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E000 EU- Recht allgemeinNorm
BVergG 2006 §164Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/04/0177Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revisionen der G SE in I, vertreten durch die Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Juli 2018, Zlen. W134 2191486-1/30E, W134 2193715-1/25E (protokolliert zu hg. Ra 2018/04/0161), sowie den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31. August 2018, Zlen. W134 2191486- 2/5E, W134 2193715-2/3E (protokolliert zu hg. Ra 2018/04/0177), betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Bietergemeinschaft bestehend aus S AG und S S.p.A., vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, und
2. Bietergemeinschaft bestehend aus I GmbH, I SpA, M a.s. und
B GmbH, vertreten durch die Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Heinrichgasse 4/1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revisionen werden als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat den beiden mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. Juli 2018 stellte das Bundesverwaltungsgericht auf Grund der Anträge der beiden mitbeteiligten Parteien - zweier Bietergemeinschaften, die an einem näher bezeichneten Vergabeverfahren der Auftraggeberin G (Revisionswerberin) teilgenommen haben - gemäß § 331 Abs. 1 Z 1 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) fest, dass der Zuschlag der Revisionswerberin vom 23. März 2018 an die Bietergemeinschaft P (Zuschlagsempfängerin) wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2006 nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei (Spruchpunkt A)1).
2 Weitere Anträge der beiden mitbeteiligten Parteien auf Feststellung, dass die Zuschlagserteilung ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung bzw. die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung rechtswidrig gewesen seien, sowie auf Nichtigerklärung des Leistungsvertrages wurden ebenso abgewiesen wie die Anträge der Auftraggeberin auf Feststellung, dass die beiden mitbeteiligten Parteien keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätten
(Spruchpunkte A)2 bis A)8).
3 Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig (Spruchpunkt B).
4 1.1. Das Verwaltungsgericht stellte die wesentlichen Inhalte der im Verfahren ergangenen Schriftsätze der Parteien sowie des in der mündlichen Verhandlung erstatteten Vorbringens dar und legte seiner Entscheidung sodann im Wesentlichen folgenden Sachverhalt zugrunde:
5 Die Revisionswerberin (eine Sektorenauftraggeberin gemäß § 164 BVergG 2006) habe ein offenes Verfahren zur Vergabe eines Bauauftrages über ein (näher bezeichnetes) Los eines Bauvorhabens durchgeführt. Mit 11. August 2017 erging eine Zuschlagsentscheidung der Revisionswerberin zugunsten der Bietergemeinschaft P. Die auf Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung gerichteten Nachprüfungsanträge seien mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. November 2017 abgewiesen worden. Mit Schreiben vom 23. März 2018 habe die Revisionswerberin den Zuschlag an die Bietergemeinschaft P erteilt.
6 In Punkt 12 Teil A der Allgemeinen Ausschreibungsunterlagen sei festgelegt gewesen, dass Bieter bzw. sämtliche Mitglieder von Bietergemeinschaften zu belegen hätten, "dass kein Ausschlussgrund gemäß § 229 Abs. 1 BVergG 2006 oder nach Art. 80 der Richtlinie 2014/25/EU in Verbindung mit Art. 59 bis 61 der Richtlinie 2014/24/EU" vorliege.
7 Mit Beschluss des Tribunale di Roma vom 15. Jänner 2018 sei dem Unternehmer C (als einem von vier Mitgliedern der als Zuschlagsempfängerin vorgesehenen Bietergemeinschaft P) auf Grund seines - unter dem Vorbehalt der Fristsetzung eingebrachten - Antrages eine Frist von 120 Tagen für die Vorlage eines endgültigen Antrages auf Ausgleich (im Original: "concordato preventivo") oder eines Antrags auf Genehmigung der Umschuldungsvereinbarung eingeräumt worden. Weiters seien drei näher bezeichnete Personen zu Gerichtskommissaren (im Original: "commissari giudiziali") bestellt worden, welche die Tätigkeit von C bis zum Ablauf der eingeräumten Frist zu überwachen hätten. Im Firmenbuchauszug vom 23. April 2018 sei festgehalten, dass C am 8. Jänner 2018 den Antrag auf Zulassung zum Ausgleichsverfahren ("concordato preventivo") gestellt habe.
8 1.2. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - zunächst auf die Regelungen der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (Verordnung 2015/848/EU). Die "Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens" sei in Art. 2 Z 7 der Verordnung 2015/848/EU definiert als
"i) die Entscheidung eines Gerichts zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder zur Bestätigung der Eröffnung eines solchen Verfahrens und
ii) die Entscheidung eines Gerichts zur Bestellung eines Verwalters".
In den Anhängen A und B seien für Italien als "Insolvenzverfahren" (im Sinn des Art. 2 Z 4 dieser Verordnung) u. a. das "concordato preventivo" und als "Verwalter" (im Sinn des Art. 2 Z 5) u.a. der "commissario giudiziale" genannt. Die Verordnung 2015/848/EU gelte nach ihrem Erwägungsgrund 15 auch für Verfahren, die für eine bestimmte Zeit vorläufig oder einstweilig durchgeführt werden können.
9 Ausgehend davon - so das Verwaltungsgericht - handle es sich bei einer (hier vorliegenden) Entscheidung eines italienischen Gerichtes über einen Antrag auf Zulassung zum "concordato preventivo" sowie zur Bestellung eines "commissario giudiziale" um die Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Über das Vermögen von C sei daher mit Beschluss des Tribunale di Roma vom 15. Jänner 2018 ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. 10 Gemäß der - bestandfest gewordenen - Ausschreibung seien Unternehmer bzw. sämtliche Mitglieder einer Bietergemeinschaft, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 9.9.2015, Ro 2014/04/0062) ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass das Vorliegen eines Ausschlussgrundes bei einem Mitglied einer Bietergemeinschaft dazu führe, dass die Bietergemeinschaft als solche nicht als zuverlässig anzusehen sei. Der nach Angebotsöffnung erfolgte Wegfall der Eignung bleibe relevant, selbst wenn die Eignung wieder erlangt werden würde. Da über das Vermögen von C ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, wäre das Angebot der Zuschlagsempfängerin auszuscheiden gewesen. Tatsächlich sei der Zuschlagsempfängerin aber der Zuschlag erteilt worden. Diese Rechtswidrigkeit sei für den Ausgang des Verfahrens wesentlich. Daher sei die Feststellung gemäß Spruchpunkt A)1 zu treffen gewesen.
11 Die Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in dem von der Revisionswerberin ins Treffen geführten, allerdings zu einem Verhandlungsverfahren ergangenen Urteil vom 24. Mai 2016, MT Hojgaard A/S und Züblin A/S, C-396/14, seien auf den gegenständlichen Fall der Durchführung eines offenen Verfahrens wegen des dort geltenden Verhandlungsverbotes nicht übertragbar.
12 Dem Vorbringen der Revisionswerberin, nach Art. 80 der Richtlinie 2014/25/EU in Verbindung mit Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU sei dem Bieter Gelegenheit zur "Selbstreinigung" zu geben, hielt das Verwaltungsgericht Folgendes entgegen: Die Frage nach dem Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach den alternativ heranzuziehenden Vergaberichtlinien stelle sich "nicht unbedingt", weil in der Ausschreibung von einem Ausschlussgrund nach § 229 Abs. 1 BVergG 2006 "oder" nach bestimmten Artikeln der Vergaberichtlinien die Rede sei. Zudem seien die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU "mangels hinreichender Konkretisierung und inhaltlicher Unbedingtheit" (gemäß Art. 57 Abs. 7 der Richtlinie 2014/24/EU seien die Bedingungen für die Anwendung des Art. 57 von den Mitgliedstaaten festzulegen) nicht gegeben. Eine "Selbstreinigung" nach Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU sei im gegenständlichen Fall daher nicht möglich. 13 2. Mit Beschluss vom 31. August 2018 gab das Bundesverwaltungsgericht den Anträgen der beiden mitbeteiligten Parteien auf Ersatz der für den (hier gegenständlichen) Feststellungsantrag entrichteten Pauschalgebühren gemäß § 319 Abs. 1 BVergG 2006 statt. Die Revisionswerberin wurde verpflichtet, an die beiden mitbeteiligten Parteien eine jeweils konkret bestimmte Summe zu bezahlen.
14 Das Verwaltungsgericht verwies auf das Erkenntnis vom 10. Juli 2018, mit dem den Feststellungsanträgen der beiden mitbeteiligten Parteien betreffend die rechtswidrige Zuschlagserteilung an die Bietergemeinschaft P stattgegeben worden sei. Somit habe ein Pauschalgebührenersatz stattzufinden, wobei die erstmitbeteiligte Partei, die zum selben Vergabeverfahren bereits einen Nachprüfungsantrag eingebracht habe, eine niedrigere Gebühr zu entrichten habe und der zu viel entrichtete Betrag rücküberwiesen werde.
15 3. Die Auftraggeberin erhob eine außerordentliche Revision sowohl gegen Spruchpunkt A)1 des Erkenntnisses vom 10. Juli 2018 als auch gegen den Beschluss vom 31. August 2018.
16 4. Die erstmitbeteiligte Partei und die zweitmitbeteiligte Partei erstatteten dazu jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der beiden Revisionen beantragt wird.
17 5. Die Revisionswerberin erstattete zu diesen Revisionsbeantwortungen einen weiteren Schriftsatz. II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auf Grund ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen erwogen:
1. Zulässigkeit
18 1.1. In der gegen Spruchpunkt A)1 des Erkenntnisses vom 10. Juli 2018 erhobenen außerordentlichen Revision (protokolliert zu hg. Ra 2018/04/0161) macht die Auftraggeberin folgende Rechtsfragen als grundsätzlich geltend:
19 Zunächst stelle sich die Frage, ob zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ein Insolvenzverfahren im Sinn des § 229 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 über das Vermögen von C eröffnet oder ob dies - wie die Revisionswerberin meint - nicht der Fall gewesen sei. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage bestehe nicht. Die Frage, wann über ein ausländisches Unternehmen ein Insolvenzverfahren eröffnet sei, stelle auch keine bloße Frage des Einzelfalles dar, weil dies regelmäßig zu beurteilen sei. 20 Selbst wenn man - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen von C zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung bejahen würde, stelle sich die Frage, ob daraus auf die Unzuverlässigkeit der gesamten Bietergemeinschaft zu schließen sei. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes könne die bisher in Österreich vertretene Auffassung, wonach das Vorliegen eines Ausschlussgrundes bei einem Mitglied einer Bietergemeinschaft auf die Bietergemeinschaft als solche durchschlage (Verweis auf VwGH Ro 2014/04/0062), im Hinblick auf das EuGH-Urteil C-396/14 nicht ohne weiteres aufrechterhalten werden. Das genannte EuGH-Urteil müsse zu einer Neubewertung dieser Rechtsfrage in Österreich führen.
21 Aber auch bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Auffassung wäre nach Ansicht der Revisionswerberin zu klären, ob Art. 80 der Richtlinie 2014/25/EU und Art. 57 der Richtlinie 2014/24/EU (die zum maßgeblichen Zeitpunkt innerstaatlich noch nicht umgesetzt waren) unmittelbar anwendbar seien. Eine (von der Revisionswerberin bejahte) unmittelbare Anwendbarkeit vorausgesetzt, wären die zugrunde liegenden Feststellunganträge ebenfalls abzuweisen gewesen, weil wiederum kein Ausschlussgrund vorläge.
22 Schließlich regt die Revisionswerberin noch an, aus Anlass ihrer Revision einige Vorlagefragen an den EuGH zu richten. In diesem Zusammenhang verweist sie auch auf ein beim EuGH anhängiges, die vorliegende Rechtsfrage (betreffend das Einbringen eines Antrags auf Ausgleich unter Vorbehalt) berührendes italienisches Vorabentscheidungsersuchen.
23 1.2. In der gegen den Beschluss vom 31. August 2018 erhobenen außerordentlichen Revision (protokolliert zu hg. Ra 2018/04/0177) bringt die Revisionswerberin zum einen unter Bezugnahme auf ihre zu hg. Ra 2018/04/0161 protokollierte Revision vor, dass das Erkenntnis vom 10. Juli 2018, mit dem das Bundesverwaltungsgericht den Feststellungsanträgen der mitbeteiligten Parteien teilweise stattgegeben habe, rechtswidrig und daher auch der Beschluss über den Pauschalgebührenersatz aufzuheben sei. Im Hinblick auf die ex tunc-Wirkung würde bei einer Aufhebung des genannten Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtsgrundlage für den Beschluss vom 31. August 2018 wegfallen. Es gebe allerdings keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie sich die Aufhebung eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes in einer Vergaberechtssache auf einen gesondert erlassenen Beschluss über den Pauschalgebührenersatz auswirke.
24 1.3. Die vorliegenden Revisionen erweisen sich jedenfalls im Hinblick auf die in Rn. 20 dargestellte Frage als zulässig.
2. Rechtsgrundlagen
25 2.1. § 229 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006), BGBl. I Nr. 17 in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2012, lautet auszugsweise:
"Ausschlussgründe
§ 229. (1) Unbeschadet des Abs. 2 können Sektorenauftraggeber Unternehmer von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausschließen, wenn
(...)
2. über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde;
(...)
(2) Sektorenauftraggeber gemäß § 164 (öffentliche Auftraggeber) haben die in Abs. 1 angeführten Ausschlussgründe jedenfalls vorzusehen. Sektorenauftraggeber gemäß § 164 können von einem Ausschluss von Unternehmern gemäß Abs. 1 Abstand nehmen, wenn
1. auf deren Beteiligung in begründeten Ausnahmefällen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nicht verzichtet werden kann, oder
(...)
3. ein Auftrag im Verhandlungsverfahren gemäß § 195 Z 10 und 11 an einen Unternehmer vergeben werden soll, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder der sich in Liquidation befindet oder seine gewerbliche Tätigkeit einstellt, und seine Leistungsfähigkeit dazu hinreicht."
26 2.2. Art. 79 und 80 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser- , Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG, ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243, lauten auszugsweise:
"Artikel 79
Inanspruchnahme der Kapazitäten anderer Unternehmen
(...)
(2) (...)
Haben die Auftraggeber gemäß Artikel 80 der vorliegenden Richtlinie die in der Richtlinie 2014/24/EU vorgesehenen Ausschlussgründe oder Auswahlkriterien angegeben, so überprüfen sie gemäß Artikel 80 Absatz 3 der vorliegenden Richtlinie, ob die anderen Unternehmen, deren Kapazitäten der Wirtschaftsteilnehmer in Anspruch nehmen will, die einschlägigen Auswahlkriterien erfüllen oder ob von ihnen genannte Ausschlussgründe gemäß
Artikel 57 der Richtlinie 2014/24/EU vorliegen. Der Auftraggeber muss vorschreiben, dass der Wirtschaftsteilnehmer ein Unternehmen ersetzt, das ein einschlägiges Auswahlkriterium nicht erfüllt oder bei dem zwingende Ausschlussgründe vorliegen, auf die der Auftraggeber Bezug genommen hat. (...)
Unter denselben Voraussetzungen können Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern nach Artikel 37 Absatz 2 die Kapazitäten der Mitglieder der Gruppe oder anderer Unternehmen in Anspruch nehmen.
(...)
Artikel 80
In der Richtlinie 2014/24/EU festgelegte Ausschlussgründe und Auswahlkriterien
(1) Die objektiven Vorschriften und Kriterien für den Ausschluss und die Auswahl von Wirtschaftsteilnehmern, die eine Qualifizierung im Rahmen eines Qualifizierungssystems beantragen, und die objektiven Vorschriften und Kriterien für den Ausschluss und die Auswahl von Bewerbern und Bietern in offenen Verfahren, nichtoffenen Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblichen Dialogen oder Innovationspartnerschaften können die in Artikel 57 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Ausschlussgründe zu den dort festgelegten Bedingungen beinhalten.
Handelt es sich beim Auftraggeber um einen öffentlichen Auftraggeber, beinhalten diese Kriterien und Vorschriften die in Artikel 57 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Ausschlussgründe zu den dort festgelegten Bedingungen. Wenn die Mitgliedstaaten dies vorschreiben, beinhalten diese Kriterien und Vorschriften überdies die in Artikel 57 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Ausschlussgründe zu den dort festgelegten Bedingungen.
(...)
(3) Für die Zwecke der Absätze 1 und 2 gelten die Artikel 59 bis 61 der Richtlinie 2014/24/EU."
27 2.3. Art. 57 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65, lautet auszugsweise:
"Artikel 57
Ausschlussgründe
(...)
(4) Öffentliche Auftraggeber können in einer der folgenden Situationen einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen oder dazu von den Mitgliedstaaten verpflichtet werden:
(...)
b) der Wirtschaftsteilnehmer ist zahlungsunfähig oder befindet sich in einem Insolvenzverfahren oder in Liquidation, seine Vermögenswerte werden von einem Insolvenzverwalter oder Gericht verwaltet, er befindet sich in einem Vergleichsverfahren, seine gewerbliche Tätigkeit wurde eingestellt oder er befindet sich aufgrund eines in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen gleichartigen Verfahrens in einer vergleichbaren Lage;
(...)
Ungeachtet des Unterabsatzes 1 Buchstabe b können die Mitgliedstaaten verlangen oder die Möglichkeit vorsehen, dass der öffentliche Auftraggeber einen Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer der in jenem Buchstaben genannten Situationen befindet, nicht ausschließt, wenn der öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung der geltenden nationalen Vorschriften und Maßnahmen betreffend die Fortführung der Geschäftstätigkeit in den Situationen nach Buchstabe b festgestellt hat, dass der fragliche Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein wird, den Auftrag zu erfüllen.
(...)
(6) Jeder Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer der in den Absätzen 1 und 4 genannten Situationen befindet, kann Nachweise dafür erbringen, dass die Maßnahmen des Wirtschaftsteilnehmers ausreichen, um trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes seine Zuverlässigkeit nachzuweisen. Werden solche Nachweise für ausreichend befunden, so wird der betreffende Wirtschaftsteilnehmer nicht von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen.
Zu diesem Zweck weist der Wirtschaftsteilnehmer nach, dass er einen Ausgleich für jeglichen durch eine Straftat oder Fehlverhalten verursachten Schaden gezahlt oder sich zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet hat, die Tatsachen und Umstände umfassend durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden geklärt und konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weitere Straftaten oder Verfehlungen zu vermeiden.
Die von den Wirtschaftsteilnehmern ergriffenen Maßnahmen werden unter Berücksichtigung der Schwere und besonderen Umstände der Straftat oder des Fehlverhaltens bewertet. Werden die Maßnahmen als unzureichend befunden, so erhält der Wirtschaftsteilnehmer eine Begründung dieser Entscheidung.
(...)
(7) Die Mitgliedstaaten legen durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsvorschrift und unter Beachtung des Unionsrechts die Bedingungen für die Anwendung dieses Artikels fest. (...)" 28 2.4. Die maßgeblichen Erwägungsgründe und Regelungen der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren, ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 19, lauten auszugsweise:
"in Erwägung nachstehender Gründe:
(...)
(10) In den Anwendungsbereich dieser Verordnung sollten Verfahren einbezogen werden, die die Rettung wirtschaftlich bestandsfähiger Unternehmen, die sich jedoch in finanziellen Schwierigkeiten befinden, begünstigen und Unternehmern eine zweite Chance bieten. Einbezogen werden sollten vor allem Verfahren, die auf eine Sanierung des Schuldners in einer Situation gerichtet sind, in der lediglich die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz besteht, und Verfahren, bei denen der Schuldner ganz oder teilweise die Kontrolle über seine Vermögenswerte und Geschäfte behält. Der Anwendungsbereich sollte sich auch auf Verfahren erstrecken, die eine Schuldbefreiung oder eine Schuldenanpassung in Bezug auf Verbraucher und Selbständige zum Ziel haben, indem z. B. der vom Schuldner zu zahlende Betrag verringert oder die dem Schuldner gewährte Zahlungsfrist verlängert wird. Da in solchen Verfahren nicht unbedingt ein Verwalter bestellt werden muss, sollten sie unter diese Verordnung fallen, wenn sie der Kontrolle oder Aufsicht eines Gerichts unterliegen. (...)
(...)
(15) Diese Verordnung sollte auch für Verfahren gelten, die nach dem Recht einiger Mitgliedstaaten für eine bestimmte Zeit vorläufig oder einstweilig eröffnet und durchgeführt werden können, bevor ein Gericht durch eine Entscheidung die Fortführung des Verfahrens als nicht vorläufiges Verfahren bestätigt. (...)
(...)
Artikel 1
Anwendungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für öffentliche Gesamtverfahren einschließlich vorläufiger Verfahren, die auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen zur Insolvenz stattfinden und in denen zu Zwecken der Rettung, Schuldenanpassung, Reorganisation oder Liquidation
a) dem Schuldner die Verfügungsgewalt über sein Vermögen ganz oder teilweise entzogen und ein Verwalter bestellt wird,
b) das Vermögen und die Geschäfte des Schuldners der Kontrolle oder Aufsicht durch ein Gericht unterstellt werden oder
(...)
Die Verfahren, auf die in diesem Absatz Bezug genommen wird,
sind in Anhang A aufgeführt.
(...)
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
(...)
3. 'Schuldner in Eigenverwaltung' einen Schuldner, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, das nicht zwingend mit der Bestellung eines Verwalters oder der vollständigen Übertragung der Rechte und Pflichten zur Verwaltung des Vermögens des Schuldners auf einen Verwalter verbunden ist, und bei dem der Schuldner daher ganz oder zumindest teilweise die Kontrolle über sein Vermögen und seine Geschäfte behält;
4. 'Insolvenzverfahren' ein in Anhang A aufgeführtes Verfahren;
5. 'Verwalter' jede Person oder Stelle, deren Aufgabe es ist, auch vorläufig
i) die in Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen zu prüfen und zuzulassen;
ii) die Gesamtinteressen der Gläubiger zu vertreten;
iii) die Insolvenzmasse entweder vollständig oder teilweise zu
verwalten;
iv) die Insolvenzmasse im Sinne der Ziffer iii zu verwerten oder
v) die Geschäftstätigkeit des Schuldners zu überwachen.
Die in Unterabsatz 1 genannten Personen und Stellen sind in Anhang B aufgeführt;
(...)
7. 'Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens'
i) die Entscheidung eines Gerichts zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder zur Bestätigung der Eröffnung eines solchen Verfahrens und
ii) die Entscheidung eines Gerichts zur Bestellung eines Verwalters;
(...)
ANHANG A
Insolvenzverfahren nach Artikel 2 Nummer 4
(...)
ITALIA
(...)
- Concordato preventivo,
(...)
ANHANG B
Verwalter nach Artikel 2 Nummer 5
(...)
ITALIA
(...)
- Commissario giudiziale,
(...)"
3. Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
29 3.1. Die Revisionswerberin bestreitet, dass mit dem vom Verwaltungsgericht begründend herangezogenen Beschluss des Tribunale di Roma vom 15. Jänner 2018 ein Insolvenzverfahren bzw. ein "concordato preventivo" im Sinn der Verordnung 2015/848/EU eröffnet worden sei. Nach der Begriffsbestimmung des Art. 2 Z 7 dieser Verordnung werde ein Insolvenzverfahren (nur) dann eröffnet, wenn die Entscheidung oder Bestätigung eines Gerichtes zur Eröffnung eines in Anhang A angeführten Verfahrens vorliege "und" ein Verwalter gemäß Anhang B bestellt worden sei. Beide Voraussetzungen müssten kumulativ vorliegen. Zwar sei mit dem Beschluss des Tribunale di Roma vom 15. Jänner 2018 ein Verwalter bestellt worden. Hinsichtlich der erstgenannten Voraussetzung sei aber lediglich eine Frist zur Stellung eines endgültigen Antrags eingeräumt worden. Dies stelle keine Eröffnung des Insolvenzverfahrens dar. Vielmehr sei am 8. Jänner 2018 lediglich ein vorläufiger Antrag gestellt worden. Auch im herangezogenen Firmenbuchauszug sei lediglich von einem Antrag auf Zulassung zum Ausgleichsverfahren die Rede. Schließlich verweist die Revisionswerberin auf zwei Urteile des EuGH (7.4.2016, Degano Trasporti, C-546/14; 6.7.2017, Nerea SpA, C-245/16), aus denen hervorgehe, dass ein "concordato preventivo" mit der Einbringung eines vorläufigen Antrags noch nicht eröffnet sei. 30 Da zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung somit kein Insolvenzverfahren betreffend C eröffnet gewesen sei, liege insoweit auch kein Ausschlussgrund (und zwar weder nach § 229 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 noch nach Art. 80 der Richtlinie 2014/25/EU) vor.
31 3.2. Die erstmitbeteiligte Partei vertritt demgegenüber die Ansicht, dass mit dem Beschluss des Tribunale di Roma vom 15. Jänner 2018 sowohl über einen Antrag auf Zulassung zum "concordato preventivo" als auch über die Bestellung von drei "commissari giudiziali" entschieden worden sei. Die Revisionswerberin habe lediglich behauptet, dass dieser Beschluss hinsichtlich des "concordato preventivo" nicht der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes betreffend die Bestellung der "Gerichtskommissare" sei sie hingegen nicht entgegengetreten. Der aus den Vergaberichtlinien übernommene Begriff "Insolvenzverfahren"
sei unter Beachtung des Unionsrechts und somit auch der Verordnung 2015/848/EU auszulegen. Da die Begriffsdefinition der "Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens" in Art. 2 Z 7 dieser Verordnung alternativ auf zwei Tatbestände abstelle
(das dort verwendete "und" sei im Sinn von "sowohl ... als auch"
zu lesen), erfülle bereits die Bestellung der drei "commissari giudiziali" die Voraussetzung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Darüber hinaus sei aber mit dem Beschluss vom 15. Jänner 2018 ohnehin auch ein Insolvenzverfahren im unionsrechtlichen Sinn in Form des "concordato preventivo" eröffnet worden.
32 Bei einer innerstaatlichen Betrachtungsweise ergebe sich nichts anderes. Der Ausschlussgrund des § 229 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 liege nicht nur bei Einleitung eines Insolvenzverfahrens nach österreichischem Recht, sondern auch dann vor, wenn sich ein Unternehmer aufgrund eines in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen gleichartigen Verfahrens in einer vergleichbaren Lage befinde. Da das "concordato preventivo" auf Antrag des Schuldners eingeleitet werde und der Schuldner sodann einer gerichtlichen Überwachung unterliege, sei es - so die erstmitbeteiligte Partei mit näherer Begründung - mit dem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung nach österreichischem Insolvenzrecht vergleichbar und somit zu Recht als Insolvenzverfahren und damit als Ausschlussgrund angesehen worden. 33 3.3. Die zweitmitbeteiligte Partei bringt zur Frage der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor, hinsichtlich C sei ein "concordato preventivo" und damit nach Anhang A der Verordnung 2015/848/EU ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin sei jede der in der Begriffsbestimmung des Art. 2 Z 7 der Verordnung 2015/848/EU genannten Entscheidungen (für sich allein) als "Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens" zu qualifizieren. Die Ansicht der Revisionswerberin, wonach jedes Insolvenzverfahren zwingend die Bestellung eines Verwalters erfordere, sei mit der Definition des Art. 2 Z 3 der Verordnung 2015/848/EU nicht vereinbar, der zufolge ein Insolvenzverfahren betreffend einen Schuldner in Eigenverwaltung nicht zwingend mit der Bestellung eines Verwalters verbunden sei. Die in Art. 2 Z 7 der Verordnung 2015/848/EU angeführten Fälle seien daher keine kumulativen Voraussetzungen. Soweit die Revisionswerberin geltend mache, der Antrag von C vom 8. Jänner 2018 sei ein bloß vorläufiger Antrag gewesen, sei dem darüber hinaus entgegenzuhalten, dass auch nach österreichischem Recht ein Insolvenzverfahren ungeachtet noch ausstehender (weiterer) Anträge bzw. gerichtlicher Entscheidungen bereits eröffnet sein könne. Die von der Revisionswerberin diesbezüglich ins Treffen geführten Urteile des EuGH seien für die hier zu klärende Frage nicht relevant.
34 3.4. In der Revision wird der Annahme des Verwaltungsgerichtes, es handle sich bei der Revisionswerberin um eine Sektorenauftraggeberin nach § 164 BVergG 2006, nicht entgegengetreten. Nach dem hier (noch) maßgeblichen § 229 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit Abs. 2 BVergG 2006 haben Sektorenauftraggeber gemäß § 164 BVergG 2006 Unternehmer von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Art. 57 der Richtlinie 2014/24/EU, auf den in Art. 80 der (für den Sektorenbereich maßgeblichen) Richtlinie 2014/25/EU verwiesen wird, nennt in seinem Abs. 4 Buchst. b als Ausschlussgrund (u.a.) den Umstand, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer in einem Insolvenzverfahren, in einem Vergleichsverfahren oder aufgrund eines in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen gleichartigen Verfahrens in einer vergleichbaren Lage befindet. Eine nähere Definition, wann von einem (eröffneten) Insolvenzverfahren auszugehen ist, enthalten weder das BVergG 2006 noch die genannten Vergaberichtlinien. Der - für klassische öffentliche Auftraggeber maßgebliche - § 72 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 (der Sektorenteil des BVergG 2006 enthielt noch keine Auflistung der zulässigen Nachweise) nennt als Nachweis für Ausschlussgründe neben bestimmten innerstaatlichen Bescheinigungen auch eine gleichwertige Bescheinigung einer Behörde des Herkunftslandes des Unternehmers.
35 Im Hinblick auf die Übernahme der sekundärrechtlichen Regelung im BVergG 2006 sind die jeweiligen Begriffe unter Beachtung des Unionsrechts auszulegen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht (wie auch die weiteren Verfahrensparteien) für die Frage des Vorliegens eines Insolvenzverfahrens nach italienischem Recht auch die Bestimmungen der Verordnung 2015/848/EU über Insolvenzverfahren herangezogen hat. Gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 gilt diese Verordnung für Verfahren, in denen zur Rettung, Schuldenanpassung, Reorganisation oder Liquidation (u.a.) dem Schuldner die Verfügungsgewalt über sein Vermögen ganz oder teilweise entzogen und ein Verwalter bestellt wird oder in denen das Vermögen des Schuldners der Aufsicht durch ein Gericht unterstellt wird. Zur Auflistung der Verfahren wird auf Anhang A verwiesen. Auch aus der Definition des Art. 2 Z 3 sowie aus Erwägungsgrund 10 der Verordnung 2015/848/EU lässt sich ableiten, dass in einem Insolvenzverfahren nicht unbedingt ein Verwalter (im Sinn des Anhangs B dieser Verordnung) bestellt werden muss. Ausgehend davon kann Art. 2 Z 7 der Verordnung 2015/848/EU - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - aber nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die darin definierte "Eröffnung eines Insolvenzverfahrens" das kumulative Vorliegen beider darin genannter Entscheidungen (nach Ziffer i und ii) erfordert.
36 Dass mit dem vom Verwaltungsgericht genannten Beschluss des Tribunale di Roma vom 15. Jänner 2018 drei Personen zu Gerichtskommissaren ("commissari giudiziali") und somit Verwaltern im Sinn der Verordnung 2015/848/EU bestellt worden sind, ist unstrittig. Schon ausgehend davon ist diese Entscheidung als eine solche zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Sinn der genannten Norm anzusehen.
37 Darüber hinaus ist zur Frage, ob mit einem - wie hier von C eingebrachten - Antrag nach Art. 161 Abs. 6 des italienischen Insolvenzgesetzes (Königliches Dekret Nr. 267 vom 16. März 1942) ein Insolvenzverfahren als eröffnet gilt, auf das (wenn auch noch zum Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG ergangene) Urteil des EuGH vom 28. März 2019, Idi Srl, C-101/18, zu verweisen. Darin hat sich der EuGH mit der Frage der Zulässigkeit eines Ausschlusses eines italienischen Unternehmers befasst, der - wie hier - einen Antrag nach Art. 161 Abs. 6 des italienischen Insolvenzgesetzes auf "Eröffnung eines Zwangsvergleichs" gestellt und sich dabei die Möglichkeit vorbehalten hatte, einen Plan zur Fortführung der Tätigkeit vorzulegen. Der EuGH hat dazu Folgendes festgehalten:
"38 Wie im vorliegenden Fall aus dem nationalen Recht - insbesondere aus Art. 168 des Insolvenzgesetzes - hervorgeht, bewirkt die Einreichung des Antrags auf Eröffnung eines Zwangsvergleichs u. a., dass die Gläubiger für eine im Insolvenzgesetz bestimmte Dauer daran gehindert sind, mit rechtlichen Schritten auf das Vermögen des Schuldners zuzugreifen, und dass die Rechte, die der Antragsteller an seinem Vermögen hat, beschränkt werden, da er in Bezug auf dieses ab der Antragstellung allein, d. h. ohne gerichtliche Genehmigung, keine Maßnahmen der Insolvenzverwaltung mehr ergreifen kann.
39 Eine solche Antragstellung hat somit rechtliche Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten sowohl des Antragstellers als auch des Gläubigers. Die Antragstellung ist also als Ausgangspunkt des Zwangsvergleichsverfahrens im Sinne von Art. 45 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 und folglich als die das Verfahren einleitende Maßnahme anzusehen, selbst wenn das zuständige Gericht noch keine Entscheidung getroffen hat.
40 Dieses Ergebnis ist auch durch die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Antragstellers gerechtfertigt. Denn durch eine solche Antragstellung räumt der Wirtschaftsteilnehmer ein, dass er sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, die seine wirtschaftliche Zuverlässigkeit in Frage stellen können. Wie jedoch in Rn. 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, soll durch den fakultativen Ausschlussgrund des Art. 45 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 gegenüber der Vergabestelle sichergestellt werden, dass sie einen Vertrag mit einem Wirtschaftsteilnehmer schließt, der über eine hinreichende wirtschaftliche Zuverlässigkeit verfügt.
41 Gemäß dieser Vorschrift ist also davon auszugehen, dass ab der Antragstellung gegen den Wirtschaftsteilnehmer ein Zwangsvergleichsverfahren eröffnet ist.
42 Der Umstand, dass sich der Wirtschaftsteilnehmer in seinem Antrag die Möglichkeit vorbehält, einen Plan zur Fortführung seiner Tätigkeit vorzulegen, vermag an dieser Feststellung nichts zu ändern.
(...)
49 Außerdem ist die Situation, in der sich der Wirtschaftsteilnehmer zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausschlussentscheidung noch nicht verpflichtet, sich in einen Zwangsvergleich mit Fortführung seiner Tätigkeit zu begeben, im Hinblick auf seine wirtschaftliche Zuverlässigkeit nicht mit der Situation vergleichbar, in der er sich zu diesem Zeitpunkt bereits zur Fortführung seiner Tätigkeit verpflichtet.
50 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 45 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren, wonach ein Wirtschaftsteilnehmer vom Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden darf, wenn er zum Zeitpunkt der Ausschlussentscheidung bereits einen Antrag auf Eröffnung eines Zwangsvergleichs gestellt und sich dabei die Möglichkeit vorbehalten hatte, einen Plan zur Fortführung der Tätigkeit vorzulegen, nicht entgegensteht."
38 Ausgehend davon wäre vorliegend bereits der Antrag von C als Eröffnung des Insolvenzverfahrens (auch im Sinn der nunmehr maßgeblichen sekundärrechtlichen Regelung des Art. 57 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2014/24/EU) anzusehen gewesen. 39 Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin kann aus den beiden von ihr ins Treffen geführten EuGH-Urteilen C-546/14 und C- 245/16 für ihren Standpunkt nichts abgeleitet werden, weil der EuGH darin lediglich im Rahmen der Darstellung der italienischen Rechtslage bzw. des Ausgangsverfahrens auf die Einleitung eines Vergleichsverfahren abstellt, ohne ausdrückliche Aussagen zur hier zu klärenden Rechtsfrage zu treffen.
40 Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, einen Ausschlussgrund hinsichtlich des Mitgliedes C der für die Zuschlagserteilung in Aussicht genommenen Bietergemeinschaft P als gegeben anzusehen, ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen.
4. Ausschlussgrund bei einem Mitglied einer Bietergemeinschaft 41 4.1. Die Revisionswerberin verweist auf das EuGH-Urteil C- 396/14, demzufolge die Insolvenz eines Mitgliedes einer Bietergemeinschaft kein Grund für den Ausschluss der "Rest-Bietergemeinschaft" sei. Aus dem Umstand, dass dieses Urteil zu einem Verhandlungsverfahren ergangen sei, dürfe nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass dies bei den übrigen Verfahrensarten anders zu beurteilen sei. Der EuGH habe in die Beantwortung der Vorlagefrage keine Bedingungen aufgenommen, die spezifisch nur auf Verhandlungsverfahren zutreffen würden. Die inhaltlichen Bedingungen für ein Absehen vom Ausschluss der "Rest-Bietergemeinschaft" (diese müsse die vom Auftraggeber festgelegten Anforderungen alleine erfüllen und ihre Teilnahme dürfe nicht zu einer Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation der übrigen Bieter führen) seien vorliegend erfüllt.
42 Zudem sei im vorliegenden Fall C nach wie vor Mitglied der Bietergemeinschaft und diese daher formal gesehen unverändert. Dies stelle hinsichtlich der finanziellen Leistungsfähigkeit des künftigen Auftragnehmers verglichen mit der dem genannten EuGH-Urteil zugrunde liegenden Konstellation die "wesentlich weniger gravierende Situation" dar. Auch wenn das Insolvenzverfahren systematisch unter die Ausschlussgründe eingereiht werde, handle es sich inhaltlich um einen Aspekt der finanziellen Leistungsfähigkeit. Daher sei dieser Ausschlussgrund nicht starr und formal anhand der Frage, ob das Tatbestandselement "Eröffnung eines Insolvenzverfahrens" vorliege, zu prüfen, sondern ob bei einer Prognose bzw. unter Einbeziehung der sonstigen Eignungsanforderungen die finanzielle Leistungsfähigkeit gegeben sei.
43 Zwar sei die vom EuGH im Urteil C-396/14 behandelte Frage der Zulässigkeit der Teilnahme einer "reduzierten Bietergemeinschaft" (nach Wegfall eines Mitgliedes) "anders gelagert" als die hier maßgebliche Frage der Teilnahme einer unveränderten Bietergemeinschaft bei eingetretener
Unzuverlässigkeit eines Mitgliedes. Allerdings ergebe sich bereits aus einem Größenschluss, dass die Erwägungen des EuGH im Urteil C- 396/14 auch für den vorliegenden Fall gelten müssten. Wenn eine Bietergemeinschaft trotz Wegfall eines Mitgliedes nicht auszuschließen sei, müsse dies umso mehr gelten, wenn dieses Mitglied noch vorhanden sei.
44 Zur Frage, ob ein bei einem Mitglied einer Bietergemeinschaft vorliegender Ausschlussgrund auf die gesamte Bietergemeinschaft durchschlage, enthielten weder das BVergG 2006 noch die Vergaberichtlinien ausdrückliche Regelungen. Die Revisionswerberin verweist dazu (in ihrem weiteren Schriftsatz) auf das Urteil des EuGH vom 2. Juni 2016, Pippo Pizzo, C-27/15, demzufolge sich ein Ausschlussgrund ausdrücklich (aus der Ausschreibung oder der nationalen Rechtslage) ergeben müsse. 45 Im Ergebnis wäre somit - selbst wenn man von einer Eröffnung eines Insolvenzverfahrens betreffend C ausginge - ein Ausscheiden des Angebotes der Zuschlagsempfängerin nicht geboten gewesen.
46 4.2. Die erstmitbeteiligte Partei verweist zur fehlenden Zuverlässigkeit einer Bietergemeinschaft bei Wegfall der Zuverlässigkeit eines ihrer Mitglieder auf die einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH Ro 2014/04/0062). Das von der Revisionswerberin ins Treffen geführte EuGH-Urteil C-396/14 ändere daran nichts, weil der EuGH darin zum Ausdruck gebracht habe, dass die Frage der Zulässigkeit der Änderung einer Bietergemeinschaft nach nationalem Recht zu beurteilen sei. Anders als in dem - dem genannten EuGH-Urteil zugrunde gelegenen - Verhandlungsverfahren bestehe im hier durchgeführten offenen Verfahren ein Verhandlungsverbot, das auch Änderungen hinsichtlich der an der Auftragsausführung beteiligten Personen untersage. Des Weiteren habe das EuGH-Urteil C-396/14 auch keine Änderung der Bietergemeinschaft nach Abgabe des Letztangebotes zum Gegenstand gehabt.
47 Auf Grund der bestandfesten Ausschreibung sei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein zwingender Ausschlussgrund betreffend ein Mitglied der Bietergemeinschaft vorgelegen, der den Ausschluss der gesamten Bietergemeinschaft zur Folge haben müsse. 48 4.3. Auch die zweitmitbeteiligte Partei vertritt die Auffassung, dass aus dem zu einem Verhandlungsverfahren ergangenen EuGH-Urteil C-396/14 für das hier maßgebliche offene Verfahren (im Hinblick auf das Verhandlungsverbot) nichts abgeleitet werden könne. In seiner Begründung habe der EuGH auf die Gewährleistung eines angemessenen Wettbewerbs, wie ihn Art. 54 der Richtlinie 2004/17 verlange, abgestellt. Diese Bestimmung beziehe sich aber gerade nicht auf das offene Verfahren, sondern nur auf das nicht offene Verfahren und das Verhandlungsverfahren. Der EuGH habe zudem keine Aussage zur Frage getroffen, ob eine Angebotsänderung nach Abgabe des Letztangebotes zulässig sei. Aus diesem Urteil könne nicht der Schluss gezogen werden, dass die Zuschlagserteilung an die gesamte Bietergemeinschaft (in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung samt unzuverlässigem Mitglied) zulässig sei.
49 4.4.1. Dem Vorbringen der Revisionswerberin, es handle sich beim Vorliegen eines Insolvenzverfahrens inhaltlich um einen Aspekt der finanziellen Leistungsfähigkeit, ist vorab Folgendes entgegenzuhalten: Richtig ist zwar, dass zwischen der Insolvenz eines Unternehmers und seiner Leistungsfähigkeit ein Konnex besteht. Dies zeigt sich in vergaberechtlicher Hinsicht etwa in der Regelung des § 229 Abs. 2 Z 3 BVergG 2006, wonach in bestimmten Vergabeverfahren trotz Eröffnung eines Insolvenzverfahrens von einem Ausschluss Abstand genommen werden kann, wenn die Leistungsfähigkeit des Unternehmers (trotz Insolvenz) zur Leistungserbringung hinreicht.
50 Aus dem Umstand, dass das BVergG 2006 (ebenso wie die Vergaberichtlinien) bei den Ausschlussgründen ausdrücklich - und ungeachtet der ohnehin im Rahmen der finanziellen Leistungsfähigkeit normierten Anforderungen - auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abstellt, ist allerdings abzuleiten, dass im Zuge der Prüfung dieses Ausschlussgrundes keine inhaltliche Prognoseentscheidung über die finanzielle Leistungsfähigkeit vorzunehmen, sondern formal die Frage des Vorliegens eines eröffneten (und noch aufrechten) Insolvenzverfahrens zu klären ist. Das BVergG 2006 sieht (für klassische öffentliche Auftraggeber) auch unterschiedliche Nachweise für die Ausschlussgründe einerseits und die finanzielle Leistungsfähigkeit andererseits vor. Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Insolvenzverfahren noch anhängig sein muss, eine Abgrenzung zwischen dem - eine unwiderlegbare Vermutung begründenden - Ausschlussgrund des (für klassische öffentliche Auftraggeber geltenden) § 68 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 und der - von einer allfälligen Beendigung des Insolvenzverfahrens unberührt bleibenden - Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit nach den §§ 70 und 74 BVergG 2006 vorgenommen (VwGH 22.5.2012, 2009/04/0187).
51 4.4.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss bei einer Bietergemeinschaft die Zuverlässigkeit aller Mitglieder gegeben sein. Das Vorliegen eines Ausschlussgrundes bei einem Mitglied der Bietergemeinschaft führt daher dazu, dass die Bietergemeinschaft als solche als nicht zuverlässig anzusehen ist (vgl. VwGH 9.9.2015, Ro 2014/04/0062, mwN). Die Erläuterungen zu § 20 BVergG 2006 halten diesbezüglich ausdrücklich fest, dass der Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit gemäß § 72 im Falle der Zulässigkeit einer Arbeits- oder Bietergemeinschaft für alle dergestalt am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmer zu erbringen ist (RV 1171 BlgNR 22. GP 41). Auch die hier gegenständlichen Ausschreibungsbestimmungen, denen zufolge sämtliche Mitglieder einer Bietergemeinschaft nachzuweisen haben, dass kein Ausschlussgrund vorliegt, geben diesbezüglich keinen Anlass zu Unklarheiten (entgegen der Auffassung der Revisionswerberin lässt sich somit auch aus dem von ihr ins Treffen geführten EuGH-Urteil C-27/15 nichts für sie gewinnen). 52 4.4.3. An der dargestellten Auffassung vermag das von der Revisionswerberin ins Treffen geführte EuGH-Urteil vom 24. Mai 2016, C-396/14, aus folgenden Gründen nichts zu ändern:
53 Zunächst ist anzumerken, dass der EuGH in der Begründung dieses Urteils darauf abgestellt hat, dass die Anforderung einer rechtlichen und tatsächlichen Identität des Wirtschaftsteilnehmers während des gesamten Verlaufs des Verfahrens "gesenkt" werden könne, "um in einem Verhandlungsverfahren einen angemessenen Wettbewerb, wie ihn Art. 54 Abs. 3 der Richtlinie 2004/17 verlangt, zu gewährleisten" (Rn. 41). Der begründend herangezogene Art. 54 Abs. 3 der Richtlinie 2004/17/EG galt ausdrücklich nur für nichtoffene Verfahren und Verhandlungsverfahren und somit nicht für das hier maßgebliche offene Verfahren. Rückschlüsse darauf, wie diese Konstellation in einem offenen Verfahren - noch dazu nach Abgabe des Letztangebotes - zu beurteilen wäre, lassen sich daraus nicht ableiten. Gegen eine Übertragung der darin getroffenen Aussagen auf das offene Verfahren spricht nicht zuletzt das im offenen Verfahren zu beachtende Verhandlungsverbot. 54 Vor allem aber ist dem diesbezüglichen Revisionsvorbringen entgegenzuhalten, dass sich die im EuGH-Urteil C-396/14 zu beurteilende Konstellation vom hier zugrunde liegenden Sachverhalt wesentlich unterscheidet. Im Urteil C-396/14 hat der EuGH die Zulässigkeit der Teilnahme eines Unternehmers am weiteren Vergabeverfahren geprüft, wenn dieser Unternehmer zuvor nur als Mitglied einer Bietergemeinschaft beteiligt war, über das Vermögen des anderen Mitgliedes dieser Bietergemeinschaft die Insolvenz eröffnet und die Bietergemeinschaft aufgelöst wurde. Es ging somit um die Frage der Zulässigkeit der Änderung der Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft während eines laufenden Verhandlungsverfahrens. Eine solche Änderung hat der EuGH unter gewissen Voraussetzungen als zulässig angesehen.
55 Im vorliegenden Fall wurde der Zuschlag aber unstrittig der am Verfahren teilnehmenden Bietergemeinschaft P in unveränderter Zusammensetzung (und somit unter aufrechter Teilnahme des als unzuverlässig anzusehenden Mitgliedes) erteilt. Dem von der Revisionswerberin angestellten Größenschluss vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen, weil es hinsichtlich der hier einzig zu beurteilenden Zuverlässigkeit einen relevanten Unterschied macht, ob ein als unzuverlässig anzusehender Unternehmer (noch) an einer Bietergemeinschaft beteiligt ist oder nicht.
56 4.4.4. Im Ergebnis sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auf Grund des Revisionsvorbringens somit nicht veranlasst, von seiner Rechtsprechung betreffend den Ausschluss einer Bietergemeinschaft als Folge der Unzuverlässigkeit eines ihrer Mitglieder abzugehen.
5. Unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinienbestimmungen 57 5.1. Die Revisionswerberin moniert, das Verwaltungsgericht habe sich mit der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 57 Abs. 4 letzter Unterabsatz der Richtlinie 2014/24/EU überhaupt nicht befasst. Auf Grund der von der Zuschlagsempfängerin "vor Zuschlag nachgewiesenen positiven Prognose" sei der Ausschlusstatbestand nicht vorgelegen. 58 Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU sei - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes - inhaltlich unbedingt und eindeutig formuliert. Der vom Verwaltungsgericht begründend herangezogene Abs. 7 des Art. 57 der Richtlinie 2014/24/EU überlasse den Mitgliedstaaten lediglich die nähere Ausgestaltung, stehe einer unmittelbaren Anwendbarkeit aber nicht entgegen. Somit habe jeder Wirtschaftsteilnehmer das Recht, (und zwar für sämtliche Ausschlussgründe) Gelegenheit zur "Selbstreinigung" zu erhalten. Es sei den Mitgliedstaaten angesichts des Art. 80 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25/EU zwar freigestellt, gewisse Ausschlussgründe nicht umzusetzen, für umgesetzte Gründe sei aber jedenfalls die Möglichkeit der "Selbstreinigung" einzuräumen. Bei einer gegenteiligen Sichtweise wäre es den Mitgliedstaaten gestattet, die Ausschlussmöglichkeiten für Sektorenauftraggeber entgegen dem Sinn der zugrunde liegenden Richtlinienregelungen zu erweitern.
59 Darüber hinaus verweist die Revisionswerberin auf die Regelung des Art. 79 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25/EU, der zufolge Auftraggeber vorschreiben müssen, dass der Wirtschaftsteilnehmer ein Unternehmen, bei dem zwingende Ausschlussgründe vorliegen, ersetzt. Daher hätte die Revisionswerberin im vorliegenden Fall sogar den Austausch von C akzeptieren müssen.
60 Auch der vom Verwaltungsgericht begründend herangezogene Umstand, dass die Ausschreibung auf einen Ausschlussgrund nach § 229 Abs. 1 BVergG 2006 "oder" nach den (näher genannten) Richtlinienbestimmungen abstellt, führe zu keinem anderen Ergebnis, zumal § 229 Abs. 1 BVergG 2006 durch die unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinien "überlagert" werde. Da angesichts der "Selbstreinigung" keine Bedenken hinsichtlich der Auftragsausführung bestanden hätten, wäre die Revisionswerberin auf Grund der unmittelbaren Anwendbarkeit der angeführten Richtlinienbestimmungen nicht berechtigt gewesen, das Angebot der Zuschlagsempfängerin auszuscheiden.
61 5.2. Die erstmitbeteiligte Partei bestreitet, dass der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 80 der Richtlinie 2014/25/EU und des Art. 57 Abs. 4 und 6 der Richtlinie 2014/24/EU für das vorliegende Revisionsverfahren Relevanz zukomme. Zudem sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung von Richtlinienbestimmungen nicht abgewichen. Vor allem aber könne sich der Staat (die Revisionswerberin sei als Auftraggeberin dem Staat zuzuordnen) nicht auf die unmittelbare Anwendung einer Richtlinie gegenüber "Privaten" berufen.
62 5.3. Die zweitmitbeteiligte Partei hält der Revisionswerberin zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der genannten Richtlinienbestimmungen entgegen, in der Revision werde offen gelassen, welche "Selbstreinigung" konkret vorgenommen worden sei. Die Behauptung, die Zuschlagsempfängerin sei auch ohne C geeignet und leistungsfähig, sei insoweit nicht hinreichend. 63 Art. 57 Abs. 4 letzter Unterabsatz der Richtlinie 2014/24/EU sei keinesfalls unmittelbar anwendbar, weil danach die Mitgleichstaaten vorsehen "können", dass von einem Ausschluss abgesehen wird. Abs. 6 des Art. 57 der Richtlinie 2014/24/EU verweise zwar pauschal auf die Ausschlussgründe nach Abs. 1 und 4 dieser Bestimmung. Die weiteren Regelungen zur "Selbstreinigung" würden aber deutlich machen, dass nur solche Ausschlussgründe davon erfasst seien, die eine Straftat bzw. ein Fehlverhalten des Unternehmers beträfen (und somit nicht den Ausschlussgrund eines Insolvenzverfahrens). Die in der Richtlinie 2014/24/EU vorgesehene "Selbstreinigung" laufe diesfalls ins Leere.
64 Die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU stelle sich im Übrigen auch deshalb nicht, weil die bestandfeste Ausschreibung alternativ zwei Ausschlussgründe, darunter jenen nach § 229 Abs. 1 BVergG 2006, vorgesehen habe. Für diesen Ausschlussgrund habe das BVergG 2006 keine Möglichkeit der "Selbstreinigung" vorgesehen. 65 Der in Art. 79 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25/EU vorgesehene und von der Revisionswerberin begründend ins Treffen geführte Ersatz eines Unternehmers beziehe sich wiederum nicht auf den Bieter selbst, sondern auf Dritte.
66 5.4.1. Der Rüge der Revisionswerberin, das Verwaltungsgericht habe sich mit der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 57 Abs. 4 letzter Unterabsatz der Richtlinie 2014/24/EU und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Zuverlässigkeit von C nicht auseinandergesetzt, ist zu entgegnen, dass es die genannte Regelung angesichts ihres Wortlautes ("können die Mitgliedstaaten verlangen oder die Möglichkeit vorsehen") den Mitgliedstaaten überlässt, ob sie ein Absehen vom Ausschluss eines Unternehmers unter den dort normierten Voraussetzungen vorsehen oder nicht. Eine unmittelbare Anwendbarkeit dieser Richtlinienbestimmung li