TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/14 94/17/0094

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Veröffentlicht am 14.12.1998
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Index

L34007 Abgabenordnung Tirol;
L37137 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe Sondermüllabgabe
Müllabfuhrabgabe Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AbfallgebührenG Tir 1991 §1;
AbfallgebührenG Tir 1991 §2;
AbfallgebührenG Tir 1991 §3 Abs1;
AbfallgebührenG Tir 1991 §4;
AbfallgebührenG Tir 1991 §5;
AbfallgebührenG Tir 1991 §6 Abs1;
AbfallgebührenO Innsbruck 1992 §2;
AbfallgebührenO Innsbruck 1992 §3;
AbfallgebührenO Innsbruck 1992 §4 Abs8;
AbfallgebührenO Innsbruck 1992 §7 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs4;
AVG §8;
BAO §293 Abs1;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
LAO Tir 1984 §217;
LAO Tir 1984 §73 Abs2;
LAO Tir 1984 §73 Abs3 lita;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerden der F-GmbH, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in A, gegen die Bescheide der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck jeweils vom 10. Dezember 1993, Zl. MD/Präs.Abt.II-8157/1992 (hg. Zl. 94/17/0094) und Zl. MD/Präs.Abt.II-2523/1993 (hg. Zl. 94/17/0095), jeweils betreffend Müllabfuhrgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Spruch dieses Erkenntnisses erstangeführten Bescheid wurde im Instanzenzug der Beschwerdeführerin die Abfallgebühr für das näher bezeichnete Objekt für das Jahr 1992 gemäß §§ 2, 3 und 4 der Abfallgebührenordnung der Landeshauptstadt Innsbruck 1992 mit S 20.736,-- inkl. 10 % Umsatzsteuer vorgeschrieben.

Mit dem im Spruch dieses Erkenntnisses zweitangeführten Bescheid wurde im Instanzenzug der Beschwerdeführerin die Abfallgebühr für das (selbe) näher bezeichnete Objekt für das Jahr 1993 gemäß §§ 2, 3 und 4 der Abfallgebührenordnung der Landeshauptstadt Innsbruck 1992 mit S 20.736,--

inkl. 10 % Umsatzsteuer vorgeschrieben.

In den Begründungen dieser Bescheide wendet sich die belangte Behörde im wesentlichen gegen die Meinung der Beschwerdeführerin, die Vorschreibung der Abfallgebühr für das gegenständliche (metallverarbeitende) Unternehmen sei zu Unrecht erfolgt, weil der anfallende Müll zur Gänze über eine Privatfirma abtransportiert und in einer näher bezeichneten Deponie entsorgt werde. Für eine Tätigkeit, die von der städtischen Müllabfuhr nicht durchgeführt werde, könne keine Abfallgebühr verlangt werden.

Dem hält die belangte Behörde die Auffassung entgegen, die Beschwerdeführerin verneine das Entstehen eines Gebührenanspruches auf die Grundgebühr, was insoweit als unsachlich anzusehen sei, als die Stadtgemeinde Innsbruck gemäß den gesetzlichen Vorgaben neben der Bereitstellung der städtischen Müllabfuhr, sowie von Altglas- und Altpapierbehältern, auch für die regelmäßig durchzuführenden Problemstoffsammlungen Obsorge trage und letztlich eine kostenlose Abfallberatung durchführe. Dabei sei die Inanspruchnahme dieser Leistungen nicht im Belieben jedes Abgabepflichtigen gelegen, sondern zwingend festgeschrieben. Die seitens der Beschwerdeführerin praktizierte Vorgangsweise der Selbstentsorgung des gesamten Mülls (somit auch des Restmülls) widerspreche klaren gesetzlichen Vorschriften.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete Gegenschriften mit den Anträgen auf Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden; er hat über die Beschwerden erwogen:

Vorweg ist auf die Frage einzugehen, ob der dem im Spruch dieses Erkenntnisses erstangeführten Bescheid zugrundeliegende erstinstanzliche Bescheid, wie dies die Beschwerdeführerin in ihrer dagegen erhobenen Berufung geltend macht, als sogenannter "Nichtbescheid" ins Leere gegangen sei und daher die Berufung als unzulässig hätte zurückgewiesen werden müssen, weil der erstinstanzliche Abfallgebührenbescheid die "D-GES.M.B.H." als Bescheidadressat angeführt hat und auch unter diesem Wortlaut an die Adresse der Beschwerdeführerin, nämlich A 40, zugestellt wurde.

Gemäß § 73 Abs. 2 TLAO hat eine als Bescheid zu erlassende Erledigung einer Abgabenbehörde im Spruch die Person zu benennen, an die sie ergeht, und wird gemäß § 77 TLAO diese Erledigung dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben wird, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt ist, wobei die Bekanntgabe bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung zu erfolgen hat.

Es ist unbestritten, daß unter dem Standort A 40 nicht eine Firma "D-GES.M.B.H.", sondern die Firma F-GmbH - die Beschwerdeführerin - ihren Sitz hat und nur eine solche Firma im Firmenbuch eingetragen ist.

In einem Fall, in welchem unter Berücksichtigung der Rechtslage und der Begründung des Bescheides eindeutig und offenkundig bloß ein Fehler in der Bezeichnung des Bescheidadressaten, also ein Vergreifen im Ausdruck und damit eine berichtigungsfähige (wenn auch allenfalls noch nicht bescheidmäßig berichtigte) Unrichtigkeit gegeben ist, so ist nicht von einem (unzulässigen) Umdeuten, sondern von einem (zulässigen und gebotenen) "Deuten" des bloß fehlerhaft bezeichneten Bescheidadressaten zu sprechen. Die Anführung eines unrichtigen Bescheidadressaten steht diesfalls einer derartigen Deutung nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1996, Zl. 94/17/0419, und die dort angeführte Vorjudikatur). Im vorliegenden Fall ist unstrittig, daß die Beschwerdeführerin Eigentümerin des gegenständlichen Grundstückes ist.

Nach § 6 Abs. 1 des Tiroler Abfallgebührengesetzes, LGBl. Nr. 36/1991, sind Schuldner der Abfallgebühren die Eigentümer der Grundstücke, für die Einrichtungen und Anlagen zur Entsorgung von Abfällen und die Abfallberatung bereitgestellt werden. § 6 Abs. 2 leg. cit. enthält eine Sonderregelung, daß dann, wenn ein Bauwerk auf fremdem Grund und Boden steht, der Eigentümer des Bauwerkes, im Falle eines Baurechtes der Inhaber des Baurechtes, Schuldner der Abfallgebühren ist. Die Abfallgebührenordnung der Landeshauptstadt Innsbruck 1992 enthält im § 7 Abs. 1 und 2 eine gleichlautende Regelung.

Ausgehend von dieser Rechtslage läßt die Formulierung im erstinstanzlichen Bescheid "Nach den Bestimmungen der Abfallgebührenordnung ... wird die Abfallgebühr für das Jahr 1992 für die Liegenschaft A 40 wie folgt festgesetzt:" eindeutig darauf schließen, daß die Behörde dem Liegenschaftseigentümer (der Beschwerdeführerin) die Abfallgebühr vorschreiben wollte. Unter diesem Gesichtspunkt ist aber die fehlerhafte Bezeichnung des Bescheidadressaten mit der nicht existierenden Firma "D-GES.M.B.H."

als ein Vergreifen im Ausdruck zu verstehen, das einem "Deuten" im oben dargestellten Sinn zugänglich ist, daß nämlich die an dieser Adresse firmierende Liegenschaftseigentümerin F-GmbH (die Beschwerdeführerin) als Schuldnerin der Abfallgebühr und Bescheidadressatin - unter Heranziehung der objektiven Rechtslage und der übrigen Bescheidtextierung - in Anspruch genommen wurde.

In beiden Beschwerden vertritt die Beschwerdeführerin auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Auffassung, es sei rechtswidrig, ihr eine Müllabfuhrgebühr vorzuschreiben, weil das gegenständliche Unternehmen die städtische Müllabfuhr in keiner Weise in Anspruch nehme, sondern vielmehr der gesamte Müll von einem näher bezeichneten Unternehmen entsorgt werde. Dieses Unternehmen decke alle Bereiche ab, die für eine umfassende und klaglose Müllentsorgung erforderlich seien.

Nach § 1 des Tiroler Abfallgebührengesetzes, LGBl. Nr. 36/1991, werden die Gemeinden ermächtigt, zur Deckung des Aufwandes, der ihnen durch die Entsorgung von Abfällen und die Abfallberatung entsteht, Abfallgebühren zu erheben.

Die Abfallgebühren sind nach § 2 Abs. 1 leg. cit. von der Gemeinde durch Verordnung festzusetzen. Im Grunde des Abs. 2 dieses Paragraphen dürfen die Abfallgebühren höchstens so hoch festgesetzt werden, daß das im jeweiligen Haushaltsjahr zu erwartende Gebührenaufkommen den - näher umschriebenen - Aufwand der Gemeinde nach § 1 nicht übersteigt. § 3 Abs. 1 leg. cit. bestimmt, daß die Abfallgebühren als Grundgebühr und als weitere Gebühr zu erheben sind.

Die Grundgebühr ist nach § 4 Abs. 1 leg. cit. nach grundstücksbezogenen Merkmalen, wie insbesondere Größe und Verwendungszweck von Grundstücken und Gebäuden sowie Anzahl der Bewohner, festzusetzen. Nach Abs. 2 entsteht der Gebührenanspruch mit der Bereitstellung von Einrichtungen und Anlagen zur Entsorgung von Abfällen sowie der Abfallberatung.

Die weitere Gebühr ist nach § 5 Abs. 1 leg. cit. nach Merkmalen festzusetzen, die sich auf die auf dem jeweiligen Grundstück anfallenden Abfälle beziehen, solche Merkmale sind insbesondere die Art, das Volumen und das Gewicht der Abfälle. Der Gebührenanspruch entsteht nach Abs. 3 dieses Paragraphen mit der Übergabe der Abfälle an die zu deren Abholung oder Sammlung bestimmten Einrichtungen bzw. Anlagen.

Auch nach § 2 der Innsbrucker Abfallgebührenordnung 1992 werden die Abfallgebühren einerseits als Grundgebühr nach der Anzahl der Wohnräume bzw. nach Nutzflächeneinheiten und andererseits als weitere Gebühr nach dem Volumen der beanspruchten bzw. zwingend vorgesehenen Müllbehälter erhoben.

Die Abfallgebührenordnung der Landeshauptstadt Innsbruck 1992 enthält hinsichtlich der Entstehung des Abgabenanspruches im § 3 Abs. 1 und 2 gleiche Regelungen wie § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 3 Tiroler Abfallgebührengesetz.

Aus der dargestellten Rechtslage - insbesondere auch der Regelung über die Entstehung des Gebührenanspruches hinsichtlich der Grundgebühr, die eben bloß auf die Bereitstellung von Einrichtungen und Anlagen zur Entsorgung von Abfällen sowie die Abfallberatung abstellt - ergibt sich, daß zwischen der Grundgebühr und der sogenannten weiteren Gebühr insoweit zu unterscheiden ist, als erstere unabhängig vom tatsächlichen Abfallaufkommen nach grundstücksbezogenen Merkmalen bemessen wird. Der tatsächliche Abfallanfall ist lediglich bestimmend für die "weitere Gebühr". Nach diesem Regelungssystem kommt es (jedenfalls) für das Entstehen des Abgabenanspruches hinsichtlich der Grundgebühr - und nur eine solche wurde in den Beschwerdefällen vorgeschrieben - nicht darauf an, ob, anders als die Beschwerdeführerin meint, tatsächlich Müll von der städtischen Müllabfuhr entsorgt wird. Daß es auf die tatsächliche Nutzung nicht ankommt, indiziert auch § 4 Abs. 8 Abfallgebührenordnung der Landeshauptstadt Innsbruck 1992, wonach die Verpflichtung zur Entrichtung der Grundgebühr unabhängig davon besteht, ob die Räumlichkeiten tatsächlich bewohnt oder benützt werden.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein solches Regelungssystem - Teilung in eine Grundgebühr und eine weitere Gebühr, wobei erstere offensichtlich (nur) zur Deckung der durch die Durchführung der öffentlichen Müllabfuhr als solche entstehenden Generalkosten bestimmt ist - sind aus Anlaß der vorliegenden Beschwerdefälle nicht entstanden (so hat auch der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Oktober 1994, Zl. 92/17/0199, beim vergleichbaren Regelungssystem des Stmk. Abfallwirtschaftsgesetz keine Bedenken geäußert).

Kommt es aber hinsichtlich der Grundgebühr auf die tatsächliche Benützung nicht an, so gehen die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen (und die dabei angestellten Überlegungen zur Privatautonomie), die Beschwerdeführerin bediene sich nicht der städtischen Müllentsorgung, weil sie den Müll durch eine Privatfirma selbst entsorge, ins Leere. Das Gleiche gilt für die Beschwerdeausführungen, es handle sich um einen metallverarbeitenden Betrieb, in dem nur geringe Mengen an Müll anfielen bzw. es fiele in den Produktionsstätten überhaupt kein Müll an. Soweit sich dabei die Beschwerdeführerin auf das "Äquivalenzprinzip" beruft, ist sie darauf hinzuweisen, daß danach (lediglich) die Gesamteinnahmen der Gemeinde aus dem Betrieb der Einrichtung die daraus entstehenden Kosten nicht übersteigen dürfen (vgl. u.a. VfSlg. 7583/1975).

Somit ergibt sich, daß die angefochtenen Bescheide nicht mit Rechtswidrigkeit belastet sind. Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK erforderlich, da Abgabenangelegenheiten - um solche geht es in materieller Hinsicht im vorliegenden Beschwerdefall - nicht "civil rights" betreffen (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 1475 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 14. Dezember 1998

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1994170094.X00

Im RIS seit

07.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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