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41/02 AsylrechtNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 2018, L508 2202002-2/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: X Y), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt A) III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der aus Pakistan stammende Mitbeteiligte stellte am 14. August 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. 2 Mit Bescheid vom 28. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Mitbeteiligten zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), erließ gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.).
3 Begründend führte das BFA - soweit für das Revisionsverfahren betreffend die Erlassung des Einreiseverbotes von Interesse - aus, der Mitbeteiligte sei illegal und ohne ausreichende finanzielle Mittel ins Bundesgebiet eingereist. Da dem Mitbeteiligten keine Arbeitserlaubnis zukomme, könne er lediglich durch die Verrichtung illegaler Tätigkeiten Bargeld erwerben. Die Mittellosigkeit rechtfertige aufgrund der daraus resultierenden Gefahr der illegalen Beschaffung von Unterhaltsmitteln die Annahme, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde. Der Mitbeteiligte habe einen unbegründeten und missbräuchlichen Asylantrag gestellt, was eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit indiziere. Er sei offensichtlich nicht bereit, die österreichische Rechtsordnung zu beachten. Dem Mitbeteiligten könne nur eine negative Zukunftsprognose ausgestellt werden. Das Einreiseverbot sei zu Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das BVwG den behördlichen Ausspruch über die Erlassung des Einreiseverbotes ersatzlos auf (Spruchpunkt A) III.), sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt A) II.) und wies die Beschwerde im Übrigen als unbegründet ab (Spruchpunkt A) I.). Das BVwG sprach auch aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).
5 Begründend führte das BVwG hinsichtlich der Aufhebung des Einreiseverbotes aus, der Revisionswerber sei Anfang Juli 2018 im Bundesgebiet betreten worden und habe sich als unrechtmäßig aufhältig und bargeldlos erwiesen und angegeben, über keine Bankomat- oder Kreditkarten zu verfügen. In Ermangelung des Nachweises von Barmitteln könne der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG "im Grunde als erfüllt angesehen werden".
6 Der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG werfe allerdings prinzipiell Fragen hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung und eigenständigen Relevanz seines Regelungsgehaltes auf, zumal in der bloßen zum Zeitpunkt der Erlassung einer Rückkehrentscheidung bestehenden Mittellosigkeit eines Fremden kein Grund erblickt werden könne, diesem eine künftige legale Wiedereinreise unter Berufung auf eine Gefährdung öffentlicher Interessen zu verunmöglichen.
7 Die vom BFA herangezogene Mittellosigkeit könne jedoch nicht zur Erlassung eines Einreiseverbots führen, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Folgeantrag handle (Hinweis auf VwGH 21.12.2004, 2004/21/0083). Aus einer erstmaligen Antragstellung könne nicht automatisch auf einen Missbrauch des Asylsystems und in weiterer Folge auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geschlossen werden, die zur Verhängung eines Einreiseverbotes zu führen habe.
8 Allein gegen den Spruchpunkt, mit dem der Beschwerde gegen die Erlassung des Einreiseverbotes stattgegeben wurde, richtet sich die vorliegende Revision des BFA.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das BVwG sowie nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Die Revision, die in der Begründung für ihre Zulässigkeit u. a. geltend macht, das BVwG sei bei der Aufhebung des Einreiseverbotes von der (näher genannten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, ist zulässig. Sie ist auch begründet.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 20. September 2018, Ra 2018/20/0349, ausführlich mit dem Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG auseinandergesetzt und auch ausgeführt, dass die auf das Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, 2004/21/0083, zurückzuführende Rechtsprechungslinie, auf die sich das BVwG im vorliegenden Fall gestützt hat, für die aktuelle Rechtslage als nicht mehr maßgeblich angesehen werden kann. Auf die nähere Begründung dieser Entscheidung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
12 Es trifft aber auch nicht zu, dass dem in § 53 Abs. 2 Z 6 FPG enthaltenen Tatbestand kein eigenständiger Bedeutungsgehalt beizumessen wäre. So hat der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 20. September 2018, Ra 2018/20/0349, ausgeführt, dass aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiert, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist. Dies gilt auch für ein in einem Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz erlassenes Einreiseverbot. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung auch keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass diese Bestimmung als verfassungsrechtlich bedenklich einzustufen wäre.
13 Ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht hat es das BVwG unterlassen, sämtliche für eine auf die Umstände des Einzelfalls abstellende einwandfreie rechtliche Beurteilung maßgebliche Feststellungen zu treffen.
14 Das angefochtene Erkenntnis war sohin im angefochtenen Umfang, nämlich soweit das Einreiseverbot ersatzlos behoben wurde, wegen (vorrangig wahrzunehmender) inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 12. Juli 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140282.L00Im RIS seit
06.09.2019Zuletzt aktualisiert am
06.09.2019