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L40017 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung Polizeistrafen TirolNorm
AVG §45 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Mag. H L in I, vertreten durch Mag. Ferdinand Kalchschmid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 2-4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 20. Februar 2019, Zl. LVwG- 2018/12/0870-7, betreffend Übertretung nach dem Tiroler Landes-Polizeigesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Innsbruck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - insoweit in Bestätigung eines entsprechenden Straferkenntnisses der belangten Behörde - der Revisionswerberin zur Last gelegt, sie habe am 18. Juli 2017 gegen 22:07 Uhr im Bereich vor dem Wohnhaus I in I ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, welcher durchaus vermeidbar gewesen wäre; sie habe lautstark herumgeschrien. Damit habe sie eine Verwaltungsübertretung gemäß § 1 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 Tiroler Landes-Polizeigesetz (TLPG) begangen. Über die Revisionswerberin wurde daher gemäß § 4 Abs. 1 TLPG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 120,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 29 Stunden) verhängt. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht (nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der die Revisionswerberin sowie die beim strittigen Vorfall einschreitenden Polizeibeamten und der betreffende Polizeischüler vernommen wurden) im Wesentlichen Folgendes zu Grunde: Die Revisionswerberin habe eine Straße an einem Schutzweg überquert und dabei missachtet, dass die Ampel Rotlicht zeigte, woraufhin sie von den einschreitenden Beamten angehalten worden sei. Obwohl die Revisionswerberin die Verwaltungsübertretung (das Überqueren der Fahrbahn bei Rotlicht) zugegeben habe, sei es zu einer sehr lauten Diskussion gekommen, weil sie wiederholt darauf hingewiesen habe, dass ohnehin kein Auto gekommen sei. Die Revisionswerberin sei aufgrund der Amtshandlung sehr aufgebracht gewesen und habe begonnen, mit den Beamten lautstark zu schreien. Da sie sich nicht ausweisen habe können, sei sie zum Eingangsbereich ihres Wohnhauses gegangen (offenbar gemeint: um von dort ihren Ausweis zu holen), wobei sie bei der Toreinfahrt wieder begonnen habe, sich über die Amtshandlung zu beschweren und mit den Polizeibeamten lautstark zu schreien. Zur Tatzeit sei es in diesem Bereich ansonsten ruhig gewesen.
3 Im Rahmen der Beweiswürdigung stützte sich das Verwaltungsgericht, was die Feststellungen über die lautstarken Äußerungen der Revisionswerberin im Zuge der Amtshandlung anlangt, auf die dienstlichen Wahrnehmungen der einschreitenden Beamten, die als Zeugen vernommen übereinstimmend ausgesagt hätten, die Revisionswerberin habe lautstark herumgeschrien. Ihnen sei schon aufgrund ihrer Ausbildung und beruflichen Tätigkeit zuzubilligen, dass sie verwaltungsstrafrechtlich relevante Sachverhalte richtig und vollständig wahrnehmen und wiedergeben könnten. An der inhaltlichen Richtigkeit ihrer Aussage zum "lautstarken Schreien" ergäben sich keine Zweifel, zumal - vor dem Hintergrund massiver straf- und disziplinarrechtlicher Folgen im Falle bewusst unrichtiger Anzeigeerstattung und falscher Zeugenaussage - unerfindlich wäre, welche Umstände sie zu Falschangaben veranlassen sollten.
4 An dieser Beurteilung ändere nichts, dass die Aussagen der einschreitenden Beamten zu weiteren Vorwürfen gegen die Revisionswerberin zum Teil widersprüchlich gewesen seien, was zu einer diesbezüglichen Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens geführt habe, weil die diesbezüglichen Vorwürfe für das gegenständliche Verfahren nicht relevant seien (was näher dargelegt wurde). Gleiches gelte für den Umstand, dass zwei im Parallelverfahren vernommene Zeugen kein Schreien gehört hätten (unter Hinweis im Wesentlichen auf Standort bzw. Entfernung dieser Zeugen).
5 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung legte es fallbezogen im Wesentlichen dar, dass lautes, aggressives Schreien mit einem Aufsichtsorgan das Tatbestandselement der Ungebührlichkeit erfülle, und das Herumschreien in der Stadt vor Wohnhäusern gegen 22.07 Uhr jedenfalls als störend zu qualifizieren sei, zumal es zur Tatzeit in diesem Bereich bereits ruhig gewesen sei. 6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte - außerordentliche - Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision legt nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.
11 Die Zulässigkeitsbegründung bringt zusammengefasst unter Berufung auf näher geltend gemachte Widersprüchlichkeiten der Aussagen bzw. Anzeigeinhalte der beteiligten Beamten vor, das Verwaltungsgericht habe grundsätzliche Verfahrensregeln verletzt und wendet sich damit gegen die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung.
12 Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hätte.
13 Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht etwa, dass der in der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht unterliegt. Die - auch von den Verwaltungsgerichten anzuwendende - Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d. h. sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0012, mwN). 14 Dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, das die Beweisergebnisse im Parallelverfahren einbezogen, aber als für die Entscheidung im vorliegenden, einen anderen örtlichen und zeitlichen Bereich der Amtshandlung betreffenden Verfahren nicht als entscheidend beurteilt hat, einer derartigen Schlüssigkeitskontrolle nicht standhalten würde, wird von der Revision nicht aufgezeigt.
15 Damit kann auch dahingestellt bleiben, ob die Revision den an sie zu stellenden Formerfordernissen insofern genügt, als sie eine "gesonderte" Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) enthält. Diesem Erfordernis wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe vorliegt. Auch eine Revision, die Ausführungen zu ihrer Begründetheit auch als Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit wortident enthält, wird dem Erfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG der gesonderten Darlegung der Gründe, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, nicht gerecht (vgl. etwa VwGH 17.5.2018, Ra 2018/08/0083, mwN).
16 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. Juli 2019
Schlagworte
freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030047.L00Im RIS seit
13.09.2019Zuletzt aktualisiert am
13.09.2019