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KFGNorm
KFG 1967 §102 Abs1 idF vor 1978/279Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Richters Dr. Gerhard als Schriftführer, über die Beschwerde des JS in W, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien I, Elisabethstraße 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Jänner 1978, Zl. MA 70- IX/S 392/77/Str., betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Ein Organ der Bundespolizeidirektion Wien erstattete auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung gegen den Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens Anzeige, weil dieser am 11. Juli 1977 um 13.05 Uhr in Wien XVIII, G-straße Nr. 6, sein Fahrzeug mit zur Gänze abgedeckten Kennzeichentafeln abgestellt hatte. In der Anzeige heißt es ferner, beide am Fahrzeug angebrachten Kennzeichentafeln seien in einem Metallrahmen hinter einer Plexiglasfolie montiert gewesen. Bei diesen Abdeckungen sei die Möglichkeit gegeben, daß das Ablesen des Kennzeichens erschwert oder unmöglich gemacht werde; im besonderen dadurch, daß die gegenständlichen Abdeckungen bereits leichte Verformungen aufgewiesen hätten. Anläßlich der Lenkererhebung gab der Beschwerdeführer den Sachverhalt zu.
Nachdem eine gegen den Beschwerdeführer erlassene Strafverfügung zufolge rechtzeitigen Einspruches außer Kraft getreten war, erkannte die Bundespolizeidirektion Wien mit Straferkenntnis vom 25. Oktober 1977 den Beschwerdeführer schuldig, er habe am 11. Juli 1977 um 13.05 Uhr in Wien XVIII, Gstraße vor dem Haus Nr. 6, einen dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagen im öffentlichen Verkehr abgestellt, obwohl die Kennzeichentafeln vorschriftswidrig mit einer Plastikfolie abgedeckt gewesen seien und dadurch ein einwandfreies Ablesen (des Kennzeichens) erschwert worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 50 Abs. 1 KFG begangen. Gemäß § 134 Abs. 1 leg. cit. wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzarreststrafe 36 Stunden) verhängt. In der Begründung wurde dem im Verfahren erhobenen Einwand des Beschwerdeführers, daß das Überdecken der Kennzeichentafeln bei anderen Personenkraftwagen nicht beanstandet werde, entgegnet, daß diese Verantwortung nicht als entschuldigend betrachtet werden könne, weil das Abdecken der Kennzeichentafeln auch mit einer gut durchsichtigen Plastikfolie verboten und die Behörde bemüht sei, die gesetzwidrige Verwendung bei diversen Personenkraftwagen abzustellen. Aus dem Gesetzestext ergebe sich eindeutig, daß das Anbringen von Vorrichtungen, mit denen das Kennzeichen eines Fahrzeuges ganz oder teilweise verdeckt oder unlesbar gemacht werden könne, verboten sei. Wie der Meldung entnommen werden könne, sei das Kennzeichen des Beschwerdeführers durch die Plastikfolie erschwert ablesbar gewesen und hätte somit die Folie nicht verwendet werden dürfen. Die Ablesungsmöglichkeit sei zudem noch erschwert gewesen, weil die Abdeckungen leichte Verformungen aufgewiesen haben. Da somit der Tatbestand des § 50 Abs. 1 KFG vollinhaltlich erfüllt gewesen sei, habe die Behörde spruchgemäß zu erkennen gehabt.
Auf Grund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung bestätigte der Landeshauptmann von Wien mit dem Bescheid vom 2. Jänner 1978 das angefochtene Straferkenntnis mit der Ergänzung, daß nach den Worten "Ablesen erschwert wurde" einzufügen sei, "und sich somit vor der Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges nicht überzeugt, daß das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug den Vorschriften des KFG 1967 entspricht". Weiters sei als primär übertretene Norm § 102 Abs. 1 KFG 1967 mitzuzitieren. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der Anzeige des Meldungslegers ausgeführt, daß die Behörde keine Veranlassung habe, die klaren und präzisen Angaben eines verkehrsgeschulten Straßenaufsichtsorganes in Zweifel zu ziehen, zumal einem zur Überwachung des Straßenverkehrs eingesetzten Organ zugemutet werden müsse, derartige Feststellungen zu treffen. Die Angaben des Meldungslegers entsprächen überdies den Erfahrungen des täglichen Lebens, weil Plexiglasfolien - wie allgemein bekannt sei - unter bestimmten Bedingungen durch Reflexwirkungen das Kennzeichen unlesbar machen. Die gegenteiligen Behauptungen des Beschwerdeführers seien unglaubwürdig. Überdies bezögen sich sowohl der beantragte Lokalaugenschein als auch die angefertigten und vom Beschwerdeführer angebotenen Bilder nicht auf den Tatzeitpunkt und könnten somit nicht als geeignete Beweismittel angesehen werden. Im vorliegenden Fall sei nach den Feststellungen des Meldungslegers die Ablesbarkeit des Kennzeichens erschwert gewesen.
In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht, aber auch gerügt, daß die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer beantragten Lokalaugenschein verworfen habe, im Rahmen dessen sie, allenfalls unter Zuziehung eines Sachverständigen, hätte feststellen können und müssen, daß durch die vom Beschwerdeführer vorgenommene Abdeckung der Kennzeichentafel keine Beeinträchtigung der Ablesbarkeit gegeben gewesen sei. Auf die Möglichkeit, daß durch Plexiglasfolien unter bestimmten Bedingungen durch Reflexwirkungen das Kennzeichen unlesbar gemacht werden könne, wäre nicht Bedacht zu nehmen gewesen, weil es im Gesetz nur um die Ablesbarkeit durch das menschliche Auge gehe und die abstrakte Frage, ob der Plastikschutz das Kennzeichen unlesbar machen könne, nur unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen gelöst werden könne.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 50 Abs. 1 KFG ist das Ändern der Kennzeichentafeln und das Anbringen von Vorrichtungen, mit denen das Kennzeichen eines Fahrzeuges ganz oder teilweise verdeckt oder unlesbar gemacht werden kann, verboten. Unbestritten ist, daß zum Zeitpunkt der Beanstandung die Kennzeichentafeln des Fahrzeuges des Beschwerdeführers mit einer Plexiglasfolie überdeckt waren.
Vorweg sei bemerkt, daß die erst am 28. Juni 1978 in Kraft getretene Bestimmung des § 26 b der Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967 (siehe Z. 93 der 9. Novelle zur KDV 1967, BGBl. Nr. 279/1978), wonach nunmehr ausdrücklich normiert ist, daß Kennzeichentafeln so am Fahrzeug angebracht sein müssen, daß sie weder ganz oder teilweise, auch nicht mit durchsichtigem Material, abgedeckt sind, im Beschwerdefall nicht anzuwenden ist. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß vor dieser Novelle die Anbringung von Plexiglasfolien über den Kennzeichentafeln an sich zulässig gewesen wäre. Denn es ergibt sich schon aus dem klaren Wortlaut des § 50 Abs. 1 KFG unmißverständlich, daß das Anbringen jeder Vorrichtung, daher auch durchsichtiger Plexiglasfolien, mit der ein Kennzeichen verdeckt bzw. unlesbar gemacht werden kann, verboten ist.
Das Wort "kann" im § 50 Abs. 1 KFG bedeutet, daß das Verbot sich auf alle Vorrichtungen erstreckt, die geeignet sind, das Kennzeichen eines Fahrzeuges ganz oder teilweise zu verdecken oder unlesbar zu machen, bei deren Verwendung also nicht auszuschließen ist, daß sie die in dieser Bestimmung angeführten Wirkungen hervorrufen können. Die belangte Behörde unterlag daher keinem Rechtsirrtum, wenn sie bereits in der Möglichkeit einer derartigen Beeinträchtigung der Lesbarkeit des Kennzeichens die Tatbestandsverwirklichung als gegeben ansah. Ob dies aber zutrifft, kann nicht - wie die belangte Behörde meinte - allein mit den Erfahrungen des täglichen Lebens begründet werden. Vielmehr kann die abstrakt zu lösende Frage, ob durch eine Plexiglasfolie der verwendeten Art das Kennzeichen ganz oder teilweise verdeckt oder unlesbar gemacht werden kann - hierin ist dem Beschwerdeführer beizupflichten -, nur unter Zugrundelegung des Wissens eines Sachverständigen gelöst werden. (Vgl. unter anderem Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1979, Zlen. 3065 - 3068/78, und vom 20. Februar 1980, Zl. 543/78; auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, wird hingewiesen.) Daß im Beschwerdefall die Kennzeichenabdeckung nach den Angaben des Meldungslegers bereits leichte Verformungen aufwies und dadurch die Ablesbarkeit des Kennzeichens erschwert war, worauf die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ebenfalls hinwies, hat allerdings mit dem Tatbestand des § 50 Abs. 1 KFG nichts zu tun, weil die Pflicht, für die Lesbarkeit des Kennzeichens trotz Verschmutzung, Schneebelag, Beschädigung oder Verformung zu sorgen, gemäß § 102 Abs. 2 KFG den Lenker eines Fahrzeuges sicherlich genauso wie bei einer jenes überdeckenden Plexiglasfolie treffen würde und solche Erwägungen daher im vorliegenden Zusammenhang auszuscheiden haben. (Vgl. auch dazu die schon zitierten hg. Erkenntnisse.)
Der Beschwerdeführer wendet sich in der Beschwerde auch dagegen, daß ihm die belangte Behörde als primär übertretene Norm § 102 Abs. 1 KFG zur Last legte, weil ein dahin gehender Schuldspruch nur dann erfolgen könnte, wenn der Beschwerdeführer von dem Anzeiger bei oder nach der Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges beanstandet worden wäre. Die Verpflichtung zur Überprüfung der Lesbarkeit der Kennzeichen sei nicht im § 102 Abs. 1 KFG normiert, sondern befinde sich eine derartige Vorschrift lediglich in § 102 Abs. 2 leg. cit. Dieser Einwand ist aber nicht berechtigt. Bereits in der Strafverfügung, aber auch im Bescheid erster Instanz wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, die Verwaltungsübertretung als Lenker des Kraftfahrzeuges begangen zu haben ("abgestellt hat, obwohl ..."). Dies ist vom Beschwerdeführer im gesamten Verfahren unwidersprochen geblieben. Es kann daher der belangten Behörde kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie ebenfalls davon ausging, daß der Beschwerdeführer der Lenker des Fahrzeuges war. Die Verpflichtung des Kraftfahrzeuglenkers, sich vor Inbetriebnahme davon zu überzeugen, ob das Fahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, ist - bezogen auf die Regelung des § 50 Abs. 1 KFG - in § 102 Abs. 1 KFG geregelt, während § 102 Abs. 2 leg. cit. nur für die dort ausdrücklich aufgezählten Fälle der Unlesbarkeit des Kennzeichens anzuwenden ist.
Wie sich aus dem Vorgesagten ergibt, hat jedoch die belangte Behörde dadurch, daß sie die Aufnahme des Sachverständigenbeweises unterließ, Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 542/1977. Das über den pauschalierten Schriftsatzaufwand hinausgehende Begehren auf Ersatz der Stempelgebühren und "sonstiger auflaufender Kosten" war gemäß § 58 VwGG 1965 abzuweisen, weil sie weder ziffernmäßig dargestellt noch begründet sind. (Vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1967, Slg. Nr. 7227/A, vom 10. Juni 1968, Zl. 387/67, und vom 25. März 1968, Slg. Nr. 7319/A.)
Wien, am 27. Februar 1980
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1980:1978000513.X00Im RIS seit
14.08.2019Zuletzt aktualisiert am
14.08.2019