TE Vwgh Beschluss 2019/7/22 Ra 2019/01/0184

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.07.2019
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweinzer, über die Revision des A I N, in W, vertreten durch Mag. Christian Kühteubl, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Neunkirchner Straße 34, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. April 2019, Zl. W144 1435390- 3/10E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 1. April 2019 wurde dem Revisionswerber, einem afghanischen Staatsangehörigen, in der Sache der mit Erkenntnis des BVwG vom 21. Juli 2015 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) von Amts wegen aberkannt, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan festgestellt und eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise gesetzt. Zudem sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 5 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, die vom BVwG im angefochtenen Erkenntnis vertretene Rechtsauffassung, subsidiärer Schutz sei nicht bei realer Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführenden Verletzung von Art. 3 EMRK zu gewähren, weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. 6 Diesem Vorbringen fehlt bereits insofern die Relevanz, als das BVwG seine Entscheidung nicht tragend auf diese Rechtsansicht sondern vielmehr auf das Bestehen einer zumutbaren innerstaatlichen Schutzalternative für den Revisionswerber etwa in den Städten Herat und Mazar-e Sharif gestützt hat. Beruht ein angefochtenes Erkenntnis aber auf einer tragfähigen Alternativbegründung und wird im Zusammenhang damit - wie im vorliegenden Fall - keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 B-VG aufgezeigt, so ist die Revision unzulässig (vgl. etwa VwGH 13.12.2017, Ra 2017/01/0310 bis 0314, mwN).

7 Soweit der Revisionswerber seinem Zulässigkeitsvorbringen eine ihm nach seiner Ansicht im Falle seiner Rückführung in sein Heimatland drohende Verletzung des Rechtes nach Art. 3 EMRK unterstellt, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen nicht revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 29.4.2019, Ra 2019/01/0142, mwN).

8 Mit dem bloßen, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogenen Hinweis, das BVwG habe die absolute Wirkung des Refoulmentverbots nach Art. 3 EMRK in Frage gestellt, vermag die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung fallbezogen keine derartigen Umstände darzulegen (vgl. im Übrigen zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mwN).

9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Juli 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010184.L00

Im RIS seit

23.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten