TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/14 97/10/0194

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Veröffentlicht am 14.12.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 15. Juli 1997, Zl. 14-H-9686/2, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Schwarzenbach), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Schreiben vom 13. November 1996 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (BH) die Bewilligung zur Rodung einer Teilfläche eines näher beschriebenen Grundstücks im Ausmaß von 742 m2 zwecks Errichtung eines Museumsturmes.

In der über diesen Antrag anberaumten mündlichen Verhandlung legte die mitbeteiligte Partei dar, der geplante Museumsturm solle den Besuchern einerseits einen Überblick über die gesamte archäologische Anlage (prähistorischer Ringwall) bieten und andererseits der Ausstellung von Exponaten aus den örtlichen Ausgrabungen mit näheren Erläuterungen dienen. Das Projekt sei ein wesentlicher Bestandteil eines überregionalen Förderungsprojektes zur Belebung des Fremdenverkehrs ("Keltenpfad").

Der forsttechnische Amtssachverständige führte aus, die zur Rodung beantragte Waldfläche befinde sich in Kuppenlage auf dem Burgberg und sei praktisch eben. Während des Krieges habe sich hier ein Flugbeobachtungsturm auf einem Betonfundament befunden; dieser Teil der Rodungsfläche sei daher nur mit diversen Sträuchern bewachsen. Auf dem übrigen Teil befinde sich ein ungleichaltriger, im Schnitt ca. 70-jähriger Laubholzbestand. Der Boden sei seichtgründig. Hinsichtlich der Waldfunktionen überwiege auf der Rodefläche die Wirtschaftsfunktion alle anderen Waldfunktionen. Die Waldausstattung der Marktgemeinde Schwarzenbach betrage 45,2 %, die Waldflächenbilanz sei leicht positiv. An und für sich bestünden aus forstfachlicher Sicht im Hinblick auf die gegebenen Bewaldungsverhältnisse sowie in Ansehung der Funktion der Rodefläche keine Bedenken gegen die beantragte Rodung, soferne die Forstbehörde ein das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes öffentliches Interesse am Rodungszweck erkenne und im einzelnen genannte Bedingungen und Auflagen vorgeschrieben würden.

In der Folge ersuchte die BH die Tourismusabteilung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung um Stellungnahme zur Bedeutung des Rodungsvorhabens. Die genannte Abteilung übermittelte der BH eine Stellungnahme der ECO PLUS Betriebsansiedlung und Regionalisierung in Niederösterreich Ges.m.b.H., derzufolge die Errichtung eines Museumsturmes (Aussichtswarte, in deren Nischen keltische Exponate ausgestellt werden) als touristisch und regionalwirtschaftlich nicht förderwürdig eingestuft worden sei. Allerdings hätten Gespräche mehrerer Gemeinden in der Buckligen Welt mit dem Tourismusverband und dem Regionalverband-Europaregion NÖ-Süd eine Schwerpunktsetzung in Richtung "Geschichte erlebbar machen" ergeben. Die ÖAR sei daher vom Tourismusverband Bucklige Welt beauftragt worden, ein Umsetzungskonzept zu erstellen. Mit der Fertigstellung dieses Konzepts sei jedoch frühestens im August 1997 zu rechnen. Es sei daher - auch aus der Sicht der Tourismusabteilung - sinnvoll und ökonomisch, die Fertigstellung dieses Konzepts abzuwarten, weil ohne Vorliegen dieser Ergebnisse konkrete, fundierte tourismus- und förderpolitische Aussagen nicht möglich seien.

Mit Bescheid vom 15. Juli 1997 erteilte die BH der mitbeteiligten Partei die beantragte Rodungsbewilligung unter Vorschreibung von im einzelnen genannten Bedingungen und Auflagen. Begründend wurde nach Darstellung der herangezogenen Rechtsvorschriften auf das vom forsttechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung erstattete Gutachten verwiesen und ausgeführt, die Behörde habe im Hinblick auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung "erwogen, daß das öffentliche Interesse auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs gegenüber jenem der Walderhaltung überwiegt". Durch die vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen sei gewährleistet, daß die Walderhaltung nicht über das bewilligte Ausmaß beeinträchtigt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gemäß § 170 Abs. 8 ForstG 1975 unter Anschluß der Verwaltungsakten erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er bringt unter dem Gesichtspunkt einer nur mangelhaft erfolgten Interessenabwägung im wesentlichen vor, es könne weder dem angefochtenen Bescheid, noch den vorgelegten Verwaltungsakten ein Anhaltspunkt für die Auffassung der belangten Behörde entnommen werden, es bestehe am geltend gemachten Rodungszweck ein das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiegendes öffentliches Interesse. So sei insbesondere von den zuständigen Tourismusstellen keine für das Rodungsvorhaben positive Stellungnahme erstattet worden.

Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG 1975 ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 ForstG 1975 zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 sind gemäß § 17 Abs. 3 ForstG 1975 insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet.

Gemäß § 19 Abs. 11 ForstG 1975 sind Bescheide, mit denen eine Rodungsbewilligung erteilt wird, auch dann zu begründen, wenn dem Antrag vollinhaltlich Rechnung getragen wird.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Ausgehend von diesen Bestimmungen ist es Sache der Forstbehörde, gestützt auf entsprechende Ermittlungsergebnisse in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, ob und inwiefern am dargelegten Rodungszweck ein öffentliches Interesse besteht und gegebenenfalls, ob und aus welchen Gründen dieses öffentliche Interesse jenes an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald überwiegt. Die von der Forstbehörde gemäß § 17 ForstG 1975 vorzunehmende Interessenabwägung setzt somit voraus, daß zunächst festgestellt wird, ob und in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche besteht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1997, Zl. 95/10/0217, und die hier zitierte Vorjudikatur).

In Ansehung anderweitiger öffentlicher Interessen ist dem angefochtenen Bescheid lediglich zu entnehmen, daß ein öffentliches Interesse am geltend gemachten Rodungszweck im Fremdenverkehr begründet sei.

Zwar trifft, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, die Auffassung der belangten Behörde zu, daß im Fremdenverkehr begründete Interessen an einem Rodungsvorhaben als öffentliche Interessen im Sinne des § 17 Abs. 2 ForstG 1975 zu qualifizieren sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. März 1992, Zl. 91/10/0232, und die hier zitierte Vorjudikatur). Die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß ein im Fremdenverkehr begründetes öffentliches Interesse an der Verwirklichung des Rodungsvorhabens der mitbeteiligten Partei besteht, hätte aber konkreter, auf der Grundlage fachlich fundierter Ausführungen getroffener, nachvollziehbarer Feststellungen bedurft (vgl. nochmals das zitierte hg. Erkenntnis vom 30. März 1992).

Die nicht näher begründete Erwägung der belangten Behörde, am Vorhaben bestünde ein öffentliches Fremdenverkehrsinteresse und dieses überwiege das Interesse an der Walderhaltung, reicht freilich nicht aus; dies umso weniger, als das Vorhaben von fachlicher Seite als "touristisch und regionalwirtschaftlich nicht förderwürdig" bezeichnet wurde.

Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift aus, es sei das Rodungsvorhaben der mitbeteiligten Partei mittlerweile von der Tourismusabteilung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung und von der ECO PLUS Betriebsansiedlung und Regionalisierung in Niederösterreich Ges.m.b.H. äußerst positiv beurteilt worden und es sei solcherart die Auffassung der belangten Behörde im nachhinein bestätigt worden. Abgesehen davon, daß im Verfahren zur Erteilung einer Rodungsbewilligung die Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt maßgebend ist, ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, daß selbst ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift die im angefochtenen Bescheid unterbliebenen Erörterungen und Feststellungen nicht zu ersetzen vermögen (vgl. z.B. das zitierte hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1997). Überdies sei am Rande bemerkt, daß auch den mit der Gegenschrift vorgelegten Stellungnahmen weder konkret noch nachvollziehbar entnommen werden kann, daß am Rodungsvorhaben der mitbeteiligte Partei ein im Fremdenverkehr begründetes öffentliches Interesse in einem Ausmaß bestehe, daß es das Interesse an der Walderhaltung zu überwiegen geeignet wäre.

Indem die belangte Behörde es unterließ, die für die gebotene Interessenabwägung erforderlichen Feststellungen zu treffen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Wien, am 14. Dezember 1998

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997100194.X00

Im RIS seit

23.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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