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Sozialversicherung - ASVG - AlVGNorm
ASVG §68 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Gerscha, über die Beschwerde des Dr. KR, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. Mai 1984, Zl. Vd-3161/7 - 1984, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse in Innsbruck, Klara Pölt-Weg 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit dem Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Tiroler Gebietskrankenkasse vom 2. September 1981 keine Folge gegeben und dieser Bescheid bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Verwaltung) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Aufgrund einer am 16. und 17. Juni 1981 im Restaurationsbetrieb des Beschwerdeführers vorgenommenen Beitragsprüfung stellte die mitbeteiligte Tiroler Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 2. September 1931 fest, daß "der Dienstgeber Dr. KR, Restaurant ‚R' in K" aufgrund verschiedener Meldeverstöße zur Nachzahlung von Beiträgen in der Höhe von S 23.191,37 verpflichtet sei.
Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid "- ausgenommen die Beitragsnachrechnung für den Dienstnehmer ZS für den Jänner 1977 -" keine Folge gegeben, der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt und ausgesprochen, daß hinsichtlich des genannten Dienstgebers bei der Beitragsvorschreibung für Jänner 1977 von einem Bruttolohn von S 6.600,-- auszugehen sei. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, daß die vom Einspruchswerber bekämpfte Nachrechnung von Sonderbeiträgen für bestimmte, in der Wintersaison 1977 bei ihm beschäftigte Dienstnehmer zu Recht erfolgt sei, weil deren Dienstverhältnis nicht - wie vom Einspruchswerber behauptet - durch vorzeitigen Austritt, sondern durch Zeitablauf geendet habe, so daß den Dienstnehmern ein Anspruch auf Sonderzahlungen zugestanden sei. Der Einspruchswerber sei daher verpflichtet, für diese Sonderzahlungen Sonderbeiträge zu leisten. Bei den Kochlehrlingen HH und FH habe der Einspruchswerber die ab 1. Mai 1976 eingetretenen Änderungen des Kollektivvertrages hinsichtlich der Berechnung des Entgeltanspruches nicht berücksichtigt. Die diesbezügliche Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen sei daher zu Recht erfolgt. Die Dienstnehmerin JA sei im Monat August 1976, der Dienstnehmer CS sei bis 19. März 1977 zur Sozialversicherung gemeldet gewesen. Für diese Zeiträume seien daher zu Recht Sozialversicherungsbeiträge nachverrechnet worden. Da der Einspruchswerber "- vor allem auch im Hinblick darauf, daß es sich beim Einspruchswerber um eine rechtskundige Person (Rechtsanwalt) handelt -" die Unrichtigkeit der Meldungen bei Anwendung der gesetzlich geforderten gehörigen Sorgfalt hätte erkennen müssen, käme nicht die zweijährige, sondern die fünfjährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG zur Anwendung. Hinsichtlich des Dienstnehmers ZS sei bei der Beitragsnachrechnung für Jänner 1977 von einem Bruttolohn von S 6.800,-- ausgegangen worden. Laut Lohnkonto sei für diesen Monat jedoch nur ein Bruttolohn von S 6.600,-- ausbezahlt worden. Diesbezüglich müsse daher die Beitragsnachrechnung abgeändert werden. Von dieser Änderung abgesehen sei dem Einspruch jedoch der Erfolg zu versagen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Aus den Ausführungen der Beschwerde geht hervor, daß der angefochtene Bescheid nur insoweit bekämpft wird, als damit dem Einspruch des Beschwerdeführer gegen den Bescheid der mitbeteiligten Tiroler Gebietskrankenkasse keine Folge gegeben und dieser Bescheid bestätigt wurde.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Tiroler Gebietskrankenkasse beantragten in ihren Gegenschriften die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg sei bemerkt, daß nach der Aktenlage an der Identität des Beschwerdeführers mit dem im angefochtenen Bescheid bezeichneten Dienstgeber nicht der geringste Zweifel bestehen kann, wird doch auch im angefochtenen Bescheid auf den Beruf des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt ausdrücklich Bezug genommen. Der in der Gegenschrift der mitbeteiligten Tiroler Gebietskrankenkasse erhobene Einwand der mangelnden Legitimation des Beschwerdeführers zur Erhebung der Beschwerde ist daher unbegründet.
Als inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer den Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Vorschreibung von Beiträgen geltend. Bei der Prüfung dieser Frage ist von der Bestimmung des § 68 Abs. 1 ASVG auszugehen. Danach verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen zwei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemachten, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36 leg. cit.) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 leg. cit.) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird.
Untersucht man nun die umstrittenen Beitragsnachforderungen im einzelnen, so zeigt sich, daß das Recht auf Feststellung von Beitragsschuldigkeiten hinsichtlich der Dienstnehmerin JA für den Monat August 1976 und hinsichtlich des Dienstnehmers CS für die Zeit vom 1. bis 19. März 1977 im Zeitpunkt der Beitragsprüfung (Juni 1981) tatsächlich bereits verjährt war. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides waren die genannten Dienstnehmer für diese Zeiträume wohl zur Sozialversicherung gemeldet, doch wurden für sie keine Beiträge entrichtet. Daß diese Meldungen nicht das den Dienstnehmern gebührende Entgelt enthalten hätten, also unrichtig im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG gewesen wären, ist dem von der belangten Behörde angenommenen und sohin gemäß § 41 Abs. 1 VwGG der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht zu entnehmen. Damit fehlt es aber an einem Tatbestand, der für die Forderungen der auf die genannten Zeiträume entfallenden Beiträge für die angeführten Dienstnehmer eine Verlängerung der Verjährung von zwei auf fünf Jahre bewirken könnte.
Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfahrensrüge einzugehen, daß sich die belangte Behörde bei den genannten Dienstnehmern auf EDV-Ausdrucke berufen habe, "ohne die bezughabenden Akten und Abmeldungsunterlagen beizuziehen".
Hinsichtlich der übrigen festgestellten Beitragsschuldigkeiten trifft der Einwand der Verjährung hingegen nicht zu. Hat der Dienstgeber nämlich nicht Sonderzahlungen gemeldet, die einem Dienstnehmer gebühren, oder hat er die Meldung des aufgrund einer Änderung des Kollektivvertrages einem Dienstnehmer zustehenden höheren Entgelts unterlassen, dann handelt es sich um Fälle, in denen sich die Verjährungsfrist nach der oben angeführten Bestimmung auf fünf Jahre verlängert, wenn der Dienstgeber die Meldung bei gehöriger Sorgfalt als notwendig hätte erkennen müssen. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muß und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der ( gehörigen Sorgfalt zu vertreten hat (vgl. auch Krejci, Das Sozialversicherungsverhältnis, 159 und Teschner-Fürböck, Anm. 2 a zu § 68 ASVG). Für den Beschwerdeführer ist daher nichts gewonnen, wenn bei Anlegung des Maßstabes für die Prüfung der Einhaltung der gehörigen Sorgfalt auf "durchschnittliche Verhältnisse" und nicht auf seine subjektiven Verhältnisse als rechtskundige Person abgestellt wird. Es ist somit nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde davon ausging, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten unterlassenen Meldungen bei Anwendung gehöriger Sorgfalt als notwendig hätte erkennen müssen.
Wenn der Beschwerdeführer als Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, daß seine Einvernahme unterblieben sei, so kann er damit schon deshalb nicht eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG erreichen, weil er nicht durch konkretes tatsächliches Vorbringen aufzeigt, zu welchem andern Ergebnis die Behörde bei Durchführung dieses Beweises hätte kommen können (vgl. Erkenntnis vom 27. November 1948, Slg. N.F. Nr. 593/A). Im übrigen wurde dem Beschwerdeführer im Einspruchsverfahren ohnedies in hinreichendem Maße Parteiengehör gewährt. Wenn der Beschwerdeführer ausführt, daß die Behörde davon hätte ausgehen müssen, "daß ich mich kaum um solche Einzelheiten kümmere, wie sie mir nun vorgehalten werden", so bestärkt dies eher noch die Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung und läßt somit nicht erkennen, daß aus seiner Aussage wesentliche Aufschlüsse zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hätten gewonnen werden können.
Soweit der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist darauf zu verweisen, daß die Würdigung der Beweise gemäß § 45 Abs. 2 AVG 1950 nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Sachverhalt genügend ermittelt worden ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8619/A). Daß die belangte Behörde im konkreten Fall der Zeugin SR keinen Glauben schenkte, begründete sie damit, daß diese Zeugin bei ihrer Aussage einen unsicheren Eindruck machte, wobei der Grund dafür nach Ansicht der belangten Behörde darin gelegen sei, daß der zu klärende Sachverhalt bereits längere Zeit zurückliege und daß es für die Zeugin bei der großen Zahl von Dienstnehmern des Einspruchswerbers in den einzelnen Saisonen schwierig gewesen sei, hinsichtlich einzelner Dienstnehmer genaue und detaillierte Angaben zu machen. Ferner wies die belangte Behörde darauf hin, daß die Angaben dieser Zeugin teilweise widersprüchlich seien. Diese mit dem Akteninhalt nicht in Widerspruch stehenden Überlegungen können aber nicht als unschlüssig angesehen werden. Es trifft auch nicht zu, daß die belangte Behörde nicht begründet habe, warum sie der Aussage der Zeugin SR keine Beweiskraft zugemessen habe. Die belangte Behörde hat dazu ausgeführt, daß es für sie "unerfindlich" sei, warum diese Zeugin laut ihrer Aussage für bestimmte Dienstnehmer unrichtige Endigungsgründe bei den Abmeldungen angegeben habe, während bei den anderen Dienstnehmern der Endigungsgrund richtig angegeben worden sei. Da auch aus der Aussage der Zeugin Sigrid Reisch keinerlei Erklärung für diese Divergenzen hervorgeht, kann keine Unschlüssigkeit darin erblickt werden, wenn die belangte Behörde den Angaben in den Abmeldungen den Vorzug vor der - ohne nähere Begründung - deren Richtigkeit bestreitenden Zeugenaussage eingeräumt hat.
Das Beschwerdevorbringen ist daher an sich nur hinsichtlich der Beitragsnachforderung für die Dienstnehmer JA und CS bezüglich der oben angeführten Zeiträume begründet. Da aber eine ziffernmäßige Herausrechnung dieser Beiträge mangels einer entsprechenden Aufschlüsselung im angefochtenen Bescheid nicht möglich ist, war dieser - im Umfang der Anfechtung - zur Gänze wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war zufolge der im § 110 ASVG verankerten sachlichen Abgabenfreiheit abzuweisen.
Wien, am 25. April 1985
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1985:1984080133.X00Im RIS seit
13.08.2019Zuletzt aktualisiert am
13.08.2019