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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art146 Abs2Leitsatz
Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über Einwendungen gegen den Anspruch auf in Beschwerdeverfahren zugesprochenen Kosten; jedoch Zurückweisung der Oppositionsklage des Bundes gegen eine juristische Person des privaten Rechts mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über die Aufrechenbarkeit einer Forderung gegenüber privaten Rechtsträgern; kein Kostenzuspruch an die AntragsgegnerinSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Begründung:
I. 1. a) Mit Erkenntnis vom 26. Februar 1996, B370/95-7, hat der Verfassungsgerichtshof den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland insoweit aufgehoben, als dieser die Berufung als unbegründet abweist und die Bemessungsgrundlage und die Körperschaftsteuer für das Jahr 1983 festsetzt (Spruchpunkt I); im Spruchpunkt II hat er den Bund (Bundesminister für Finanzen) für schuldig erkannt, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Dieses Erkenntnis wurde dem Bundesminister für Finanzen am 7. März 1996 (eigenhändig) zugestellt.
b) Mit Schriftsatz vom 9. Mai 1996 stellte die beschwerdeführende Gesellschaft beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, zur Hereinbringung des Betrages von S 18.000,-- das Verfahren nach Art146 Abs2 B-VG einzuleiten. Der Bund sei seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen.
Aufgrund seines Beschlusses vom 10. Juni 1996 richtete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art146 Abs2 B-VG an den Bundespräsidenten einen Antrag auf Exekution des oben unter 1. a) genannten Erkenntnisses.
c) Mit Entschließung vom 27. Juni 1996, Z700.530/428, beauftragte der Bundespräsident gemäß Art146 Abs2 B-VG
"die nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung jeweils örtlich zuständigen Gerichte mit der Exekution des rechtskräftigen und vollstreckbaren Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 1996, B370/95-7, welches den Bund (Bundesminister für Finanzen) zur Zahlung der Kosten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens in Höhe von S 18.000,-- an die beschwerdeführende Gesellschaft, zuhanden ihres Rechtsvertreters, schuldig erkannt hat. Diese Verpflichtung zu einer Geldleistung ist nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung zu vollstrecken."
Über Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft bewilligte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit Beschluß vom 10. Juli 1996 zur Hereinbringung der Forderung (zuzüglich der Kosten des Bewilligungsantrages in Höhe von S 2.211,68) die Fahrnisexekution gegen die verpflichtete Partei "Republik Österreich, Bund, Bundesminister für Finanzen". Als Exekutionstitel wurde das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1996 mit dem Bemerken "vollstreckbar vom 27. Juni 1996" angeführt.
2. a) Mit einem beim Verfassungsgerichtshof am 30. Juli 1996 eingelangten Schriftsatz erhob die "Republik Österreich", vertreten durch die Finanzprokuratur, - gestützt auf §35 Abs2 iVm §1 Z12 EO - gegen den Anspruch aus dem Erkenntnis vom 26. Februar 1996 Einwendungen und beantragte, der Verfassungsgerichtshof möge - kostenpflichtig - aussprechen, daß die Ansprüche der beschwerdeführenden Gesellschaft aus diesem Erkenntnis erloschen sind.
Die betreibende Gesellschaft schulde der "Republik Österreich" mit Stichtag 21. März 1996 Abgaben in Höhe von S 742.559,--. Die "Republik Österreich" habe daher mit Aufrechnungserklärung vom 28. März 1996, der betreibenden Partei zugestellt am 12. April 1996, die auf dem Abgabenkonto beim Finanzamt für Körperschaften in Wien laut Rückstandsaufgliederung aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von S 742.559,-- gegen den laut Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zuerkannten Ersatz der Prozeßkosten gemäß §1438 ABGB aufgerechnet.
b) Im eingangs genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes werden Kosten in der Höhe von
S 18.000,-- "dem Bund (Bundesminister für Finanzen)" auferlegt. Dem entspricht auch die Exekutionsbewilligung durch das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, da die Exekution gegen die verpflichtete Partei: "Republik Österreich, Bund, Bundesminister für Finanzen" bewilligt wurde. Diese Formulierung weicht zwar insofern von der Formulierung im Exekutionstitel ab, als dem vom Verfassungsgerichtshof als "Bund (Bundesminister für Finanzen)" bezeichneten Verpflichteten der Begriff "Republik Österreich" vorangestellt wurde, doch geht aus der Exekutionsbewilligung insgesamt mit der notwendigen Deutlichkeit hervor, daß Verpflichteter innerhalb der Republik Österreich der Bund ist und dieser insofern durch den Bundesminister für Finanzen vertreten wird.
Obgleich nicht die "Republik Österreich" (als Gesamtstaat), sondern der Bund in der Sachentscheidung des Verfassungsgerichtshofes zur Kostentragung verpflichtet wurde und die Exekutionsbewilligung deutlich den Bund als Verpflichteten nennt, gehen die von der Finanzprokuratur vorgetragenen Einwendungen gegen den Anspruch explizit davon aus, daß mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes "die Republik Österreich schuldig gesprochen (wurde), der ... Beschwerdeführerin ... Prozeßkosten zu ersetzen", ohne der Bezeichnung des Einschreiters eine nähere Bestimmung hinzuzufügen. Dementsprechend heißt es im Schriftsatz abschließend:
"Aus den oben genannten Gründen erhebt die Republik Österreich gegen den Anspruch aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26.2.1996, GZ B370/95-7, Einwendungen und beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, daß die Ansprüche ... erloschen (sind)."
Ungeachtet dieser fehlerhaften Formulierung ist der Verfassungsgerichtshof aber der Ansicht, daß aus dem Kontext deutlich wird, daß die Finanzprokuratur für den Bund einschreiten will. Die Einwendungen können daher dem Bund zugerechnet werden (vgl. VfSlg. 5386/1966, 9281/1981).
c) In einer über Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof erstatteten Äußerung vertritt die beschwerdeführende Gesellschaft die Ansicht, daß die Aufrechnungserklärung nicht ordnungsgemäß abgegeben wurde, und bestreitet die Aufrechenbarkeit der Kostenforderung an sich. Sie stellt den Antrag, "dem Begehren der belangten Behörde keine Folge zu geben" und beantragt Kostenersatz.
II. 1. Nach §35 Abs1 EO können Einwendungen gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Exekution bewilligt wurde, im Zuge des Exekutionsverfahrens erhoben werden, sofern diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des Exekutionstitels eingetreten sind. Hinsichtlich der Zuständigkeit zur Entscheidung über derartige Einsprüche bestimmt §35 Abs2 EO:
"(2) Diese Einwendungen sind, unbeschadet eines allfälligen Rekurses gegen die Exekutionsbewilligung, im Wege der Klage bei dem Gerichte geltend zu machen, bei dem die Bewilligung der Exekution in erster Instanz beantragt wurde. Ist der Exekutionstitel in einer Arbeitsrechtssache nach §50 ASGG ergangen, so sind die Einwendungen bei dem Gericht geltend zu machen, bei dem der Prozeß in erster Instanz anhängig war. Einwendungen gegen einen Anspruch, der sich auf einen der im §1 Z. 10 und 12 bis 14 angeführten Exekutionstitel stützt, sind bei jener Behörde anzubringen, von welcher der Exekutionstitel ausgegangen ist."
Die damit verwiesene Z12 des §1 EO bestimmte u.a., daß Exekutionstitel auch "in Angelegenheiten des öffentlichen Rechtes ergangene rechtskräftige Erkenntnisse des Reichsgerichtes, der Verwaltungsbehörden oder anderer hiezu berufener öffentlicher Organe" sind, "sofern die Exekution durch gesetzliche Bestimmungen den Gerichten überwiesen ist". Nach Z14 des §1 EO sind rechtskräftige Entscheidungen der u.a. in Z12 genannten Behörden und öffentlichen Organe, durch welche der Ersatz der Kosten eines Verfahrens auferlegt wird, Exekutionstitel, sofern die Exekution durch gesetzliche Bestimmungen den Gerichten überwiesen ist.
Dem Reichsgericht kam - freilich bloß in eingeschränktem Umfang - eine Kompetenz zu, unter bestimmten Voraussetzungen den Ersatz der Verfahrenskosten zuzusprechen: Gemäß §34 des Gesetzes vom 18. April 1869, RGBl. 44/1869, betreffend die Organisation des Reichsgerichtes, das Verfahren vor demselben und die Vollziehung seiner Erkenntnisse war es zuständig, bei der Entscheidung über Ansprüche nach Art3 lita StGG vom 21. Dezember 1867, RGBl. 143/1867, über die Einsetzung eines Reichsgerichtes über den Ersatz angesprochener Kosten zu entscheiden. Der verwiesene Art3 lita StGG RGBl. 143/1867 lautete (im Zusammenhang):
"Dem Reichsgerichte steht ferners die endgültige Entscheidung zu:
a) über Ansprüche einzelner der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder an die Gesamtheit derselben und umgekehrt, dann über Ansprüche eines dieser Königreiche und Länder an ein anderes derselben, endlich über Ansprüche, welche von Gemeinden, Körperschaften oder einzelnen Personen an eines der genannten Königreiche und Länder oder an die Gesamtheit derselben gestellt werden, wenn solche Ansprüche zur Austragung im ordentlichen Rechtswege nicht geeignet sind;"
Angesichts der Bestimmung des §7 ÜG 1920 sowie der im Prinzip gleichartigen (wenn auch infolge der ausgeweiteten Kompetenzen umfassenderen) Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes, einer obsiegenden Partei eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens Kosten zuzusprechen, sind die zitierten Bestimmungen der Z12 und 14 des §1 EO so auszulegen, daß Kostenzusprüche des Verfassungsgerichtshofes ebenfalls als Exekutionstitel im Sinne des §1 EO anzusehen sind. Argumente systematischer Interpretation bestärken dieses Ergebnis, kann doch die Funktion des Kostenzuspruches im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes als Exekutionstitel nach Art146 Abs2 B-VG nicht zweifelhaft sein.
Eine Gesamtbetrachtung der entsprechenden Vorschriften der EO zeigt somit, daß Einwendungen im Sinne des §35 dieses Gesetzes dann, wenn sie sich gegen einen Anspruch auf Kostenersatz richten, der in einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes verfügt wurde, bei diesem als jenem Staatsorgan anzubringen sind, von dem der Exekutionstitel ausgegangen ist. Daß die Exekution derartiger Ansprüche nicht - wie es der Wortlaut der Z12 und 14 des §1 EO verlangt - durch gesetzliche Bestimmung, sondern durch einen verfassungsunmittelbaren Rechtsakt des Bundespräsidenten den Gerichten übertragen ist, verschlägt nichts; denn kraft der ausdrücklichen Vorschrift des Art146 Abs2 B-VG ist der Bundespräsident zur Erlassung eines derartigen zuständigkeitsbegründenden (vgl. Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 1972, 794) Rechtsaktes berufen.
Aus all dem folgt, daß der Verfassungsgerichtshof an sich zuständig ist, über Einwendungen gemäß §35 EO gegen in Verfahren nach Art144 B-VG zugesprochene Kosten zu entscheiden.
2. Die konkret zur Entscheidung stehende Einwendung richtet sich gegen eine juristische Person des privaten Rechts. Nach ständiger, mit VfSlg. 5732/1968 beginnender Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ergibt sich aus Art137 B-VG, daß der Verfassungsgerichtshof nicht zuständig ist, über die Aufrechenbarkeit bestrittener Gegenforderungen zu entscheiden, über deren Bestand er nach Art137 B-VG zu entscheiden nicht befugt ist. Da nämlich einer solchen Entscheidung Rechtskraft zukäme, würde der Verfassungsgerichtshof der Sache nach über diese Gegenforderung selbst entscheiden, womit er aber die Grenzen seiner Zuständigkeit überschritte (vgl. VfSlg. 6198/1970, 7003/1973, 8043/1977 und VfGH vom 2.10.1996, A7/96). In VfSlg. 8043/1977 hat der Verfassungsgerichtshof mit weiteren Hinweisen ausdrücklich festgehalten, daß ihm die Zuständigkeit fehlt, über eine Gegenforderung zu entscheiden, wenn sich der Anspruch nicht gegen eine im Art137 B-VG genannte Partei richtet.
Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei dieser Auffassung.
Da die Gegenforderung, hinsichtlich derer der Bund eine Aufrechnungserklärung abgegeben hat, aber keinen der in Art137 B-VG genannten Rechtsträger betrifft, sondern gegen eine juristische Person privaten Rechts gerichtet ist, kann sie nicht Gegenstand einer Klage nach Art137 B-VG sein; dementsprechend ist der Verfassungsgerichtshof nicht befugt, über sie bzw. über ihre Aufrechenbarkeit zu entscheiden. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß dies in Fällen wie dem vorliegenden zur Konsequenz führt, daß eine Aufrechnung gegenüber privaten Rechtsträgern im Oppositionsstreit nicht möglich ist.
Der Antrag war daher zurückzuweisen.
3. Dem Begehren des Antragsgegners auf Kostenersatz im Verfahren über die Zulässigkeit bzw. Berechtigung der Einwendungen war nicht stattzugeben, da er auf die Unzulässigkeit der Oppositionsklage nicht hingewiesen hat, sein Vorbringen also für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung nicht erforderlich war.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Exekution, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:B370.1995Dokumentnummer
JFT_10038795_95B00370_3_00