die Feststellungen zu den Aufenthalts- und Wohnorten, zum Schulbesuch des Beschwerdeführers in Österreich, seiner Berufsbildung und -ausübung, seinen Sprachkenntnissen, seinem Familienstand beziehungsweise seinen Familienverhältnissen sowie dem Aufenthalt und Asylstatus seiner Familienangehörigen inklusive seiner Lebensgefährtin in Österreich und dem Kontakt zu diesen basieren ebenso wie die Feststellung zu den sonstigen sozialen Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Österreich sowie den familiären Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Tschetschenien auf den Angaben des Beschwerdeführers und seiner als Zeugin einvernommenen Lebensgefährtin in der mündlichen Verhandlung (vgl. insbesondere die Seiten 6, 8 bis 12, 19, 21 und 27 der Niederschrift der Verhandlung), seinen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 3.9.2018 (AS 287ff), den im Verfahren vorgelegten Unterlagen (Mietvertrag, Zeugnisse, Ausbildungsvertrag respektive Ausbildungsbestätigung, Verdienstabrechnung, Lebenslauf des Beschwerdeführers - AS 415ff; mit Schreiben vom 28.2.2019 übermittelte Geburtsurkunde der Tochter samt Anerkenntnis der Vaterschaft des Beschwerdeführers; mit Schreiben vom 23.4.2019 übermittelter Bescheid betreffend die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Tochter des Beschwerdeführers; im Gerichtsakt einliegender Auszug des AJ-WEB Auskunftsverfahrens vom 17.4.2019; islamischer Ehevertrag vom 4.10.2018) und einer Einsichtnahme in die Verwaltungsakten der Familienangehörigen inklusive der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers. Dass der Beschwerdeführer Russisch, Tschetschenisch und Deutsch spricht, ergibt sich aus seinen Angaben im bisherigen Verfahren (AS 286; Seite 2 der Niederschrift der Verhandlung).

Die Feststellungen zur Übernahme des Beschwerdeführers in den gelockerten Vollzug und der Gestaltung dieses gelockerten Vollzuges ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers sowie seiner als Zeugin einvernommenen Lebensgefährtin in der mündlichen Verhandlung, die auch durch den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Justizwachbeamten bestätigt wurden (Seiten 8f und 21f der Niederschrift der Verhandlung).

Die Feststellungen zur Unterstützung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers durch ihre Familie und die Familie des Beschwerdeführers sowie zu den regelmäßigen Besuchen der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers bei ihrer Familie ergeben sich aus den Angaben der als Zeugin einvernommenen Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (Seiten 20f und 25 der Niederschrift der Verhandlung).

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Seite 5 der Niederschrift der Verhandlung).

2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen des Vaters des Beschwerdeführers, einer allfällig darauf beruhenden Gefährdung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation sowie einer möglichen Rückkehr in die Russische Föderation:

Weder aus dem Bescheid des seinerzeitigen Bundesasylamtes, mit welchem dem Beschwerdeführer Asyl zuerkannt worden war (AS 11ff), noch aus dem im Gerichtsakt einliegenden Bescheid des seinerzeitigen Bundesasylamtes, mit welchem dem Vater des Beschwerdeführers Asyl zuerkannt worden war, sind Gründe für diese Zuerkennung von Asyl explizit ersichtlich. Der vom Bundesverwaltungsgericht beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angeforderten und im Gerichtsakt einliegenden Niederschrift der Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers vom 15.11.2006 - auf deren Basis dem Vater des Beschwerdeführers Asyl zuerkannt worden ist - ist jedoch zu entnehmen, dass der Vater des Beschwerdeführers im Verfahren vorgebracht hat, ihm drohe in Tschetschenien aufgrund der Verweigerung der Zusammenarbeit mit Kadyrov der Tod; nach Kriegsausbruch 1999 sei er gegen Russland und somit gegen Kadyrov gestanden. Für den Beschwerdeführer wurden damals keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Dass der Vater des Beschwerdeführers vor seiner Einreise nach Österreich Chef der Polizei im Bezirk XXXX in XXXX war, ergibt sich ebenso aus der Niederschrift seiner Einvernahme vom 15.11.2006 sowie den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers sowie seiner als Zeugin einvernommenen Lebensgefährtin in der mündlichen Verhandlung (Seiten 7 und 24 der Niederschrift der Verhandlung).

2.2.1. Dass dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit diesen ehemaligen Tätigkeiten seines Vaters im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation keine Verfolgung droht, beruht nun auf nachfolgenden zentralen Erwägungen:

Zunächst gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung selbst an, mit den Fluchtgründen seines Vaters nichts zu tun zu haben. Er wäre jedoch als Sohn seines Vaters nicht sicher (Seite 7 der Niederschrift der Verhandlung). Der Beschwerdeführer konnte allerdings weder in der mündlichen Verhandlung noch in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nachvollziehbar darstellen, weshalb sein Vater in der Russischen Föderation konkret verfolgt worden ist und dem Beschwerdeführer selbst darauf aufbauend nunmehr eine Verfolgung drohen sollte (AS 290; Seite 7 der Niederschrift der Verhandlung). Auf die Frage des erkennenden Richters, ob der Beschwerdeführer etwas über die Verfolgung seines Vaters aufgrund dessen Weigerung, mit Kadyrov zusammenzuarbeiten, wisse, antwortete der Beschwerdeführer lediglich, dass sein Vater damals gegen die Russen Krieg geführt habe. Weshalb dem Beschwerdeführer konkret und aktuell allein aufgrund der Familienzugehörigkeit zu seinem Vater nunmehr im Fall einer Rückkehr eine Verfolgung drohen sollte, vermochte der Beschwerdeführer jedoch damit nicht nachvollziehbar zu begründen.

Der Beschwerdeführer schilderte zudem weder in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch in der mündlichen Verhandlung ein plausibles, ihm individuell und aktuell drohendes Verfolgungsszenario. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er könne sich erinnern, dass, als er sechs oder sieben Jahre alt gewesen sei, russische Kräfte gekommen seien und nach seinem Vater gesucht, mit Waffen auf die Kinder gezeigt und Wertsachen genommen hätten (AS 290; Seite 7 der Niederschrift der Verhandlung), beschreibt zwar einen konkreten Sachverhalt, der jedoch einerseits rund sechzehn Jahre zurückliegt und andererseits bereits bezogen auf den damaligen Zeitpunkt daraus resultierend eine individuell dem Beschwerdeführer selbst drohende Verfolgungsgefahr nicht erkannt werden kann; eigene Fluchtgründe wurden für den Beschwerdeführer auch nie vorgebracht. Der Beschwerdeführer konnte auch nicht plausibel begründen, weshalb die von ihm beschriebene Gefahr nach wie vor im selben Ausmaß wie damals gegeben sein sollte, sondern erklärte lapidar, das sei einfach so (Seite 7 der Niederschrift der Verhandlung). Dieser unsubstantiierten Behauptung stehen auch die dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation und insbesondere in Tschetschenien entgegen:

Diesen kann nicht entnommen werden, dass es aktuell zu einer generellen Verfolgung von Personen, die in den beiden Tschetschenienkriegen Kämpfer unterstützt haben, kommen würde; dass Angehörige von solchen Personen im Allgemeinen verfolgt würden, kann demnach erst recht nicht angenommen werden. Es konnten aktuell keine Hinweise auf (systematische) Verfolgungshandlungen tschetschenischer Behörden gegen ehemalige tschetschenische Kämpfer gefunden werden, ebenso wenig Hinweise darauf, dass russische Behörden tschetschenische Kämpfer der beiden Kriege suchen würden. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die russischen und tschetschenischen Behörden mittlerweile bei der Strafverfolgung auf IS-Kämpfer/Unterstützer beziehungsweise auf Personen konzentrieren, die im Nordkaukasus gegen die Sicherheitskräfte kämpfen, was auf den Beschwerdeführer nicht zutrifft. Generell ist die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen zwei Jahren deutlich zurückgegangen und ist die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger stabil. Auch die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkriegs deutlich verbessert.

Insgesamt hat sich die Lage in Tschetschenien in den vergangenen Jahren also deutlich stabilisiert und kann, trotzdem es immer wieder zu Konflikten und Menschenrechtsverletzungen kommt, keinesfalls von einer Gruppenverfolgung von Personen mit dem Profil des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Im Verfahren hat sich weiters eine aktuelle individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers nicht ergeben und ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine gefahrlose Rückkehr zumutbar sein wird.

2.2.2. Die Feststellung, wonach das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe auf Grund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit nicht konkret vorgebracht wurde und Hinweise für eine solche Verfolgung auch amtswegig nicht hervorgekommen sind, ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine substantiierten Hinweise auf das Vorliegen einer solchen konkret gegen ihn gerichteten beziehungswiese ihn individuell betreffenden Verfolgung vorgebracht hat beziehungsweise nicht einmal ein Hinweis auf eine solche amtswegig zu ersehen war. Auf die Frage des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung, ob es Ergänzungen zu den in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 3.9.2018 geäußerten Befürchtungen einer Rückkehr (AS 290) gebe, berief sich der Beschwerdeführer ausschließlich auf die Fluchtgründe seines Vaters. In der Einvernahme am 3.9.2018 erklärte der Beschwerdeführer zu seinen Rückkehrbefürchtungen befragt, dass man in Tschetschenien, wenn man verdächtig sei, einfach verschwinde; dies wäre seinem Cousin passiert (AS 290). In der mündlichen Verhandlung ergänzte der Beschwerdeführer, dass sein Cousin 1998 oder 1999 verschwunden sei, ebenso sein Onkel (Seiten 7f der Niederschrift der Verhandlung). Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers beschränkt sich auf die oben angeführten, vagen und abstrakten Aussagen, welche keinerlei konkreten Bezug zum Beschwerdeführer aufweisen. Weshalb der Beschwerdeführer den russischen respektive tschetschenischen Behörden "verdächtig" erscheinen sollte, legte er nicht konkret dar; er schilderte damit keine nachvollziehbare Gefährdungssituation (zum Nichtvorliegen einer Verfolgungsgefahr in Zusammenhang mit den ehemaligen Tätigkeiten des Vaters des Beschwerdeführers siehe oben). Überdies beziehen sich die vorgebrachten Vorfälle betreffend des Cousins auf einen zwanzig Jahre zurückliegenden Zeitpunkt und weisen insofern ebenso wenig Relevanz für die aktuelle Situation des Beschwerdeführers auf.

Sofern in dem der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 7.5.2019 beigelegten Schreiben des Kulturvereines XXXX vom 30.4.2019 ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer damit rechnen müsste, aufgrund der in Tschetschenien bekannten Taten seines Vaters festgenommen zu werden, ist auf das oben Gesagte zu verweisen; insbesondere wird damit wiederum keine konkret den Beschwerdeführer betreffende Gefahr dargelegt; dafür, dass der Beschwerdeführer im Rahmen einer Sippenhaftung verantwortlich gemacht werden würde, haben sich im Verfahren keinerlei substantiierte Anhaltspunkte ergeben.

2.2.3. Im Verfahren sind, auch unter Berücksichtigung obiger Ausführungen, somit im Ergebnis keinerlei Hinweise hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation konkret Gefahr liefe, Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden. Dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig und in der Lage ist, für seinen Lebensunterhalt aufzukommen und seine Existenz zu sichern, basiert auf den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren sowie den diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Länderfeststellungen. Der Beschwerdeführer hat Arbeitserfahrung im Rahmen einer begonnenen Lehre als Automechaniker aufzuweisen und will in diesem Bereich auch weiterhin tätig sein. Dabei wird nicht übersehen, dass die soziale Lage in der Russischen Föderation angespannt ist und in Tschetschenien Arbeitslosigkeit sowie daraus resultierend Armut von Teilen der Bevölkerung problematisch sind. Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkrieges jedoch deutlich verbessert; die Grundversorgung ist in der Russischen Föderation im Allgemeinen gewährleistet. Dafür, dass gerade der junge, arbeitsfähige und -willige Beschwerdeführer nicht für seine notwendige Existenzgrundlage sorgen könnte, sind im Verfahren keine Hinweise hervorgekommen.

2.3. Zu den Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation:

Die Feststellungen zu den entscheidungsrelevanten Aspekten der Situation in der Russischen Föderation, welche diesem Erkenntnis zu Grunde liegen, ergeben sich aus einer Gesamtschau nachfolgender, in der mündlichen Verhandlung vom 18.4.2019 mit dem Beschwerdeführer erörterten Quellen, die im Übrigen mit den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der angefochtenen Entscheidung verwendeten im Einklang stehen:

* Amnesty International: Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, 22.2.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425086.html, AI

* Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 21.5.2018, AA

* Buyantueva, Radzhana (Autorin), veröffentlicht von bpb Bundeszentrale für Politische Bildung: Analyse: LGBT-Bewegung und Homophobie in Russland, 19.2.2018, http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/analysen/264904/analyse-lgbt-bewegung-und-homophobie-in-russland, bpb

* Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH:

Russland, Geschichte und Staat (Dezember 2018), https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, GIZ

* European Asylum Support Office: Country of Origin Information Report Russian Federation. State Actors of Protection, März 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, EASO 2017

* European Asylum Support Office: Country of Origin Information Report Russian Federation. The situation for Chechens in Russia, August 2018,

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/Chechens_in_RF.pdf, EASO 2018

* Freedom House: Freedom in the World 2018 - Russia, Jänner 2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html, FH 1

* Freedom House: Nations in Transit 2018 - Russia, April 2018, https://www.ecoi.net/en/document/1429203.html, FH 2

* Human Rights Watch: "They Have Long Arms and They Can Find Me". Anti-Gay Purge by Local Authorities in Russia's Chechen Republic (Mai 2017),

https://www.ecoi.net/en/file/local/1400829/5228_1496394209_chechnya0517-web.pdf,

HRW

* ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Dezember 2018,

ÖB

* Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit: Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, März 2018, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf,

SWP

* United States Commission on International Religious Freedom:

Annual Report 2018. Russia, 2018, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/Tier1_RUSSIA.pdf, USCIRF

* United States Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2017 - Russia, 20.4.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430116.html, USDOS HR

* United States Department of State: Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 - Russia, 19.9.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444879.html, USDOS T

* United States Department of State: International Religious Freedom Report 2017 - Russia, 29.5.2018 https://www.state.gov/documents/organization/281196.pdf, USDOS RF

* Wikipedia: LGBT rights in Russia, https://en.wikipedia.org/wiki/LGBT_rights_in_Russia, Wikipedia

Aktuelle (notorische) Medienberichterstattung beziehungsweise öffentlich zugängliche statistische Informationen von EASO sowie von IOM, insbesondere:

*

https://www.nzz.ch/international/offensive-gegen-menschenrechtler-in-tschetschenien-ld.1349616

* https://www.easo.europa.eu/overview-situation-asylum-eu-2017

*

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/russland-wladimir-putins-wirtschaftsbilanz-nach-18-jahren-a-1198313.html

Den Parteien wurde in der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Stellungnahme zu den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Länderfeststellungen bis zum 8.5.2019 eingeräumt. Der Beschwerdeführer brachte fristgerecht am 7.5.2019 eine Stellungnahme ein; in dieser wurde den Länderfeststellungen nicht entgegengetreten. Seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erging in diesem Kontext keine Stellungnahme.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Zu Spruchpunkt I des Erkenntnisses

3.1.1. Aberkennung des Status des Asylberechtigten

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt. Nach § 6 Abs 1 Z 4 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützte sich im angefochtenen Bescheid zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten zu Recht auf § 7 Abs 1 Z 1 iVm § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005:

Für eine Entscheidung gemäß § 7 Abs 1 Z 1 iVm § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 müssen wegen der wörtlich gleichen Voraussetzungen die gleichen Maßstäbe gelten, auf die sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den bisherigen Vorerkenntnissen zu § 13 Abs 2 zweiter Fall AsylG 1997 bezogen haben (vgl dazu VwGH 1.3.2016, Zl Ra 2015/18/0247, und insbesondere VwGH 21.9.2015, Zl Ra 2015/19/0130: "vgl allgemein zu den Kriterien des Asylausschlussgrundes - zu vergleichbarer Rechtslage - die Erkenntnisse vom 6. Oktober 1999, 99/01/0288, vom 3. Dezember 2002, 99/01/0449 und vom 23. September 2009, 2006/01/0626; zum Begriff des "besonders schweren Verbrechens" im Sinne dieser Bestimmung die bereits zitierten Erkenntnisse vom 3. Dezember 2002 und vom 23. September 2009; sowie zum Tatbestandsmerkmal der "Gefahr für die Gemeinschaft" des § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 die zur "Gemeingefährlichkeit" ergangene hg Judikatur, etwa die hg Erkenntnisse vom 18. Jänner 1995, 94/01/0746, vom 10. Oktober 1996, 95/20/0247 sowie vom 27. September 2005, 2003/01/0517").

Wie der Verwaltungsgerichtshof - erstmals - in seinem Erkenntnis vom 6.10.1999, Zl 99/01/0288, unter Hinweis auf Art 33 Z 2 GFK ausgeführt hat, müssen nach "internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür rechtskräftig verurteilt worden, gemeingefährlich sein und es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.

Zur nunmehr anzunehmenden Bedeutung des Begriffs "besonders schweres Verbrechen" verwies der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis auf einschlägige Literatur (Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, [1990] S 227 ff und Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, [1999] Rz 455), wonach "typischerweise schwere Verbrechen" "etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen" seien. Es müsse sich um Straftaten handeln, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Allerdings genüge es nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden sei. Die Tat müsse sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Unter anderem sei auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen und der Entscheidung eine Zukunftsprognose zugrunde zu legen (so auch die Judikatur des VwGH zu § 13 Abs 2 AsylG 1997, der Vorgängerregelung des § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005, VwGH 3.12.2002, 99/01/0449; 27.4.2006, 2003/20/0050; 5.10.2007, 2007/20/0416). Andererseits setze die Entscheidung eine Güterabwägung, ob die Interessen des Zufluchtsstaates jene des Flüchtlings überwiegen, voraus (VwGH 15.12.2006, 2006/19/0299; 5.10.2007, 2007/20/0416).

Im Erkenntnis vom 3.12.2002, 99/01/0449, führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, wann ein "typischerweise schweres Verbrechen" ausreichend sei, um "besonders schwer" zu sein, "illustrativ" an, dass in der Bundesrepublik Deutschland etwa für den auf Art 33 Abs 2 zweiter Fall GFK bezogenen Tatbestand in § 51 Abs 3 dAuslG das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren normiert worden sei.

In der Regierungsvorlage zu § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP, 36), auf welchen § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 verweist, wurde erläuternd Folgendes ausgeführt:

"Die Z 3 und 4 des Abs 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs 2 AsylG. Unter den Begriff ‚besonders schweres Verbrechen' fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl VwGH 10.6.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit - an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des ‚besonders schweren Verbrechens' des Art 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist."; vgl dazu zuletzt insbesondere VwGH vom 18.10.2018, Zl Ra 2017/19/0109-8.

Bewaffneter Raub stellt typischer Weise abstrakt ein besonders schweres Verbrechen im Sinne des § 6 Abs 1 Z 4 AslyG 2005 dar. Auch konkret ist die Verurteilung als besonders schweres Verbrechen im Sinne obiger Judikatur zu qualifizieren: Die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angenommene besondere Schwere der Tat und die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers spiegeln sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes gerade im Ausmaß der verhängten unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen bewaffneten Raubes wider. Die vom Beschwerdeführer begangene Tat ist mit einem Höchstmaß von fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht; dass über den Beschwerdeführer "nur" eine unbedingte Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt wurde, ist vor allem auf sein junges Alter von zwanzig Jahren zum Zeitpunkt der Tatbegehung zurückzuführen (wobei es sich dabei, anders als in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 7.5.2019 ausgeführt, nicht um eine Jugendstraftat handelt, da der Beschwerdeführer das achtzehnte Lebensjahr bereits vollendet hatte, sondern lediglich um eine Tatbegehung als junger Erwachsener). Dieser Umstand wurde im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 11.1.2018 als mildernd berücksichtigt; erschwerend wurden zwei einschlägige Vorstrafen gewertet. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom 3.7.2018 wurde die Berufung des Beschwerdeführers wegen des Strafausspruches abgewiesen und die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe um jenen der Tatbegehung in offener Probezeit ergänzt, wodurch sich auch ein Überwiegen der Erschwerungs- über die Milderungsgründe ergibt.

Sofern in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 7.5.2019 vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer seine Haftstrafe selbständig angetreten habe und sich aufgrund seiner tadellosen Führung im gelockerten Vollzug befinde, was in subjektiver Hinsicht gegen das Vorliegen eines schwerwiegenden Verbrechens spreche, ist festzuhalten, dass diese nach der Tatbegehung und Verurteilung entstandenen Umstände auf die Beurteilung des Verbrechens selbst keinen Einfluss haben können und daher im Rahmen einer Zukunftsprognose betreffend den Beschwerdeführer berücksichtigt werden.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Verurteilung des Beschwerdeführers um die dritte einschlägige handelt und daher davon auszugehen ist, dass beim Beschwerdeführer ein hohes Rückfallrisiko besteht, dies auch unter Berücksichtigung, dass an einer inzwischen eingetretenen Verbundenheit des Beschwerdeführers mit den Werten der österreichischen Rechtsordnung erhebliche Zweifel bestehen.

Die Tat erwies sich damit nicht nur abstrakt, sondern auch im konkreten Fall als objektiv besonders schwerwiegend.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 06.10.1999, Zl 99/01/0288, zu den weiteren Voraussetzungen ausgeführt hat, dürfen nur gemeingefährliche Straftäter in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden. Bestehe für das zukünftige Verhalten des Täters eine günstige Prognose, dürfe § 13 Abs 2 AsylG (im gegenständlichen Fall § 7 Abs 1 Z 1 iVm § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005) im Sinne des Art 33 Abs 2 GFK nicht angewendet werden. Für diese zu erstellende Zukunftsprognose (zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit des Straftäters) kommt es auf "das gesamte Verhalten des Antragstellers

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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