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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §57Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des A M in G, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. Jänner 2019, W218 1424196-2/5E, betreffend (insbesondere) Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbotes sowie Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Nach seiner Einreise in Österreich stellte er am 26. Juli 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 17. Jänner 2012 wies das Bundesasylamt diesen Antrag vollinhaltlich ab. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wies es den Revisionswerber nach Afghanistan aus.
3 In teilweiser Stattgebung einer dagegen erhobenen Beschwerde änderte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 21. April 2016 dahin ab, dass gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers in den Herkunftsstaat unzulässig sei.
4 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18. Dezember 2014 war der Revisionswerber wegen des von Anfang 2014 bis zum 25. Juli 2014 in Graz begangenen Verbrechens des Suchtgifthandels sowie des am 25. Juli 2014 begangenen Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe (davon 12 Monate bedingt nachgesehen) verurteilt worden.
5 Mit weiterem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 20. Oktober 2016 wurde über den Revisionswerber wegen des zwischen April 2015 und 6. März 2016 - teils alleine, teils als Mitglied einer kriminellen Vereinigung - gewerbsmäßig begangenen Verbrechens des Suchtgifthandels, weiters des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften eine (aktuell in Vollzug befindliche) 4-jährige Freiheitsstrafe verhängt. Die mit Urteil vom 18. Dezember 2014 gewährte bedingte Strafnachsicht sowie eine bedingte Entlassung aus der Strafhaft wurden widerrufen.
6 Mit Bescheid vom 12. Dezember 2018 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Unter einem erließ das BFA gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG und gemäß § 53 Abs. 3 "iVm Abs. 5 Z 1" FPG ein unbefristetes Einreiseverbot. Es stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
7 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. Jänner 2019 als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 8 Begründend führte das BVwG - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - aus, dem Revisionswerber stehe (nunmehr) eine zumutbare und ausreichend sichere innerstaatliche Fluchtbzw. Schutzalternative in einer der großen Städte wie Herat, Mazare-Sharif oder Kabul zur Verfügung. Dazu stellte das B-VG u. a. fest:
"Aus den vorliegenden Länderinformationen ist abzuleiten, dass die Lage in Afghanistan generell nach wie vor weder sicher noch stabil ist, dass jedoch hinsichtlich der Sicherheitslage zwischen den verschiedenen Provinzen und innerhalb der Provinzen zwischen den einzelnen Distrikten differenziert werden muss. Auch in der Hauptstadt Kabul sind hauptsächlich Bezirke, in denen sich high-level-targets befinden, von der vermehrten Anschlagstätigkeit regierungsfeindlicher Gruppierungen betroffen, während in reinen Wohngebieten für die Allgemeinbevölkerung eine drastisch erhöhte Anschlagsgefahr aus dem vorliegenden Berichtsmaterial nicht abgeleitet werden kann.
Nach wie vor gibt es Regionen, in denen eine relativ gute Sicherheitslage vorherrscht. Insbesondere in den großen Städten, die unter staatlicher Kontrolle stehen und die über die notwendige Infrastruktur und Möglichkeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts verfügen (etwa Herat und Mazar-e-Sharif) und in bestimmten Provinzen (etwa Balkh, Bamyan, Daikundi, Ghor und andere) wird die Sicherheitslage als vergleichsweise gut beschrieben."
Dazu komme, so argumentierte das BVwG weiter, dass der nicht vulnerable 1980 geborene Revisionswerber, der 31 Jahre lang in Afghanistan im Familienverband gelebt habe, nach einer Rückkehr nach Afghanistan finanzielle Unterstützung durch Angehörige fände. Allein zwischen April 2015 und März 2016 habe er in Österreich EUR 21.433,10 aus Afghanistan erhalten. Zudem verfüge er über eine Liegenschaft in Afghanistan.
In Österreich habe der Revisionswerber, so das BVwG, keine Verwandten oder nahe Angehörige. Er sei nicht nennenswert integriert und habe während des Strafvollzuges keinen Besuch erhalten. Im Herkunftsstaat habe er dagegen seine Ehefrau und zwei Kinder zurückgelassen.
9 Die dagegen erhobene Revision erweist sich als unzulässig.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 Insoweit führt der Revisionswerber die schlechte Menschenrechts- und Sicherheitslage in ganz Afghanistan, darunter in der Hauptstadt Kabul, ins Treffen, der zufolge ihm im Fall seiner Rückkehr Gefahren iSd Art. 2 und 3 EMRK drohten.
Diese Argumentation lässt jedoch die wiedergegebene Begründung des BVwG gänzlich unberücksichtigt, wonach dem Revisionswerber fallbezogen - zumal angesichts seines Wohlstandes und aufrechten familiären Rückhalts - nunmehr mehrere ausreichend sichere Aufenthaltsorte in Afghanistan zur Verfügung stehen. 12 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang eine besondere Verfolgung der Gruppierung der Hazara ins Treffen führt, ist dies nicht nachvollziehbar, gehört er selbst dieser Gruppe doch unbestritten nicht an.
13 Beim weiteren Revisionsvorbringen, er habe in Österreich eine Freundin und sei vor kurzem Vater eines Kindes geworden, handelt es sich schließlich um im Revisionsverfahren unzulässige Neuerungen.
14 Insgesamt vermag der Revisionswerber somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.
Wien, am 26. Juni 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210074.L00Im RIS seit
06.09.2019Zuletzt aktualisiert am
06.09.2019